OGH 1Ob88/22f

OGH1Ob88/22f14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI. T* S*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH, Linz, gegen die beklagte Partei A*aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. März 2022, GZ 1 R 149/21v‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00088.22F.0714.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger und seine (damalige) Ehefrau nahmen im Juli 2005 beim beklagten Kreditunternehmen einen endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken (CHF) im Gegenwert von 510.000 EUR für eine Wohnbaufinanzierung auf. Die Kreditsumme in Schweizer Franken war im Kreditvertrag nicht genannt. Für Konvertierungszwecke wurde das „* Bank Devisenfixing“ vereinbart, das mit dem Kläger und seiner (damaligen) Ehefrau erörtert worden war. Der Kläger war „über das Wesen des Fremdwährungskredits bestens informiert“. Die Beklagte schrieb dem Fremdwährungskonto der Kreditnehmer 796.722 CHF gut. Anschließend wurde der Kreditbetrag über ihr Begehren in einen Eurobetrag konvertiert und auf deren Baukonto überwiesen. Vereinbarungsgemäß werden die zu leistenden Zahlungen dem Verrechnungskonto – „allenfalls unter Konvertierung inEuro“ – angelastet.

[2] Die vormalige Ehefrau des Klägers haftet nur noch als Ausfallsbürgin.

[3] Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des Kreditvertrags und die Verpflichtung der Beklagten, das Kreditverhältnis Zug um Zug gegen Zahlung von 538.853,20 EUR „lastenfrei“ zu stellen. Hilfsweise begehrt er von der Beklagten die Zahlung von 160.000 EUR sA (Differenz zwischen der Kreditbelastung aus dem Fremdwährungskredit und jener aus einem entsprechenden Eurokredit). Konvertierungsklauseln des Vertrags verstießen gegen § 6 KSchG und § 879 Abs 1 und 3 ABGB; eine Lückenfüllung durch dispositives Recht sei nicht zulässig. Die Kreditsumme in Schweizer Franken sei mangels Nachvollziehbarkeit des vereinbarten Kurses, der allein von der Beklagten beeinflussbar gewesen sei, nicht bestimmt gewesen. Schadenersatz gebühre, weil der Vertrag aufgrund der schuldhaften Verwendung unzulässiger Klauseln nichtig sei.

[4] Das Erstgericht wies die Begehren ab.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Rechtlich führte es aus, zu beurteilen sei ein echter Fremdwährungskredit; zusätzlich sei ein Geldwechselvertrag abgeschlossen worden. Entfielen die beanstandeten Klauseln, so bleibe es dabei, dass der Fremdwährungskredit in Schweizer Franken zurückzuzahlen sei. Der Kläger müsste sich die Fremdwährung beschaffen, wobei der nicht notwendig mit der Beklagten zu schließende Geldwechselvertrag nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vom Kreditvertrag zu trennen sei. Der Kreditvertrag sei daher nicht nichtig. Damit scheitere auch das auf Nichtigkeit gegründete Eventualbegehren.

[6] Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Im vorliegenden Fall war der Wille der Parteien auf einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken gerichtet. Ein solcher liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (1 Ob 163/15z [Pkt II.1]; 1 Ob 190/16x [Pkt III.4.1]; 7 Ob 48/17k [Pkt 1.1]; 4 Ob 208/21y [Rz 7]).

[8] Weiters ergibt sich aus dem Vertrag, dass auch die Rückzahlung in fremder Währung geschuldet war, also ein echter Fremdwährungskredit vorlag (2 Ob 54/22p; vgl 4 Ob 3/22b; 4 Ob 208/21y). Dies war dem Kläger nach den Feststellungen ebenso bewusst wie das damit verbundene Risiko.

[9] Auf dieser Grundlage führte aber die allfällige Missbräuchlichkeit der beanstandeten Klauseln nicht zur Nichtigkeit des Vertrags. Denn sie änderte nichts daran, dass der Kläger den Kredit in – allenfalls von anderer Seite beschaffter (9 Ob 62/21i [Rz 10] mwN) – Fremdwährung zurückzahlen müsste.

[10] 2. Auf eine Nichtigkeit des Vertrags wegen (zunächst) mangelnder Bestimmtheit des Kreditbetrags (in Schweizer Franken) kann sich der Kläger nicht berufen.

[11] Nach herrschender Auffassung ist im Rahmen eines (vor-)vertraglichen Schuldverhältnisses unter anderem über rechtliche Hindernisse, die einem gültigen Vertragsschluss entgegenstehen, aufzuklären (Welser/Zöchling‑Jud, Bürgerliches Recht II14 [2015] Rz 70 mwN). Dies gilt umso mehr dann, wenn die Berufung auf die Nichtigkeit einem völlig anderen Zweck dient als die Norm, deren Absicherung die Nichtigkeitssanktion bezweckt: Das Verbot der (willkürlichen) einseitigen Festsetzung des Entgelts soll den Vertragspartner vor den damit verbundenen Gefahren schützen, ihm aber nicht ermöglichen, sich von der Tragung eines von ihm bewusst und fehlerfrei übernommenen Risikos (hier: des Wechselkursrisikos) zu lösen (4 Ob 208/21y [Rz 12]).

[12] Allfällige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wechselkurses bei der Zuzählung des Kredits führen daher nicht zur Ungültigkeit des gesamten Vertrags wegen mangelnder Bestimmtheit, wenn – wie hier – durch die zeitnahe Information des Kunden über den zugrunde gelegten Schweizer Franken‑Betrag ausreichende Bestimmtheit eingetreten ist und der Kreditnehmer offenkundig das Vorliegen eines ausreichend bestimmten Kreditvertrags akzeptierte (4 Ob 208/21y [Rz 15]; vgl auch 9 Ob 66/21b). Könnte er sich nun auf die (ursprüngliche) Unbestimmtheit des Kreditbetrags berufen, so könnte er das nach den Feststellungen bewusst übernommene Wechselkursrisiko nachträglich auf das Kreditunternehmen abwälzen. Dies wäre vom Zweck des Bestimmtheitserfordernisses nicht gedeckt.

[13] 3. Die vom Revisionswerber genannten Gründe führen daher nicht zur (Gesamt-)Nichtigkeit des Kreditvertrags, ohne dass es dafür einer Lückenfüllung durch das dispositive Recht bedürfte. Die unionsrechtlichen Ausführungen des Klägers zu dieser – vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejahten – Möglichkeit können dahingestellt bleiben (vgl 4 Ob 208/21y [Rz 16]); ein Vorabentscheidungsersuchen ist nicht erforderlich (2 Ob 54/22p). Vielmehr ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[14] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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