OGH 6Ob63/18k

OGH6Ob63/18k28.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers P* A*, vertreten durch Mag. Severin Perschl, Rechtsanwalt in Krems, gegen die Antragsgegnerin B* P*, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vollstreckung der angeordneten Rückführung des Minderjährigen Y* A*, geboren am *, nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 2. März 2018, GZ 2 R 19/18h‑124, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121149

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Infolge des Beschlusses des erkennenden Senats vom 29. 5. 2017, 6 Ob 94/17t, ist die vom seinerzeitigen Rekursgericht nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen verfügte Anordnung der Rückführung des Kindes in das Staatsgebiet von Frankreich rechtskräftig.

Nach der Übersiedlung des Kindes und seiner Mutter in den Sprengel des nunmehrigen Erstgerichts verfügte das seinerzeitige Erstgericht die Übermittlung des Akts an das jetzige Erstgericht zur Vollstreckung der Rückführungsanordnung.

Das nunmehrige Erstgericht ordnete mit Beschluss vom 19. 1. 2018 den Vollzug zur Durchsetzung des Beschlusses des vormaligen Erstgerichts durch Abnahme des Kindes von seiner Mutter und Übergabe an seinen Vater an.

Am 26. 1. 2018 wurde die Übergabe des Kindes an den Vater vollzogen. Das Kind lebt jetzt bei seinem Vater in Frankreich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 2. 3. 2018 hat das Rekursgericht dem von der Mutter gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 19. 1. 2018 gerichteten Rekurs nicht Folge gegeben und den Revisionsrekurs nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist nicht zulässig.

Wenngleich die angeordnete Rückführung bereits vollzogen ist, ist die Beschwer der Mutter nicht weggefallen, weil sie ein Recht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Rückführungsanordnung im Instanzenzug hat.

Das Rechtsmittel zeigt aber keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die örtliche Unzuständigkeit im AußStrG sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach der Absicht des Gesetzgebers (ErläutRV, abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG, bei § 56) keinen Aufhebungsgrund nach § 56 AußStrG bildet und daher in der Regel sanktionslos bleibt (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 56 Rz 14; vgl auch die Rechtsprechung zum alten Recht: RIS‑Justiz RS0005829); auch ein „wesentlicher Mangel, welcher eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache verhindert“ (§ 57 Z 4 AußStrG), liegt nicht vor, weil die örtliche Unzuständigkeit alleine in der Regel nicht geeignet ist, die Richtigkeit der Entscheidung zu beeinflussen (Klicka in Rechberger, AußStrG² § 56 Rz 2).

Davon ausgehend handelte es sich selbst bei Annahme der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts um einen vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmangel, der in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0050037). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes aufgrund des Kindeswohls (vgl RIS‑Justiz RS0050037 [T1]) ist bei einer (behaupteten) Zuständigkeitsverletzung nicht geboten.

Entgegen der Rechtsmittelbehauptung kann nach dem Spruch des erstgerichtlichen Beschlusses am Willen des Erstgerichts, den Vollzug der Rückführungsentscheidung anzuordnen, kein Zweifel bestehen. Davon abgesehen wird damit keine Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht.

Infolge der Rechtskraft der Rückführungsanordnung ist diese entgegen der Rechtsmittelbehauptung auch vollstreckbar (§ 43 Abs 1 AußStrG).

Die Mutter behauptet schließlich im Rechtsmittel, die Rückführung habe das Kind aufgrund der französischen Entscheidung, wonach das Kind im Haushalt des Vaters zu leben habe, in eine unzumutbare Lage gebracht. Durch ein nachträglich vorgelegtes Privatgutachten ergebe sich die Kindeswohlgefährdung bei Trennung des Kindes von der Mutter.

Die französische Sorgerechtsentscheidung war schon Gegenstand des Titelverfahrens, in dem sich das damalige Rekursgericht in seiner Entscheidung vom 12. 4. 2017 (ON 44) ausführlich damit befasst hat.

Gemäß § 207n AußStrG ist der 7a. Abschnitt in der Fassung des KindRückG 2017 (BGBl I 2017/130) mit 1. 9. 2017 in Kraft getreten und (nach den Materialien: 2243/A 25. GP  8) auch auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden. Gemäß § 111d Abs 2 letzter Satz AußStrG idF des KindRückG 2017 sind Einwendungen gegen die Vollstreckung des Beschlusses nur noch zu berücksichtigen, soweit die nun eingewendeten Umstände im Verfahren zur Anordnung der Rückführung noch nicht geprüft wurden oder soweit nachträglich Umstände eingetreten sind, die das Wohl des Kindes gefährden.

Die französische Sorgerechtsentscheidung kann demnach nicht noch einmal aufgerollt werden.

Dass das Privatgutachten nicht geeignet ist, eine Verweigerung des Vollzugs zu rechtfertigen, hat schon das Rekursgericht vertretbar ausgeführt.

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