OGH 4Ob181/23f

OGH4Ob181/23f19.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R*, und 2. S*, beide vertreten durch die Nagler Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei O*, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 42.000 EUR sA, über die ordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Juli 2023, GZ 13 R 141/23k‑13, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 27. März 2023, GZ 4 Cg 4/23p‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00181.23F.1219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.919,86 EUR (darin 486,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte hat Doppelhaushälften errichtet, daran Wohnungseigentum begründet und den Klägern jeweils ein Wohnungseigentumsobjekt verkauft, wobei in den Kaufverträgen ein Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde. Nachträglich stellte sich heraus, dass die Dacheindeckung auf dem Doppelhaus mangelhaft hergestellt worden war, sodass trotz Sanierungsversuchen des Beklagten Wasser eintrat.

[2] Die Kläger begehrten je 21.000 EUR an Sanierungskosten.

[3] Nachdem das Erstgericht der Klage dem Grunde nach stattgegeben hatte, wies das Berufungsgericht die Klage mit Endurteil ab, weil dergegenüber dem Beklagten als Privatem abgegebene Gewährleistungsverzicht gültig sei; dieser habe sich auf die Dichtheit des Daches als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft bezogen, und der Beklagte habe die Mängelfreiheit weder ausdrücklich oder schlüssig zugesichert noch den Mangel arglistig verschwiegen. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob beim Verkauf eines (neu errichteten) Hauses im Allgemeinen, also ohne ausdrückliche vertragliche Regelung und ohne besonderes Erklärungsverhalten des Verkäufers, die Dichtheit des Daches als schlüssig vereinbart anzusehen sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[5] 1.1. Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluss der Haftung sind nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) auszulegen (RS0016561 [T1]; 9 Ob 45/17h, ecolex 2018/88; 2 Ob 42/23z, ecolex 2023/344). Dabei ist nicht nur am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (RS0016561 [T3]). Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen (RS0018561 [T2]).

[6] Ein umfassender vertraglicher Gewährleistungsverzicht im Sinne des § 929 ABGB erfasst auch verborgene Mängel und gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften (RS0018564 [T3, T6]), nicht hingegen arglistig verschwiegene Mängel (RS0018564 [T2]), massive Sachmängel (vgl 6 Ob 272/05a mwN), welche die Sache von vornherein völlig unbrauchbar machen (7 Ob 573/88 mwN) oder das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften (RS0018523 [insb T2, T8]; RS0018561 [T2]).

[7] 1.2.  Ob eine (schlüssige) Zusage einer bestimmten Eigenschaft vorliegt oder nicht, kann letztlich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und wirft abgesehen von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0042555 [T28, T37]).

[8] 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts im hier vorliegenden Fall, der kein Verbrauchergeschäft im Sinne von § 1 Abs 1 in Verbindung mit § 9 KSchG betrifft, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Beurteilungsspielraums.

[9] Eine allgemeine Regel, wonach eine Mängelfreiheit bei neuen Sachen immer zugesichert oder bei diesen ein Gewährleistungsausschluss immer sittenwidrig wäre, besteht nicht, was sich schon daraus ergibt, dass andernfalls für die Regelung des § 929 ABGB praktisch kein Anwendungsbereich bestünde (wie schon das Berufungsgericht erkannte; vgl etwa 6 Ob 272/05a), keine Differenzierung zwischen – hier nicht vorliegenden – Mängeln, die die Sache von vornherein völlig unbrauchbar machen (7 Ob 573/88; vgl 2 Ob 189/07v), und anderen Mängeln bestünde und überdies kein Unterschied zwischen gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften – wie der Dichtheit eines Daches – und zugesicherten Eigenschaften mehr bestünde.

[10] 3.  Auch sonst wirft die Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf:

[11] 3.1.  Der Ausschluss der Gewährleistung und dessen Messung am Äquivalenzprinzip kann regelmäßig nicht nur im Hinblick auf die Leistung des Verkäufers beurteilt werden, sondern im Rahmen der Vertragsfreiheit auch im Hinblick auf die vom Käufer zu erbringende Gegenleistung und die von diesem privatautonom vorzunehmende preisliche Gewichtung dieser Einschränkung der Leistungspflicht des Verkäufers.

[12] Eine in diesem Zusammenhang aufgrund einer massiven Äquivalenzstörung in Ansehung der beiderseitigen Leistungen und des diesen gegenüberstehenden Gewichts des Mangels denkbare Sittenwidrigkeit kann ebenfalls nur anhand des Einzelfalls beurteilt werden (RS0042881 [T5, T6]). Hier werden aber über das Faktum des Gewährleistungsausschlusses hinausgehende Umstände, die für eine Sittenwidrigkeit sprächen, in der Revision nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

[13] 3.2. Warum bei Kaufpreisen von 265.000 EUR bzw 230.000 EUR die Kläger nach ihren Behauptungen treffende Reparaturkosten von je 21.000 EUR für die Sanierung von Einfassungen und Verschraubungen am Dach eine völlige Unbrauchbarkeit der Kaufsache – der den Klägern nach Fertigstellung verkauften Häuser – vorliegen sollte, wird in der Revision ebenfalls nicht begründet und wäre auch sonst nicht ersichtlich; die dies bereits erkennenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind somit mangels grober Fehlbeurteilung nicht korrekturbedürftig.

[14] 3.3. Als rechtserhebliches Verhalten des Beklagten wird in der Revision ins Treffen geführt, dass eine Baufirma am Bau ein Schild angebracht und diese Firma den Verkauf beworben habe. Daraus ergibt sich jedoch kein Verhalten des Beklagten selbst.

[15] Soweit noch angeführt wird, dass der Beklagte über eine der Baufirma zuzuordnende E-Mail-Adresse kommuniziert habe, ist daraus keine schlüssige Zusage eines bestimmten Dachzustands abzuleiten, zumal bei der Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen ist (RS0014157; RS0013947; RS0014420; RS0014146). Es steht auch fest, dass der Beklagte als Privater auftrat und diese Adresse zur privaten Kommunikation nutzte.

[16] Die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Zusage ergebe sich aus dem Verhalten des Beklagten nicht, ist in diesem Lichte zumindest vertretbar.

[17] 3.4. Ebenso im Einzelfall vertretbar ist die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die vereinbarten Gewährleistungsausschlüsse nicht als bloße (etwa beim Gebrauchtwagenkauf verbreitete) „Besichtigungsklauseln“ zu verstehen sind. Rechtliche Feststellungsmängel in Ansehung der (Nicht-)Erkennbarkeit der Undichtheit des Daches liegen in diesem Zusammenhang nicht vor und wären zudem irrelevant (vgl oben Pkt 1.1: RS0018564 [T3]).

[18] 3.5. Der Ansicht des Berufungsgerichts, es gebe kein erstinstanzliches Vorbringen der Kläger, dass der Beklagte durch seine Verbesserungsversuche über ein die Gewährleistungsfrist unterbrechendes deklaratives Anerkenntnis (RS0018921; RS0018762) hinaus ein konstitutives Anerkenntnis abgegeben hätte, sowie der Verneinung einer schadenersatzrechtlichen Anspruchsgrundlage wird in der Revision nicht substanziiert entgegengetreten.

[19] 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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