OGH 8Ob45/04g

OGH8Ob45/04g27.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Konkurssache der 1. F***** Gesellschaft mbH, ***** 2. F***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** über den Revisionsrekurs des Masseverwalters Dr. Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt, Imbergstraße 22, 5020 Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 26. Jänner 2004, GZ 2 R 204/03p-45, mit dem infolge Rekurses der Absonderungsgläubigerin R***** reg. Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl, Rechtsanwälte in Linz, der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 19. September 2003, GZ 23 S 43/02x-37, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Zweitgemeinschuldnerin war Alleineigentümerin der mit einem Betriebsgebäude bebauten und mit einem Pfandrecht der R***** reg. GenmbH belasteten Liegenschaft EZ ***** GB *****. Diese Liegenschaft wurde über Antrag des Masseverwalters mit Bewilligung des Konkursgerichtes vom Bezirksgericht Thalgau kridamäßig versteigert und am 7. 5. 2003 dem Hermann A***** um das Meistbot von 220.000 EUR zugeschlagen. Am 1. 7. 2003 legte der Masseverwalter dem Exekutionsgericht eine an ihn persönlich gerichtete Rechnung der (offenbar dem Ersteher zuzuordnenden) "S*****" vom 25. 6. 2003 vor, in der Müllentsorgungskosten von brutto 22.600,93 EUR für einen nach dem Zuschlag gelegenen Ausführungszeitraum verzeichnet wurden. Der Masseverwalter stellte den Antrag, "die damit festgestellten Räumungskosten, welche Teil der Auslagen für die Verwaltung der versteigerten Liegenschaft waren, in Höhe von 22.600,93 EUR vorrangig aus dem Meistbot zuzuweisen".

In der vom Exekutionsgericht am 8. 7. 2003 abgehaltenen Meistbotsverteilungstagsatzung erhob die Absonderungsgläubigerin Widerspruch gegen diese Forderungsanmeldung mit dem Antrag, der Forderung keinen Vorrang vor ihrem Grundpfandrecht zuzuerkennen.

Das Exekutionsgericht ersuchte das Konkursgericht um Entscheidung nach § 47 Abs 3 KO, ob sich diese Forderung auf die gemeinschaftliche Masse oder die Sondermasse beziehe.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Räumungskosten Sondermassekosten im Sinne des § 49 Abs 1 KO darstellten. Der Schuldner sei gemäß § 156 und § 349 EO verpflichtet, die versteigerte Liegenschaft geräumt von allen Fahrnissen an den Ersteher zu übergeben. Die Kosten der zwangsweisen Räumung träfen den Verpflichteten (hier: Gemeinschuldnerin bzw Masseverwalter). Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Räumungskosten und der Verwertung der Sondermasse.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Absonderungsgläubigerin erhobenen Rekurs Folge und stellte fest, dass sich die vom Masseverwalter zu 6 E 39/03f des Bezirksgerichtes Thalgau zur vorrangigen Befriedigung aus dem Meistbot angemeldeten Räumungskosten von 22.600,93 EUR auf die allgemeine Konkursmasse beziehen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Zuordnung von Kosten der Räumung einer kridamäßig versteigerten Liegenschaft zur allgemeinen oder zur Sondermasse keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtlich vertrat das Rekursgericht folgende Rechtsauffassung: Nach § 49 Abs 1 KO seien aus den Nutzungen sowie aus dem Erlös einer zur Sondermasse gehörigen Sache vor den Absonderungsgläubigern die Kosten der besonderen Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Sondermasse zu berichtigen. Es müsse sich um Masseforderungen im Sinne des § 46 KO handeln, die sich auf die Sondermasse bezögen. Das werde nur bei einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen den Massekosten und dem Absonderungsgut bejaht. Verneint werde ein solcher Zusammenhang dort, wo es sich um allgemein vom Schuldner zu tragende Verpflichtungen handle. Aufwendungen, aus denen für einen Absonderungsgläubiger keine Vorteile entstünden, seien nicht den Sondermassekosten zuzuordnen. Die hier zu beurteilenden Räumungskosten bezögen sich nicht auf das Absonderungsgut, sondern auf Fahrnisse der Gemeinschuldnerin. Ein Konnex mit der versteigerten Liegenschaft bestehe nur insoweit, als sich die Fahrnisse dort befunden hätten. Die Freimachung einer versteigerten Liegenschaft falle in die Verpflichtung des bisherigen Eigentümers. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, könne der Ersteher die zwangsweise Räumung der Liegenschaft gemäß § 349 EO beantragen, wobei § 156 Abs 2 EO bestimme, dass die Kosten einer solchen zwangsweisen Räumung durch Beschluss des Exekutionsgerichtes festzusetzen und dem Verpflichteten zur Zahlung an den Ersteher aufzutragen seien. Der Hypothekargläubiger habe hingegen mit der Räumung der Liegenschaft nichts zu schaffen. Schon gar nicht setze die Verwertung der Liegenschaft durch Versteigerung die Räumung bzw die Übernahme eines damit zusammenhängenden Aufwandes durch den Pfandgläubiger voraus. Überdies seien die hier in Rede stehenden Kosten erst nach dem Zuschlag der Liegenschaft an den Ersteher durch die von diesem (ob in eigenmächtiger Selbsthilfe oder Absprache mit dem Masseverwalter, sei nicht aktenkundig) veranlasste Wegschaffung und Entsorgung der gemeinschuldnerischen Fahrnisse entstanden. Sie könnten daher schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr Teil der Auslagen für die Verwaltung der versteigerten Liegenschaft sein. Im Zweifel sei gemäß § 47 Abs 3 erster Satz KO eine Masseforderung und nicht eine Sondermasseforderung anzunehmen.

Der dagegen vom Masseverwalter erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; nach ständiger neuerer Rechtsprechung handelt es sich bei der Frage, ob eine Masseschuld aus der allgemeinen Masse oder aus der Sondermasse zu befriedigen ist, um keine Entscheidung im Kostenpunkt (8 Ob 228/00p = SZ 74/103; 8 Ob 249/02d).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt. Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes:

Auch wenn nach § 119 KO eine gerichtliche Veräußerung nach den Vorschriften der Exekutionsordnung durch das Exekutionsgericht vorzunehmen ist, hat gemäß § 47 Abs 3 KO das Konkursgericht zu entscheiden, ob sich Masseforderungen auf die allgemeine oder auf eine besondere Masse beziehen (3 Ob 224/01i; 8 Ob 249/02d uva).

Zu den Masseforderungen gehören nach § 46 Abs 1 Z 2 KO unter anderem alle Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden sind. Sondermassekosten sind solche, die sich auf eine Sondermasse im Sinne des § 48 Abs 1 KO beziehen, den Tatbestand einer Masseforderung gemäß § 46 KO erfüllen (SZ 74/29; SZ 74/103; 3 Ob 224/01i; Schulyok in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 49 KO Rz 1) und gemäß § 47 Abs 1 KO aus der Masse zu decken sind, auf die sie sich beziehen (Schulyok aaO; 3 Ob 224/01i; SZ 74/103). Daraus wird abgeleitet, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Sondermassekosten und dem Absonderungsgut bestehen muss. Ein solcher Zusammenhang wurde etwa für die Kosten der Beteiligung am Versteigerungsverfahren (RdW 1999, 211) und bei einem den Verwertungserlös mindernden Preisminderungsanspruch (SZ 74/29) bejaht; hingegen in Ansehung laufender Betriebskosten für versteigerte Wohnungseigentumsobjekte (8 Ob 249/02d) ebenso verneint wie für den Spekulations(veräußerungs)gewinn (SZ 74/103).

Als wesentliches Kriterium wird angesehen, ob der Absonderungsgläubiger selbst diesen Aufwand hätte tragen müssen, um zur Verwertung des Absonderungsrechtes zu gelangen (Schulyok aaO Rz 17; 8 Ob 249/02d).

Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt: Vielmehr ist für die Abgrenzung auch die Interessenlage der Beteiligten wesentlich: Ein Zurückdrängen der Sondermassekosten bedeutet aus der Sicht der Absonderungsgläubiger, dass der Verwertungserlös des Absonderungsgutes nicht geschmälert wird und daher die Befriedigungsaussichten der Absonderungsgläubiger steigen, da die Sondermassekosten aus der allgemeinen Konkursmasse gedeckt werden. Wenn die Belastungsintensität des Absonderungsgutes keine Hyperocha für die allgemeine Konkursmasse zulässt, bedeutet dies für deren Gläubiger, dass deren Befriedigungsfonds durch die Deckung der Sondermassekosten geschmälert wird, obwohl ihnen keinerlei Vorteil zukommt. Andererseits hat die Befriedigung der Sondermassekosten vor den Absonderungsgläubigern zur Konsequenz, dass bei dem überbelasteten Absonderungsgut die Absonderungsgläubiger nicht voll befriedigt werden können und die allgemeine Konkursmasse von Masseforderungen - um solche handelt es sich immer auch bei Sondermassekosten - entlastet wird, was zu einer Vergrößerung des Befriedigungsfonds der Gläubiger der allgemeinen Konkursmasse führt. Der aus § 11 KO abzuleitende Grundsatz, dass die Rechtsposition der Absonderungsgläubiger durch ein Konkursverfahren nicht verschlechtert werden darf, ist so zu verstehen, dass die Eröffnung eines Konkursverfahrens auch zu keiner Besserstellung führen darf (SZ 74/103; Schulyok aaO Rz 8, 9 und 40).

Sämtliche dieser dargestellten Kriterien zur Abgrenzung von Masse und Sondermassekosten sprechen gegen eine Einordnung der Entsorgungskosten in Höhe von 22.600,93 EUR als Sondermassekosten: Wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannte, hatte der Ersteher einen Anspruch auf geräumte Übergabe der Liegenschaft. Nach dem maßgeblichen Inhalt des Versteigerungsediktes (Angst in Angst EO § 156 Rz 5 mwN) wurde die Liegenschaft ohne Zubehör versteigert. Der Übergabeanspruch des Erstehers ist - wenn der Verpflichtete nicht räumt - gemäß § 156 Abs 2 EO nach § 349 EO durchzusetzen. Die Räumungsverpflichtung trifft - ebenso wie die Ersatzpflicht für die Kosten der Räumungsexekution (§ 156 Abs 2 letzter Satz EO) den Verpflichteten. Daraus resultiert zunächst, dass der Gemeinschuldner bzw der Masseverwalter, jedenfalls nicht aber der Absonderungsgläubiger nach der Rechtslage den Räumungsaufwand zu tragen hat. Dazu kommt, dass auch ein enger Zusammenhang zwischen dem Absonderungsgut einerseits und den nach Zuschlag zu entfernenden Gegenständen von der Liegenschaft andererseits nicht besteht: Gerade weil Gegenstände, die kein Zubehör darstellen, nicht das (versteigerte) Absonderungsgut betreffen, bezieht sich der Entfernungsanspruch des Erstehers nicht auf das Absonderungsgut. Hier kommt als Besonderheit dazu, dass eine zwangsweise Übergabe der versteigerten Liegenschaft nach § 349 EO nicht in Betracht kam (SZ 51/123). Dem Ersteher wurde ohnedies der Besitz an der Liegenschaft eingeräumt. Die Verpflichtung, nicht mitversteigerte Gegenstände (hier offenbar Sperrmüll und Sondermüll) von der bereits an den Ersteher übergebenen Liegenschaft zu beseitigen, ist nicht von der Bestimmung des § 349 Abs 1 EO erfasst, die vorrangig der Übergabe der Liegenschaft, gegebenenfalls unter Entfernung beweglicher Sachen und Personen, dient (siehe Klicka in Angst aaO § 349 Rz 1 f). Ist hingegen - wie hier - eine wenngleich dem Versteigerungsedikt nicht entsprechende Übergabe bereits erfolgt, scheidet die Möglichkeit einer Räumungsexekution aus. Die nach freiwilliger Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher notwendig werdende Entfernung von Müll steht in keinem engen sachlichen Zusammenhang zur Sondermasse.

Letztlich können auch Wertungsgesichtspunkte kein anderes Ergebnis herbeiführen: Es wurde bereits betont, dass aus § 11 KO abzuleiten ist, dass die Rechtsposition der Absonderungsgläubiger durch ein Konkursverfahren weder verbessert noch verschlechtert werden darf. Gerade wenn man sich die - aus den dargelegten Gründen hier nicht unmittelbar anwendbare - Regelung des § 349 Abs 2 und 3 EO vor Augen führt, würde die Zuordnung von Räumungskosten (seien sie nun solche im Sinne des § 349 EO oder wie hier bloße Beseitigungskosten) zur Sondermasse eine durch nichts gerechtfertigte Schlechterstellung der Absonderungsgläubiger bewirken: Der Revisionsrekurs hebt selbst hervor, dass bei Durchführung einer Räumungsexekution nach § 349 EO eine Wegschaffung der zu räumenden Gegenstände zunächst auf Kosten der betreibenden Partei erfolgt und nach vorheriger Verkaufsandrohung an den Verpflichteten eine Versteigerung dieser Fahrnisse vorgenommen wird. Aus dem erzielten Versteigerungserlös sind vorrangig die Verwahrungs- und Räumungskosten des betreibenden Gläubigers zu befriedigen, ein allenfalls verbleibender Rest ist dem Verpflichteten auszufolgen. Eine vorrangige Befriedigung der Pfandgläubiger aus dem Erlös versteigerter Fahrnisse, die nicht zum Absonderungsgut gehören und vom Pfandrecht nicht umfasst sind, kommt nicht in Betracht. Damit scheidet aber auch im umgekehrten Fall, dass nämlich die Räumungskosten nicht aus einem Versteigerungserlös beglichen werden können, schon aus Wertungsgründen eine Belastung des Pfandgläubigers mit diesen Kosten aus.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes war daher zu bestätigen, ohne dass noch darauf eingegangen werden müsste, ob nicht auch das vom Rekursgericht hervorgehobene zeitliche Moment (Entstehung der Müllbeseitigungskosten nach Zuschlag) einer Einordnung dieser Kosten als Sondermassekosten entgegenstünde.

Ebenfalls klarzustellen ist, dass das Konkursgericht nur über die Zuordnung dieser Kosten zu Masse- oder Sondermassekosten zu entscheiden hat; nicht aber die Frage zu beantworten hat, ob diese Kosten, die offenbar durch einen Auftrag des Erstehers an ein ihm gehöriges Unternehmen entstanden, inhaltlich berechtigt sind.

Gemäß § 173 Abs 1 KO gibt es im Konkursverfahren, soweit es sich nicht um Rechtsstreitigkeiten handelt, keinen Kostenersatz (RIS-Justiz RS0065227). Das gilt auch für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (8 Ob 232/00a). Der Antrag des Masseverwalters auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses war daher zurückzuweisen.

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