OGH 8Ob72/24g

OGH8Ob72/24g26.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in den verbundenen Familienrechtssachen der Antragstellerin S*, BA, MA, *, vertreten durch Dr. Christian Schauberger, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Ing. P*, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. März 2024, GZ 42 R 320/23d‑107, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 7. August 2023, GZ 2 Fam 9/19g‑101 (2 Fam 49/20s), in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00072.24G.0926.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 2.166,90 EUR (darin 361,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen sprachen der Antragstellerin, der erwachsenen Tochter des Antragsgegners, 28.807,30 EUR an rückständigem Unterhalt für die Zeit des von ihr nach Abschluss eines Fachhochschul‑Bachelorstudiums absolvierten Masterstudiums und bis zu ihrem Berufsantritt, von 1. 1. 2016 bis zum 15. 4. 2020, zu, wobei sie das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschränkung der Antragstellerin auf den notdürftigen Unterhalt in Anwendung der §§ 777, 770 Z 4 ABGB (analog) in dieser Zeit verneinten.

[2] Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob bei einer Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts des Kindes auf das Maß des notdürftigen Unterhalts die Handlung des Kindes, die objektiv den Tatbestand der Entziehung des Pflichtteils nach § 770 Z 4 ABGB rechtfertigen würde, zudem auch subjektiv vorwerfbar sein müsse, und wenn ja, in welchem Ausmaß.

Rechtliche Beurteilung

[3] Damit wird jedoch keine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt. Der Umstand, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem völlig gleich gelagerten Sachverhalt fehlt, kann die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs für sich allein noch nicht begründen (RS0107773; RS0110702; RS0102181), zumal wenn sich stellende Rechtsfragen – wie hier – zwanglos durch Anwendung der Leitlinien bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Verbindung mit Gesetzen der Logik gelöst werden können (vgl RS0118640; RS0042742 [insb T11, T13]; RS0042656 [T48]).

[4] Da auch der Antragsgegner keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft, ist der Revisionsrekurs entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG):

[5] I.1. Die vom Rekursgericht formulierte Zulassungsfrage stellt sich nicht, weil eine Beschränkung des Unterhalts der Antragstellerin in analoger Anwendung der §§ 777, 770 Z 4 ABGB (vgl § 541 Z 2 ABGB) hier schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil sie rückständigen Unterhalt für die Vergangenheit – bis 15. 4. 2020 – begehrt, die ihr vom Antragsgegner angelasteten, zu seiner Strafverfolgung führenden Aussagen unstrittigerweise erst danach (ab September 2020) erfolgten.

[6] I.2. Unterhaltsansprüche können grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden (RS0034969). Auch eine Änderung der Unterhaltsbemessung ist ebenso wie eine Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit dann möglich, wenn sich die Verhältnisse geändert haben, wobei sich der hierfür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklicht haben muss (RS0053283; RS0034969 [T15]).

[7] I.3.1. Der Oberste Gerichtshof judiziert zur Unterhaltsverwirkung (etwa nach § 74 EheG oder § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB) in ständiger Rechtsprechung, dass die Konsequenz der Verwirklichung von Verwirkungstatbeständen darin besteht, dass ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhalts gegeben sind, ein Unterhaltsanspruch für die Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden kann; die Verwirkung bezieht sich daher nur auf die Zukunft, nicht aber auf Rückstände aus der Zeit vor der Verwirkung (3 Ob 217/14d mwN = RS0078153 [T7]).

[8] I.3.2. Zwar kann der Unterhaltsanspruch von nicht selbsterhaltungsfähigen Kindern nach ständiger Rechtsprechung nicht verwirkt werden (RS0047642), es kann jedoch eine Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts eines Kindes auf das Maß des notdürftigen Unterhalts eintreten, wenn es eine Handlung begeht, die die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt (RS0047504). Auch eine solche Rechtsfolge kann sich nur auf nach dem Zeitpunkt dieser Handlung liegende Perioden beziehen, nicht jedoch auf Unterhaltsrückstände, die in der Zeit vor der Verwirklichung des Beschränkungstatbestands fällig geworden sind.

[9] I.4. Hier macht die Antragstellerin unstrittig nur rückständigen Unterhalt für vor dem genannten Zeitpunkt liegende Perioden geltend, sodass eine Beschränkung dieses Unterhalts auf den notwendigen Unterhalt von vornherein nicht in Betracht kommt. Weder die Zulassungsfrage des Rekursgerichts noch die vom Revisionsrekurswerber im Zusammenhang mit einer solchen Beschränkung zur Zulässigkeit sowie unter verschiedenen Rechtsmittelgründen ins Treffen geführten Verfahrensmängel, Rechtsfragen, behaupteten Umstände oder vermissten Feststellungen sind daher hier relevant; es werden damit keine erheblichen Rechtsfragenaufgeworfen.

[10] II. Auch die übrigen vom Antragsgegner zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels aufgeworfenen Fragen sind nicht solche im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG und erlauben folglich nicht die Anrufung des Obersten Gerichtshofs:

[11] II.1. Im Außerstreitverfahren kann eine vom Rekursgericht verneinte „Nichtigkeit“ des Verfahrens erster Instanz wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 66 Abs 1 AußStrG und des Fehlens einer § 519 ZPO vergleichbaren Bestimmung neuerlich geltend gemacht werden (RS0121265, RS0107248 [T4]; RS0120715 [T3]).

[12] Auf die im Revisionsrekurs abermals als „Nichtigkeit“ relevierte Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher einzugehen. Sie liegt jedoch nicht vor:

[13] II.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert der vom Revisionsrekurswerber als verletzt erachtete Grundsatz des Parteiengehörs, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, das der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich ist. Das rechtliche Gehör einer Partei ist auch dann gewahrt, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (vgl RS0006048); eine mündliche Verhandlung ist im Außerstreitverfahren nicht zwingend vorgeschrieben (RS0006036). Wird im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren das rechtliche Gehör verletzt, so wird dieser Mangel auch behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RS0006057; RS0006048 [T4]). Der Umstand, dass die Vorinstanzen den Anträgen oder dem rechtlichen Standpunkt einer Partei nicht folgen, begründet hingegen keine „Nichtigkeit“, sondern allenfalls sonstige Verfahrensmängel oder unrichtige rechtliche Beurteilung.

[14] II.1.2. Auch eine örtliche Unzuständigkeit bildet keinen Aufhebungsgrund nach § 56 AußStrG und bleibt daher in der Regel sanktionslos; auch ein „wesentlicher Mangel, welcher eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache verhindert“ (§ 57 Z 4 AußStrG), liegt nicht vor, weil die örtliche Unzuständigkeit alleine in der Regel nicht geeignet ist, die Richtigkeit der Entscheidung zu beeinflussen (6 Ob 63/18k mwN; RS0005829 [T9]; RS0050037).

[15] II.2.1. Zudem können vom Rekursgericht verneinte „sonstige“ Mängel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz keinen Revisionsrekursgrund bilden (vgl RS0030748; RS0050037; RS0043919), was nur im – hier nicht vorliegenden – Pflegschaftsverfahren (insbesondere im Obsorge‑ und Kontaktrechtsverfahren) dann eine Durchbrechung erfahren kann, wenn die Interessen des Kindeswohls dies erfordern (vgl RS0050037 [T1, T4, T8]). Sonst läge ein Revisionsrekursgrund vor, wenn das Rekursgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RS0043086, RS0043166).

[16] II.2.2. Das Rekursgericht hat sich hier aber mit den behaupteten Stoffsammlungsmängeln auseinandergesetzt und unter Hinweis auf das im außerstreitigen Verfahren herrschende Beweisaufnahmeermessen ausführlich begründet, warum diese nicht vorliegen. Insofern der Sache nach Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens geltend gemacht wird, liegt diese nicht vor. Soweit daher der Revisionsrekurswerber ins Treffen führen will, dass das Rekursgericht erstgerichtliche Verfahrensmängel zu Unrecht verneint habe, ist ihm die Anrufung des Obersten Gerichtshofs verwehrt.

[17] II.3. Dasselbe gilt, soweit der Revisionsrekurswerber eine vorgreifende Beweiswürdigung kritisiert: Der Oberste Gerichtshof ist auch im Außerstreitverfahren keine Tatsacheninstanz (RS0007236; RS0108449). Es gehört aber auch zur in dritter Instanz nicht überprüfbaren Beweiswürdigung, wenn das zweitinstanzliche Gericht der Ansicht ist, dass weitere Beweise am festgestellten Sachverhalt nichts ändern könnten (vgl RS0043099). Zumal der Revisionsrekurs – soweit konkret begründet – als wesentliche Rechtsfrage eine vorgreifende Beweiswürdigung nur im Zusammenhang mit der subjektiven Vorwerfbarkeit des angeblich zur Beschränkung des Unterhalts führenden Verhaltens der Antragstellerin ins Treffen führt, ermangelt es diesen Darlegungen, wie oben zu Pkt I. erörtert, auch schon grundsätzlich der Relevanz.

[18] II.4.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit aus verschiedenen Gründen wieder verlorengehen und damit die Unterhaltspflicht der Eltern unter Umständen wieder aufleben kann (RS0047533). Nach der Rechtsprechung kommt es aber nicht bereits dadurch zum Wegfall der Selbsterhaltungsfähigkeit und damit zum Wiederaufleben der Unterhaltspflicht, dass jemand, aus welchen Gründen auch immer, seine bisherige Berufstätigkeit freiwillig durch eine weitere Ausbildung ersetzen will. Eine Berufswahl gegen den Willen des Unterhaltspflichtigen, die diesen zu weiteren Unterhaltsleistungen zwingt, kann dem bereits selbsterhaltungsfähigen Unterhaltsberechtigten vielmehr nur bei besonderer Eignung für den gewählten Beruf gestattet werden, wenn die angestrebte Ausbildung ein besseres Fortkommen im neuen Beruf erwarten lässt bzw sich der Unterhaltsberechtigte nach abgeschlossener Berufsausbildung zu einer weiteren Ausbildung entschließt, um offenkundig bessere berufliche Fortkommensmöglichkeiten zu erlangen (RS0047319; 10 Ob 51/08k mwN). Die Beurteilung, ob ein Studium ein besseres Fortkommen erwarten lässt, hat regelmäßig nur nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen zu erfolgen, wobei es ausreicht, dass die künftige Verbesserung der beruflichen Position des Unterhaltsberechtigten nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls überwiegend wahrscheinlich ist (10 Ob 51/08k); grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass eine akademische Ausbildung ein besseres Fortkommen ermöglicht, also insbesondere mit erhöhten Verdienstchancen verbunden ist (RS0107722 [T11]). Während bei einem unmittelbar nach der Matura begonnenen „Anschlussstudium“ keine Bewertung der Studienwahl nach Berufs‑ und Einkommensaussichten vorzunehmen ist, ist für eine Unterhaltspflicht der Eltern für die Zeit einer qualifizierten Weiterbildung nach eindeutig abgeschlossener Berufsausbildung bzw nach Eintritt in das Berufsleben zunächst das elterliche Einverständnis mit der Weiterbildung einschließlich der weiterlaufenden Unterhaltspflicht entscheidend. Für eine Finanzierung der Weiterbildung gegen den Willen des Unterhaltsschuldners müssen strengere Voraussetzungen gefordert werden als im Regelfall, und zwar neben einem durch Fleiß dokumentierten besonderen Interesse noch eine besondere Eignung des Kindes für die gewählte Ausbildung, die begründete Erwartung gesteigerter Verdienstchancen sowie die an ihren Lebensverhältnissen zu messende Zumutbarkeit weiterer Unterhaltsleistungen für die Eltern (RS0107722; 3 Ob 128/16v).

[19] Diese Bestimmungsfaktoren sollen eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen (8 Ob 82/13m; 9 Ob 7/16v). Maßstab für die Belastbarkeit eines Geldunterhaltspflichtigen bei einer weiteren Ausbildung ist die Orientierung an der intakten Familie, also ob auch solche Eltern einen durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begrenzten finanziellen Beitrag zu einer weiteren Berufsausbildung leisten würden (3 Ob 128/16v; RS0107722 [T4]; 2 Ob 179/10b).

[20] II.4.2. Das Rekursgericht stützt seine Rechtsansicht über die Berechtigung des Antragsbegehrens unter anderem darauf, dass das von der Antragstellerin – nach Beendigung des Fachhochschul‑Bachelorstudiums „Export-orientiertes Management“ im Juli 2014 und zwei Arbeitsverhältnissen (von 1. 9. bis 31. 12. 2014 sowie in Teilzeit ab 15. 1. 2015 bis 30. 6. 2016) – am 1. 10. 2015 begonnene und am 1. 7. 2019 abgeschlossene (mindestens viersemestrige) universitäre Masterstudium „Internationale Entwicklung“ den dargelegten Voraussetzungen der Rechtsprechung genüge, zumal es nach den auf ein berufskundliches Sachverständigengutachten gestützten Feststellungen eine signifikante Verbesserung der Aufstiegschancen in die Managementebene von Unternehmen erbracht habe. Bereits das Erstgericht hatte zudem darauf verwiesen, dass der Antragsgegner, der ein überdurchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 8.000 EUR bezog, das Masterstudium grundsätzlich befürwortete und der Antragstellerin hierfür Geldzuwendungen in Höhe von insgesamt 16.000 EUR machte; es hatte weiters dargelegt, dass ihr die Überschreitung der Mindest-, aber auch der Durchschnittsstudienzeit nicht als schuldhaft angerechnet werden dürfe, weil sie gute Leistungen erbracht und die erforderliche ECTS‑Punkteanzahl überschritten habe; weiters sei zu berücksichtigen, dass sie nicht zuletzt mangels ausreichender laufender Unterhaltsleistungen des Antragsgegners während des Studiums einer Teilzeitbeschäftigung habe nachgehen müssen.

[21] II.4.3. Dies hält sich insgesamt im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums; eine aus Gründen der Rechtssicherheit im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht auf. Einerseits setzt er sich mit der Frage seiner Zustimmung zum Masterstudium und den von ihm hierfür erbrachten Geldzuwendungen gar nicht auseinander (vgl RS0043603 [T9, T16]), andererseits ist bei den im Rechtsmittel angeführten Einzelfallentscheidungen nicht erkennbar, inwieweit sie seinen Rechtsstandpunkt stützen könnten. Insbesondere steht hier ein besseres Fortkommen der Antragstellerin durch das Studium positiv fest.

[22] II.5.1. Der Unterhaltsanspruch eines Kindes außerhalb des Pflichtschulalters erlischt grundsätzlich erst dann, wenn das Kind nach Beendigung (Abschluss oder Abbruch) der Schulausbildung eine zielstrebige Berufsausbildung oder zumutbare Erwerbstätigkeit nach Abschluss der Berufsausbildung unterlässt. Nach Beendigung der Schulausbildung ist dem Kind ein angemessener Zeitraum für eine zielstrebige Berufsausbildung und Arbeitsplatzsuche einzuräumen (RS0047621 [T3]; RS0128691 [T1]), der in der Rechtsprechung mit in etwa sechs Monaten angesetzt wird (vgl 8 Ob 3/13v; 6 Ob 229/20z Rz 20; 3 Ob 270/97w). Voraussetzung einer fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit nach Abschluss der Berufsausbildung ist aber, dass das Kind am Scheitern einer angemessenen Berufsausübung ein Verschulden trifft (RS0047621 [T1, T2]); zur Beurteilung des Verschuldens an einem solchen Scheitern bedarf es der Erhebung der hierzu führenden Gründe (vgl RS0047605 [insb T2, T11]; 10 Ob 10/15s mwN). Ob die Voraussetzungen dieser fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben sind, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf (vgl RS0008857; RS0109289).

[23] II.5.2. Nach den auf das berufskundliche Gutachten gestützten, entgegen den Darlegungen des Revisionsrekurses vertretbar als ausreichend konkret erachteten Feststellungen war im Fall der Antragstellerin nach der Arbeitsmarktlage mit einer Suchdauer für eine adäquate, ausbildungsgemäße Vollzeitbeschäftigung von bis zu zwölf Monaten zu rechnen. Sie hat etwas mehr als neun Monate nach ihrem Studienabschluss eine solche Beschäftigung erlangt, wobei sie ihre Bewerbungen feststellungsgemäß sowohl inhaltlich als auch quantitativ geeignet gestaltete.

[24] II.5.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Antragstellerin daher erst Mitte April 2020 selbsterhaltungsfähig wurde, ist im Einzelfall noch vertretbar, wogegen der Antragsgegner – der, soweit er nicht die Feststellungen, sondern seine konträren Prozessbehauptungen zugrundegelegt wissen will, sein Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausführt (RS0043603 [T8]; RS0043480 [T21]) – im Kern bloß darauf verweist, dass die Vorinstanzen von ihm gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen hätten, aus denen sich eine andere Beurteilung ergeben hätte. Eine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfrage wird auch hier nicht dargelegt.

[25] III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 1 AußStrG. Die Antragstellerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte