OGH 1Ob178/18k

OGH1Ob178/18k17.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I***** S*****, und 2. F***** S*****, beide vertreten durch die Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wiener Neustadt, gegen die beklagten Parteien 1. M***** P*****, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in Baden, 2. D***** L*****, vertreten durch Dr. Martin Hembach, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, und 3. M***** H*****, vertreten durch Dr. Michael Tröthandl und Mag. Christina Juritsch, Rechtsanwälte in Baden, wegen 9.089,30 EUR sA, über die Revision der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2018, GZ 11 R 34/18b‑87, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 8. Jänner 2018, GZ 25 Cg 22/17h‑75, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00178.18K.1017.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die drittbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 914,50 EUR (darin enthalten 152,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Gegenüber dem Erst‑ und dem Zweitbeklagten wurde der Klage bereits rechtskräftig stattgegeben.

Die beiden Kläger begehren zuletzt 9.089,30 EUR sA an Schadenersatz mit dem wesentlichen Vorbringen, dass die Beklagten am 31. 12. 2013 unsachgemäß gemeinsam Silvesterraketen abgefeuert hätten. Durch eine dieser Raketen sei eine in ihrem Eigentum befindliche Thujenhecke in Vollbrand gesetzt und zur Gänze zerstört worden. Die von den Beklagten abgeschossene Rakete sei kausal für das Brandgeschehen gewesen.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, dass nicht sie die Thujenhecke der Kläger durch Feuerwerksraketen in Brand gesetzt hätten.

Das Erstgericht wies – für das Revisionsverfahren von Relevanz – das Zahlungsbegehren gegenüber dem Drittbeklagten ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger statt und änderte das erstinstanzliche Urteil gegenüber dem Drittbeklagten im klagestattgebenden Sinn ab. Es erklärte gemäß § 508 Abs 3 ZPO die ordentliche Revision nachträglich für zulässig, weil „im Hinblick auf unzählige alljährliche private Silvesterfeuerwerke die … Rechtsfrage einer Solidarhaftung der daran beteiligten Personen („Raketenabschießer“) für einen dadurch eingetretenen Schaden am Nachbargrundstück über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinaus Bedeutung ... im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO“ habe.

Die dagegen erhobene Revision des Drittbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Bei den verwendeten Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 handelt es sich um Feuerwerkskörper, die eine geringe Gefahr darstellen, einen geringen Lärmpegel besitzen und zur Verwendung in abgegrenzten Bereichen im Freien vorgesehen sind (§ 11 Z 2 Pyrotechnikgesetz 2010, BGBl I 2009/131 idgF; kurz: PyroTG 2010). Gemäß § 38 Abs 1 PyroTG 2010 ist die Verwendung pyrotechnischer Gegenstände der Kategorie F2 im Ortsgebiet verboten, es sei denn, sie erfolgt im Rahmen einer gemäß § 28 Abs 4 oder § 32 Abs 4 leg cit zulässigen Mitverwendung, die durch eine Verordnung des Bürgermeisters gestattet wird. Eine solche Mitverwendung nach vorangegangener behördlicher Bewilligung liegt unstrittig nicht vor. Dass der Bürgermeister der Stadt mit Verordnung bestimmte Teile des Ortsgebiets von diesem Verbot ausgenommen hätte, wurde weder behauptet, noch finden sich dafür Anhaltspunkte.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass § 38 Abs 1 PyroTG 2010 ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB sei, das auch Personen‑ und Sachschäden vorzubeugen suche (vgl allgemein schon zum Pyrotechnikgesetz 1974: 6 Ob 81/98z), und die Beklagten durch das Abschießen der Feuerwerkskörper im Ortsgebiet einer größeren Stadt gegen diese Schutznorm verstoßen hätten, sodass ihr Einvernehmen, gemeinsam Feuerwerksraketen der Kategorie F2 einzusetzen, rechtswidrig gewesen sei, ist nicht zu beanstanden und wird vom Drittbeklagten auch nicht in Frage gestellt.

2.1. Die Haftung mehrerer Täter regeln die §§ 1301 und 1302 ABGB. Nach § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, „indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen udgl oder auch nur durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben“. Nach § 1302 ABGB haften in einem solchen Falle, wenn die Beschädigung vorsätzlich zugefügt worden ist – oder sich die Anteile an der Beschädigung nicht bestimmen lassen –, alle für einen und einer für alle.

2.2. § 1302 ABGB stellt zwar bei der Anordnung der Solidarhaftung trotz Bestimmbarkeit der Anteile auf die vorsätzliche Mittäterschaft ab. Die Solidarhaftung ist aber nach der Rechtsprechung auch schon dann gerechtfertigt, wenn zwar kein gemeinschaftlicher Schädigungsvorsatz bestand, zwischen den mehreren Personen aber Einvernehmen über die Begehung einer rechtswidrigen Handlung herrschte und diese Handlung für den eingetretenen Schaden konkret gefährlich war (RIS‑Justiz RS0109825). Gemeinschaftlichkeit im Sinn des § 1301 ABGB kann also auch dann vorliegen, wenn zwischen den Tätern kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben ist, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgt (RIS‑Justiz RS0109824). Der Vorsatz im Sinn des § 1302 Satz 2 ABGB braucht sich also nicht auf den vollen Schadenserfolg zu erstrecken, sondern muss nur auf eine Rechtsverletzung oder Schädigung gerichtet sein, um die Haftung auch für (weitere) daraus entspringende Schäden zu begründen. Der Vorwurf, vorsätzlich gemeinsam ein unerlaubtes Ziel verfolgt zu haben, rechtfertigt es, alle Beteiligten zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen (RIS‑Justiz RS0112574). Nur in den Fällen, in denen sich die mangelnde – auch bloß psychische – Kausalität des Verhaltens des in Anspruch genommenen „Mittäters“ eindeutig nachweisen lässt, wird die Haftung nach den §§ 1301, 1302 ABGB ausgeschlossen (2 Ob 97/16b [Punkt 4.]: gemeinsame Schwarzfahrt; 5 Ob 34/17m).

2.3. Die Anwendung dieser vom Obersten Gerichtshof zur Haftung von Mittätern entwickelten Grundsätze im Einzelfall bildet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (5 Ob 34/17m; 9 Ob 52/18i). Das betrifft auch die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, welches innerhalb einer Gruppe gesetzte Verhalten eine Solidarhaftung begründen kann. Anderes würde im Interesse der Rechtssicherheit nur gelten, wenn dem Berufungsgericht eine Überschreitung seines Beurteilungsspielraums unterlaufen wäre. Das ist hier aber nicht der Fall.

3. Nach Motivation durch den Erstbeklagten kamen alle drei Beklagten gemeinsam überein, im Ortsgebiet – trotz gesetzlichen Verbots – Feuerwerkskörper der Kategorie F2 zu zünden. Zwischen ihnen bestand Einvernehmen über die gemeinsame Durchführung dieser rechtswidrigen Handlung, wobei – so das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung – das Abfeuern eines im Ortsgebiet aus guten Gründen grundsätzlich verbotenen Feuerwerkskörpers der Kategorie F2 für den eingetretenen Schaden auch konkret gefährlich war. Der Drittbeklagte nahm zwar den „Abschuss“ der Rakete, die zum Brand führte, nicht selbst vor, sondern schoss unmittelbar zuvor einen Feuerwerkskörper in den Himmel. Dass er am gemeinsamen Zusammenwirken nicht teilnahm, steht aber gerade nicht fest. Einer der Beklagten hatte den Sechser‑Träger an leeren Bierflaschen in den Garten mitgenommen, auch wenn ungeklärt blieb, wer von ihnen.

Nach der nicht korrekturbedürftigen Rechtsansicht des Berufungsgerichts leistete der Drittbeklagte durch das einverständliche gemeinsame Vorgehen einen psychischen Tatbeitrag; für die Kausalität genüge auch vermutete psychische Kausalität. Der Drittbeklagte habe den Entlastungsbeweis, dass er die Tat nicht beeinflusst habe, sich sein Beitrag also nicht ausgewirkt habe, weder angetreten noch erbracht. Dass die beiden anderen den Feuerwerkskörper auch ohne seinen Beitrag abgefeuert und den Schaden herbeigeführt hätten, stehe gerade nicht fest. Vielmehr habe jeder der drei Beklagten einen „verbotenen Raketenabschuss“ vorgenommen, wobei bei der Ausführung durch den Zweitbeklagten zumindest eine Bierflasche im instabilen Sechser‑Träger teilweise umgekippt sei. Der Brand/Schaden sei nicht durch ein von einzelnen Gruppenmitgliedern jeweils für sich und unabhängig vom gemeinsamen Vorhaben gesetztes Verhalten entstanden, sodass der Drittbeklagte auch solidarisch mit den weiteren Beklagten für den eingetretenen Schaden hafte. Diese Beurteilung ist unbedenklich.

4. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Kläger haben auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).

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