European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00004.23A.1022.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Antrag der klagenden Parteien, der Oberste Gerichtshof möge den EuGH gemäß Art 267 AEUV anrufen und ihm insbesondere die in der Revision aufgelisteten Vorlagefragen stellen, wird zurückgewiesen.
II. 1a. Der Revision der klagenden Parteien wird teilweise Folge gegeben.
1b. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass dem dritten Eventualbegehren in Punkt 6d, es werde festgestellt, dass folgende Vertragsklausel des zwischen den Streitteilen des am * 2002 zu Kontonummer * abgeschlossenen Kreditvertrags:
„Im Übrigen gelten, sofern keine gegenteiligen Bestimmungen vereinbart sind, die 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen der B* AG', die durch Aushang in unseren Geschäftsräumen publiziert sind. Sie bestätigen mit Ihrer Unterschrift, eine schriftliche Aus- fertigung dieser Bedingungen erhalten zu haben.“
unwirksam sei, stattgegeben wird.
1c. Im Übrigen wird die angefochtene Entscheidung in ihrem abweisenden Teil bestätigt.
2a. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
2b. Die angefochtene Entscheidung wird weiters dahin abgeändert, dass dem dritten Eventualbegehren in Punkt 6b, es werde festgestellt, dass folgende Vertragsklausel des zwischen den Streitteilen am * 2002 zu Kontonummer * abgeschlossenen Kreditvertrags:
„Der für diesen Kredit vereinbarte Zinssatz wird der Entwicklung der Refinanzierungskosten angepasst:
Als Indikator für die Refinanzierungskosten dienen die von der British Bankers Association veröffentlichten, international auf den Seiten FRBD ff des Reuters Informationssystems feststellbaren LIBOR Zinssätze für Einmonatsgelder in der Währung, in der der Kredit aushaftet, jeweils aufgerundet auf volle 0,125 Prozentpunkte (im folgenden kurz 'LIBOR').
Die Zinssatzanpassung erfolgt monatlich anhand des am ersten österreichischen Geschäftstag eines Kalendermonats festgestellten LIBOR. Basiswert ist bei der ersten Zinssatzanpassung der am ersten österreichischen Bankwerktag des Monats des Vertragsabschlusses festgestellte LIBOR, bei weiteren Anpassungen der für den aktuellen Zinssatz maßgeblich gewesene Indikatorwert. Der aktuelle Zinssatz wird im Ausmaß der Differenz zwischen den beiden verglichenen Indikatorwerten vermindert oder erhöht. Die Anpassung wird mit 15. des betreffenden Monats wirksam und zuvor dem Kreditnehmer bekanntgegeben. Zwischen den vereinbarten Terminen erfolgen weitere Zinssatzanpassungen, wenn ein zwischenzeitig festgestellter LIBOR vom Basiswert um mehr als 0,5 Prozentpunkte abweicht. Die bei der erstmaligen Ermittlung und laufenden Anpassung der Zinssätze zugrunde gelegte Marge beläuft sich auf 1,250 % p.a. in Schweizer Franken.“
unwirksam sei, abgewiesen wird.
3. Die Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren obliegt dem Erstgericht.
Entscheidungsgründe:
[1] Die klagenden Verbraucher und die beklagte Bank schlossen 2002 einen Kreditvertrag ab, in dem sich die Beklagte gegenüber den Klägern verpflichtete, „einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 210.000 EUR in folgender Währung: Schweizer Franken ... zur Verfügung zu stellen“ (in weiterer Folge Klausel 1 – „Auszahlungsklausel“).
[2] Darüber hinaus enthält der Kreditvertrag unter anderem folgende weitere Vereinbarungen:
„Zinsanpassung bei Ausnützung in Fremdwährung:
Der für diesen Kredit vereinbarte Zinssatz wird der Entwicklung der Refinanzierungskosten angepasst:
Als Indikator für die Refinanzierungskosten dienen die von der British Bankers Association veröffentlichten, international auf den Seiten FRBD ff des Reuters Informationssystems feststellbaren LIBOR Zinssätze für Einmonatsgelder in der Währung, in der der Kredit aushaftet, jeweils aufgerundet auf volle 0,125 Prozentpunkte (im folgenden kurz 'LIBOR'). Die Zinssatzanpassung erfolgt monatlich anhand des am ersten österreichischen Geschäftstag eines Kalendermonats festgestellten LIBOR. Basiswert ist bei der ersten Zinssatzanpassung der am ersten österreichischen Bankwerktag des Monats des Vertragsabschlusses festgestellte LIBOR, bei weiteren Anpassungen der für den aktuellen Zinssatz maßgeblich gewesene Indikatorwert. Der aktuelle Zinssatz wird im Ausmaß der Differenz zwischen den beiden verglichenen Indikatorwerten vermindert oder erhöht. Die Anpassung wird mit 15. des betreffenden Monats wirksam und zuvor dem Kreditnehmer bekanntgegeben. Zwischen den vereinbarten Terminen erfolgen weitere Zinssatzanpassungen, wenn ein zwischenzeitig festgestellter LIBOR vom Basiswert um mehr als 0,5 Prozentpunkte abweicht. Die bei der erstmaligen Ermittlung und laufenden Anpassung der Zinssätze zugrunde gelegte Marge beläuft sich auf 1,250 % p.a. in Schweizer Franken.“ (Klausel 2 oder „Zinsgleitklausel“).
„Sie ermächtigen uns, die dem Kreditkonto jeweils angelasteten Zinsen, Provisionen und Kosten sowie fällige Kapitaltilgungen zum aktuellen Devisen-Brief-Kurs umzurechnen und den jeweiligen Gegenwert zu Lasten Ihres EUR‑ Girokontos ... einzuziehen ....“ (Klausel 3 oder „Währungsumrechnungsklausel“).
„Im Übrigen gelten, sofern keine gegenteiligen Bestimmungen vereinbart sind, die 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen der B* AG', die durch Aushang in unseren Geschäftsräumen publiziert sind. Sie bestätigen mit Ihrer Unterschrift, eine schriftliche Aus- fertigung dieser Bedingungen erhalten zu haben.“ (Klausel 4 oder „Verweisklausel“).
„Die Rückführung des Kredites erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung.“ (Klausel 5 oder „Rückführungsklausel“).
[3] Die Kläger begehrten, 1. die Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags festzustellen und 2. den Betrag von 8.211,19 EUR als Rückzahlung diverser Serviceentgelte, Gebühren sowie der Zinsen der letzten drei Jahre vor Klagseinbringung. Hilfsweise begehrten sie mit mehreren gestaffelten Eventualbegehren die Feststellung der Unwirksamkeit der referierten fünf Vertragsklauseln, teils in Kombination mit Feststellungsbegehren zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit bzw mit Zahlungsbegehren.
[4] Die Beklagte beantragte die Abweisung aller Klagebegehren. Sie wandte unter anderem ein, dass alle Klauseln zulässig seien. Eine Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags wäre für die Kläger außerdem nachteilig. Diese wären bei einer Rückabwicklung bereicherungsrechtlich zu einer Verzinsung des erhaltenen Kreditbetrags von jährlich 4 % verpflichtet.
[5] Die Kläger erklärten sich ausdrücklich mit der Gesamtnichtigkeit des Vertrags einverstanden. Dies vor dem Hintergrund, dass die Gesamtnichtigkeit im Anlassfall keine nachteiligen Folgen für die Kläger hätte, weil von ihnen nur jener Betrag zurückzuzahlen sei, der ihnen in EUR ausbezahlt worden sei.
[6] Das Erstgericht wies beide Hauptbegehren sowie das erste und zweite Eventualbegehren ab, stellte aber in teilweiser Stattgebung des dritten Eventualbegehrens die Unwirksamkeit der Auszahlungsklausel (Klausel 1), der Verweisklausel (Klausel 4) und der Rückführungsklausel (Klausel 5) wegen Intransparenz fest.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der beiden Haupt- sowie der ersten und zweiten Eventualbegehren. Entgegen dem Erstgericht hielt es die von diesem beanstandeten Klauseln für wirksam, stellte dafür aber die Unwirksamkeit der Zinsgleitklausel (Klausel 2) fest. Diese verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil sie den Zinssatz einseitig zu Lasten der Verbraucher aufrunde. Außerdem sei sie intransparent. Eine Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags folge daraus jedoch nicht, weil diese für die Kläger insgesamt nachteilig wäre. Sie hätten sofort die gesamte Kreditsumme samt 4 % gesetzlichen Zinsen zurückzuzahlen. Dagegen wäre die Beklagte nicht verpflichtet, die bisher von den Kreditnehmern erhaltenen Zinsbeträge zurückzuerstatten, weil diese immer unter dem gesetzlichen Zinssatz von 4 % gelegen hätten. Die Fremdwährungsschuld ergebe sich nicht aus den Auszahlungs-, Währungsumrechnungs-, Verweis- und Rückführungsklauseln, sodass deren Nichtigkeit nicht festzustellen sei. Wegen des hier vorliegenden echten Fremdwährungskredits laute die Schuld der Kreditnehmer in der Fremdwährung. Selbst bei Unwirksamkeit des Geldwechselvertrags falle der Kreditvertrag nicht weg, sodass das Wechselkursrisiko bei den Klägern verbliebe.
[8] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien, wobei die Kläger eine gänzliche Klagsstattgebung anstreben, die Beklagte eine gänzliche Klagsabweisung.
[9] In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, die Revision der Gegenseite zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die jeweils nur eine Rechtsrüge enthaltenden Revisionen können wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam behandelt werden.
Zu den Hauptbegehren (Feststellung auf Nichtigkeit des Kreditvertrags, Leistungsbegehren):
[11] 1. Die Kläger stützen die Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags vor allem auf die Unwirksamkeit der Zinsgleitklausel (Klausel 2), aber auch darauf, dass die Auszahlungsklausel (Klausel 1), die Währungsumrechnungsklausel (Klausel 3) und die Rückführungsklausel (Klausel 5) unwirksam seien. Diese Klauseln seien missbräuchlich und intransparent. Ohne diese Klauseln sei der Vertrag nicht mehr durchführbar, weshalb es zur Gesamtnichtigkeit komme. Eine Schließung der dadurch entstandenen Lücken durch ergänzende Vertragsauslegung sei unionsrechtlich unzulässig.
Dazu ist auszuführen:
[12] 2.1 Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass nach der gegenständlichen Vertragslage eine echte Fremdwährungsschuld vorliege, weil der Kredit in einer anderen Währung als in EUR gewährt wurde und die fremde Währung die – vor allem für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers – maßgebliche Grundlage bildet. Dabei konnte auch daran angeknüpft werden, dass zwischen den Streitteilen das Wechselkursrisiko eingehend besprochen und den Klägern auch erklärt wurde, dass zwei Konten (eines davon in CHF) eröffnet werden würden und die rückzuzahlende Summe in CHF ausgedrückt werde. Aus den Feststellungen ergibt sich auch der Wille der Vertragsparteien, dass der Kreditnehmer das Wechselkursrisiko tragen soll. Die Kläger wurden nach dem unstrittigen (und damit auch in dritter Instanz verwertbaren, vgl RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]) Merkblatt für Fremdwährungsfinanzierungen auf allfällige sinkende Wechselkurse, die zur Verringerung des EUR-Gegenwerts der Fremdwährung führen, hingewiesen.
[13] 2.2 Die Bejahung eines echten Fremdwährungskredits durch die Vorinstanzen deckt sich mit der Rechtsprechung zu vergleichbaren Konstellationen (vgl 8 Ob 37/20d, Pkt III.3; 1 Ob 173/21d, Rz 8; 4 Ob 208/21y, Rz 8; 8 Ob 81/22b, Rz 14 f; 1 Ob 164/23h, Rz 7 f; RS0061067 [T3, T4]) und wird von den Klägern in dritter Instanz nicht mehr in Zweifel gezogen.
[14] 2.3 Es ist auch unstrittig, dass die Kläger vereinbarungsgemäß die Wahlmöglichkeit hatten, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in EUR auszahlen zu lassen. Ein solches Wahlrecht bzw die Auszahlung des Kredits in EUR schließt einen echten Fremdwährungskredit gerade nicht aus (1 Ob 164/23h, Rz 7 f).
[15] 3.1 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl 8 Ob 37/20d, Pkt II.2 f; 4 Ob 15/22t, Rz 8; 1 Ob 9/22p, Rz 9; 1 Ob 164/23h, Rz 7; 1 Ob 29/24g, Rz 3 uva), dass bei Vereinbarung der Wahlmöglichkeit für den Kreditnehmer, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in EUR auszahlen zu lassen, ein Angebot der Bank vorliegt, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen („Trennungsmodell“). Diesem Modell liegt – wenn sich der Kreditnehmer den Kredit in EUR ausbezahlen lässt – damit das Hinzutreten eines (entgeltlichen) Geldwechselvertrags zum Kreditvertrag zugrunde, was auch einer typischen nicht juristisch geschulten Person erkennbar ist (zuletzt: 5 Ob 14/24f; 6 Ob 242/24h).
[16] 3.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zum behaupteten Widerspruch mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Frage des „Trennungsmodells“ nicht Stellung nehmen (vgl 5 Ob 54/22k, Rz 14; 4 Ob 15/22t, Rz 11; 6 Ob 76/22b, Rz 9; 9 Ob 83/22d, Rz 10 [auch unter Bezugnahme auf die in der Revision zitierte Entscheidung des EuGH C‑779/19 ]).
[17] 4. Der Oberste Gerichtshof hat in der Beurteilung vergleichbarer Fälle auch bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln nicht automatisch dessen Nichtigkeit bewirkt (6 Ob 24/22f, Rz 6; 9 Ob 66/21b, Rz 11; 4 Ob 15/22t, Rz 12; 1 Ob 9/22p, Rz 12).
[18] 4.1 Höchstgerichtlich wurde etwa schon mehrfach ausgesprochen, dass selbst der Entfall einer mit der Klausel 3 (Währungsumrechnungsklausel) vergleichbaren „Konvertierungsklausel“ („Devisenfixing“), den Kreditvertrag bestehen lässt (1 Ob 163/21h, Rz 6; 9 Ob 62/21i, Rz 10; 6 Ob 76/22b, Rz 8 f; 7 Ob 58/22p, Rz 5; 1 Ob 9/22p, Rz 13; 1 Ob 88/22f, Rz 9). Der Kreditnehmer hätte demnach den Kredit in der fremden Währung zurückzuzahlen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen.
[19] 4.2.1 Das Gesagte wird auch zu Klauseln judiziert, die mit der hier vorliegenden Rückführungsklausel (Klausel 5) ident bzw weitgehend ident sind (8 Ob 81/22b, Rz 24; 7 Ob 112/23f mwN; 9 Ob 83/22d, Rz 7).
[20] 4.2.2 Dagegen spricht auch nicht die in einem Verbandsprozess ergangene Entscheidung 1 Ob 93/21i, in der eine der hier zu beurteilenden Klausel 5 vergleichbare Klausel als intransparent erkannt wurde, weil allein nach dieser Bestimmung unklar bleibe, dass eine zumindest als Verrechnungswährung dienende Fremdwährung die „ausgenützte Währung“ im Sinn des Vertragstextes sein solle, wenn die Bank die Kreditsumme nicht in der Fremdwährung, sondern in EUR auszahle. Diese Entscheidung ist nicht einschlägig, weil sich die Kläger im vorliegenden Fall unmissverständlich dafür entschieden haben, den Kredit in CHF aufzunehmen, womit ein Fremdwährungskredit vorliegt. Entsprechendes wurde in vergleichbaren Konstellationen in Individualprozessen gegen die auch hier beklagte Partei auch unter Bezugnahme auf 1 Ob 93/21i mehrfach ausgesprochen (8 Ob 81/22b, Rz 23; 1 Ob 173/21d, Rz 12; 9 Ob 66/21b, Rz 9 mwN).
[21] 4.2.3 Steht aber im Individualprozess wie hier fest, dass die Kläger den Kredit in CHF aufgenommen haben, folgt schon aus der Definition des Fremdwährungskredits, dass sie die Rückzahlung in dieser Währung zu leisten haben. Die von den Klägern als missbräuchlich und intransparent bezeichnete Klausel, wonach die Rückzahlung des Kredits in der jeweils ausgenutzten Währung erfolgt, ist vor dem Hintergrund der individuellen Vereinbarung weder unklar noch unverständlich, daher also nicht intransparent. Die Vereinbarung, den Fremdwährungskredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, ist nach der Rechtsprechung auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich (6 Ob 228/16x, Pkt 2.17; 9 Ob 66/21b, Rz 10; 8 Ob 81/22b, Rz 24; 9 Ob 83/22d, Rz 7).
[22] 4.2.4 Selbst wenn die beanstandete Rückführungsklausel (Klausel 5) entfiele und auch – wie die Kläger meinen – eine Anwendung des dispositiven Rechts (§ 907b Abs 1 ABGB) nicht in Betracht käme, bliebe es nach der oben referierten Rechtsprechung (vgl auch 1 Ob 47/21z, Rz 5) dabei, dass die Kreditrückzahlung (ohne Konvertierung) in der Fremdwährung zu erfolgen hätte. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandete Klausel fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen (1 Ob 173/21d, Rz 13 ua).
[23] 4.3.1 Entsprechendes wurde auch in einem Verfahren gegen die hier Beklagte im Zusammenhang mit einer (fast identen) Klausel im Sinn der hier vorliegenden Klausel 1 (Auszahlungsklausel) vertreten. Der 1. Senat stellte in der Entscheidung 1 Ob 173/21d klar, dass eine allenfalls fragliche Bestimmbarkeit der in EUR ausgedrückten Kreditsumme (dort ebenfalls: „bis zum Gegenwert von ... EUR“) auch durch ein späteres Verhalten gegeben war, das iSv § 863 ABGB eindeutige Schlüsse auf den nunmehr (bestimmten) Bindungswillen (in Richtung eines Kreditbetrags mit dem nunmehr bekannten Kreditbetrag in CHF) zulässt (RS0014711).
[24] 4.3.2 Daran ist auch hier anzuknüpfen. Den Klägern ist zuzugeben, dass die Kreditverträge keine CHF-Beträge nennen. Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist das aber gar nicht notwendig: Der Kreditvertrag muss den Kreditbetrag in der Fremdwährung und damit die Geldschuld des Kreditgebers nicht ziffernmäßig bezeichnen, um dem Bestimmtheitserfordernis des § 869 ABGB zu entsprechen. Es reicht aus, wenn der Kreditbetrag vertraglich an den „Gegenwert“ eines ziffernmäßig bezeichneten (maximalen) EUR-Betrags gebunden wird, ein dem Kreditnehmer anlässlich der Zuzählung zur Verfügung gestellter Kontoauszug den Kreditbetrag in der Fremdwährung konkretisiert (4 Ob 15/22t, Rz 9; 1 Ob 9/22p, Rz 10; 2 Ob 198/21p, Rz 12; 7 Ob 183/22w, Rz 4) und der Kreditnehmer über den ihm zugezählten Betrag disponiert, ohne den ausgewiesenen Fremdwährungsbetrag zu beanstanden. Dieses Verhalten des Kreditnehmers lässt nur den Schluss zu, dass er mit einem Kredit in der Höhe jenes Fremdwährungsbetrags einverstanden ist, mit dem das Fremdwährungskonto belastet wurde (6 Ob 51/21z, Rz 26; 1 Ob 173/21d, Rz 11; 9 Ob 66/21b, Rz 14; 1 Ob 9/22p, Rz 11; 7 Ob 58/22p, Rz 8; 8 Ob 81/22b, Rz 19; 7 Ob 223/22b, Rz 8). Unter diesen Voraussetzungen ist die Fremdwährungsschuld mit jenem Betrag, der auf dem Fremdwährungskonto ausgewiesen ist, ausreichend bestimmt. Könnte sich der Kreditnehmer auch in solchen Fällen auf die ursprüngliche Unbestimmtheit des Kreditvertrags berufen, könnte er das fehlerfrei übernommene Wechselkursrisiko nachträglich auf die Bank abwälzen. Das ist nach der Rechtsprechung vom Zweck des Bestimmtheitserfordernisses nicht gedeckt (2 Ob 198/21p, Rz 12; 2 Ob 54/22p, Rz 12; 1 Ob 88/22f, Rz 12; 4 Ob 196/22k, Rz 15).
[25] 4.3.3 Aus den von der Beklagten vorgelegten, ihrem Inhalt nach unstrittigen (und daher der Entscheidung zugrunde zu legenden: RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]) Urkunden (Kontoauszüge) ist die ausgezahlte Kreditsumme in CHF und in EUR ersichtlich. Daraus ergibt sich der entsprechende Wechselkurs, der in späteren Kontoauszügen auch ausdrücklich angeführt wurde. Aus dem Verhalten der Beklagten, die die bekanntgegebene Kreditsumme (unstrittig) zur Finanzierung einer Eigentumswohnung verwendet haben, ist im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung auf deren Einverständnis mit dem ihr auf diese Weise bekanntgegebenen CHF-Betrag zu schließen. Der Kreditbetrag in CHF – und damit die Fremdwährungsschuld – war damit bestimmt. Der Vertrag kam mit der Kreditsumme in der Höhe des bekanntgegebenen CHF-Betrags zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz zustande.
[26] 4.4 Zutreffend sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass die Kläger entgegen dem von ihnen vertretenen Prozessstandpunkt die von ihnen behauptete Nichtigkeit des Vertrags weder auf die Klausel 1 (Auszahlungsklausel) noch auf die Klausel 3 (Währungsumrechnungsklausel) oder die Klausel 5 (Rückführungsklausel) stützen können.
[27] 4.5 Auf die Unwirksamkeit der Verweisklausel (Klausel 4) haben die Kläger die Nichtigkeit des Vertrags nicht gestützt. Dies wäre auch ohne Erfolg gewesen, weil der Wegfall dieser Klausel (dazu unten Punkt 19.) zur Folge hat, dass die bei Vertragsschluss geltende Fassung der AGB Vertragsinhalt wird (RS0062323).
[28] 5. Damit bleibt noch zu prüfen, ob die Zinsgleitklausel (Klausel 2) zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags führen kann.
[29] 6.1 Die Klausel 2 hielten die Kläger für missbräuchlich, weil sie einseitig zugunsten der Beklagten aufrunde und damit gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoße. Sie verstoße darüber hinaus auch gegen das Transparenzgebot (dazu näher unten).
[30] 6.2 Die Beklagte wandte ein, dass die Kläger durch die Zinsgleitklausel keinen wie immer gearteten Nachteil erlitten hätten, die Rundung sei stets kaufmännisch erfolgt. Die Klägerin ziele mit der von ihr behaupteten Gesamtnichtigkeit des Vertrags darauf ab, einen gänzlich zinsenlosen Kredit zu erwirken.
[31] 6.3 Das Berufungsgericht hat – entgegen dem Erstgericht – sowohl einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als auch gegen § 6 Abs 3 KSchG bejaht.
[32] 6.4 Die Revision der Beklagten argumentiert im Ergebnis zu Recht, dass die Klausel in dem Sinn nicht unzulässig ist.
Dazu ist auszuführen:
[33] 7.1.1 Gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG idF der Novelle BGBl I 1997/6 sind ua solche Vertragsbestimmungen sittenwidrig und damit unwirksam, nach denen ein Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, dass der Vertrag bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vorsieht, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind sowie dass ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt.
[34] 7.1.2 Preisgleitklauseln müssen also zweiseitig ausgestaltet sein, sodass der Unternehmer gegebenenfalls auch den Preis herabzusetzen hat. Die Norm gewährleistet eine ausgewogene Verteilung der Vor- und Nachteile und schließt Regelungen allein zu Lasten des Verbrauchers aus. Nach dem Normzweck muss die Entgeltsenkung deshalb im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung erfolgen (sog Symmetriegebot, vgl RS0117365).
[35] 7.1.3 Das Entgelt, das eine Bank bei einem Kreditvertrag für die Überlassung von Kapital erhält, besteht in den vereinbarten Zinsen (8 Ob 101/16k, Pkt III.3). Auch Zinsgleitklauseln müssen daher den Kriterien des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG entsprechen (vgl RS0117365 [T8]).
[36] 7.2.1 Den Klägern ist insoweit zu folgen, dass der Wortlaut der Klausel den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG deckt. Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen aber nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also nicht das, was schriftlich geäußert wurde, allein entscheidend (RS0017797).
[37] 7.2.2 Es wurde von den Klägern im Verfahren nicht substantiiert bestritten, dass die in der Zinsgleitklausel angeführte Aufrundung auf volle 0,125 Prozentpunkte tatsächlich nicht erfolgte. Die Rundung erfolgte tatsächlich während des gesamten Kreditverhältnisses vielmehr kaufmännisch. Im kaufmännischen Sinne wird dahingehend gerundet, dass abgerundet wird, wenn die Zahl an der ersten wegfallenden Dezimalstelle eine 0, 1, 2, 3 oder 4 ist, sonst wird aufgerundet.
[38] 7.2.3 Entgegen dem Standpunkt der Kläger ist es im Individualprozess – anders als im Verbandsprozess (vgl RS0121943) – auch nicht irrelevant, wie eine Klausel in der Praxis gehandhabt werde.
[39] 7.2.4 Wenn ein Kreditgeber ungeachtet des Wortlauts der Klausel während des Vertragsverhältnisses über mehr als zwei Jahrzehnten keine einseitige Aufrundung vorgenommen, sondern kaufmännisch gerundet hat, ist diese praktische Handhabe ein deutliches Indiz dafür, dass die Klausel nach dem beidseitigen Geschäftswillen auch schon beim Vertragsabschluss keine § 6 Abs 1 Z 5 KSchG widersprechende einseitige Aufrundung ermöglichen sollte. Es entspricht der praktischen Lebenserfahrung, dass sich ein Kreditgeber mit einer bestimmten (und für ihn im Vergleich zum Vertragstext nachteiligen) Art der Vertragserfüllung zufrieden gibt, wenn sich diese mit seinem tatsächlichen Verständnis vom Vertragsinhalt und damit auch mit ihrem tatsächlichen Geschäftswillen deckt (Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 914 Rz 162).
[40] 7.2.5 Ist von einem derartigen Geschäftswille auszugehen, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Wortlaut der Klausel eine Abrundung ausdrücklich ausschließt, weil der übereinstimmende Geschäftswille selbst dann relevant ist, wenn er sich nicht im Vertragstext niedergeschlagen hat (Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 914 Rz 162; vgl auch Fidler, Inflationsbewältigung durch Vertragsrecht? wobl 2023, 399; Prader, OGH kippt Wertsicherungsvereinbarung in Mietverträgen, Zak 2023, 164 [166] [„Einwand einer in der Praxis anderen Handhabung“]).
[41] 7.2.6 Dieses Auslegungsergebnis aufgrund der tatsächlichen Übung ist für die klagenden Verbraucher zweifelsfrei auch günstiger, weil es sie vor einer einseitigen (und nachteiligen) Aufrundung bewahrt. Ungeachtet der Frage, ob § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auch von der Klausel‑RL 93/13/EWG (im Folgenden: Klausel‑RL) vorgegeben ist, entspricht es Art 5 Satz 2 Klausel-RL, dass im Zweifelsfall die für den Verbraucher günstigste Auslegung anzuwenden ist. Nur im Verbandsprozess hat die Auslegung von Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn zu erfolgen; danach ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten vorliegt (RS0016590), was sich wiederum mit Art 5 Satz 3 Klausel-RL deckt. Hingegen ist im Individualprozess die Auslegung nicht im kundenfeindlichsten Sinn vorzunehmen. Vielmehr hat hier die Auslegung nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (RS0016590 [T32]).
[42] 7.2.7 Die Berücksichtigung des nachträglichen Parteiverhaltens (vgl auch die ähnliche Handhabung der Rsp bei der Frage, ob ein Fremdwährungskredit bestimmt ist: RS0014711 [T1]) führt im Anlassfall dazu, dass die Klausel im Sinn von kaufmännischer Rundung auszulegen ist, sodass kein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG vorliegt.
[43] 7.2.8 Insoweit sich die Kläger und das Berufungsgericht auf die zu vergleichbaren Klauseln ergangene Judikatur stützen, die hier einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG bejahen (4 Ob 265/02b; 5 Ob 266/02g; 4 Ob 288/02k; 4 Ob 210/04t; 7 Ob 207/04y; RS0117240), betrifft das (nur) Verbandsprozesse, die vom Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung geprägt sind und bei denen eine Bedachtnahme auf die individuelle Vereinbarung ausgeschlossen ist.
[44] 7.2.9 Zudem wäre es der Beklagten wegen des Grundsatzes des „venire contra factum proprium“ verwehrt (RS0128483; vgl zur Anwendung dieses Grundsatzes bei Fremdwährungskreditverträgen: 4 Ob 208/21y), sich nach über 20 Jahren im weiteren Vertragsverhältnis plötzlich (und missbräuchlich) auf eine einseitige Rundungsmöglichkeit im Sinn des Wortlauts der Klausel 2 zu berufen.
[45] 7.3 Unabhängig davon, ob mit der Anwendung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse (wie Kreditverträge) die Klausel‑RL überschießend umgesetzt wurde und daher keine Bindung an die Rechtsprechung des EuGH zu dieser RL besteht, widerspricht das hier vertretene Auslegungsergebnis auch nicht der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gupfinger (EuGH C‑625/21 , Gupfinger, Rn 40). Der EuGH entschied dort, dass eine Berufung auf das dispositive Schadenersatzrecht durch den Unternehmer selbst dann nicht mehr möglich ist, wenn dessen missbräuchliche Klausel letztlich gar nicht zur Anwendung gebracht wurde. In dem der Entscheidung des EuGH zugrundliegenden Verfahren war tatsächlich eine unzulässige Klausel im Spiel, auf die sich der AGB-Verwender bloß nicht berufen hat. Gegenständlich geht es dagegen darum, dass zwar der Wortlaut der Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßen würde, im Wege der Auslegung aber letztlich ein anderer Inhalt ermittelt wird, sodass im Ergebnis schon gar keine unzulässige Klausel vorliegt.
[46] 8. Entgegen der Ansicht der Kläger und des Berufungsgerichts ist die Zinsgleitklausel (Klausel 2) auch nicht intransparent.
[47] 8.1 Die Revisionswerberinnen stützen die behauptete Intransparenz auf vier Umstände: 1. Der Zeitpunkt (bzw die Frequenz) der Zinsanpassung und ihrer Wirksamkeit bleibe unklar; 2. der Zusammenhang zwischen der Aufrundung und der Anpassung sei unklar; 3. es werde auf eine nicht überprüfbare Quelle verwiesen; 4. im Sinne der vorzunehmenden „doppelten Transparenzprüfung“ sei die Zinsgleitklausel 2 wegen der unwirksamen Klauseln 1, 3 und 5, die das Wechselkursrisiko betreffen, unwirksam.
Dazu ist auszuführen:
[48] 8.2.1 Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltende Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenleistung an (2 Ob 59/12h, Pkt 7). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]).
[49] 8.2.2 Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (vgl 4 Ob 110/17f; 6 Ob 120/15p; 6 Ob 17/16t; 6 Ob 62/22v, Rz 16 mwN).
[50] 8.3 Die Zinsgleitklausel erfüllt diese Anforderungen.
[51] 8.3.1 Zum Zeitpunkt und zur Wirksamkeit der Anpassung: Es ist für einen Verbraucher klar, dass nach der Klausel der erste festgestellte LIBOR des Monats mit dem Basiswert verglichen wird und es mit Wirkung zum 15. des Monats zu einer Anpassung des Zinssatzes kommen kann. Damit ist der Termin einer möglichen Zinsanpassung ebenso klar verständlich wie der Umstand, dass eine solche Anpassung im Allgemeinen einmal monatlich erfolgen kann. Nur wenn ein LIBOR festgestellt wird, der vom Basiswert mehr als 0,5 Prozentpunkte abweicht, kann es auch zwischen den vereinbarten Terminen (= jeweils am 15.) zu einer „außerordentlichen“ Zinssatzanpassung kommen. Auch lässt sich aus der Klausel bei verständiger Würdigung deutlich ableiten, dass es dann im Monat auch zu mehreren (und auch sofort wirksamen) „außerordentlichen“ Zinssatzanpassungen kommen kann (arg „erfolgen weitere Zinsanpassungen“).
[52] 8.3.2 Zum Zusammenhang zwischen der Rundung und der Zinsanpassung: Auch hier geht der Vorwurf der Intransparenz ins Leere. In der Klausel wird ein bereits gerundeter LIBOR-Wert als Indikator definiert und in weiterer Folge daran angeknüpft (arg „im folgenden kurz 'LIBOR'“); der LIBOR ist innerhalb der Klausel damit immer ein gerundeter Wert. Damit ist klar, dass der für die Anpassung erforderliche Vergleich der Werte erst nach der Rundung vorgenommen wird.
[53] 8.3.3 Zur nicht überprüfbaren Quelle: Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Bezugnahme auf allgemein bekannte Referenzwerte (wie LIBOR oder EURIBOR) unter dem Gesichtspunkt der Transparenz grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (vgl 6 Ob 220/09k; 7 Ob 15/10x; 4 Ob 147/17x, Rz 4.2 mwN), zumal ein durchschnittlicher Verbraucher sich ohne Aufwand Kenntnis von der Bedeutung eines solchen Referenzwerts machen kann (6 Ob 220/09k [EURIBOR]). In der Rechtsprechung wurde bei allgemein bekannten Referenzwerten das Anführen einer Fundstelle nicht verlangt (6 Ob 199/22s, Rz 17 [keine Intransparenz der Zinsanpassungsklausel 4 auch bei bloßem Verweis auf den LIBOR „laut British Bankers Association“]; vgl auch 5 Ob 54/22k [Klausel 4.1]). Entscheidend ist auch im Anlassfall nur, dass die Klausel an die von der British Bankers Association veröffentlichten LIBOR‑Zinssätze anknüpft. Wegen der vielfältigen Möglichkeiten, diesen Wert zu erurieren (zB Internet [vgl etwa die Website https://www.global-rates.com/de/ ], Zeitungen, Börsenachrichten) kann es dahinstehen, ob sich der LIBOR (auch bzw noch) aus den – beim Vertragsabschluss 2002 in der Klausel als mögliche Fundstelle angeführten – „Seiten FRBD ff des Reuters Informationssystems“ feststellen lässt. Mangels normativer Geltung dieser Quellenangabe kann sich daher eine Intransparenz der Klausel nicht auf die zitierte Passage stützen.
[54] 8.3.4 Zum Zusammenhang mit den Klauseln zum Wechselkursrisiko: Die Kläger stützen den Vorwurf der Intransparenz der Klausel 2 auf die Behauptung, dass Klauseln 1, 3 und 5 unwirksam seien. Es kann dahinstehen, ob eine Unwirksamkeit der zuletzt genannten Klauseln auch die Unwirksamkeit der Klausel 2 zur Folge hat, weil – wie noch auszuführen sein wird – die Klauseln 1 und 5 nicht unwirksam sind. Die Klausel 3 betrifft wiederum nur den Geldwechselvertrag, sodass eine allfällige Unwirksamkeit dieser Klausel die Zinsgleitklausel nicht berührt. Wegen des hier vorliegenden echten Fremdwährungskreditvertrags können die Kreditzinsen auch dann berechnet werden, wenn der Wechselkurs nach der 3. Klausel nicht bestimmt werden könnte (vgl dazu auch Punkt 4.1).
[55] 9. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags auch nicht auf eine allenfalls unwirksame Zinsgleitklausel gestützt werden könnte.
[56] 10. Die abweisende Entscheidung über das Hauptbegehren auf Feststellung der Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags war damit ebenso zu bestätigen wie die Abweisung des zweiten Hauptbegehrens (Rückzahlung von Spesen, Gebühren und Wechselkursverlusten). Letzterem lag der (hier zu verneinende) Wegfall des Vertrags zugrunde.
Zu den drei Eventualbegehren:
[57] 11. Der Revision der Beklagten gegen die teilweise (nämlich die Klausel 2 betreffende) Stattgabe des dritten Eventualbegehrens war Folge zu geben und die Entscheidung entsprechend abzuändern, weil die Klausel 2 nicht unwirksam ist. Auf die Ausführungen oben (Punkt 7. und 8.) wird verwiesen.
[58] 12. Die Revision der Kläger ist hinsichtlich der drei Eventualbegehren bezüglich der beiden ersten Eventualbegehren nicht berechtigt, bezüglich des dritten Eventualbegehrens teilweise (nämlich die Klausel 4 betreffend) berechtigt.
Dazu ist auszuführen:
[59] 13. Im ersten Eventualbegehren begehrten die Kläger neben der Feststellung der Unwirksamkeit der fünf Klauseln kumulativ auch die Feststellung, dass der Kredit in EUR abzurechnen und zurückzuzahlen ist. Die Revision der Kläger gegen die hier abweisende Entscheidung stützt die Abrechnung und Rückzahlung in EUR inhaltlich auf die Unwirksamkeit der Zinsgleitklausel (Klausel 2). Oben (Punkt 7. und 8.) wurde dargelegt, dass diese Klausel wirksam ist, sodass die Revision in diesem Punkt schon deshalb scheitern musste.
[60] 14. Im zweiten Eventualbegehren begehrten die Kläger neben der Feststellung der Unwirksamkeit der Zinsgleitklausel (Klausel 2) kumulativ auch die Feststellung, dass von den Klägern künftig keine Zinsen zu bezahlen seien. Die Revision der Kläger richtet sich gegen die auch hier abweisende Entscheidung des Berufungsgerichts. Schon wegen Wirksamkeit der Klausel 2 ist der Revision auch in diesem Umfang keine Folge zu geben.
[61] 15. Mit ihrem dritten Eventualbegehren streben die Kläger auch in dritter Instanz die (isolierte) Feststellung der Unwirksamkeit aller fünf Klauseln an.
[62] 16.1 Die Vorinstanzen sind im Sinne der Kläger grundsätzlich zu Recht davon ausgegangen, dass eine solche Feststellungsklage möglich ist.
[63] 16.2 Eine Feststellungsklage ist nach der Judikatur selbst dann möglich, wenn ein Leistungsanspruch in Betracht kommt, aber der Kläger ein umfassenderes Rechtsschutzziel verfolgt, das Rechtsschutzziel mit dem Feststellungsanspruch einfacher, sicherer und prozessökonomischer erreicht werden kann, was insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen gilt (RS0039110), oder wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsanspruch abzuschneiden (6 Ob 91/21g, Rz 20; vgl 3 Ob 150/13z, Pkt 2; RS0038908). Bei einem Dauerschuldverhältnis ist das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung seines Bestehens und seines Inhalts regelmäßig zu bejahen, weil mit der Leistungsklage nur einzelne daraus entspringende Ansprüche geltend gemacht werden können (vgl 6 Ob 127/20z; RS0038809).
[64] 16.3 Ungeachtet der hier grundsätzlichen Möglichkeit auf urteilsmäßige Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Klauseln wegen Missbräuchlichkeit und/oder Intransparenz, liegt das rechtliche Interesse (im Sinne der aktuellen Judikatur des Senats zu vergleichbaren Konstellationen, zB 4 Ob 203/22i, Rz 11) dann nicht vor, wenn ein Feststellungsbegehren keine konkrete streitverhindernde oder sonstige Rechtswirkung zwischen den Parteien, sondern nur die Klärung abstrakter Rechtsfragen bezweckt (RS0039080). Voraussetzung für das Feststellungsinteresse ist eine unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf die Rechtsposition der die Feststellung beantragenden Partei (1 Ob 176/10d).
[65] 17. Letzteres ist im Anlassfall bei der Währungsumrechnungsklausel (Klausel 3) zu verneinen, weil diese nur den zusätzlich abgeschlossenen Geldwechselvertrag betrifft und ihre Unwirksamkeit den Kreditvertrag nicht berührt. Diesbezüglich ist daher das Feststellungsinteresse zu verneinen (4 Ob 203/22i Rz 11).
[66] 18. Oben wurde bereits dargelegt, dass hinsichtlich der Auszahlungsklausel (Klausel 1), der Zinsgleitklausel (Klausel 2) und der Rückführungsklausel (Klausel 5) die geltend gemachten Gründe der Unwirksamkeit nicht vorliegen, weshalb das dritte Eventualbegehren auch insoweit scheitern musste.
[67] 19. Zur Verweisklausel (Klausel 4) machen die Revisionswerber geltend, dass es für sie von über den konkreten Anlassfall hinausgehender Bedeutung sei, ob für die Abwicklung des Kreditvertrags nur die Bedingungen desselben oder zusätzlich auch die Rahmenbedingungen für Finanzierungen sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten maßgeblich seien. Damit sind die Kläger im Recht, zumal derartige Verweisklauseln nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 17/16t, Klausel 6; 1 Ob 88/14v, Klausel 30; 4 Ob 203/22i) intransparent sind, weil derartige Pauschalverweise typischerweise dazu führen, dass sich der Kunde aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst jene Regeln heraussuchen muss, die auch für das mit ihm geschlossene Vertragsverhältnis gelten sollen und hier im Hinblick auf die Vertragslaufzeit bis 2028 – unabhängig von der Effektivitätsklausel nach Z 75 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten – Streitigkeiten über die Frage, welche Bestimmungen auf das Vertragsverhältnis anzuwenden sind, entstehen können. Aufgrund der konkret bestehenden Unsicherheit ist in diesem Punkt das Feststellungsinteresse der Kläger zu bejahen.
[68] 20. Der Revision der Kläger ist daher (nur) zu Punkt 6d. des dritten Eventualbegehrens Folge zu geben. Im Übrigen ist der abweisende Teil der angefochtenen Entscheidung daher zu bestätigen.
Zum Antrag auf Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens:
[69] 21. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen. Der darauf gerichtete Antrag der Kläger ist damit zurückzuweisen (RS0058452).
[70] 22. Im Übrigen stellen sich die aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen nicht, sodass sich der Senat auch nicht veranlasst sieht, den EuGH amtswegig anzurufen. Zum einen war die Unwirksamkeit jener Klauseln, auf die die Kläger die Gesamtnichtigkeit des Vertrags stützten, ohnedies zu verneinen bzw nicht relevant. Unionsrechtlich ist zudem weiters maßgebend, dass die Klausel‑RL 93/13/EWG in ihrem Anhang nach Z 2 lit c iVm Z 1 lit j und lit l Verträge zum Kauf oder Verkauf von Fremdwährungen von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt (zuletzt 3 Ob 79/24z, Rz 13).
[71] 23. Das Erstgericht hat sich die Kostenentscheidung vorbehalten, es hat daher nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren zu entscheiden (§ 52 Abs 3 ZPO).
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