OGH 8Ob130/23k

OGH8Ob130/23k22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Schuldners Dipl.‑Ing. M* H*, Masseverwalter: Dr. Franz Josef Hofer, Rechtsanwalt in Friesach, wegen Verteilung einer Sondermasse, über den Rekurs der Pfandgläubigerin R* eG, *, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Gernot Murko und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 2. Oktober 2023, GZ 32 R 6/23m‑107, mit dem über Rekurs des Erwerbers (Sondermassegläubigers) MMag. C* M*, vertreten durch Dr. Michael Voitle, Rechtsanwalt in Knittelfeld, der Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 21. Februar 2023, GZ 19 S 5/21w‑101, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00130.23K.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekursbeantwortung des Erwerbers wird zurückgewiesen.

Die Rekurswerberin hat ihre Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. 2. 2021 wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, ihm die Eigenverwaltung entzogen und Dr. Franz Josef Hofer zum Masseverwalter bestellt.

[2] Der Schuldner war Alleineigentümer der Liegenschaften EZ 8, 115 und 116 je GB *, auf denen simultan jeweils eine Höchstbetragshypothek der Pfandgläubigerin von 2.220.000 EUR lastete. Mit gerichtlich genehmigten Kaufverträgen vom 13. und 14. 1. 2022 wurden die Liegenschaften samt den darauf befindlichen Häusern, Stall‑ und Nebengebäuden sowie Almhaus um insgesamt 1.551.000 EUR freihändig an den Erwerber verkauft. Der ua die EZ 115 samt dem darauf befindlichen Almhaus betreffende Kaufvertrag lautet auszugsweise:

IV. Übergabe und Übernahme

Die tatsächliche Übergabe und Übernahme des Kaufgegenstandes samt Übergabe der Objektschlüssel erfolgt mit dem Vorliegen der insolvenzgerichtlichen Genehmigung des Kaufvertrages bei vollständigem Kaufpreiserlag am Treuhandkonto. Die dem Insolvenzverwalter vorliegenden (bau‑)behördlichen Bescheide und Objektspläne wurden dem Verkäufer [gemeint wohl: Käufer] vor Vertragsunterfertigung übergeben.

Von diesem Zeitpunkt an gehen sohin hinsichtlich der kaufvertragsgegenständlichen Liegenschaften der Nutzen und Vorteil (inkl. allfälliger lukrierter Förderungen) sowie Last, Gefahr und Zufall, einschließlich der Haftung für fällig werdende Steuern, Betriebskosten und öffentliche Abgaben auf den Käufer über. Aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt die Verrechnung der Nutzungen und Lasten mit dem darauffolgenden Monatsersten.

[…]

V. Haftung

Dem Käufer ist der Kaufgegenstand aus eigener Anschauung genau bekannt. Er ist zudem in Kenntnis des Gutachtens von *, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, vom 27. 3. 2021, insbesondere über Ausmaß, Grenzverlauf und Beschaffenheit des Kaufgegenstandes und hat auch Kenntnis über den aktuellen Zustand aller Gebäude samt Außenanlagen und Nebengebäuden wie auch den technischen Anlagen auf den Liegenschaften. Ein gebundenes Exemplar des vorgenannten Gutachtens wurde dem Käufer im Zuge der Kaufvertragsunterfertigung ausgehändigt.

Er enthebt sohin den Verkäufer jeglicher wie immer gearteter Haftung oder Gewährleistung für Ausmaß, Zustand, Ertrag oder Verwendbarkeit des Kaufgegenstandes. [...]“

[3] Neben der Forderungsanmeldung der Hypothekargläubigerin von 1.735.123,91 EUR meldete der Erwerber 61.836 EUR als Sondermasseforderung im Verteilungsverfahren an, weil sich in der Zeit zwischen Schätzung und Übergabe im Almhaus der Liegenschaft EZ 115 ein Wasserschaden ereignet habe und ein Dritter, der offenbar Zutritt zur Liegenschaft erhalten habe, Abbrucharbeiten im Sinne von Umbauarbeiten vorgenommen habe. Es sei ein Schaden laut Anbot der S* Bau Gesellschaft mbH in Höhe des angemeldeten Betrags entstanden. Laut Auskunft des Insolvenzverwalters seien ihm diese Umstände zuvor weder bekannt gewesen noch seien die Arbeiten welcher Art auch immer in Auftrag gegeben oder genehmigt worden. Die Schäden, die nicht von einer Versicherung gedeckt seien, hätten sich noch in der Sphäre des Schuldners bzw Insolvenzverwalters realisiert.

[4] Der Insolvenzverwalter erhob Widerspruch. Im Kaufvertrag sei ein umfassender Gewährleistungsverzicht vereinbart worden. Das mit der Forderungsanmeldung vorgelegte Angebot sei überhöht, es umfasse eine Komplettsanierung und nicht nur die Sanierung des Schadens auf Basis des Zeitwerts.

[5] Die Pfandgläubigerin verwies in der Verteilungstagsatzung auf Schreiben des Masseverwalters an den Erwerber, in denen insbesondere die Möglichkeit der Aufhebung der Kaufverträge angesprochen wurde.

[6] Das Erstgericht wies die Forderungsanmeldung des Erwerbers ab und verteilte die Sondermasse an die weiteren Sondermassegläubiger und die Pfandgläubigerin. Beim geltend gemachten Anspruch handle es sich um keine Masseforderung im Sinne des § 46 IO, weil der Schaden von dritter Seite verursacht worden sei. Zudem gebe der Kostenvoranschlag nicht die genaue Höhe des Zeitwerts des beschädigten Teils der Liegenschaft wieder. Im Übrigen habe der Ersteher nur die Möglichkeit, eine Aufhebung des Zuschlags zu begehren, wenn es zu erheblichen Verschlechterungen des Werts einer Liegenschaft vor dem Übergang der Gefahr gekommen sei.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erwerbers Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts im Ausmaß der Abweisung der Forderungsanmeldung und der Verteilung dieses Betrags an die Pfandgläubigerin auf und verwies die Schuldenregulierungssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Diesem sei ein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es den Erwerber weder darüber belehrt habe, aus welchem Grund eine Zuweisung nicht in Betracht komme, noch ihn aufgefordert habe, den angemeldeten Betrag aufzuschlüsseln und Nachweise über die Notwendigkeit und den Umfang der Reparatur vorzulegen. Eine Einordnung als Sondermasseforderung sei nicht auszuschließen, insbesondere falls der Insolvenzverwalter es verabsäumt habe, die Sondermasse ordnungsgemäß zu versichern oder es ihm sonst vorgeworfen werden könne, dass er den Zutritt Dritter auf die Liegenschaft nicht verhindert habe.

[8] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, ob Leistungsstörungsansprüche im Zuge eines Freihandverkaufs und/oder damit im Zusammenhang stehende Schadenersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter Sondermasseforderungen im Sinne des § 49 IO darstellten, sowie zur Frage, ob im Rahmen des Insolvenzverfahrens (diffizile) gewährleistungs‑ und/oder schadenersatzrechtliche Probleme im Kontext eines freihändigen Liegenschaftsverkaufs unter Ausschluss des Rechtswegs (§ 47 IO) zu klären seien, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

[9] Die Hypothekargäubigerin beantragt in ihrem vom Erwerber beantworteten (als Revisionsrekurs bezeichneten) Rekurs die Wiederherstellung des Verteilungsbeschlusses des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt.

[10] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage im Hinblick auf die vom Rekursgericht genannten Fragen zulässig. Er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11] 1.1. Im Insolvenzverfahren bildet bei der außergerichtlichen Verwertung von Massebestandteilen, die mit Absonderungsrechten belastet sind, der Erlös eine Sondermasse, die das Insolvenzgericht mit Beschluss zu verteilen hat. Die Verteilung erfolgt – nicht nur hinsichtlich der Rangordnung (§ 49 Abs 2 IO), sondern generell – nach den Verteilungsvorschriften der Exekutionsordnung und deren zugehörigen Verfahrensbestimmungen (RS0003046; RS0003381). Dies gilt auch für die Frage der Anfechtbarkeit des Verteilungsbeschlusses (8 Ob 116/05z mwN; 8 Ob 86/18g; 8 Ob 43/19k).

[12] 1.2. Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts im Verteilungsverfahren ist der mit einem bestimmten Geldbetrag behauptete Teilnahmeanspruch der auf das Meistbot Verwiesenen (RS0003380 [T3]; RS0053201 [T3]).

[13] Einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht bedurfte es daher nicht. Der dennoch vorgenommene Ausspruch ist unbeachtlich (RS0042294; RS0042410 [T22, T28]).

[14] Da der vom Erwerber geltend gemachte Teilnahmeanspruch 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs gegen den aufhebenden Beschluss gemäß § 527 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO zugelassen wurde, ist der Rekurs nicht jedenfalls unzulässig.

[15] 1.3. Die Pfandgläubigerin war auch gemäß § 213 EO zum Widerspruch gegen die Forderung des Erstehers berechtigt, sodass sie nach § 234 EO gegen die für sie nachteilige Rekursentscheidung rechtsmittellegitimiert ist. Einer tatsächlichen Erhebung des Widerspruchs bedarf es seit der EONov 2000 BGBl I 59/2000 nicht mehr (Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 234 Rz 4).

[16] 2. Zunächst ist festzuhalten, dass der erstgerichtliche Beschluss mit Ausnahme jenes Teils, der die Forderungsanmeldung des Erwerbers betraf, unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Der Umstand, dass das Erstgericht die beiden Kaufverträge als Einheit behandelt und den Erlös als einzige Sondermasse verteilt hat, ist demnach nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens.

[17] 3.1. Gegenstand der einschlägigen Entscheidung 8 Ob 215/00a war die Frage, ob ein Preisminderungsanspruch bei der Verteilung des Verkaufserlöses von Liegenschaftsanteilen als Sondermasseforderung zu berücksichtigen war oder die allgemeine Masse belastete (§ 47 Abs 3 IO). Der Fachsenat erachtete es für unzweifelhaft, dass der Preisminderungsanspruch eine Masseforderung darstellt. Sondermassekosten liegen dann vor, wenn ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Massekosten und dem Absonderungsgut besteht. Ein den Verwertungserlös mindernder Anspruch des Erwerbers der Sondermasse (Preisminderungsanspruch) hat demnach zur Folge, dass den Absonderungsgläubigern eben nur ein entsprechend geminderter Verwertungserlös zur Verfügung steht. Den Erwerber einer Sondermasse mit einem Anspruch aus einer Leistungsstörung des Veräußerungsgeschäfts auf die allgemeine Masse zu Lasten der übrigen Gläubiger zu verweisen, wäre nicht sachgerecht.

[18] 3.2. Auch in der Lehre war es zumindest vor der GREx (Gesamtreform des Exekutionsverfahrens, BGBl I 86/2021) weitgehend unstrittig, dass – vorbehaltlich einer zulässigen Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses – Gewährleistungsansprüche aus einem Freihandverkauf des Insolvenzverwalters möglich und bei der Verteilung des Verkaufserlöses zu berücksichtigen sind (G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 § 119 KO Rz 84;Widhalm-Budak in KLS2 § 46 IO Rz 98; Riel in KLS2 § 49 IO Rz 14; K. F. Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze § 46 IO Rz 305; Maschke/Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze § 49 IO Rz 27; Herda in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1089 ABGB Rz 18; Reckenzaun, ZIK 2021/96; krit Nageler [ZIK 2002/109] und Wielinger/Gruber [ZIK 2018/6]).

[19] 3.3. Differenzen bestehen allerdings insofern, als Teile der Lehre im Anschluss an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu 28 R 286/14f, ZIK 2015/75 (Riel), die Ansicht vertreten, ein Gewährleistungsanspruch sei nicht als Sondermasseforderung zu berücksichtigen, sondern verringere unabhängig von den Voraussetzungen des § 49 Abs 1 IO das zur Verteilung gelangende Meistbot (Riel in KLS2 § 49 IO Rz 14; Maschke/Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze § 49 IO Rz 27).

[20] 3.4.1. Zum Exekutionsverfahren war es bereits vor der GREx herrschende Lehre, dass der für die öffentliche Versteigerung normierte Gewährleistungsausschluss auch auf den Freihandverkauf anwendbar sei (Mohr in Angst/Oberhammer, EO3 § 268 EORz 12 mwN auch zu gegenteiligen Meinungen).

[21] 3.4.2. Nach der GREx erachten es Mohr/Eriksson (in Mohr et al, GREx Rz 232)angesichts der anderen Sichtweise im Insolvenzverfahren für fraglich, ob der Ausschluss der Gewährleistung auch dann anzunehmen ist, wenn der (durch die GREx neu geschaffene exekutionsrechtliche) Verwalter – so wie der Insolvenzverwalter – wesentlich flexibler als der Gerichtsvollzieher agieren kann und nicht strikt an den Börsenpreis gebunden ist. Diesen Zweifeln schließen sich Konecny (ZIK 2021/137)und Mini (in Deixler‑Hübner, EO[35. Lfg 2022] § 268 EO Rz 19) an.

[22] 3.4.3. Dagegen gehen Stipanitz (ZIK 2021/187), Schneider (ZIK 2022/47), Mohr (ÖJZ 2022/142) und Annerl (in Garber/Simotta, EO § 268 Rz 5) von der Anwendung des Gewährleistungsausschlusses des § 270 Abs 4 EO auf alle Formen des Freihandverkaufs nach § 268 EO aus.

[23] 3.5. Im Anschluss an seinen Hinweis zur fraglichen Anwendbarkeit des Gewährleistungsausschlusses auf die Freihandveräußerung durch den (exekutionsrechtlichen) Verwalter wirft Konecny (ZIK 2021/137) auch die Frage auf, ob eine Anwendung des Gewährleistungsausschlusses auf den Verwalter ein Argument für eine analoge Anwendung auf die freiwillige Veräußerung im Insolvenzverfahren sei. An anderer Stelle betont er zudem, dass der Freihandverkauf als bevorzugte Verwertungsart zumindest Gleiches leisten solle wie die gerichtliche Veräußerung in Anwendung des Exekutionsrechts. Daher seien Regelungen der EO analog im Insolvenzverfahren anzuwenden, wenn das zu einer gleichlaufenden Optimierung der freiwilligen Verwertung im Insolvenzverfahren geboten sei. Die Frage, ob bei einem Freihandverkauf durch den Insolvenzverwalter ein gesetzlicher Gewährleistungsausschluss anzunehmen sei, beantwortet er nach Darstellung des Meinungsstands allerdings nicht explizit (Konecny in FS Neumayr, 1547 [1554]).

[24] 3.6. Nach Stipanitz (ZIK 2021/187) sollte spätestens die Einführung eines im Wesenskern dem Insolvenzverwalter gleichenden „Exekutionsverwalters“ durch Inkrafttreten der GREx Anlass dafür geben, die bisherige Judikatur, wonach der Gewährleistungsausschluss der EO nicht auf die IO zu übertragen sei, zu überdenken. Ihm folgendmeintMohr (ÖJZ 2022/142), dass § 270 Abs 4 EO zwar beim Freihandverkauf nach der EO gelte, nicht aber nach der IO, sei „wohl nicht gerechtfertigt“: Die Ausführungen von Jelinek (in KLS2 § 119 IO Rz 48) dürften ebenfalls als Übernahme dieser Ansicht zu verstehen sein, auch wenn er dies trotz der apodiktischen Sprache („den Boden entzogen“) nicht als gesichert ansieht (vgl Jelinek in KLS2 § 119 IO Fn 126 und § 120 IO Rz 59, insb Fn 111). Mit ausführlichen teleologischen Argumenten befürwortet von Wallpach (ZIK 2024/8) ebenso eine analoge Anwendung des Gewährleistungsausschlusses nach § 270 Abs 4 EO auf den Freihandverkauf im Insolvenzverfahren.

[25] 4. Der erkennende Senat folgt den zuletzt genannten Lehrmeinungen nicht.

[26] 4.1. Seit der Insolvenzrechtsnovelle 2002, BGBl I 2002/75, wird der freihändigen Verwertung (vor allem) von Liegenschaften der Vorrang gegenüber der gerichtlichen Veräußerung eingeräumt. Dies entspricht der praktischen Erfahrung, dass freihändige Verwertungen in aller Regel einen – zum Teil wesentlich – höheren Erlös erzielen (5 Ob 19/19h; Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 120 KO Rz 1; vgl auch EBRV 988 BlgNR 21. GP  31).

[27] 4.2.1. Die außergerichtliche Verwertung einer mit Absonderungsrechten belasteten Sondermasse im Insolvenzverfahren ist zwar stark dem Zwangsversteigerungsverfahren angenähert (vgl etwa zur Lastenfreistellung Jelinek in KLS2 § 120 IO Rz 69 mwN). Die Veräußerung erfolgt aber nicht durch einen staatlichen Hoheitsakt, sondern im Weg eines privaten Rechtsgeschäfts. Vertragspartner beim Kauf aus der Masse ist nicht der Insolvenzverwalter, sondern der von ihm vertretene Schuldner (10 Ob 70/98m; 5 Ob 19/19h mwN; G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 § 119 KO Rz 84 mwN).

[28] 4.2.2. Der Freihandverkauf durch den Insolvenzverwalter ist einer kridamäßigen Versteigerung daher nicht in allen Aspekten gleichzuhalten. Eine unmittelbare Übernahme der exekutionsrechtlichen Regelungen ist in der IO nur hinsichtlich der Verteilung angeordnet (1 Ob 604/83; 7 Ob 501/90; 8 Ob 145/03m; 5 Ob 19/19h; 8 Ob 26/21p).

[29] 4.3.1. Dass der Gesetzgeber „privaten Rechtsgeschäften“ eines Insolvenzverwalters dieselben Rechtsfolgen zumessen kann wie einer Versteigerung durch das Gericht (Konecny EvBl 2020/33), ist zweifellos richtig, sagt aber noch nichts darüber aus, ob er dies tatsächlich getan hat.

[30] Ebenso trifft es zu, dass es sich beim Freihandverkauf im Insolvenzverfahren um einen gerichtlichen Verkauf iSd § 1089 ABGB handelt (Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1089 ABGB Rz 2 ff, insb 8 mwN; Herda in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1089 ABGB Rz 18; Konecny in FS Neumayr, 1547), sodass die Vorschriften für Kaufverträge nur gelten, soweit keine eigenen Anordnungen in den Verfahrensgesetzen bestehen. Die Normen der IO und der EO gehen daher dem allgemeinen Zivilrecht vor, auch wenn sie nur im Wege der Analogie anwendbar sind (Konecny, in FS Neumayr, 1547 [1552]).

[31] 4.3.2. Zu Recht betont Konecny (EvBl 2020/33) aber auch, dass § 1089 ABGB für Kaufverträge den generellen Grundsatz für Insolvenzverfahren festhält, dass es das Befriedigungsinteresse der Gläubiger nicht rechtfertigt, Verwertungen einfach ohne Beachtung rechtlicher Rahmenbestimmungen durchzuführen. Insolvenzverfahren sind in die Rechtsordnung eingebettet und zivil‑ und öffentlichrechtliche Anordnungen zu beachten, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind.

[32] 4.4. Die für eine Analogie zum Gewährleistungsausschluss der EO vorgebrachten teleologischen Argumente vermögen letztlich nicht zu überzeugen:

[33] 4.4.1. Warum das Gewährleistungsrecht als Mittel zur Wiederherstellung der subjektiven Äquivalenz auf das Insolvenzverfahren nicht passen soll (von Wallpach, ZIK 2024/8), ist nicht nachvollziehbar. Ist eine mangelhafte Sache Bestandteil der (Sonder‑)Masse, so repräsentiert sie im Vergleich zu einer mangelfreien Sache einen geringeren Wert, was bei Erkennen des Mangels vor Abschluss des Kaufvertrags regelmäßig zu einem geringeren Kaufpreis oder zu einer Abstandnahme vom Kauf führen wird. Ein Grund dafür, einzig aufgrund des Umstands, dass der Mangel erst nach Übergabe offenbar wird, die Insolvenzgläubiger insofern zu begünstigen und den Erwerber in seinen berechtigten Werterwartungen (die von Wallpach selbst erwähnt) zu enttäuschen, ist nicht erkennbar. Insbesondere kann dies nicht allein durch das Befriedigungsinteresse der Gläubiger gerechtfertigt werden (vgl Konecny EvBl 2020/33).

[34] 4.4.2.1. Soweit argumentiert wird, dass der Freihandverkauf zumindest das Gleiche leisten können sollte wie eine kridamäßige Versteigerung (Konecny, ÖJZ 2022/140; Konecny in FS Neumayr, 1547 [1554]; von Wallpach, ZIK 2024/8), ist darauf zu verweisen, dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich einen Gewährleistungsausschluss vereinbaren kann. Damit bietet der Freihandverkauf mehr Flexibilität als die kridamäßige Versteigerung, ist es doch denkbar, dass in bestimmten Fällen bei Unterbleiben eines Gewährleistungsausschlusses ein höherer Kaufpreis erzielt (vgl 4 Ob 181/23f ecolex 2024/166) oder überhaupt erst ein Käufer gefunden werden kann.

[35] 4.4.2.2. Der Umstand, dass einer Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses im Einzelfall § 9 KSchG (für bewegliche Sachen vgl nunmehr § 1 Abs 2 Z 10 VGG) entgegenstehen kann, war dagegen vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt. So war im Ministerialentwurf zum IIRG (ME 381 BlgNR 21. GP , 3) in einem § 120b KO die generelle Möglichkeit zur Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses enthalten; dieser Vorschlag wurde nicht in die Regierungsvorlage übernommen und letztlich nicht Gesetz (siehe dazu Wielinger/Gruber, ZIK 2018/62).

[36] 4.4.2.3. Analogie setzt jedenfalls eine regelwidrige Gesetzeslücke voraus (RS0106092). Als Argument für eine analoge Anwendung eines gesetzlichen Gewährleistungsausschlusses ist § 9 KSchG demnach nicht geeignet.

[37] 4.5. Der Umstand, dass beim Freihandverkauf Vertragsverhandlungen und eine individuelle Vereinbarung der Vertragsbedingungen mit dem konkreten Käufer möglich sind, während dies bei einer Versteigerung schon aus faktischen Gründen ausscheidet, spricht gegen die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung der beiden Fälle und damit gegen das Vorliegen einer regelwidrigen Gesetzeslücke.

[38] 4.6.1. Eine solche wird auch durch jene Lehrmeinungen, die lediglich auf die Parallelität zwischen dem Freihandverkauf durch den Insolvenzverwalter und jenem durch den (exekutionsrechtlichen) Verwalter hinweisen, nicht dargestellt. Vielmehr bieten gerade die Gesetzesmaterialien der GREx Anlass für Zweifel daran, dass die unterbliebene Erstreckung des Gewährleistungsausschlusses nach § 270 Abs 4 EO auf den Freihandverkauf durch den Verwalter nach § 268 Abs 2 EO planwidrig war.

[39] 4.6.2. Für die Zwangsversteigerung von Fahrnissen war vor der (mit 1. 7. 2001 in Kraft getretenen) GREx in § 278 Abs 3 letzter Satz und § 278a letzter Satz EO geregelt, dass der Ersteher wegen eines Mangels der veräußerten Sachen keinen Anspruch auf Gewährleistung hat. Seit der GREx normiert § 270 Abs 4 EO für die öffentliche Versteigerung von beweglichen Sachen, dass Gewährleistungsrechte des Erwerbers wegen eines Mangels der veräußerten Sache sowie das Rücktrittsrecht ausgeschlossen sind und das FAGG nicht anzuwenden ist.

[40] 4.6.3. Die Gesetzesmaterialien zur GREx (EBRV 770 BlgNR 27. GP  36) halten dazu fest:

„Aus Gründen der Systematik soll der Ausschluss des Gewährleistungsrechts (§ 278 Abs. 3 letzter Satz und § 278a letzter Satz) nunmehr in dieser Bestimmung geregelt werden, womit keine inhaltlichen Änderungen verbunden sind.“

[41] Gerade die GREx ist von umfangreichen Überlegungen geprägt, an welcher Stelle bestimmte Normen systematisch korrekt einzuordnen sind; dies hat zu zahlreichen Paragraphenverschiebungen geführt (vgl zur Zwangsversteigerung von Liegenschaften die Übersicht bei Mini, immolex 2021/126). Wenn im Zuge dessen der Gewährleistungsausschluss „aus Gründen der Systematik“ in jener Bestimmung geregelt wird, die ausschließlich die öffentliche Versteigerung von beweglichen Sachen zum Gegenstand hat, erscheint es fraglich, ob diese Norm überhaupt noch als Analogiebasis für einen gesetzlichen Gewährleistungsausschluss betreffend die – zwei Paragraphen zuvor geregelte und durch die GREx massiv ausgeweitete – freihändige Veräußerung von Fahrnissen tauglich ist.

[42] 4.7. Die Frage der analogen Anwendung des § 270 Abs 4 EO kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil es hier nicht um einen Freihandverkauf von Fahrnissen, sondern um einen solchen von Liegenschaften geht. Bei einem solchen kommt jedenfalls nicht § 270 Abs 4 EO, sondern allenfalls § 189 Abs 2 EO als Analogiebasis in Betracht.

[43] 4.8.1. Nach dieser Bestimmung, die durch die GREx inhaltlich unverändert geblieben ist, kann der Ersteher bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften wegen Unrichtigkeit der Angaben, die im Versteigerungsedikt oder in den vor der Versteigerung mitgeteilten Akten über die versteigerte Liegenschaft oder über deren Zubehör enthalten waren, keinen Anspruch auf Gewährleistung erheben.

[44] 4.8.2. Zu 3 Ob 158/88 wurde ausgehend von dieser Bestimmung zwar grundsätzlich die Möglichkeit eines „Vergütungsanspruchs“ des Erstehers für den Fall bejaht, dass es zwischen Schätzung und Zuschlag zu einer Verschlechterung der Liegenschaft kommt, weil sonst den Ersteher eine Gefahr träfe, die er gemäß § 207 Abs 1 (vor der GREx: § 156 Abs 1) EO erst ab dem Zuschlag zu übernehmen hat; im Fehlen einer Regelung über die Rechtsfolgen des späteren Gefahrenübergangs wurde eine echte Gesetzeslücke erkannt. Auch bei erheblichen Verschlechterungen des Werts der Liegenschaft vor dem Übergang der Gefahr wurde dem Ersteher aber kein Geldanspruch, sondern nur die Möglichkeit gewährt, eine Aufhebung des Zuschlags zu begehren. Begründet wurde dies mit § 187 Abs 2 EO, wonach der Zuschlag dem Ersteher nicht unter anderen als den vom Gesetz und den Versteigerungsbedingungen vorgesehenen Bedingungen erteilt werden darf. Weiters wurde argumentiert, dass erhebliche Wertminderungen der zu versteigernden Liegenschaft das Bietinteresse nicht nur des Erstehers, sondern auch aller anderen interessierten Personen beeinflussen und verändern können, sodass eine bloße Neuberechnung des Meistbots etwa im Sinne der relativen Berechnungsmethode zu unbilligen Ergebnissen führen kann, weil der Bietvorgang für den Fall erheblicher Wertverluste vor dem Zuschlag auch nicht annähernd verlässlich hypothetisch nachvollzogen werden kann.

[45] 4.8.3. Diese bisher einzige höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage, in welchem Umfang dem Ersteher einer Liegenschaft im Zwangsversteigerungsverfahren Leistungsstörungsansprüche zukommen können, wurde in der Lehre auch kritisch aufgenommen (vgl Mini in Deixler‑Hübner, EO § 207 EO Rz 39; Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 156 EO Rz 12 mwN). Die Kritik richtete sich jedoch nicht gegen die Bejahung von Ansprüchen an sich, sondern nur gegen den Ausschluss eines Vergütungsbetrags im Sinne der Herabsetzung des Meistbots (Schaar, Rechte und Pflichten des Erstehers bei exekutivem Liegenschaftserwerb [1993], 41, mwN).

[46] 4.8.4. Selbst bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften sind Leistungsstörungsansprüche nach herrschender Auffassung daher nicht zur Gänze, sondern nur insofern ausgeschlossen, als Gewährleistungsansprüche gemäß § 189 Abs 2 EO nicht auf die Unrichtigkeit der Angaben im Versteigerungsedikt oder in den vor der Versteigerung mitgeteilten Akten über die versteigerte Liegenschaft oder über deren Zubehör gegründet werden können.

[47] 4.8.5. Da es bei einem Freihandverkauf nach der IO kein Versteigerungsedikt iSd §§ 168 ff EO gibt, wäre bei analoger Anwendung des § 189 Abs 2 EO nur schwer abgrenzbar, welche Umstände vom Gewährleistungsausschluss betroffen wären. Auch hier zeigen sich wesentliche Unterschiede zwischen dem förmlichen Zwangsversteigerungsverfahren und dem flexibleren Freihandverkauf, die einer planwidrigen, durch Analogie zu schließenden Gesetzeslücke entgegenstehen.

[48] 4.9. Im Ergebnis fehlt es daher für die analoge Anwendung der Gewährleistungsausschlüsse nach § 189 Abs 2 und § 270 Abs 4 EO auf den Freihandverkauf durch den Insolvenzverwalter an einer tragfähigen Grundlage.

[49] 5. Die Pfandgläubigerin argumentiert in Übereinstimmung mit der Ansicht des Erstgerichts, das Ergebnis der Entscheidung 3 Ob 158/88 sei auf den gegenständlichen Freihandverkauf nach der IO übertragbar. Damit wird gefordert, dass dem Erwerber nur ein Recht, die Aufhebung des Kaufvertrags zu begehren, nicht aber ein Geldanspruch zukommen könne.

[50] 5.1. Auch dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Die Einschränkung der Leistungsstörungsrechte auf die Aufhebung des Zuschlags wird in der Entscheidung 3 Ob 158/88 nämlich auf § 187 Abs 2 EO, wonach der Zuschlag dem Ersteher nicht unter anderen als den vom Gesetz und den Versteigerungsbedingungen vorgesehenen Bedingungen erteilt werden darf, und auf Besonderheiten des Zwangsversteigerungsverfahrens gegründet, die auf einen Freihandverkauf gerade nicht zutreffen. Dies betrifft insbesondere die Argumentation, der Bietvorgang könne für den Fall erheblicher Wertverluste vor dem Zuschlag auch nicht annähernd verlässlich hypothetisch nachvollzogen werden, zumal sich der Wissensstand und die Interessenlage des Erstehers und der Mitbieter unterscheiden könnten. Außerdem kann ein aus dem Gesetz (§ 207 Abs 1 EO) abgeleiteter Anspruch des Erstehers im Zwangsversteigerungsverfahren nicht ausgeschlossen werden, während bei einem Freihandverkauf im Insolvenzverfahren die Möglichkeit eines entsprechenden vertraglichen Ausschlusses besteht. Schließlich geht die Entscheidung 3 Ob 158/88 offenkundig von der Unanwendbarkeit des § 1089 ABGB auf den Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung aus (zum diesbezüglichen Meinungsstand vgl Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 156 EO Rz 3 mwN; Konecny in FS Neumayr, 1547 [1551]), was die Grundlage für die Annahme einer aus der Regelung des § 207 Abs 1 (vor der GREx: § 156 Abs 1) EO über den Gefahrübergang abgeleiteten Lücke bildet, die durch den eingeschränkten „Vergütungsanspruch“ geschlossen wird. Demgegenüber ist auf den Freihandverkauf gemäß § 1089 ABGB mangels abweichender Sonderregelung in den Verfahrensgesetzen das Gewährleistungsrecht des ABGB anwendbar, sodass eine derartige Gesetzeslücke ausscheidet.

[51] 5.2. Da somit bei einem Freihandverkauf im Insolvenzverfahren eine in maßgeblichen Punkten andere Ausgangslage besteht, ist das zu 3 Ob 158/88 zum Zwangsversteigerungsverfahren erzielte Ergebnis nicht auf die gegenständliche Situation zu übertragen.

[52] 6. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das Leistungsstörungsrecht des ABGB auf die außergerichtliche Verwertung einer Sondermasse nach § 120 IO uneingeschränkt anzuwenden ist.

[53] 7.1. Die Verteilungsmasse ist gesetzlich vorgegeben (§ 215 EO). Sie besteht aus dem Erlös, den Zinsen aus dem Erlös bis zur Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags und den Zinsen für die danach folgende fruchtbringende Anlage. Diese gesamte Masse ist von Amts wegen zu verteilen, wobei die Durchführung einer gerichtlichen Verteilung die abgeschlossene Verwertung des Massebestandteils voraussetzt (8 Ob 43/19k; 8 Ob 26/21p; jeweils mwN).

[54] 7.2. Hat daher der Erwerber den vollen Kaufpreis gezahlt und ist nicht zwischenzeitig eine teilweise Rückzahlung (etwa nach § 124 Abs 1 IO) erfolgt, fehlt für die in Teilen der Lehre (Riel in KLS2 § 49 IO Rz 14; Maschke/Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze § 49 IO Rz 27) im Anschluss an die Entscheidung des OLG Wien 28 R 286/14f ZIK 2015/75 (Riel) argumentierte Berücksichtigung von Leistungsstörungsansprüchen durch unmittelbare Reduktion der zur Verteilung gelangenden Masse eine Grundlage. Die genannte Rechtsansicht würde auch dazu führen, dass strittige Ansprüche im Verteilungsverfahren dem Grunde und der Höhe nach festgestellt werden müssten, um überhaupt festlegen zu können, welche Masse zur Verteilung gelangt. Dies würde das Verteilungsverfahren aber mit Sachverhaltsfragen überfrachten, die nach der Systematik des § 231 Abs 1 EO im Rechtsweg zu klären sind.

[55] 7.3. Soweit Leistungsstörungsansprüche (ins-besondere Gewährleistungsansprüche und Schadenersatzansprüche nach § 933a ABGB) des Erwerbers noch nicht befriedigt wurden, handelt es sich demnach um Sondermasseforderungen, die gemäß § 210 EO angemeldet werden müssen, um an der Verteilung der (ungeminderten) Sondermasse teilzunehmen.

[56] 8. Soweit in der Entscheidung 8 Ob 215/00a ausgeführt wurde, dass den Absonderungsgläubigern nur ein entsprechend geminderter Verwertungserlös zur Verfügung steht, ist dies im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu verstehen, zumal aus der Verteilungsmasse nach § 49 Abs 1 IO zunächst die Sondermassegläubiger zu befriedigen sind.

[57] 9.1. Nach § 47 Abs 3 IO hat das Insolvenzgericht nur über die – im vorliegenden Fall gar nicht strittige – Frage unter Ausschluss des Rechtswegs zu entscheiden, ob (angemeldete) Masseforderungen einer Sondermasse oder der allgemeinen Masse zuzuordnen sind. Hingegen ist die inhaltliche Berechtigung der Forderungen nicht Gegenstand einer solchen Entscheidung (8 Ob 45/04g; 8 Ob 13/06k).

[58] 9.2. Hat das Insolvenzgericht eine durch außergerichtliche Veräußerung entstandene Sondermasse zu verteilen, so ist die Erledigung eines Widerspruchs gemäß § 231 Abs 1 EO (nur dann) auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn die Entscheidung von der Ermittlung und Feststellung streitiger Tatumstände abhängt (RS0003318).

[59] 9.3. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, strittige Tatfragen zur Berechtigung der vom Erwerber geltend gemachten Sondermasseforderung seien im Verteilungsverfahren auf Basis der vorgelegten Urkunden zu klären, wird vom Fachsenat daher nicht geteilt.

[60] 10.1. Bloß auf dieser Rechtsansicht beruht aber die Einschätzung des Rekursgerichts, die Forderungsanmeldung wäre unklar und nicht hinreichend bescheinigt, weshalb das Erstgericht den Erwerber zur Verbesserung derselben auffordern hätte müssen. Demnach ist zu prüfen, ob der angenommene Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens besteht (RS0042179 [T21]).

[61] 10.2. Der Erwerber beansprucht mit seiner Forderungsanmeldung erkennbar die Kosten des Deckungskapitals für die Verbesserung der vorliegenden, hinreichend konkret bezeichneten „Schäden“ (vgl RS0115060; RS0086353; RS0018753). Zum urkundlichen Nachweis dieser Forderung beruft er sich auf die im Akt erliegenden Kaufverträge, weiters hat er einen Kostenvoranschlag vorgelegt, der die seiner Ansicht nach notwendigen Behebungskosten wiedergibt.

[62] 10.3. Bereits damit hat er die Anforderungen des § 210 EO für eine hinreichende Forderungsanmeldung erfüllt. Eine rechtliche Qualifikation der Sondermasseforderung ist dafür ebenso wenig erforderlich wie bei einer Forderungsanmeldung nach § 103 IO (vgl dazu RS0089657 [T1]). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist er deshalb auch nicht zu einer Angabe verpflichtet, unter welche Ziffer des § 46 IO er seine Forderung einordnet; eine Einschränkung, dass er seine Forderung ausschließlich nach § 46 Z 2 IO qualifiziert sehen will, ist der Forderungsanmeldung des Erwerbers nicht zu entnehmen.

[63] 10.4. Für die Schlüssigkeit der Anmeldung einer Sondermasseforderung ist es nicht erforderlich, mögliche Einwendungen in einem Widerspruch – wie hier aus einem vertraglichen Gewährleistungs- oder Haftungsausschluss, zum fehlenden Verschulden an der ordnungsgemäßen Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen (§ 1298 ABGB), zur Notwendigkeit der geplanten Arbeiten oder zur Angemessenheit der dafür veranschlagten Kosten – vorwegzunehmen und dazu Urkunden vorzulegen (vgl RS0003322).

[64] 10.5. Der vom Rekursgericht angenommene Verfahrensmangel ist also schon deshalb zu verneinen, weil die Forderungsanmeldung des Erwerbers keiner Verbesserung bedarf, sodass insofern keine Verletzung einer Anleitungspflicht bestehen kann. Auf die weiteren dazu erstatteten Ausführungen der Rekurswerberin kommt es daher nicht an.

[65] 11.1. Dennoch hat es im Ergebnis bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses zu verbleiben. Nach dem bisherigen Vorbringen des Erwerbers und des Insolvenzverwalters ist nämlich noch nicht geklärt, ob die Entscheidung über den Widerspruch von der Ermittlung und Feststellung strittiger Tatumstände abhängt oder nicht.

[66] 11.2.1. § 213 Abs 2 EO verpflichtet das Gericht bei Erhebung eines Widerspruchs nicht nur, die Erzielung eines Einvernehmens nach Möglichkeit zu fördern, sondern auch, im Falle des Scheiterns dieses Versuchs alle für die Entscheidung maßgeblichen Umstände durch Vernehmung der durch den fraglichen Widerspruch betroffenen anwesenden Personen ins Klare zu setzen.

[67] 11.2.2. Dies kann im gegenständlichen Kontext nur dahin verstanden werden, dass mit den anwesenden Parteien zu erörtern ist, ob und bejahendenfalls welche Sachverhaltsfragen strittig sind. Beweise zur inhaltlichen Berechtigung des Widerspruchs sind dagegen in der Verteilungstagsatzung nicht aufzunehmen, weil dem Gericht im Verteilungsbeschluss Feststellungen über streitige Tatumstände verwehrt sind. Letzteres gilt auch dann, wenn die zur Entscheidung hinreichenden Beweise in der Verteilungstagsatzung, insbesondere durch Aufnahme des Urkundenbeweises, aufgenommen werden könnten (RS0003256; Markowetz in Deixler‑Hübner, EO §§ 212–214 EO Rz 31a; Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 213 EO Rz 5).

[68] 12.1. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die nach § 213 Abs 2 EO gebotene Erörterung nachzuholen und dazu den Ersteher und den Insolvenzverwalter zu einer Klarstellung aufzufordern haben, inwiefern das Vorbringen der jeweiligen Gegenseite bestritten oder außer Streit gestellt wird. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das als unzulässige Neuerungen in den Rechtsmittelschriftsätzen und ‑beantwortungen erstattete Sachvorbringen nur dann der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann, wenn es in erster Instanz wiederholt wird.

[69] 12.2.1. Dadurch wird insbesondere zu klären sein, inwiefern die Auslegung und damit die Reichweite des Haftungs- und Gewährleistungsausschlusses in Punkt V., zweiter Absatz des Kaufvertrags strittig ist.

[70] 12.2.2. Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung der redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also nicht das, was schriftlich geäußert wurde, allein entscheidend (RS0017797). Dies gilt auch für Vereinbarungen über einen Haftungs‑ oder Gewährleistungsausschluss (RS0016561 [T1, T3]).

[71] 12.2.3. Die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbestrittenen Urkunde ist eine Frage rechtlicher Beurteilung. Tatsachenfeststellung ist insbesondere der Schluss von bestimmten Tatsachen auf die Parteiabsicht. Der Wortlaut einer Urkunde ist für die Auslegung allein maßgeblich, solange keine der Vertragsparteien behauptet und im Bestreitungsfall beweist, aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände ergäbe sich ein übereinstimmender Wille der Parteien oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung (RS0043422 [T1, T7, T13]; RS0017834).

[72] 12.2.4. Die Auslegung des Vertrags begründet daher nur dann eine strittige Tatfrage, die eine Verweisung des Widerspruchs auf den Rechtsweg erfordert, wenn eine der Parteien eine vom objektiven Erklärungswert der Vertragsurkunde abweichende Parteienabsicht behauptet.

[73] 13. Sollte sich aus den Behauptungen der Parteien nach Durchführung einer neuerlichen Verteilungstagsatzung ergeben, dass bereits aus rechtlichen Gründen – und damit unabhängig von allenfalls strittigen Tatumständen – ein Anspruch des Erwerbers dem Grunde nach ausscheidet, wird über den Widerspruch des Insolvenzverwalters im Verteilungsbeschluss zu entscheiden sein. In allen anderen Fällen wird zumindest die Bestreitung der Höhe der Forderung (samt der damit verbundenen Frage der Notwendigkeit einzelner Schadens‑ bzw Mängelbehebungsmaßnahmen) die Klärung strittiger Sachverhaltsfragen erforderlich machen, sodass der Insolvenzverwalter mit seinem Widerspruch auf den Zivilrechtsweg zu verweisen wäre.

[74] 14. Die Rekursbeantwortung des Erwerbers war zurückzuweisen. Im Exekutionsverfahren ist ebenso wie im Insolvenzverfahren (§ 260 Abs 4 IO; RS0116129 [T2]) das Rekursverfahren grundsätzlich einseitig (RS0118686). Es besteht hier auch keine Veranlassung, ausnahmsweise aus Gründen der „Waffengleichheit“ die Möglichkeit einer Rekursbeantwortung einzuräumen, zumal der Erwerber seinen rechtlichen Standpunkt bereits im eigenen Rechtsmittel vor dem Rekursgericht dargelegt hat.

[75] 15. Nach § 254 Abs 1 Z 1 IO gibt es im Insolvenzverfahren keinen Kostenersatz (RS0065227).

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