OGH 5Ob19/19h

OGH5Ob19/19h21.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers H*, vertreten durch Hofstätter & Kohlfürst Rechtsanwälte OG, Graz, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts in EZ * KG *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 18. Dezember 2018, AZ 4 R 224/18t, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 27. August 2018, TZ 8041/2018, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125474

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

An der Liegenschaft EZ * KG * wurde im Rang TZ 5926/2017 Wohnungseigentum für vier Wohnungen (Top 1 bis Top 4) und 9 KFZ-Abstellplätzen (AP) begründet. Die Eigentümer bzw Eigentümerpartner von Mindestanteilen, mit denen Wohnungseigentum an den Objekten Top 1 bis Top 4 verbunden ist, sind auch Wohnungseigentümer von je zwei Abstellplätzen. Wohnungseigentümerin des Abstellplatzes AP 5 ist eine GmbH, die auch die Wohnungseigentumsorganisatorin war. Auf ihren 6/456 Anteilen war ein Pfandrecht einverleibt.

Am 5. 9. 2017 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Kaufvertrag vom 21. 2. 2018 veräußerte er den lastenfrei zu stellenden Miteigentumsanteil der GmbH, verbunden mit Wohnungseigentum am Abstellplatz AP 5 an den Antragsteller. Dieser Kaufvertrag wurde vom Insolvenzgericht mit Beschluss vom 23. 2. 2018 genehmigt; gleichzeitig bestätigte es, dass der Insolvenzverwalter zur Unterfertigung des Kaufvertrags berechtigt war.

Der Antragsteller begehrte am 27. 8. 2018 unter Vorlage des Kaufvertrags, des insolvenzgerichtlichen Bestätigungsbeschlusses und anderer Urkunden die Einverleibung seines Eigentumsrechts am KFZ-Abstellplatz AP 5. Er ist nicht Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es den Antrag abgewiesen hatte. Nach § 5 Abs 2 1. und 3. Satz WEG 2002 könne Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für Kraftfahrzeuge bis zum Ablauf von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft nur von einer Person oder Eigentümerpartnerschaft erworben werden, der Wohnungseigentum an einer Wohnung oder an einem selbständigen Geschäftsraum der Liegenschaft (Bedarfsobjekte) zukomme; dabei könne ein Wohnungseigentümer mehrerer Bedarfsobjekte schon während der dreijährigen Frist eine entsprechende Mehrzahl von Abstellplätzen erwerben. Diese Erwerbsbeschränkung gelte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht nur für die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum, sondern auch für derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Dreijahresfrist. Zwar sei der Freihandverkauf im Insolvenzverfahren stark dem Zwangsversteigerungsverfahren angenähert, sofern – wie hier   – eine mit Absonderungsrechten belastete Sache veräußert werde, doch erwerbe der Käufer – anders als der Ersteher einer Liegenschaft im Zwangsversteigerungsverfahren – Eigentum nicht bereits mit Zuschlag, sondern erst mit der Verbücherung. Die freihändige Verwertung durch Kaufvertrag stelle damit in Ansehung des nach sachenrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden Eigentumserwerbs einen derivativen Erwerbsvorgang dar, sodass die Beschränkung des § 5 Abs 2 1. Satz WEG 2002 zum Tragen komme. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof, soweit ersichtlich, noch nicht mit der Frage befasst habe, ob die Erwerbsbeschränkung des § 5 Abs 2 WEG 2002 auch dann den (derivativen) Erwerb von Wohnungseigentum an einem KFZ-Abstellplatz innerhalb der Dreijahresfrist ab Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft hindere, wenn ihm eine freihändige Verwertung durch einen Insolvenzverwalter zu Grunde liege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1.1 Nach § 5 Abs 2 WEG kann Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug bis zum Ablauf von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft nur von einer Person oder Eigentümerpartnerschaft erworben werden, der Wohnungseigentum an einer Wohnung oder einem selbständigen Geschäftsraum der Liegenschaft (Bedarfsobjekte) zukommt; dabei kann ein Wohnungseigentümer mehrerer Bedarfsobjekte schon während der dreijährigen Frist eine entsprechende Mehrzahl von Abstellplätzen erwerben. Darüber hinaus kann der Wohnungseigentümer eines Bedarfsobjekts während der dreijährigen Frist mehrere Abstellplätze nur erwerben, soweit die Zahl der auf der Liegenschaft vorhandenen und als Wohnungseigentumsobjekte gewidmeten Abstellplätze die Zahl der Bedarfsobjekte übersteigt; bei der Berechnung der überzähligen Abstellplätze ist der schriftlich erklärte Verzicht eines Wohnungseigentümers auf den ihm vorzubehaltenden Abstellplatz zu berücksichtigen. Nach Ablauf der dreijährigen Frist können auch andere Personen Wohnungseigentum an einem Abstellplatz erwerben.

Die Beschränkungen des ersten und zweiten Satzes des § 5 Abs 2 WEG gelten nicht für denjenigen Wohnungseigentumsorganisator, der im Wohnungseigentumsvertrag als Hauptverantwortlicher für die Wohnungseigentumsbegründung und den Abverkauf der Wohnungseigentumsobjekte bezeichnet ist; dies kann je Liegenschaft nur eine einzige Person sein.

1.2 Mit der Regelung des § 5 Abs 2 WEG hat der Gesetzgeber des WEG 2002 (BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2002/114) die Zielsetzung, dass den auf der Liegenschaft „wohnenden“ (oder geschäftlich tätigen) Wohnungseigentümern beim Erwerb von Kraftfahrzeug-Abstellplätzen eine prioritäre Stellung eingeräumt werden soll, umgesetzt und dazu die Konstruktion über eine Wartefrist gewählt. Erst nach Ablauf von drei Jahren sollen auch „liegenschaftsfremde“ Personen Wohnungseigentum an einem Kraftfahrzeug-Abstellplatz erwerben können (RV 989 BlgNR 21. GP 40).

1.3 Die Auslegung dieser Bestimmung war bereits wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Zu 5 Ob 124/13s (wobl 2014/40 [Hausmann] = ZRB 2014, 32 [Seeber] = NZ 2015, 95 [Höftberger]) hat der Fachsenat unter ausführlicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung und die in der Lehre vertretenen Meinungen klargestellt, dass die Erwerbsbeschränkung des § 5 Abs 2 Satz 1 WEG sowohl für die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum als auch für derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Dreijahresfrist gilt, und die in den Entscheidungen zu 5 Ob 151/08d und 5 Ob 164/12x enthaltenen gegenteiligen Aussagen ausdrücklich nicht aufrecht erhalten (so auch 5 Ob 125/13p und 5 Ob 126/13k).

2. Der Antragsteller ist nicht Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft. Dessen ungeachtet vertritt er den Standpunkt, dass die Erwerbsbeschränkung des § 5 Abs 2 WEG nicht zum Tragen komme, weil „es sich bei der freihändigen Veräußerung nach § 120 Abs 2 IO jedenfalls nicht um einen Fall 'von Verkauf am freien Markt' sondern um einen Zwangsverkauf im Rahmen des Insolvenzverfahrens handle, der die exekutive Veräußerung ersetze“. Für den Standpunkt des Antragstellers ist daraus jedoch nichts gewonnen:

2.1 Seit der Insolvenzrechtsnovelle 2002, BGBl I 2002/75, wird der freihändigen Verwertung (vor allem) von Liegenschaften der Vorrang gegenüber der gerichtlichen Veräußerung eingeräumt. Dies entspricht der praktischen Erfahrung, dass freihändige Verwertungen in aller Regel einen – zum Teil wesentlich – höheren Erlös erzielen (Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 120 IO Rz 1; vgl auch EB zur RV 988 BlgNR 21. GP 31).

2.2 Richtig ist zwar, dass die außergerichtliche Verwertung einer mit Absonderungsrechten belasteten Sondermasse im Insolvenzverfahren stark dem Zwangsversteigerungsverfahren angenähert ist (GKodek in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht IV § 119 KO Rz 84 mwN). Daher bleibt bei einer außergerichtlichen Verwertung von Gegenständen einer Masse, an der Absonderungsrechte bestehen, zwar das Konkursgericht für die Verteilung des Erlöses zuständig; auf die Verteilung des Erlöses sind aber die Verteilungsvorschriften der EO anzuwenden (RIS‑Justiz RS0003046; RS0003381; Riel aaO Rz 36).

Schon das Rekursgericht hat zutreffend dargestellt, dass die Veräußerung nicht durch einen staatlichen Hoheitsakt, sondern im Weg eines privaten Rechtsgeschäfts erfolgt. Vertragspartner beim Kauf aus der Konkursmasse ist nicht der Masseverwalter, sondern der von ihm vertretene Gemeinschuldner (GKodek aaO Rz 84 mwN). Anders als der Ersteher einer Liegenschaft erwirbt der Käufer im Fall des freihändigen Verkaufs im Konkurs Eigentum nicht bereits mit Zuschlag, sondern erst mit der Verbücherung (5 Ob 71/06m). Dementsprechend verschafft – der insolvenzgerichtlich genehmigte – Kaufvertrag nicht Eigentum, sondern nur den Anspruch auf dessen Übertragung (8 Ob 2114/96g). Für die Begründung des Eigentums an einer Liegenschaft ist daher die Eintragung ins Grundbuch erforderlich (§ 431 ABGB). Das entspricht § 423 ABGB, wonach Sachen, die schon einen Eigentümer haben, mittelbar erworben werden, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigentümer auf einen andern übergehen. Damit ist aber der derivative Erwerb angesprochen (vgl Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 423 Rz 1).

2.3 Die freihändige Veräußerung des KFZ‑Abstellplatzes AP 5 durch den Insolvenzverwalter ist unzweifelhaft ein derivativer Erwerbsvorgang. Dieser bereits vom Rekursgericht vertretenen Rechtsansicht tritt der Antragsteller in seinen Revisionsrekursausführungen auch nicht substantiell entgegen. Mit einem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren ist ein solcher Vorgang – im hier interessierenden Zusammenhang – nicht vergleichbar. Ob ein solcher § 5 Abs 2 WEG zu unterstellen wäre, muss nicht untersucht werden.

3.1 Bei der freihändigen Verwertung einer Liegenschaft sind grundbücherliche Hindernisse, wie insbesondere ein Veräußerungsverbot zu beachten (Kodek aaO Rz 87; vgl auch Riel aaO § 119 IO Rz 4). Auch durch Gesetz kann entweder die Veräußerung einer Sache schlechtweg oder eine bestimmte Art der Veräußerung verboten, oder die Veräußerung nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig gemacht werden (RS0002534). Inhalt und Umfang eines gesetzlichen Veräußerungs- oder Belastungsverbots haben sich dabei am Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung, die diese Verbote normiert, zu orientieren (RS0002534 [T4]).

3.2 Zum Zweck des § 5 Abs 2 WEG wurde bereits festgehalten, dass in erster Linie jene Personen bei den Kraftfahrzeug-Abstellplätzen zum Zug kommen sollen, die bereits Eigentümer eines Bedarfsobjekts sind. Zur Erreichung dieses Zwecks will der Gesetzgeber innerhalb der dreijährigen Wartefrist gerade die „Liegenschaftsangehörigen“ auch beim Erwerb „überzähliger“ Kfz-Abstellplätze bevorzugt sehen. Nur sie sollen innerhalb der Wartefrist Wohnungseigentum an einem Abstellplatz erwerben können. Ihrem Inhalt nach ist die Bestimmung des § 5 Abs 2 WEG daher einem befristeten, auf „liegenschaftsfremde Personen“ beschränkter (gesetzliches) Veräußerungsverbot gleichzuhalten.

3.3 Die teleologische Reduktion einer gesetzlichen Regelung erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die – letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende (einschränkende) – Auslegung orientieren soll (RS0106113 [T3]). Eine einschränkende Interpretation des § 5 Abs 2 WEG 2002 dahin, dass schon dann, wenn alle Wohnungseigentümer bzw Eigentümerpartnerschaften mit einem Abstellplatz „versorgt“ sind, der Verkauf an Liegenschaftsfremde zulässig sein soll, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung zu 5 Ob 99/05b abgelehnt. Auch der Erwerb durch eine Person, die nicht Wohnungseigentümerin eines Bedarfsobjekts ist, im Zug einer freihändigen Veräußerung durch den Insolvenzverwalter vor dem Ablauf von drei Jahren nach der Wohnungseigentumsbegründung kann weder mit dem Wortlaut des § 5 Abs 2 WEG noch mit dem Zweck dieser Bestimmung in Einklang gebracht werden. Damit bleibt für eine teleologische Reduktion, wie sie der Antragsteller anstrebt, kein Raum. Aus Sicht des Antragstellers unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, ist aber nicht Sache der Rechtsprechung (vgl RS0008880; RS0009099).

3.4 Die erstmals im Rekurs erhobene und im Revisionsrekurs wiederholte Behauptung, dass den Mit- und Wohnungseigentümern der Erwerb des KFZ-Abstellplatzes AP 5 angeboten worden sei, diese aber kein Interesse gezeigt hätten, verstößt gegen das im Grundbuchsverfahren geltende Neuerungsverbot (§ 122 Abs 2 GBG).

4. Die Vorinstanzen sind damit zu Recht vom Vorliegen eines Eintragungshindernisses ausgegangen. Dem Revisionsrekurs ist demnach ein Erfolg zu versagen.

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