European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00210.23K.0426.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Persönlichkeitsschutzrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Antrag der beklagten Partei auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung wird abgewiesen.
II. Die Revision der beklagten Partei wird teilweise, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Begehren auf Widerruf und dessen Veröffentlichung richtet, zurückgewiesen.
III. Im Übrigen wird der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die in Ansehung des aufgetragenen Widerrufs und dessen Veröffentlichung sowie der Abweisung des Feststellungsbegehrens in Rechtskraft erwachsen sind, werden hinsichtlich der Abweisung der Stufenklage bestätigt.
Hinsichtlich des (Eventual‑)Zahlungsbegehrens von insgesamt 3.000 EUR werden die Urteile im Umfang des Zuspruchs von 450 EUR bestätigt, im Umfang der Abweisung von 2.550 EUR jedoch abgeändert, sodass das Urteil – unter Einschluss des Zuspruchs – lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 3.000 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen.“
Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.299,20 EUR (darin enthalten 125 EUR an Umsatzsteuer und 549 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist der über den Kläger im Februar 2021 hereingebrochene „Shitstorm“.
[2] Der Kläger ist Polizist. Er stand im Februar 2021 bei einer Demonstration gegen Covid‑19‑Maßnahmen im Einsatz und wurde dabei fotografiert bzw gefilmt.
[3] Ein Dritter veröffentlichte das Video in einem sozialen Medium (Facebook) mit folgendem – einen Aufruf zur Beteiligung an einem Shitstorm enthaltenen – Begleittext:
„Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in I*. Ein 82 jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.“
[4] Tatsächlich war der Kläger damals (nur) Glied einer polizeilichen Absperrkette gewesen und hatte nicht an der Amtshandlung gegenüber dem 82‑jährigen Mann teilgenommen.
[5] Der Beklagte ist Medieninhaber eines Facebook‑Profils, dessen veröffentlichte Beiträge weltweit aufrufbar sind. Er erkannte auf dem Bild den Kläger als Polizisten und las auch den Text des „Ursprungspostings“, den er nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfte. Um seinem Unmut darüber Ausdruck zu verleihen, teilte der Beklagte (konkret am 22. 2. 2021) auf seinem Facebook‑Profil einen Screenshot dieses Postings. Er verbreitete und veröffentlichte damit ein Bild, das den Kläger (in Uniform) bei einem Einsatz zeigt und auf dem dieser trotz Atemschutzmaske gegen das Coronavirus SARS‑CoV‑2 erkennbar ist (samt Begleittext), und nahm dabei in Kauf, ein Bild des Klägers ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt in Umlauf zu bringen.
[6] Der Beklagte löschte den Beitrag selbst wieder. Der Beitrag war aber jedenfalls sechs Tage online. Es steht nicht fest, wie viele „Facebook‑Freunde“ der Beklagte, in der Zeit, in der sich der Beitrag auf seinem Facebook‑Profil befand, hatte; ebenso wenig dass der Beitrag auf mehr als 1.500 Facebook‑Profilen geteilt wurde.
[7] Der Kläger machte 406 Personen ausfindig, die auf ihren Facebook‑Profilen diesen Beitrag ebenfalls geteilt hatten. Unter den Postings fanden sich mehrere abschätzige Kommentare (wie beispielsweise „sicher so ein wixer der nur in da Uniform stark ist“, „Weg mit diesen scheiß Polizist“, „Psychopatischer Wixer“).
[8] Diese Kommentare empfand der Kläger als sehr herabwürdigend und beschämend. Er wurde von Freunden und von mehreren Polizeikollegen auf „das Posting“ angesprochen. Auch sein ehemaliger Postenkommandant erlangte davon Kenntnis und informierte sich bei ihm, was beim Einsatz „los gewesen“ sei. Seine Mutter wurde von verschiedenen Personen auf „das Posting“ angesprochen. Sie fragte beim Kläger wegen der Geschehnisse bei der Demonstration an. Auch seine Schwester erlangte davon Kenntnis. Generell wurde der Kläger in der Region, in der er mehrere Jahre als Polizist tätig und ins dortige gesellschaftliche Leben integriert war, von Leuten auf den Beitrag angesprochen, und zwar für die Zeit von rund einem halbem Jahr, wobei sich Erkundigungen mit der Zeit „eher immer mehr“ auf den „Verfahrensstand“ bezogen und der Kläger weniger „mit der Sache“ konfrontiert wurde.
[9] Es steht nicht fest, ob jene Personen, die den Kläger auf „das Posting“ hin ansprachen, den Beitrag auf dem Profil des Beklagten gesehen hatten.
[10] Insgesamt war die Situation für den Kläger sehr belastend. Er hatte ständig das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. Die Sachaufklärung, insbesondere Ausforschung der Personen, die den Beitrag ebenfalls teilten, kostete ihn große private Ressourcen. Er strengte mehrere Verfahren an.
[11] Der Beklagte zahlte zwar im Rahmen der Bemühungen um eine (letztlich gescheiterte) vergleichsweise Bereinigung 650 EUR (von insgesamt vom Kläger geforderten 400 EUR an Ersatz für immaterielle Schäden nach dem MedienG, dem UrhG sowie der DSGVO und 913,16 EUR an Vertretungskosten), „widerrief“ aber dann den Vergleich.
[12] Aufgrund der daraufhin erfolgten Antragstellung durch den Kläger wurde dem Beklagten im selbständigen Verfahren nach § 8a MedienG – nach Korrektur durch das zuständige Oberlandesgericht der Höhe nach – rechtskräftig eine Entschädigung nach §§ 6 Abs 1, 7a und 7b MedienG für die durch das Posting erlittene Kränkung in Höhe von 650 EUR auferlegt. Das zuständige Landesgericht sprach dabei aus, dass der Beklagte durch das Teilen des Postings den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, § 117 Abs 2 StGB verwirklicht habe, nämlich den Kläger einer Straftat, nämlich des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB als verdächtig bezeichnet und ihn insoweit als schuldig hingestellt habe.
[13] Der Kläger erhielt bereits Schadenersatzzahlungen von anderen Personen, die den Beitrag geteilt hatten, wobei deren Höhe nicht feststeht.
[14] Im vorliegenden Verfahren strebte der Kläger zunächst nicht nur hinsichtlich des Beklagten (damals: Erstbeklagter), sondern auch von einer weiteren Person (damals: Zweitbeklagter) den von jedem Beklagten schriftlich zu erklärenden Widerruf der anlässlich des Shitstorm über ihn verbreiteten (näher umschriebenen) unwahren Behauptungen (konkret nur) gegenüber sieben Personen an; dazu stellte er in eventu ein Auskunftsbegehren.
[15] Nur vom (später allein verbliebenen Erst‑)Beklagten begehrte er zudem die Feststellung des Nicht-zu-Recht-Bestehens einer Verpflichtung, bestimmte von dessen Rechtsvertreter in einem Schreiben vorprozessual geforderte Umstände bekanntzugeben (so unter anderem, „welchen Schadenersatzbetrag der Kläger in Summe zu fordern gedenke“) und Zahlung von insgesamt 2.600 EUR (damals aufgeschlüsselt [und je nach Anrechnung von 200 EUR] in 800 EUR wegen der Kränkung durch die Veröffentlichung des Lichtbilds und 1.800 EUR wegen der ideellen Nachteile aufgrund der rechtswidrigen Datenverarbeitung). Dazu brachte er vor, die (damals beiden) Beklagten seien Medieninhaber (gemeint wohl: je) eines Facebook-Profils und hätten absichtlich und in Kenntnis der Unwahrheit auf ihren Facebook-Profilen bezogen auf den Polizeieinsatz bei der Demonstration vom 20. 2. 2021 rufschädigende Tatsachenbehauptungen weltweit abrufbar zum Nachteil des Klägers veröffentlicht. Die Beklagten hafteten als Teilnehmer an einem Shitstorm gemeinsam für die Beseitigung der nachteiligen Folgen.
[16] Nach mehrfacher und umfassender Umgestaltung des Klagebegehrens (auch unter Ausdehnungen und Einschränkungen) begehrte der Kläger zuletzt (nach Fällung eines Anerkenntnisurteils gegen den Zweitbeklagten) vom (verbliebenen Erst‑)Beklagten weiterhin (1.) Widerruf (nun ohne Einschränkung auf eine Erklärung bloß gegenüber bestimmten Personen) und (jetzt auch) dessen Veröffentlichung, (2.) die zuvor genannte Feststellung, (3.) Schadenersatz in Form einer Stufenklage (Rechnungslegungs-/Auskunftsbegehren beinhaltend diverse Auskünfte verbunden mit dem Begehren, den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile, die der Kläger durch die Veröffentlichung seines Bildes samt Begleittext erlitten habe, schuldig zu erkennen, wobei die Bezifferung nach Vorliegen der Auskunft vorgenommen werde); in eventu dazu Zahlung von 1.400 EUR als angemessene Entschädigung dafür und (4.) Zahlung von 1.600 EUR „wegen rechtswidriger Datenverarbeitung“. Zum durch Verletzung von Daten- und Bildnisschutz herbeigeführten Schaden brachte er vor, der Beitrag sei auf mehr als 1.500 Facebook‑Profilen geteilt worden. Der Kläger sei auf dem Bild trotz Maske für Bekannte und jene Personen, mit denen er bereits dienstlich Kontakt gehabt hatte, erkennbar gewesen. Der gegen ihn von den Beklagten losgetretene Shitstorm habe gewaltige Ausmaße erreicht. Sein Rufschaden und seine Kränkung seien enorm. Er habe (näher dargelegte) Gefühlsbeeinträchtigungen wie Ängste, grüblerische Gedanken, Stress, ein ohnmächtiges Gefühl des Kontrollverlusts und „sonstige unangenehme Zustände“, dienstliche Diskussionen und Ansprachen erlitten. Der soziale Störwert der Veröffentlichung sei als hoch einzustufen.
[17] Der Beklagte wendete sich gegen das gesamte Klagebegehren.Er habe den selbst erhaltenen Beitrag zwar geteilt, ihn aber schon am nächsten Tag wieder gelöscht. Den genauen Text habe er nicht wahrgenommen und eine Verletzung der DSGVO oder des DSG nicht zu vertreten. Er habe nicht absichtlich, sondern äußerstenfalls und zugegebenermaßen bei Teilung des Postings fahrlässig gehandelt. Deshalb habe er schon 650 EUR gezahlt. Damit sei seine Schadenersatzpflicht zur Gänze getilgt. Der Kläger habe schon Zahlungen, auch in medienrechtlichen Verfahren, erhalten, die er sich – weil Solidarhaftung sämtlicher Personen, die das Video veröffentlicht hätten, gegeben sei – anrechnen lassen müsse. Sollte sich ein Schneeballeffekt ereignet haben, was er bestreite, so sei dies auf das Ursprungsposting zurückzuführen. Der Kläger werde nachzuweisen haben, dass und konkret zu welchem Zeitpunkt er von dritten Personen auf das Video angesprochen worden und dies auf das Posting des Beklagten zurückzuführen sei. Die Vorgehensweise des Klägers sei sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich. Gegen die vom Kläger begehrte Feststellung wendete er ein, es sei in dem Schreiben seines Rechtsvertreters keine „Rechtsberühmung im Sinne einer zivilrechtlichen Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht enthalten“ gewesen.
[18] In Reaktion auf die Behauptung des Vorliegens einer Solidar‑(zahlungs‑)schuld trat der Kläger dieser Qualifikation entgegen. Der Beklagte vermenge dabei „die Beteiligung mehrerer Personen [an] einer Schadenszufügung mit der Begehung zwar gleichartiger, aber jeweils eigenständiger und auch zeitlich auseinanderfallenden Schadenszufügungen durch verschiedene Personen“.
[19] Das Erstgericht erachtete durch das Posting Ehrenbeleidigung und Rufschädigung als bewirkt und verpflichtete den Beklagten (rechtskräftig) zum Widerruf der Behauptungen als unwahr und zur Veröffentlichung dieses Widerrufs (weltweit abrufbar) für die Dauer von einem Monat auf dessen Facebook‑Profil. Das Feststellungsbegehren und die Stufenklage wies es ab. Hinsichtlich des dadurch verbliebenen Eventualzahlungsbegehrens von 1.400 EUR wegen der Bildnisschutzverletzung nach dem Urheberrechtsgesetz und des Hauptbegehrens auf Zahlung (weiterer) 1.600 EUR wegen Verletzung des Datenschutzes sprach es dem Kläger insgesamt 450 EUR zu. Das Mehrbegehren von (insgesamt) 2.550 EUR wies es ab.
[20] Das Berufungsgericht gab der Berufung beider Parteien (der gegen die Abweisung von Stufenklage und Zahlungsbegehren durch den Kläger und jener gegen den Zuspruch von 450 EUR durch den Beklagten) nicht Folge. Es hielt fest, dass das Ersturteil im Umfang der Stattgabe des Widerrufs-, Veröffentlichungs- und Feststellungsbegehrens in Teilrechtskraft erwachsen sei. Den vom Erstgericht nach freier richterlicher Überzeugung iSd § 273 ZPO festzusetzenden Betrag – weswegen es einen Anspruch auf Rechnungslegung/Auskunft nach dem Urheberrechtsgesetz verneinte – hielt es der Höhe nach unter Anrechnung der medienrechtlichen Entschädigung zur Vermeidung einer Doppelentschädigung für richtig bemessen. Es bedürfe keiner abschließenden Prüfung, ob Solidarschuld bestehe. Da nicht feststehe, welche Zahlungen der Kläger ansonsten erhalten habe, sei damit eine (teilweise) Erfüllung einer – nicht weiter zu prüfenden – Solidarschuld jedenfalls nicht erwiesen.
[21] Den Wert des Entscheidungsgegenstands bewertete es mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision wegen des Fehlens von Rechtsprechung zur Anrechnung von in Medienverfahren und nach § 87 UrhG zugesprochenen Beträgen auf eine Entschädigung nach § 82 DSGVO für zulässig; ebenso wäre eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Frage einer allfälligen Solidarhaftung aller „Shitstorm‑Teilnehmer“ wünschenswert.
Rechtliche Beurteilung
[22] Die Revision des Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Verpflichtung zum Widerruf und dessen Veröffentlichung richtet, unzulässig. Im Umfang derBekämpfung des Zuspruchs von 450 EUR ist sie zulässig, aber nicht berechtigt.
[23] Die Revision des Klägers gegen die Abweisung der Stufenklage und des (Eventual‑)Zahlungsbegehrens von (insgesamt) 2.550 EUR ist zulässig und teilweise berechtigt.
Zu I.:
[24] Gemäß § 509 Abs 1 ZPO entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Revision grundsätzlich in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorherige mündliche Verhandlung. Die Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung steht im Ermessen des Obersten Gerichtshofs, dessen Prüfungskompetenz letztlich auf Rechtsfragen beschränkt ist (RS0043679 [T7]). Ein Recht des Revisionswerbers auf Abhaltung der von ihm beantragten Revisionsverhandlung besteht nicht (RS0043689; RS0043679). Der Beklagte zeigt nicht auf, warum eine Revisionsverhandlung der Klärung von Rechtsfragen dienlich sein sollte; Derartiges ist auch nicht erkennbar.
Zu II.:
[25] Bei der nach objektiven Auslegungskriterien vorzunehmenden Prüfung des Anfechtungsumfangs ist der gesamte Inhalt des Rechtsmittels heranzuziehen (RS0036653). Bei Divergenzen zwischen Anfechtungserklärung und Rechtsmittelantrag ist allerdings (grundsätzlich) der Rechtsmittelantrag maßgeblich (RS0043624 [T1]; RS0109506 [T7, T9]).
[26] Der Beklagte beantragt in der Revision, „die Klage“ abzuweisen, und in eventu ausdrücklich, „das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Beklagte keinen Widerruf des 'Posts' vornehmen und auch keinen weiteren Betrag von 450 EUR bezahlen muss“. Im Berufungsverfahren bekämpfte er das Ersturteil aber (auch auf Basis eines Berufungsinteresses von bloß 450 EUR) dezidiert nur hinsichtlich „Punkt 2.“ und erklärte ausdrücklich, das Urteil bleibe „im Übrigen unbekämpft“ (also auch hinsichtlich des Widerrufs und dessen Veröffentlichung nach Punkt 1.). Er beantragte auch allein die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger 450 EUR zu zahlen, abgewiesen werde.
[27] In jenem Umfang, in dem das Urteil des Erstgerichts nicht bereits Gegenstand der Anfechtung in der Berufung war – hier also im Umfang von Widerruf samt Veröffentlichung (und Feststellungsbegehren) –, ist es infolge sachlicher Abtrennbarkeit von den übrigen Punkten des Urteilsspruchs (vgl RS0041347; RS0007269) durch Eintritt der Teilrechtskraft unüberprüfbar geworden und kann nicht mehr Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren sein (RS0041355).
[28] Der – formal erfolgten – Bekämpfung in der Revision steht (abgesehen vom Fehlen von Argumenten gegen die Entscheidung schon) die insoweit eingetretene Teilrechtskraft entgegen.
[29] III.1. Gegenstand der inhaltlichen Befassung mit den in Beschwerde gezogenen Begehren können demnach nur Stufenklage und (Eventual‑)Zahlungsbegehren sein, wie sie Gegenstand der Entscheidung des Berufungsverfahrens waren.
[30] Kern des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob und in welchem Umfang der Beklagte als am Shitstorm teilnehmender einzelner Poster für den eingetretenen Schaden ersatzpflichtig ist. Über die Beschäftigung mit diesen Fragen hinaus macht der Beklagte Nichtigkeit, Unzulässigkeit des Rechtswegs, fehlende Aktivlegitimation, Aktenwidrigkeit, unrichtige Tatsachenfeststellung sowie unrichtige Beweiswürdigung geltend.
[31] Auf diese sich thematisch nicht mit der Argumentation in der Revision des Klägers überschneidenden Punkte wird vorweg gesondert eingegangen.
III.2. Nichtigkeit und Unzulässigkeit des Rechtswegs:
[32] Diese vom Beklagten in Anspruch genommenen Revisionsgründe liegen nicht vor. Der Beklagte stützt sich dafür auf Rechtsmissbrauch sowie „das Doppelverfolgungsverbot“ bzw „das Verbot der Kumulation von Strafen“. Er meint, er sei im Strafverfahren freigesprochen worden, aber dennoch in einem Medienverfahren „'strafrechtlich' verfolgt und zu einer Geldstrafe verurteilt worden“.
[33] Es trifft zu, dass der Kläger noch in der offenen Probezeit (nach vorläufiger Einstellung zur diversionellen Erledigung nach § 203 StPO) die Ermächtigung zur Strafverfolgung zurückzog, um seine zivilrechtlichen Ansprüche im medienrechtlichen Entschädigungsverfahren geltend zu machen. Wenn es im hier zu beurteilenden Zivilprozess aber – allein – um immateriellen Schadenersatz wegen Verletzung des Bildnis- und Datenschutzes geht, ist nicht nachvollziehbar, worauf seine Argumentation zu einer „Kumulation von Strafen“ abzielt. Prozessgegenstand ist der Ausgleich für einen erlittenen immateriellen Schaden, nicht eine Strafverhängung. Auch eine angebliche (und hier nicht gegebene) Rechtsmissbräuchlichkeit zöge Nichtigkeit des Verfahrens nicht nach sich.
III.3. Aktivlegitimation:
[34] Ebenso unverständlich ist der Vorhalt, der Kläger sei nicht klagslegitimiert, weil nur die Dienstbehörde zuständig sein soll, eine „allfällige Verletzung von Rechten des Klägers“ geltend zu machen. Sowohl der vom Urheberrechtsgesetz gewährte Bildnisschutz als auch die Bestimmungen über den Datenschutz sind Persönlichkeitsrechte (4 Ob 51/12x [ErwGr 2.]; RS0077106; RS0078013 [T5]; 6 Ob 236/23h [Rz 32]). Sie verbriefen der betroffenen Person höchstpersönlich zustehende Rechte (RS0067196; RS0031766; zur Aktivlegitimation des Betroffenen bei Datenschutzverletzung siehe Bisset/Dallinger, Rechtsbehelfe und Sanktionen nach der DSGVO [Stand 26. 3. 2024, Lexis Briefings in lexis360.at]; zu jener des Abgebildeten siehe Feltl, UrhG Praxiskommentar [2023] § 78 UrhG Rz 11). Der Kläger ist (als „betroffene Person“ und) in Ausübung seiner (eigenen) Persönlichkeitsrechte selbstredend befugt, eine Entschädigung für den Schaden, den er aufgrund einer rechtswidrigen Verwendung seines Abbilds und seiner personenbezogenen Daten erlitten hat, zu fordern.
III.4. Aktenwidrigkeit, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung:
[35] Eine vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht relevierte (und auch gar nicht vorliegende) Aktenwidrigkeit des Erstgerichts, die darin liegen soll, dass der Kläger (doch) an „der Amtshandlung“ teilgenommen habe (weil die Bildung der Absperrkette Teil „der Amtshandlung“ gewesen sei), kann im Revisionsverfahren nicht nachgetragen werden (RS0041773). Dass oder warum nicht diesem, sondern dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit unterlaufen sein sollte, stellt der Beklagte nicht dar. Ganz abgesehen davon, dass im Revisionsverfahren die Beweiswürdigung und die darauf gegründeten Feststellungen der Vorinstanzen nicht mehr anfechtbar sind (RS0069246 [T1]; RS0043371 [T22]; RS0043414 [T11]), hat der Beklagte seine Berufung allein auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt und die Tatsachengrundlage (als Ganzes) schon im Berufungsverfahren nicht angegriffen. Ohne auf die Frage einzugehen, was unter „einer“ bzw „der“ Amtshandlung zu verstehen ist und wie weit dieser Begriff hier zu sehen wäre, ist allein – und insoweit unstrittig – relevant, dass der Kläger an dem in Kritik gezogenen Zu‑Boden‑Reissen, Verhaften und stundenlangen Verhören eines 82‑jährigen nicht beteiligt war. Warum der Beklagte in der Revision plötzlich meint, von einem „richtigen Tatsachensubstrat“ des Postings ausgehen zu können, bleibt unerklärlich.
III.5. Datenschutz und Bildnisschutz:
[36] Damit ist auf die Hauptfrage des Verfahrens, inwieweit aufgrund eines Shitstorm im Internet unter Verletzung von Daten- und Bildnisschutz Ersatz für immateriellen Schaden zusteht, einzugehen. Angemerkt sei, dass sich der Kläger nicht auf § 16 ECG („Schadenersatz bei Hass im Netz“) idF des DSA‑Begleitgesetzes (BGBl I 2023/182) stützen konnte und diese Bestimmung auf den vorliegenden Fall auch nicht anzuwenden ist (siehe § 28 Abs 5 ECG [„auf Fälle anzuwenden, in denen die verletzende Handlung nach dem 16. Februar 2024 gesetzt wurde“]).
[37] III.5.1. Datenschutz wird durch die Bestimmungen der DSGVO und des Datenschutzgesetzes abgesichert. Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 DSG gewährleistet jedem den Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.
[38] Unzweifelhaft handelt es sich bei einem (Digital‑)Foto, auf dem die Person erkennbar ist (Hödl in Knyrim, DatKomm [25. Lfg 2019] Rz 16), nach den Legaldefinitionen in Art 4 Z 1 DSGVO und § 36 Abs 2 Z 1 DSG um „personenbezogene Daten“ (siehe auch 6 Ob 206/23x [Rz 7] zum „äußeren Erscheinungsbild einer Person“; RS0132655; Anderl/Woltran in Zankl, Rechtshandbuch der Digitalisierung [2021] Rz 20.130).
[39] Dass eine Verwendung der personenbezogenen Daten des Klägers rechtens gewesen wäre, behauptet auch der Beklagte – zutreffend – nicht (mehr). Er stellt auch nicht in Abrede, dass nach § 78 Abs 1 UrhG Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitetet werden dürfen, wenn dadurch – wie hier – berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden.
[40] Mit dem Bedeutungsinhalt des Postings, ein Polizeibeamter habe einen Amtsmissbrauch begangen bzw völlig unangebrachte Gewalt ausgeübt, wurde dem Kläger durch die (unter rechtswidriger Verwendung personenbezogener Daten und seines Abbilds samt Begleittext erfolgte) Veröffentlichung ein unehrenhaftes und gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten unterstellt, das geeignet ist, ihn in der (breiten) öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, und somit eine Äußerung verbreitet, die den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt (§ 111 Abs 1 und 2 StGB; zur Bindung der Zivilgerichte an die rechtskräftige Entscheidung nach dem MedienG auch hinsichtlich der rechtlichen Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand siehe RS0043494).
III.5.2. Immaterieller Schadenersatz aufgrund von Verstößen gegen Daten- und Bildnisschutz:
[41] Bildnisschutz nach dem Urheberrechtsgesetz (§ 78) und die Bestimmungen über den Datenschutz umfassen (auch) den Schutz vor den mit dem Verstoß einhergehenden Beeinträchtigungen in Form der Herabsetzung (vgl zum Bildnisschutz [Ansehen und Ruf] 4 Ob 281/98x; Schutz der Ehre Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht [21. Lfg 2019] § 87 Rz 16; RS0078088 [T26]). Für den Bereich des Datenschutzes ergibt sich dies schon aus den Erwägungsgründen zur DSGVO. Es ist anerkannt, dass eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten neben einem physischen, materiellen, auch einen immateriellen Schaden nach sich ziehen kann (vgl zur möglichen Folge einer Rufschädigung bzw eines erheblichen gesellschaftlichen Nachteils für die betroffene natürliche Person ErwGr 75, 85). Ausdrücklich gewähren Art 82 DSGVO und § 29 Abs 1 DSG „immateriellen Schadenersatz“ für die nachteiligen ideellen Folgen einer Datenschutzverletzung; ebenso § 87 Abs 2 UrhG für jene einer Bildnisschutzverletzung („Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile“).
[42] Für Schadenersatz bei Verletzung des Bildnisschutzes fordert die Rechtsprechung eine erlittene Kränkung, die über den mit jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger hinausgeht. Eine Entschädigung wird nur bei einer – hier zweifelsohne vorliegenden – ernsten Beeinträchtigung des Verletzten, die den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen natürlichen Ärger überschreitet, zuerkannt („empfindliche“ oder „schwere Kränkung“ RS0077369 [T7]; RS0078172; 1 Ob 230/18g; vgl im Übrigen auch § 1328a ABGB und § 16 ECG zu „erheblichen“ Verletzungen bzw einer „erheblichen“ Ehrenbeleidigung).
[43] Für Schadenersatz nach der DSGVO besteht dagegen keine „Bagatellgrenze“ oder Erheblichkeitsschwelle (siehe dazu die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union [EuGH] vom 4. 5. 2023, C‑300/21 , UI/Post AG [Rn 45 ff];14. 12. 2023, C‑456/22 , VX, AT/Gemeinde Ummendorf [Rn 16 ff]; 14. 12. 2023, C‑340/21 , VB/Natsionalna agentsia za pfihodite [Rn 78]). Insoweit ist auch für niederschwelligere, aus der Rechtsverletzung resultierende Gefühlsbeeinträchtigungen wie Ängste, Stress oder Leidenszustände aufgrund einer erfolgten oder auch nur drohenden Bloßstellung, Diskriminierung oder Ähnlichem Ersatz zu leisten (vgl 6 Ob 35/21x Beschluss vom 15. 4. 2021 [Rz 21]).
III.5.3. Kausalität:
[44] III.5.3.1. (Auch) Schadenersatz nach der DSGVO setzt aber (wie dies auch nach den Grundsätzen des österreichischen Rechts für Ersatz nach §§ 78, 87 UrhG der Fall ist) nicht nur einen schuldhaft (zumindest in Form der leichten Fahrlässigkeit Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht [21. Lfg 2019] § 87 Rz 15; Thiele/Wagner, DSG2 [2022] § 29 Rz 14) begangenen Verstoß gegen die jeweiligen Rechtsvorschriften und den Eintritt eines Schadens voraus. Es muss zwischen Verstoß und eingetretenem Schaden auch ein Kausalzusammenhang gegeben sein (vgl EuGH C‑300/21 [Rn 32, 36 f]; 21. 12. 2023, C‑667/21 , ZQ/Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Nordrhein, Körperschaft des öffentlichen Rechts [Rn 82]).
[45] III.5.3.2. Der Beklagte bezweifelt in der Revision eine Schadensverursachung durch ihn – und damit den Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem beim Kläger eingetretenen Schaden –, wenn er ausführt, es sei nicht einmal sicher, „dass auch nur eine einzige Person den konkreten 'Post' des Beklagten gesehen hat“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten „K*-Facebookseiten unabhängig [von ihm] den 'Post' ebenfalls weiterverbreitet. Der Kläger beruft sich dagegen zur Kausalität des Verhaltens des Beklagten für den Eintritt des von ihm erlittenen Schadens auf einen Anscheinsbeweis.
III.5.3.3. Shitstorm:
[46] Der Kläger bezeichnet das ihm widerfahrene Ereignis zutreffend als „Shitstorm“ und umschreibt es bildhaft mit den Worten „Steinigung im Zeitalter der digitalen Revolution“. Unter „Shitstorm“ wird ein „Sturm der Entrüstung im virtuellen Raum“ mit zum Teil beleidigenden Äußerungen gegen eine Person verstanden (so zum „Shitstorm“ Gabler, Wirtschaftslexikon, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/shitstorm ). Ein Shitstorm entsteht durch das Zusammenwirken vieler Menschen (Anderl/Woltran in Zankl, Rechtshandbuch der Digitalisierung [2021] Rz 20.19 [viele user]). Erst bei Beteiligung einer für den Betroffenen zumeist nicht oder jedenfalls nicht exakt erfassbaren Menge an Teilnehmenden kann von einer „massenhaften, im Internet geäußerten Empörung“ (wiktionary, https://de.wiktionary.org/ wiki/Shitstorm) gesprochen werden. Darin liegt auch die besondere (geballte) Wucht eines solchen Ereignisses, weil das Ziel des Shitstorm nicht bloß von einer Person, sondern „hagelartig“ von vielen Menschen in Form einer zumeist anonymen Masse angegriffen wird.
[47] Dass sich ein solches Ereignis im vorliegenden Fall abgespielt hat, sich am Sturm der Entrüstung also eine – wenn auch zahlenmäßig nicht genau fassbare – Vielzahl an Facebook-Usern beteiligt hat, steht aufgrund der schon nach außen hin gegenüber dem Kläger und seinem Umfeld ad personam in Erscheinung getretenen Reaktionen sowie aufgrund des Umstands, dass der Kläger selbst 406 Personen, die sich daran beteiligt haben, ausfindig machen konnte, fest.
[48] Wesentlicher Kern für die Beurteilung ist, dass ein einzelner einen Shitstorm allenfalls „lostreten“, ihn mitverursachen oder daran teilnehmen kann – alleine bewirken kann er ihn nicht. Die Schlagkraft einer solchen Vorgehensweise liegt gerade erst in der öffentlichen Schmähung durch viele Personen, die vom Opfer als ungerechte Verurteilung durch die „Allgemeinheit“ erlebt wird.
[49] III.5.3.4. Die Frage zweifelhafter Verursachung eines Schadens bei mehreren rechtswidrig und schuldhaft Handelnden war bereits öfter und in unterschiedlichen Konstellationen Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.
[50] In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dann, wenn Handlungen oder Unterlassungen mehrerer Personen, die je für sich als voller Haftungsgrund geeignet sind, als Schadensursache in Frage kommen, ohne dass feststellbar ist, wer von ihnen den Schaden tatsächlich verursacht hat, jeder (bloß) potentielle Täter aufgrund „alternativer Kausalität“ für „den Schaden“ haftet. Weil in den Fällen alternativer Kausalität die Haftung an die (bloß) potentielle Verursachung der in Betracht kommenden Schädiger geknüpft wird, wird für den Nachweis der Kausalität (nur) gefordert, dass die einzelnen Täter jeweils in hohem Maß konkret gefährlich für den Schadenseintritt gehandelt haben. Ihr Verhalten muss für den Schadenseintritt in höchstem Grad adäquat gewesen sein (1 Ob 63/11p [ErwGr 2.1.]). Jeder der potentiellen Schädiger muss ein Verhalten gesetzt haben, das bis auf den strikten Nachweis der Ursächlichkeit alle haftungsbegründenden Elemente enthält (RS0022721). Dann haben die Schädiger, und zwar jeder von ihnen, das Unaufklärbarkeitsrisiko zu tragen, nicht der Geschädigte (vgl RS0022712).
[51] Während den Fällen „alternativer Kausalität“ zugrundeliegt, dass (nur) erweislich ist, dass jede von mehreren möglichen (weil konkret gefährlichen) Handlungen für sich den (ganzen) Schaden (oder einen bestimmten Schadensteil) herbeigeführt haben könnte, aber nur eine von diesen in Frage kommenden Ursachen den Schaden tatsächlich (allein oder einen abgrenzbaren Teilschaden davon) verursacht hat und nicht geklärt werden kann, welche dieser Ursachen sich real verwirklicht hat (RS0022721), liegt der Fall bei der sogenannten „kumulativen Kausalität“ (die ebenfalls zur Haftung mehrerer Schädiger führt) insofern anders, als dabei jeder Schädiger eine reale (und gleichzeitig wirksam werdende) Ursache gesetzt hat und jede Ursache für sich allein den (ganzen) Schaden herbeigeführt hätte (und nicht wie bei der alternativen Kausalität bloß „herbeiführen hätte können“; RS0022729; RS0092078). Der Schädiger kann sich dann nicht darauf zurückziehen, der Schaden wäre ohnehin durch die Tätigkeit eines anderen Schädigers entstanden (6 Ob 164/20s [ErwGr 3.3.]), die eigene schädliche Handlung sei also nicht conditio sine qua non für den Eintritt des Schadens gewesen. Im Gegenteil ist richtigerweise auch diese Konstellation zu Lasten der Schädiger und unter dem (umgekehrten) Blickwinkel so zu lösen, dass das einzelne Verhalten der Schädiger jeweils den Schaden ausgelöst hätte, auch wenn es an der anderen Ursache gefehlt hätte (vgl 6 Ob 163/05x).
[52] Für die Verursachung eines Schadens erst durch das Zusammenwirken mehrerer Schadensbeiträge wurde der Begriff „summierte Einwirkungen“ geprägt. Mehrere Ereignisse (Ursachen) können dabei einen Schaden nicht für sich allein genommen, sondern nur durch ihr Zusammenwirken herbeiführen (4 Ob 75/08w [ErwGr 1.3.]; RS0123611). Die besonderen Verursachungsprobleme summierter Einwirkungen bei einer Mehrheit von Schädigern wurden bisher insbesondere im Zusammenhang mit der nachbarrechtlichen Haftung bei summierten Immissionen diskutiert (3 Ob 591/87). Beispielsweise wird bei von mehreren Schädigern emittierten Schadstoffen, die je für sich allein noch nicht die eingetretene Schädigung eines Dritten bewirkt hätten, jedoch in ihrem Zusammenwirken zu einem bestimmten Gesamtschaden führen, eine Haftung (und zwar in sinngemäßer Anwendung des § 1302 ABGB Solidarhaftung; vgl RS0010538) aller Verursacher für diesen Schaden bejaht, weil jeder Schädiger eine conditio sine qua non für den (nicht abgrenzbaren) Gesamtschaden gesetzt hat (3 Ob 591/87; 4 Ob 75/08w [ErwGr 1.4.]).
[53] III.5.3.5. Fraglos hat jeder Teilnehmer durch Teilen des Postings mit anderen (seinen Freunden und/oder der „Weltöffentlichkeit“) selbst eine Datenschutz- und eine Bildnisschutzverletzung begangen. Insoweit besteht auch kein Zweifel an der Verursachung eines konkret darauf bezogenen ideellen Schadens des Klägers, soweit sich dieser in seinem Umfang konkret fassen ließe.
[54] Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt aber nun darin, dass ein Shitstorm als solcher – wie erwähnt – erst durch die Beteiligung mehrerer – in aller Regel zumindest fahrlässig handelnder – Schädiger zustande kommt und einen anderen Schaden bewirkt, als er durch die Schmähung eines Einzelnen hervorgerufen wird, erlebt doch – wie schon erwähnt – die betroffene Person eine Verurteilung (scheinbar) durch die „Öffentlichkeit“ und nicht (bloß), dass sich ein Einzelner zu Unrecht gegen sie wendet. Dieser Umstand löst über die tatsächlich wahrgenommenen (ausgeforschten oder an die Person herangetragenen) negativen Reaktionen oder Konfrontationen (mit dem Drang oder gar Zwang zur Rechtfertigung) samt den damit verbundenen Kränkungen hinaus zusätzliche Ängste aus. Es ist damit nämlich auch die Sorge über das (noch unbekannte und vielleicht auch bis zuletzt ungewiss bleibende) Ausmaß der Verbreitung verbunden und wiederum damit die Furcht des Betroffenen vor (vielleicht dann doch gar nicht im befürchteten Ausmaß eintretenden) zukünftigen Anwürfen, wie sie erst durch die Massivität der vielfach verbreiteten Entrüstung (durch das Zusammenwirken) hervorgerufen werden kann.
[55] Der die Kausalität für den durch einen Shitstorm hervorgerufene Schaden verneinende Standpunkt des Beklagten läuft darauf hinaus, dass der einzelne Täter bei einer Vielzahl an Schädigern keinen Ersatz leisten müsste, wenn die konkrete Verursachung des Schadens (oder Anteils daran) durch ihn nicht lückenlos aufgeklärt wird. Der einzelne Schädiger (und damit in Konsequenz jeder Schädiger – also alle Poster) sollen sich deshalb aus der Haftung nehmen können, weil „der Schaden“ in (nahezu) gleicher Weise eingetreten wäre, wenn man sich das Agieren jedes einzelnen Schädigers für sich wegdächte. Dies hätte folgende Konsequenz: Je mehr Schädiger sich an der Herbeiführung des Schadens beteiligten, umso weniger hafteten sie alle, wiewohl die Wirkung eines Shitstorm umso heftiger und negativ beeindruckender ausfällt, je mehr Menschen daran teilnehmen.
[56] Richtig mag zwar sein, dass die Aufklärung der konkreten Verursachung eines bestimmten Schadens durch einen einzelnen Beitrag umso schwieriger wird, je mehr sich am (damit intensiver werdenden) Shitstorm beteiligen. Diese Unaufklärbarkeit führt aber nicht zur Entlastung der einzelnen Täter.
[57] Im vorliegenden Fall stand die abträgliche Äußerung zudem nicht für sich. Mit dem Teilen von Bild und Text wurde nicht nur die üble Nachrede verbreitet, sondern auch der Aufruf zur Weiterverbreitung („Lasst … um die Welt gehen“). Wer sich an einem solchen Shitstorm beteiligt, muss damit rechnen, dass nicht nur das eigene (an „Freunde“) verbreitete Posting dazu führt, dass ein Leser des Beitrags den Kläger als Bekannten identifiziert oder auch nur aufgrund des Bildes wiedererkennt und mit negativen Reaktionen auf ihn zutritt. Er muss auch damit kalkulieren, dass sich diese Wirkung insbesondere durch den Aufruf zur Weiterverbreitung (und dessen Befolgung) vervielfacht und verdichtet, führen doch Repostings zumindest zu einer höheren Aufmerksamkeit (vgl zur Gefahr, dass im Internet verbreitete Hassnachrichten mehrfach verbreitet werden und sich gegenseitig verstärken, etwa auch ErläutRV 2309 BlgNR 27. GP 27 [zum Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz – HiNBG]).
[58] Die Handlungen der Poster treten dabei zum Teil in einer Kette (als hintereinanderliegend und einander auslösend [Poster „A“ leitet an „B“ weiter und dieser an „C“ usw]), zum Teil aber auch nebeneinanderliegend auf (Poster „A“ leitet an „B“, „C“ und „D“ weiter; „C“ erhält ein Posting von „A“ und kurz danach von „B“ usw). Die Postings können (insbesondere bei Repostings) in einer Gesamtbetrachtung nicht als losgelöst voneinander verstanden werden, sondern als gemeinsam wirksam und einander auch wechselseitig beeinflussend. Das Verhalten der das „Ursprungsposting“ teilenden Schädiger kann daher hinsichtlich der Verursachung auch nicht – streng getrennt – als nur im Sinne von alternativer oder kumulativer Kausalität gegeben oder als summierte Einwirkungen (in dem Sinn, dass schon bei Wegfall einer der Ursachen der [Gesamt‑]Schaden nicht entstünde; vgl 1 Ob 126/21t [ErwGr 3.5.]) eingeordnet werden, sondern es ist als teilweise „gemischt“ und diese Kategorien „überschneidend“ zu erfassen. Die mit einem Shitstorm im Regelfall einhergehende Unaufklärbarkeit der Verursachung einzelner Folgen durch das konkrete (Re‑)Posting hat (auch in einem solchen Fall) nach der wertenden Betrachtung im Schadenersatzrecht der Schädiger zu tragen.
[59] III.5.3.6. Zusammenfassend kommt es für die Bejahung der Kausalität (und damit der Haftung) des einzelnen (rechtswidrig und schuldhaft handelnden) Posters nicht darauf an, ob der Kläger bei jeder von ihm erlittenen Gefühlsbeeinträchtigung, der ihm bekanntgewordenen Konfrontationen oder der Reaktionen die konkrete „Quelle“ der herabsetzenden Äußerung in Bezug auf den in Anspruch genommenen einzelnen Poster als deren (direkte oder indirekte) Ursache benennen und nachweisen kann (was typischerweise nicht der Fall sein wird). Setzen alle (wohl im Regelfall zumindest fahrlässig und damit schuldhaft handelnden) Poster des Shitstorm ein – konkret gefährliches und daher mit dem Kausalitätsverdacht belastetes – Fehlverhalten, das bis auf den strikten Nachweis der Ursächlichkeit (des gesamten aufgetretenen Schadens) alle haftungsbegründenden Elemente enthielt (vgl 2 Ob 206/16g; 3 Ob 30/22g: RS0022721), ist das Unaufklärbarkeitsrisiko von ihnen und nicht vom Geschädigten zu tragen (vgl RS0022712).
[60] III.5.3.7. Für das Teilen des Postings bei weltweiter Abrufbarkeit gilt dies schon deshalb, weil potentiell jedermann das konkrete (einzelne) Posting gelesen haben und theoretisch alle weiteren Reaktionen (und somit abhängig vom Zeitpunkt der Verbreitung der gesamte ab diesem Zeitpunkt eingetretene Schaden) darauf zurückgeführt werden könnten. Insoweit liegt „konkret gefährliches Handeln“ für den ab dem Posting eingetretenen Schaden vor.
[61] Letztlich kann dies aber auch bei eingeschränktem Empfängerkreis nicht anders gesehen werden. Auch bei Weiterverbreitung eines Posts nur in seinem Empfängerkreis treten die Handlungen – wie schon erörtert – nicht völlig losgelöst nebeneinander, sondern beeinflussen einander wechselseitig. Jede einzelne schädigende Handlung in Form der Weiterverbreitung verursacht zwar jeweils für sich bereits einen Schaden (eine Datenschutzverletzung und eine Bildnisschutzverletzung, mit der uno actu eine Herabsetzung der Person verbunden ist). Es ist aber die Entwicklung des (Gesamt‑)Schadens – wie auch die des Shitstorm – gerade nicht linear. Vielmehr eröffnet jede der schädigenden Handlungen in Kombination mit dem Aufruf zur Weiterverbreitung „im Netzwerk“ des jeweiligen Schädigers ein weiteres Verbreitungs- und somit Schadenspotenzial. Die Schadensentwicklung ist damit potenziell exponentiell. Für solche Fälle, in denen eine quantitativ nicht abschließend feststellbare Zahl qualitativ gleichgelagerter Handlungen, die einander wechselseitig verstärken, vorliegt, ist gerade aufgrund der besonderen Wechselwirkung der Handlungen zueinander der Bejahung der Mitverursachung und – wie sogleich noch erörtert wird – der damit eng zusammenhängenden Solidarhaftung für den gesamten Schaden gemäß § 1302 ABGB (analog) der Vorzug zu geben.
III.5.4. Solidarhaftung:
[62] III.5.4.1. Zu Beginn des Verfahrens zielte der Kläger offenbar selbst (noch) auf Solidarhaftung ab, zumal er in der Klage vorbrachte, die (damals: beiden) Beklagten hafteten als Teilnehmer eines Shitstorm gemeinsam für die Beseitigung der dem Kläger entstandenen nachteiligen Folgen, denn sie hätten sich entschlossen, den Ruf des Klägers unter Einsatz des Mediums Facebook zu ruinieren. Sie hätten beabsichtigt, dem Kläger größtmöglich zu schaden (siehe auch deutlich: „Jedenfalls bei Vorliegen der hier unstrittigen Mittäterschaft am Shitstorm ist gemeinsame Haftung aller Täter zu bejahen“ [Klagsvorbringen]). Dagegen betonte der Kläger nach Qualifikation der zu leistenden Geldschuld durch den Beklagten als eine Solidarschuld, welche der Kläger ablehnt, dass es um „eigenständige“ und „zeitlich auseinanderfallende“ Schadenszufügungen gehe. Im Rechtsmittelverfahren steht er (insoweit noch deutlicher) auf dem (im Vergleich zum Verfahrensbeginn gegenteiligen) Standpunkt, Teilnehmer eines Shitstorm seien Einzeltäter, keine Mittäter, woraus sich offenbar die Verneinung einer Solidarhaftung ableiten lassen soll.
[63] Vorweg sei dem Kläger schon an dieser Stelle – soweit er sich dafür auf den Beschluss zu 6 Ob 168/21f stützt – entgegengehalten, dass seine Auffassung, diesem Beschluss sei zu entnehmen, Schadenersatzleistungen anderer Schädiger seien für die Bemessung der Entschädigung durch einen einzelnen Schädiger irrelevant, nicht nachvollzogen werden kann. Dieser Beschluss erging im Rechtsmittelverfahren betreffend die Zurückweisung der Klage (im vorliegenden Verfahren und nur) gegen den Zweitbeklagten. Die Ausführungen in Erwägungsgrund 3.2. bezogen sich allein auf das Widerrufsbegehren. Es wurde dem Kläger erläutert, dass die (damals zwei) Beklagten für den Anspruch auf Widerruf nicht solidarisch haften, weil jeder von ihnen allein zum Widerruf verpflichtet ist und der Widerruf durch einen der Beklagten den anderen nicht von seiner Leistungspflicht befreit (Feststellung und Zahlung betrafen [in damaliger Form] nur den [Erst‑]Beklagten). Ausdrücklich betonte der Senat damals, dass, wenn die Beklagten (nach dem Vorbringen) aus demselben tatsächlichen Grund verpflichtet sind (und daher schon aus diesem Grund materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO vorliegt), die Frage, ob sie darüber hinaus auch solidarisch haften, für die Zuständigkeit nach § 93 JN ebenso wenig eine Rolle spielt wie für die Erfüllung des Tatbestands des § 11 Z 1 ZPO, weil nach beiden Bestimmungen ausreicht, dass eines der Tatbestandsmerkmale des § 11 Z 1 ZPO erfüllt wird (ErwGr 3.4.).
[64] Auch auf die zum Mediengesetz vertretene Auslegung, wonach jeweils eine eigene (Einzel‑)Entschädigung „pro abgeschlossener medialer Einheit“ zusteht (Rami in Höpfel/Ratz, WK² MedienG [2019] Vor §§ 6–7c Rz 6), ist nicht zurückzugreifen, verweist doch schon § 29 Abs 2 DSG darauf, dass für den Schadenersatzanspruch „im Einzelnen“ (also für die Frage von Anteils- oder Solidarhaftung) die „allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts“ gelten.
[65] III.5.4.2. Ob bei mehreren Tätern jeder für den ganzen Schaden (Solidarhaftung) oder nur einen Teil davon haftet, regeln die §§ 1301 und 1302 ABGB. Wesentlich sind der Grad des Verschuldens und die Bestimmbarkeit der Anteile am Schaden.
[66] Nach § 1301 ABGB können mehrere Personen für einen widerrechtlich zugefügten Schaden verantwortlich werden, in dem sie „gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen udgl oder auch nur durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben“. „Alle für einen“ haften die Täter, wenn „der Schade vorsätzlich zugefügt worden ist“ (§ 1302 ABGB)
[67] Gemeinschaftlichkeit iSd § 1301 ABGB kann schon dann vorliegen, wenn zwischen den Tätern kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben ist, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgt (RS0109824; vgl auch RS0112574; RS0109825 [Einvernehmen über die Begehung einer rechtswidrigen, für den eingetretenen Schaden konkret gefährlichen Handlung genügt]). Nur in den Fällen, in denen sich die mangelnde – auch bloß psychische – Kausalität des Verhaltens des in Anspruch genommenen „Mittäters“ eindeutig nachweisen lässt, wird die Haftung nach §§ 1301, 1302 ABGB ausgeschlossen (2 Ob 97/16b [Punkt 4.]: gemeinsame Schwarzfahrt; 5 Ob 34/17m; 1 Ob 178/18k [ErwGr 2.1. f]).
[68] Mehrere Schädiger (und zwar auch [nur] fahrlässig handelnde Nebentäter) haften solidarisch, wenn sich die „Anteile“ nicht bestimmen lassen (§ 1302 Satz 2 ABGB; vgl dazu, dass die Beteiligung an der Kausalkette bei Herbeiführung eines einheitlichen Schadens genügt, RS0026610 [T2]).
[69] Wenn in den zuvor geschilderten Fällen alternativer Kausalität (die ja überhaupt nur vorliegt, wenn sich nicht klären lässt, welche Ursache sich tatsächlich verwirklicht hat) und kumulativer Kausalität das Unaufklärbarkeitsrisiko hinsichtlich der Schadensverursachung den Schädigern angelastet wird, ist die sich daraus ergebende Konsequenz der Solidarhaftung aller Täter für den ganzen Schaden (1 Ob 126/21t [Rz 26]; 6 Ob 137/20w [ErwGr 2.3.]) nur denklogisch. Warum nämlich einerseits davon auszugehen sein sollte, jeder hätte den ganzen Schaden verursacht, dann aber der einzelne Schädiger andererseits dafür nur im Ausmaß eines Anteils einstehen sollte (womit der Geschädigte insoweit das Liquiditätsrisiko dieses Schädigers zu tragen hätte), wäre gänzlich unnachvollziehbar. Schadenersatz erhält ja der dadurch Geschädigte trotz der solidarischen Haftung mehrerer Schädiger letztlich immer nur einmal (in voller Höhe).
[70] Die Gesamthaftung aller Schädiger, bei denen Kausalität zu bejahen ist, besteht jedoch nur für jene Schadensteile, bezüglich derer alle Beteiligten mit dem Kausalitätsverdacht belastet sind (RS0022712 [T4]). Dass jeder Schädiger für den ganzen Schaden haftet, wird bei (teilweise) kumulativer, alternativer Kausalität bzw bei summierten Einwirkungen sehr häufig der Fall sein, ist aber angesichts der Vielgestaltigkeit von Schadensentstehung und ‑entwicklung nicht immer zwingend oder für jeden Anteil des (Gesamt‑)Schadens.
[71] Für den Fall, dass die Schadensbeiträge von mehreren, unabhängig von einander agierenden Schädigern einander nicht beeinflussen, sondern (schlicht) addieren („lineare Schadenssteigerung“), wird dagegen vertreten, dass jeder der Täter gemäß § 1302 ABGB nur für den verursachten Anteil haften soll (4 Ob 75/08w [ErwGr 1.4.]; Koziol Haftpflichtrecht I4 B/2/125 [Stand 1. 4. 2020, rdb.at]).
[72] III.5.4.3. Der Umstand, dass die Poster jeweils eine eigene Daten- und Bildnisschutzverletzung begangen haben, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch das Wechselspiel von Verursachung in Kausalketten und gleichzeitig wirksamen Paralleleffekten ein Gesamtschaden verursacht wurde, der sich bei der hier gegebenen Sachlage regelmäßig nichtin begrenzt bewertbare Einzelschäden zerteilen lässt. Auch der Kläger selbst bemühte für die Berechtigung seines Ersatzanspruchs wohl deshalb nur die Schilderung des insgesamt eingetretenen Effekts des „Shitstorm“ als solchen. Er legte schon in der Klage den eingetretenen Gesamtschaden, niemals aber einen durch den konkreten Beklagten verursachten (besonderen und abgrenzbaren) Teilschaden dar und betont auch in der Revision – zu Recht – die erlittene (Gesamt‑)Kränkung, Ungewissheit und Gefährdung seiner Person durch „die Veröffentlichung“.
[73] III.5.4.4. Eine Teilbarkeit des Schadens konnten damit weder der Beklagte (der sich bloß auf einen fehlenden Nachweis der Zurechnung zu seinem Handeln bezog) noch der Kläger darlegen oder gar nachweisen. Für die Frage der – schon deswegen zu bejahenden – Gesamthaftung ist damit in diesem Rechtsstreit auf den Grad des Verschuldens (ob vorsätzliches Handeln iSv § 1302 ABGB vorlag) nicht (mehr) einzugehen.
[74] Es ist vom Geschädigten nicht mehr abzuverlangen, als dass er behauptet und belegt, Opfer eines Shitstorm (an dem sich der konkret belangte Schädiger rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat) zu sein (oder gewesen zu sein). Aufgrund der Unaufklärbarkeit der Schadensanteile des einzelnen Posters kann er im Regelfall berechtigt den (unteilbaren) Gesamtschaden von einem Schädiger fordern.
[75] III.5.4.5. Fraglich könnte allenfalls sein, ob es zu einer Aufteilung des Ersatzes für den durch einen Shitstorm verursachten Schaden in Anwendung der (bei „Demonstrationsschäden“ von der Lehre angewendeten) „minimalen Kausalität“ kommen kann – also doch nicht der ganze (mit dem Kausalitätsverdacht belastete) Schaden vom einzelnen Schädiger verlangt werden kann. Dabei geht es im Schwergewicht (weniger um ein Kausalitätsproblem, als) um den Versuch einer Haftungsbegrenzung (Schadensteilung nach Anteilen F. Bydlinski,Schadensverursachung [1964] 111 bzw „für den gleichen Bruchteil“ [und damit wohl nach Köpfen] Rabl/Herndl in Rabl/Herndl/Riedler Schuldrecht7 [2021] BT Rz 13/63).
[76] Minimale Kausalität – also „Haftungsaufteilung“ – soll für den Fall der Herbeiführung eines Schadens gelten, der zwar einerseits durch viele Personen, von denen aber andererseits kein einzelner den gesamten Schaden verursacht, sondern im Gegenteil jeder jeweils nur einen sehr geringfügigen Tatbeitrag (einen kaum messbaren Teil bzw „unmerklichen“ Beitrag zum Schaden F. Bydlinski aaO 110) geleistet hat (s Karner in KBB7 § 1302 Rz 11; Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.09 § 1302 Rz 64; Koziol, Haftpflichtrecht I4 [2020] B/2/120 ff [Solidarhaftung aber jedenfalls bei vorsätzlichem und gemeinschaftlichen Handeln bejahend]; auch F. Bydlinski [aaO 110] geht davon aus, dass [bei Streikschäden] die Streikaufforderung „zweifellos schadenskausal“ ist).
[77] Von einem bloß minimalen Tatbeitrag zum Schaden, der „geringfügig oder gleich Null“ (Reischauer in Rummel, ABGB3 [2007] § 1302 Rz 16) ist, kann aber (anders als in dem von Schacherreiter [aaO Rz 65] gewählten Beispiel des Fehlens einer unmittelbaren physischen Beteiligung an der schadensstiftenden Handlung [bei Demonstrationsschäden]) hier nicht gesprochen werden. Die (rechtswidrig und schuldhaft handelnden) Poster – so auch der Beklagte – waren durch das Teilen von Bild samt Begleittext aktiv tätig und haben sich darüber hinaus nicht nur an der Verbreitung per se beteiligt, sondern sie haben auch zur Weiterverbreitung, also zum Shitstorm, (mit‑)aufgerufen.
[78] Von den Auswirkungen her betrachtet liegt weder ein Fall bloß abgegrenzt linear aufsummierbarer (und als gleichgewichtet anzusehender) (Einzel‑)Schadensbeiträge vor noch sind sie als „unmerklich“ einzustufen.
[79] Es ist zudem nicht ersichtlich, warum es – abseits einer ungefähren (größenordnungsmäßigen) Darstellung des gesamten Schadens als durch einen Shitstorm hervorgerufen – dem Opfer des Shitstorm auferlegt sein sollte, die Anzahl der Teilnehmer (als „Divisor“) für die Bemessung des Schadens zu eruieren oder warum der Geschädigte mit dem Liquiditätsrisiko belastet sein sollte.
[80] III.5.4.6. Wer sich an einem Shitstorm beteiligt, muss damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer (vorweg) leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen muss. Die Schädiger – konkret jeder, der über den ihm im Verhältnis zu den anderen Schädigern zukommenden Anteil am Schaden hinaus geleistet hat – sind dann damit belastet, untereinander im Wege des § 896 ABGB Regress zu nehmen (siehe RS0017514). Das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen Schädigern) und die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, ist damit im Wesentlichen auf die Schädiger verlagert. Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche „Freunde“ sie den Beitrag weitergeleitet haben, können auch ungleich leichter die Anzahl der Schädiger eruieren und den Schaden im Regressweg untereinander aufteilen.
[81] III.5.4.7. Dies entspricht im Übrigen sogar dem in der Berufung vom Beklagten selbst vertretenen Standpunkt, wonach es für einen „zahlenden Teilnehmer“ des Shitstorm wenn er sich regressieren wolle, „in Zeiten des Internets offenbar nicht sehr schwer [sei] herauszufinden [...], wer hier noch beteiligt war“.
[82] Dagegen kann der Kläger nicht schlüssig darlegen, warum Solidarhaftung wegen „der Anonymität“ denkunmöglich sein sollte. Solidarhaftung, wie sie sich auch aus der einer Entscheidung beigegebenen Begründung ergeben kann (vgl 3 Ob 202/17b), bedeutet nämlich (nur und zu seinen Gunsten), dass der Geschädigte den gesamten Schaden von einem (der ihm bekannten) bzw jedem Schädiger begehren kann (nicht muss), und zwar solange und soweit, bis er den Ausgleich für den gesamten Schaden auch tatsächlich erlangt hat (vgl RS0017435). Erst, wenn er den gesamten Schaden (von welchem Schädiger auch immer) tatsächlich erhalten hat (vgl RS0017345; RS0017310), kann (und braucht er auch) die Heranziehung weiterer Schädiger zur Abdeckung des Schadens nicht (mehr). Insoweit der Kläger in der Revision die Formulierung, die „Mehrfachtäterschaft rechtfertigt keine Minderung“ verwendet, missversteht er, dass Solidarhaftung eben nicht zur (wie er meint) „Privilegierung des einzelnen Schädigers“ führt.
III.5.5. Konkretes Begehren:
[83] Der Kläger hat den Ersatz für den ihm entstandenen Schaden erkennbar in Einzelbeträge zerlegt. Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist (6 Ob 43/24b [in eventu 2.550 EUR]; 6 Ob 30/24s [2.500 EUR]; 6 Ob 58/24h [2.000 EUR]) begehrt der Kläger (offenbar über zuerkannte Entschädigungen nach dem MedienG hinaus [jedenfalls] rund) 2.000 EUR pro Schädiger und geht damit – selbst bei äußerst vorsichtiger Einschätzung – von einem Gesamtschaden von mehr als 800.000 EUR aus.
[84] Er bemaß im hier zu prüfenden Verfahren (zuletzt) den Ausgleich für die (einzelne) Datenschutzverletzung mit 2.000 EUR, zog davon 200 EUR aufgrund der vom Beklagten geleisteten Zahlung (von gesamt 650 EUR) ab und rechnete sich selbst 400 EUR von der zuerkannten medienrechtlichen Entschädigung (in Höhe von 650 EUR) darauf an, sodass er vom Beklagten 1.600 EUR dafür fordert. Seinen auf die Bildnisschutzverletzung gegründeten Anspruch verfolgt der Kläger (vorrangig und als Hauptbegehren) mit Stufenklage (Begehren auf Verpflichtung des Beklagten zur umfassenden Auskunft [Datum der Löschung des Postings, Name und ladungsfähige Anschrift der in der Zeit der Veröffentlichung mit dem Facebook‑Profil des Beklagten verbundenen Medieninhaber sowie deren Domainnamen] und daran anschließend Verpflichtung des Beklagten zur Leistung einer „angemessenen Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile, die der Kläger durch die Veröffentlichung seines zuvor genannten Bildes samt Bildbegleittext erlitten hat, wobei die genaue Bezifferung nach Vorliegen der Auskunft vorgenommen wird“). Nur in eventu begehrt er für diesen Schaden Zahlung in Höhe von 1.400 EUR.
III.5.6. Zur Stufenklage:
[85] III.5.6.1. In der Revision kritisiert der Kläger, das Berufungsgericht habe anlässlich der Bestätigung der Abweisung seines „Rechnungslegungsanspruchs“ bzw seines „Auskunftsbegehrens“ durch das Erstgericht die Wertungen des HiNBG (BGBl I 2020/148; insbesondere unter Verweis auf § 8 Abs 1 MedienG) bei Auslegung von § 87a Abs 1 UrhG nicht ausreichend beachtet. Es habe nach § 87a Abs 1 UrhG derjenige, der „nach diesem Gesetz zur Leistung eines angemessenen Entgelts verpflichtet ist […], dem Anspruchsberechtigten Rechnung zu legen und darüber hinaus über alle weiteren zur Rechtsverfolgung erforderlichen Umstände Auskunft zu erteilen“. Das Auskunftsbegehren solle klären, bei welchen Gruppen und wie vielen Endnutzern die Rufschädigung stattgefunden habe und wie lange der Beitrag verfügbar gewesen sei.
[86] III.5.6.2. Die bloße Verletzung des Bildnisschutzes nach § 78 UrhG begründet aber keinen Anspruch auf „angemessenes Entgelt“, zu dessen Durchsetzung die Rechnungslegung nach § 87a Abs 1 UrhG verlangt werden könnte (4 Ob 237/02k; vgl auch 4 Ob 33/21p [Rz 26]). Es erfolgt die Bemessung von immateriellem Schadenersatz nach § 87 Abs 2 UrhG, der bei Verletzung des Bildnisschutzes gebühren mag (welcher Ersatz aber nicht „angemessenes Entgelt“ nach § 86 UrhG ist) nicht im Wege der Rechnungslegung (vgl A. Kodek in Handig/Hofmarcher/ Kucsko, urheber.recht3 [2023] § 78 UrhG Rz 114 [teleologische Reduktion]; Schachter in Handig/Hofmarcher/ Kucsko, urheber.recht3 § 87a UrhG Rz 17), sondern im Wege des § 273 ZPO (so schon 4 Ob 133/89; 4 Ob 52/94 und die herrschende Lehre: A. Kodek in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 [2023] § 78 UrhG Rz 112 FN 251; Schachter in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 § 87a UrhG Rz 17 FN 41; Nageler-Petritz in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 § 87 UrhG Rz 40; ders, Zur Höhe des immateriellen Schadenersatzes bei [ungerechtfertigter] Bildveröffentlichung in Medien, MR 2021, 279 [279 f]; Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht [21. Lfg 2019] § 87 Rz 22; Görg in Görg/Feltl, UrhG [2023] § 87 Rz 16).
[87] Die vom Kläger geforderte Berücksichtigung des „Ausmaßes der Verbreitung des Mediums, bei Websites auch der Zahl der Endnutzer“ (in Anlehnung an die Wertungen von § 8 Abs 1 MedienG) erfolgt ohnehin bei der Schadensbemessung nach § 273 ZPO, zumal dabei alle Verfahrensergebnisse zu berücksichtigen sind, insbesondere Verschuldensgrad, Dauer und Intensität der Verletzung, Art der Veröffentlichung und ihre Reichweite (Nageler‑Petritz, MR 2021, 279 [280]; ders in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 [2023] § 87 UrhG Rz 40 jeweils mit Beispielen aus der Rechtsprechung; siehe auch Guggenbichler aaO § 87 Rz 22). Dieser Umstand begründet aber für sich keinen Auskunftsanspruch und noch weniger einen Rechnungslegungsanspruch.
[88] Die in der Revision des Klägers relevierte „zusätzliche Anspruchsgrundlage“ für das Auskunftsbegehren nach Art 15 Abs 1 lit a bis g DSGVO, die er im Verfahren erster Instanz als solche gar nie benannte und womit er sich auch in der Revision nicht weiter befasst, hat er, soweit dies dem Vorbringen des Klägers zu einem vormals gestellten Begehren entnommen werden könnte, mit seinen letzten Modifikationen fallengelassen. Der Vorwurf, obwohl er schon in der Klage ein Auskunftsbegehren gestellt habe (Anm: dort ohne Angabe einer Rechtsgrundlage und als ein Eventualbegehren zum Widerrufsbegehren), sei das Berufungsgericht auf diese „zusätzliche Anspruchsgrundlage“ (die aber eben nur auf die Bezifferung des für die Bildnisveröffentlichung geltend gemachten Schadenersatzes gerichtet war) nicht eingegangen, geht demnach fehl.
III.5.7. Zum (Eventual‑)Zahlungsbegehren:
[89] III.5.7.1. Zu prüfen ist für die Berechtigung des Zahlungsanspruchs, ob Anspruchskonkurrenz besteht, ob im Gesamtschaden, den der Kläger erlitten hat, die hier begehrten Forderungen Deckung finden und inwieweit bereits erhaltene Leistungen anzurechnen sind.
III.5.7.2. Anspruchskonkurrenz und Anrechnung:
[90] Sowohl § 78 iVm § 87 UrhG als auch Art 82 DSGVO iVm § 29 Abs 1 DSG und ebenso §§ 6 ff MedienG gewähren – wie schon unter ErwGr III.5.2. dargestellt – Ersatz für immateriellen Schaden. Mit dem Posting wurde – was der Beklagte auch gar nicht bestreitet – in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, und zwar in dessen Recht auf Daten- und Bildnisschutz. Das Schwergewicht des Schadens liegt aber zweifelsohne in denselben Verletzungen, sei es, dass man sie als empfindliche Kränkung, die über den mit jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger hinausgeht (Guggenbichler aaO § 87 Rz 16), oder als durch die Datenschutzverletzung hervorgerufene (hier erhebliche) persönliche Beeinträchtigung (Thiele/Wagner, DSG2 [2022] § 29 Rz 91) bezeichnet. Entschädigung für „Kränkung“ sieht (auch) der medienrechtliche Schutz vor (vgl zum Schutz vor übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung § 6 MedienG; zum Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen § 7a MedienG und zum Schutz der Unschuldsvermutung § 7b MedienG).
[91] III.5.7.3. Dass zwischen den Ansprüchen aus §§ 78, 87 UrhG und den §§ 6 ff MedienG keine Spezialität besteht, ist bereits geklärt (4 Ob 287/97b; siehe auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I4 [2020] Rz E/4; [keine Derogation] RS0110486). Im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird in der Literatur von einer „Anrechnung“ der im Medienverfahren für die erlittene Kränkung zugesprochenen Beträge auf den Anspruch nach dem Urheberrechtsgesetz ausgegangen (4 Ob 287/97b SZ 71/131; 4 Ob 153/11w [ErwGr 2.1. f]; Rami in Höpfel/Ratz, WK2 MedienG Vor §§ 6–7c Rz 9; Görg in Görg/Feltl, UrhG [2023] § 87 Rz 15; Berka in Berka/Heindl/ Höhne/Koukal, MedienG4 [2019] Vorbemerkungen §§ 6–8a Rz 54).
[92] Die gebotene Anrechnung ist ein Mittel, die Konkurrenz zwischen den Ansprüchen zu entschärfen (RS0110487) und erfüllt einen mit der Konsumtion deckungsgleicher Ansprüche vergleichbaren Zweck. Sie stellt sicher, dass keine Mehrfachinanspruchnahme erfolgt. Tatsächlich läge kein Rechtsgrund für jene Leistungen vor, die in Erfüllung desselben Leistungszwecks doppelt erbracht würden (dazu ausführlich 4 Ob 287/97b).
[93] III.5.7.4. Anderes kann auch für den Ersatz nach Art 82 Abs 1 DSGVO iVm § 29 DSG (sowohl im Verhältnis zur Entschädigung nach dem Mediengesetz als auch zum Ersatz für die in keinem Vermögensnachteil bestehenden Nachteile nach dem Bildnisschutz) nicht gelten, zumal es auch insoweit um den (zwar) vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden (nach dem Schutzgut von § 7a MedienG etwa um den Schaden, der durch die Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen gewährt wird) geht, nicht aber um die Verhängung von Strafschadenersatz, hat doch auch der Schadenersatz nach der DSGVO (und nach dem DSG) nur Ausgleichs-, aber keine abschreckende oder sogar Straffunktion. Der Ersatz darf daher nicht in einer Höhe bemessen werden, die über den vollständigen Ersatz hinausgeht (EuGH C‑300/21 [Rz 57 f]; C‑667/21 [Rn 84, 86]).
[94] III.5.7.5. Die Argumentation des Klägers dazu, dass keine Anrechnung zu erfolgen habe, weil ein Anspruchsberechtigter, der Ersatz zuerst im Wege eines Zivilprozesses und erst danach im Verfahren nach dem Mediengesetz verfolge, nach letzterem jedenfalls einen Mindestbetrag zu erhalten habe, ist hypothetisch und kann nicht zur Außerachtlassung des Grundsatzes im Schadenersatzrecht, dass keine über den vollständigen Ersatz für den erlittenen Schaden hinausgehende Leistung zuzuerkennen ist, führen. Soweit der Ersatz denselben Schaden abdecken soll, hat eine volle Anrechnung zu erfolgen.
[95] III.5.7.6. Das Schwergewicht des eingetretenen Schadens liegt hier in der – im Wege einer Bildnisschutzverletzung, einer Verletzung des Datenschutzes und mittels der Verletzung der im Mediengesetz in §§ 6, 7a und 7b verankerten Schutzgüter – bewirkten Schädigung des Rufs des Klägers, dessen Kränkung und der dadurch bewirkten Ängste und Sorgen. Der Kläger hat neben den (wegen des Fehlens einer Erheblichkeitsschwelle leichter nachzuweisenden) Voraussetzungen für Schadenersatz nach der DSGVO auch die Anspruchsberechtigung nach dem Urheberrechtsgesetz bewiesen, nämlich, dass er in der Öffentlichkeit (wofür schon eine Mehrzahl genügt: A. Kodek in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 [2023] § 78 UrhG Rz 19) eine objektivierbare erhebliche schwere Kränkung (auch in Form der derben, herabsetzenden Kommentare) erlitten hat (vgl für Ersatz nach dem UrhG 4 Ob 281/98x). Eine genaue Zuordnung einzelner Teile der Entschädigung auf einzelne Ansprüche je nach DSGVO, DSG, UrhG und MedienG ist im vorliegenden Fall – soweit überhaupt möglich – nicht notwendig, weil das Klagebegehren auch bei voller Anrechnung berechtigt ist.
III.5.8. Zur Berechtigung des Zahlungsbegehrens:
[96] III.5.8.1. Der EuGH führt selbst aus, er habe „entschieden, dass, da die DSGVO keine Bestimmung enthält, die sich den Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes widmet, der aufgrund des in Art 82 dieser Verordnung verankerten Schadenersatzanspruchs geschuldet wird, die nationalen Gerichte zu diesem Zweck nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden haben, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden, wie sie von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs definiert werden“ (EuGH C‑667/21 [Rn 83] unter Verweis auf C‑300/21 [Rn 53, 54 und 59]). Klargestellt ist dazu seinerseits aber doch, dass Art 82 DSGVO nicht verlangt, dass die Schwere des Verstoßes (der Grad des Verschuldens) bei der Bemessung des als Entschädigung für immateriellen Schadenersatz gewährten Betrags berücksichtigt wird. Es geht vielmehr um einen (bereits zuvor erwähnten) „vollständigen Ausgleich des erlittenen Schadens“ (EuGH C‑667/21 [Rn 102 f]). Der Begriff des immateriellen Schadens nach der DSGVO ist wegen des Ziels der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus zwar weit zu verstehen und umfasst auch die – begründete (EuGH 25. 1. 2024, C‑687/21 , BL/MediaMarktSaturn ua [Rn 67]) – Befürchtung, personenbezogene Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden (C‑687/21 [Rn 65]). Ein „rein hypothetisches Risiko der Verwendung“ kann dagegen nicht zu Ersatz führen (C‑687/21 [Rn 68]).
[97] III.5.8.2. Die Bemessung des Schadens hat somit – für die Datenschutzverletzung innerhalb der vom EuGH aufgezeigten Grenzen – nach nationalem Recht gemäß § 273 ZPO (wie auch im Bereich des Bildnisschutzes) zu erfolgen.
[98] Der Kläger begehrt insgesamt 3.000 EUR. Er erhielt vom Beklagten bereits 650 EUR und – wie durch das bereits beim Obersten Gerichtshof gegenüber einem anderen Poster anhängige Verfahren bekannt (6 Ob 43/24b) – weitere 550 EUR. Daneben verfügt er bereits über einen Titel über 650 EUR gegen den Beklagten. Am Beklagten wäre es gelegen, einen darüber hinausgehenden bereits erfolgten Ausgleich (des Gesamtschadens) nachzuweisen. Mit dem Zuspruch von (weiteren) 3.000 EUR erhält der Kläger aber (bei Zahlung) insgesamt nicht einmal 5.000 EUR. Dass der gesamte Zahlungsanspruch der Höhe nach – neben den bereits erhaltenen Beträgen auch unter Einschluss des im Verfahren nach dem Mediengesetz erwirkten Titels und ohne dass der Gesamtschaden im vorliegenden Fall betraglich genau festgelegt werden müsste – berechtigt ist, ist angesichts der Schwere der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe (wurde ihm doch zu Unrecht unterstellt, einen Amtsmissbrauch begangen bzw völlig unangebrachte Gewalt angewendet zu haben), der Massivität des vielfachen „Angriffs“ in Form der öffentlichen Anprangerung und des dadurch in Form eines Shitstorm herbeigeführten und einhergegangenen Belastungen unzweifelhaft.
[99] III.6. Der Anregung des Beklagten, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, weil die Behandlung eines Shitstorm „eine Grundfrage des Binnenmarkts“ betreffen soll, ist nicht zu folgen, zumal es (nur) um Ausgleich des Schadens und (gerade) nicht um eine „Umgehung“ des „Doppelverfolgungsverbots“ durch „ein nationales Rechtssystem“ geht und auch nicht um ein „Sanktionsverfahren“, das durch eine „Vielzahl von Einzelverfahren“ ins „Unermessliche aufkumuliert“.
III.7. Kostenentscheidung:
[100] III.7.1. Zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz wird auf die jüngere Judikatur verwiesen, wonach in komplexen Verfahren die Kostenentscheidung der ersten Instanz aufgetragen werden kann (RS0124588 [T13]; 1 Ob 119/14b; 3 Ob 213/22b; 6 Ob 236/23h). Es sind wegen der anfänglichen Beteiligung zweier Beklagter und der Modifikationen des Klagebegehrens mit Ausdehnungen und Einschränkungen mehrere Verfahrensabschnitte zu bilden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eingehender Berechnungen. Zudem wurden umfangreich Einwendungen erhoben.
III.7.2. Rechtsmittelverfahren:
[101] Der Kläger obsiegte im Verfahren über Berufung und Revision des Beklagten zur Gänze. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 41 iVm § 50 ZPO. Allerdings betrug die Bemessungsgrundlage 450 EUR. Es steht im Berufungsverfahren nur der dreifache Einheitssatz zu. Entgegen der – gänzlich nicht nachvollziehbaren Verzeichnung von 15 % – gebührt kein Streitgenossenzuschlag. Im Revisionsverfahren wies der Kläger zutreffend darauf hin, dass das Ersturteil hinsichtlich des Widerrufs nicht bekämpft worden war und bereits in Rechtskraft erwachsen ist. Die verzeichneten Kosten im Verfahren dritter Instanz stehen daher (mit Ausnahme des Streitgenossenzuschlags) zur Gänze zu. Dies ergibt einen Ersatz von 1.119,60 EUR (darin enthalten 186,60 EUR an Umsatzsteuer).
[102] Im Verfahren über Berufung und Revision des Klägers beruht die Kostenentscheidung auf § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO. Er hat nur teilweise – im Umfang von rund 40 % – obsiegt. Es steht ihm in diesem Umfang der Ersatz der Pauschalgebühr (244 EUR und 305 EUR; insgesamt 549 EUR) zu (das Revisionsinteresse lag richtigerweise [bei Berücksichtigung des bereits erfolgten Zuspruchs von 450 EUR] unter 7.000 EUR). Dem Beklagten steht insoweit der Ersatz von einem Fünftel der Kosten für Berufungs- und Revisionsbeantwortung zu (369,40 EUR [darin enthalten 61,57 EUR an Umsatzsteuer]).
[103] Dies ergibt einen vom Beklagten zu leistenden Kostenersatz von 750,20 EUR (darin enthalten 125 EUR an Umsatzsteuer) zuzüglich 549 EUR an Barauslagen.
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