OGH 4Ob15/22t

OGH4Ob15/22t24.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S* D*, 2. E* D*, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 4.203,20 EUR sA und Feststellung (Streitwert 30.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2021, GZ 5 R 153/21p‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00015.22T.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Parteien schlossen im Jänner 2006 einen endfälligen Fremdwährungskreditvertrag über Schweizer Franken (CHF) im Gegenwert von 100.000 EUR mit dem Laufzeitende 15. 12. 2030. Die beklagte Bank eröffnete für die Kläger anlässlich des Vertragsabschlusses ein Schweizer Franken‑Konto und zählte dann den Klägern den Kreditbetrag zu, indem sie 99.999,96 EUR auf ihr Euro‑Giro‑Konto gutbuchte. Dieser Betrag entsprach zum Zuzählungsdatum bei einem Umrechnungskurs von EUR/CHF von 1,55 dem Gegenwert von 155.000 CHF, wie auf dem Kontoauszug des Kreditkontos ausgewiesen. Die Parteien vereinbarten quartalsweise Zinszahlungen und die Kläger verpflichteten sich zur laufenden Einzahlung in eine Lebensversicherung, die als Tilgungsträger verwendet und zugunsten der Beklagten für den Schweizer Franken‑Fremdwährungskredit verpfändet wurde.

[2] Der Vertrag enthielt unter anderem folgende Klauseln zur Umrechnung und zur Risikoaufklärung:

- a) Die Bank stellt Ihnen einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken mit der Möglichkeit, zum Zeitpunkt einer jeden Tranchenfälligkeit in Japanische YEN (wobei die Umrechnung über den Euro erfolgt) und Euro zu tauschen, auf Roll‑over‑Basis im Gegenwert von maximal EUR 100.000,00 (in Worten: Euro einhunderttausend) zur Verfügung.

- b) Die Umrechnung in die vereinbarte Währung erfolgt zum jeweils am Zuzähltag gültigen Devisengeldkurs auf Basis Bank‑Fixing und steht Ihnen mit Valuta vier Banktage später auf Ihrem Euro‑Konto Nr. * zur Verfügung.

- c) Die Rückführung des Kredites zu den oben angeführten Stichtagen, umgerechnet zum jeweiligen Briefkurs auf Basis Bank Fixing, hat zulas ten Ihres Kontos Nr. [...] zu erfolgen, sodass der 15. 12. 2030 als letzter Rückführungstermin gewährleistet ist.

- d) Der/Die Kreditnehmer wurde/n von der Bank über die besonderen Risiken der Kreditaufnahme in fremder Währung ausdrücklich und mittels übergebenem Beiblatt „Risikoinformation“ informiert und hat/haben dieses zur Kenntnis genommen.

- e) Sie haben den Hinweis auf das bei Fremdwährungskrediten bestehende Kursrisiko zur Kenntnis genommen.

- f) Jährlich wird ein Kontoauszug übermittelt, der sämtliche Umsätze, die Zinsenbuchungen und den Saldo enthält. Für Bestand und Höhe der Schuld gelten die Bücher und Aufzeichnungen der Bank als maßgeblich.

- g) Soweit sich aus den konkreten und diesen allgemeinen Bedingungen nichts anderes ergibt, gelten die in den Geschäftsräumen der Bank aufliegenden „Allgemeinen Geschäftsbedingungen der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse Aktiengesellschaft“ in der Fassung 2003.

 

[3] Die Beklagte verrechnete den Klägern für jede Zinszahlung ein Konvertierungsentgelt von 5,80 EUR und zog dieses vom Euro‑Konto ein. Dieses Konvertierungsentgelt wird im Vertrag angeführt. Zusätzlich verrechnete die Beklagte 0,007 Kurspunkte bei jeder Umrechnung von Euro zu Schweizer Franken als Devisenhandelsspanne und behielt sich diesen Betrag ein. Diese Devisenhandelsspanne findet Erwähnung im Risikoinformationsblatt.

[4] Die Kläger begehrten die Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Kreditvertrags und die Zahlung von 4.203,20 EUR sA, in eventu die Feststellung, dass die Klauseln a) bis g) unwirksam seien und der Kredit nicht in Schweizer Franken, sondern in Euro abzurechnen und zurückzuzahlen sei. Die Klauseln seien intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG) und missbräuchlich (§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 11 KSchG). Sie würden das Währungsrisiko, die Kreditkosten (§ 33 BWG aF) sowie die zur Anwendung kommenden Umrechnungskurse nicht oder nur unzureichend darstellen, unwirksame Tatsachenbestätigungen enthalten und die Kläger gröblich benachteiligen. Die nichtigen Klauseln hätten deshalb ersatzlos wegzufallen; dadurch werde der gesamte Kreditvertrag undurchführbar und sei deshalb nichtig. Jedenfalls hätten die Kläger aufgrund der Gesamtnichtigkeit des Vertrags Anspruch auf den Ersatz der Einmalkosten bei Vertragserrichtung von 4.203,20 EUR.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Klauseln d), e), f) und g) seien keine wesentlichen Vertragsbestimmungen. Selbst bei ihrer Nichtigkeit könnte der restliche Kreditvertrag fortbestehen und wechselseitig erfüllt werden. Eine Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags ließe sich auch aus einer Gesetzwidrigkeit der Klauseln nicht ableiten, sie seien daher nicht inhaltlich zu prüfen. Aus den Klauseln a)–c) ergebe sich, dass es sich nicht um eine „unechte“ Fremdwährungsschuld, sondern um einen Fremdwährungskredit handle, weil sich die Rückzahlungsverpflichtung nach der fremden Währung richte. Die Kreditsumme sei in ausländischer Währung (in CHF) ausgedrückt, wenn auch nicht in einem ziffernmäßig bestimmten CHF‑Betrag, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von 100.000 EUR. Zusätzlich zum Kreditvertrag sei auch ein Geldwechselvertrag geschlossen worden, damit die Kläger trotz der Ausnützung des Kredits in CHF – was ihnen günstigere Rückzahlungskonditionen gesichert habe – den Kreditbetrag sogleich in Euro ausgezahlt erhalten konnten. Die Klauseln a)–c) seien keine Währungsumrechnungsklauseln, sondern befassten sich ausschließlich mit der den Klägern zuzuzählenden Kreditsumme. Auch ohne Geldwechselvereinbarung seien die entscheidenden Parameter vom dispositiven Recht vorgegeben: Art 8 Z 8 Abs 2 der 4. EVHGB bzw § 905a Abs 2 ABGB, nunmehr § 907b Abs 2 ABGB, normiere die Umrechnung nach dem zur Zeit der Zahlung für den Zahlungsort maßgebenden Kurswert. Damit regle der Kreditvertrag eine Rechtsfolge überhaupt nicht, die ohnehin durch das dispositive Recht vorgegeben sei, bei dessen Anwendung es schon ursprünglich bleibe, sodass es auf die Frage, ob eine durch das Ausscheiden einer missbräuchlichen Klausel nachträglich entstandene Vertragslücke durch das dispositive Recht geschlossen werden dürfe, nicht ankomme. Entfiele eine der Klauseln a)–c), worin bestimmt werde, dass der Kreditnehmer seine Zahlungen anstatt in CHF auch in Euro leisten könne, so bliebe es weiter dabei, dass die Zahlungen in CHF zu erfolgen hätten. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die unwirksame Klausel fortbestehen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Kläger machen in ihrer außerordentlichen Revision geltend, gemäß dem Urteil des EuGH C‑212/20 seien Indexklauseln, die es dem Verbraucher nicht ermöglichten, den vom Unternehmer angewandten Wechselkurs jederzeit selbst zu bestimmen, missbräuchlich, und gemäß EuGH C‑229/19 sei eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung oder durch Anwendung dispositiven Rechts ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall wäre daher die Nichtigkeit der angefochtenen Klauseln festzustellen gewesen.

[7] Damit zeigen die Kläger jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und somit zurückzuweisen:

[8] 1. Die Vorinstanzen sind vertretbar vom Vorliegen eines echten Fremdwährungskreditvertrags ausgegangen. Die Beklagte eröffnete für die Kläger anlässlich des Abschlusses des Kreditvertrags ein CHF‑Konto und zählte ihnen sodann den Kreditbetrag zu, indem sie 99.999,96 EUR auf das Euro‑Giro‑Konto gutbuchte. Dass den Kreditnehmern die Wahl („[…] mit der Möglichkeit, zum Zeitpunkt einer jeden Tranchenfälligkeit in Japanische YEN und Euro zu tauschen […]“) eingeräumt wurde, sich den Kredit in Euro auszahlen zu lassen, war ein bloßes Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Dadurch, dass die Kläger sich den Kredit in Euro auszahlen ließen, trat ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu, was einer typischen, nicht juristisch geschulten Person erkennbar ist (vgl 8 Ob 37/20d Pkt III. 2 f; 1 Ob 93/21i Rz 19; 6 Ob 154/21x Rz 1; 1 Ob 163/21h Rz 4; 9 Ob 62/21i).

[9] 2. Die Kreditsumme und damit die Geldschuld der Beklagten ist in ausländischer Währung ausgedrückt, und zwar in CHF, wenn auch im Kreditvertrag nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von 100.000 EUR, konkretisiert im Kontoauszug anlässlich der Zuzählung mit 155.000 CHF. Die Vorinstanzen sind daher nach dem hier gegebenen Sachverhalt vertretbar von der Bestimmtheit der Kreditvaluta ausgegangen – anders der Fall zu 6 Ob 51/21z, in dem lediglich Euro-Beträge angegeben waren und der Kreditnehmer keine Kenntnis vom CHF‑Saldo erlangte.

[10] 3. Entfielen beim (echten) Fremdwährungs‑kreditvertrag die von den Klägern beanstandeten „Konvertierungsklauseln“ und käme auch – wie von den Klägern vertreten – eine Anwendung des dispositiven Rechts (§ 907b Abs 1 ABGB) nicht in Betracht, bliebe es nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 47/21z; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 62/21i) dessen ungeachtet dabei, dass die Kreditrückzahlung (ohne Konvertierung) in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen. Damit besteht auch keine Grundlage für die Annahme, dass mit der Unwirksamkeit des Geldwechselvertrags auch der Fremdwährungskreditvertrag wegfiele; dieser könnte auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden („Trennungsmodell“, 6 Ob 154/21x; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 62/21i). Die Frage der Zulässigkeit der Lückenfüllung im Wege des Ersatzes der Konvertierungsklauseln durch Anwendung von § 907b Abs 1 ABGB ist daher hier nicht präjudiziell.

[11] 4. Die in der Revision zitierte Entscheidung des EuGH C‑212/20 nimmt zur Frage des „Trennungsmodells“ nicht Stellung. Dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall der Annahme des (optionalen) Geldwechselvertrags durch die Kläger die Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags verneinten, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 37/20d; vgl auch 4 Ob 208/21y).

[12] 5. Die Frage einer allfälligen Unwirksamkeit der Klausel f) kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil die allfällige Sittenwidrigkeit einer einzelnen Klausel nicht die Ungültigkeit des gesamten Vertrags zur Folge hätte (RS0015420), hier vertretbar von der Bestimmtheit der Kreditvaluta ausgegangen wurde (siehe oben zu 2.) und im Übrigen die Kläger ohnehin von einer Rückforderung der Zinszahlungen Abstand nehmen und das Leistungsbegehren (Ersatz der Einmalkosten bei Vertragserrichtung) rechnerisch außer Streit steht.

[13] 6. Die Vorinstanzen haben das eventualiter erhobene Feststellungsbegehren im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dieses ziele auf die Feststellung der Rechtsfolge, der Kredit sei in EUR zurückzuzahlen; diese Rechtsfolge könne aus der Nichtigkeit einzelner Klauseln jedoch nicht abgeleitet werden. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung (RS0015420; 4 Ob 208/21y ua).

[14] Soweit die Revisionswerber nunmehr argumentieren, sie hätten auch ein Interesse an der Teilstattgebung des Feststellungsbegehrens hinsichtlich einzelner Punkte, zeigen sie keine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf. Da § 405 ZPO auf dem Dispositionsgrundsatz beruht, kommt ein (objektiver) Minderzuspruch dann nicht in Betracht, wenn der Kläger erklärt, dass er nur an einer Gesamtstattgebung Interesse hat. Denn in diesem Fall läge nach der letztlich maßgebenden Sicht der Partei kein Minus, sondern ein Aliud zum Gewollten vor (4 Ob 93/13z [Pkt 2.2.b] mwN). Ob dies der Fall ist, hängt von der Auslegung des Prozessvorbringens im Anlassfall ab und bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0042828 [T16]; vgl auch RS0054786). Dieser Grundsatz gilt auch für die Frage, ob bei einer bestimmten Formulierung eines Feststellungsbegehrens eine bloße Teilstattgebung in Betracht kommt (vgl 4 Ob 24/22s).

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