OGH 2Ob198/21p

OGH2Ob198/21p27.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, 2. K*, 3. J*, alle *, alle vertreten durch Mag. Daniel Wolff, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei B* AG, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. Mai 2021, GZ 4 R 77/21m‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00198.21P.0627.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger nahmen 2007 bei der beklagten Bank einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken im Gegenwert von 260.000 EUR auf. Der Kreditbetrag war im Vertrag nicht in Schweizer Franken genannt; vielmehr war vereinbart, dass die Umrechnung in die „vereinbarte Währung“ (also in Schweizer Franken) zum „jeweils am Zuzähltag gültigen Devisengeldkurs auf Basis Bank-Fixing“ erfolgen sollte. In den AGB war vorgesehen, dass Fremdwährungskredite „effektiv, das heißt in der Währung zurückzuzahlen [sind], in der sie das Kreditinstitut gegeben hat“. Nach dem Kreditvertrag konnten die Kläger den Kredit zu jeder „Tranchenfälligkeit“ in Euro „tauschen“.

[2] Dem Konto der Kläger wurde am 27. Juli 2007 ein bestimmter Franken-Betrag gutgeschrieben. Dieser Betrag wurde anlässlich des Erwerbs einer Liegenschaft zur Deckung von drei darauf haftenden Franken-Krediten verwendet und in weiterer Folge allen Mitteilungen der Beklagten über den aushaftenden Kreditsaldo zugrunde gelegt. Die Kläger wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass wegen der für sie ungünstigen Wechselkursentwicklung ein höherer Euro-Betrag zur Abdeckung des Kredits erforderlich sein würde und dass die Möglichkeit einer Konvertierung in Euro bestehe. Die Kläger machten davon nicht Gebrauch.

[3] Die Kläger begehren die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise die Aufhebung des Kreditvertrags. Die auf ein „Bank‑Fixing“ verweisende Konvertierungsklausel, von der die Kläger offenkundig annehmen, dass sie auch für die Rückzahlung des Kredits maßgebend sei, verstoße gegen § 6 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB; eine Lückenfüllung durch dispositives Recht sei nicht zulässig. Damit fehle eine Umrechnungsvereinbarung, ohne die der Vertrag nicht bestehen könne. Dies führe zu dessen (Gesamt‑)Nichtigkeit. Auch weitere Klauseln des Vertrags seien missbräuchlich.

[4] Das Erstgericht wies das Begehren ab.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[6] Es sei ein echter Fremdwährungskredit vorgelegen, den die Kläger in Schweizer Franken zurückzahlen mussten. Dabei sei es ihnen freigestanden, sich die dafür erforderliche Fremdwährung nicht von der Beklagten, sondern von Dritten zu besorgen.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Kläger ist nicht zulässig.

[8] 1. Nach den Feststellungen besteht kein Zweifel, dass die Kläger einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken aufnahmen. Ein Fremdwährungskredit liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (7 Ob 48/17k [Pkt 1.1]; 1 Ob 190/16x [Pkt III.4.1]; 1 Ob 163/15z [Pkt II.1]; 4 Ob 208/21y [Rz 7]). Weiters ergibt sich aus dem Vertrag, dass auch die Rückzahlung in fremder Währung geschuldet war, also eine echte Fremdwährungsschuld vorlag (4 Ob 208/21y).

[9] Auf dieser Grundlage führte die allfällige Missbräuchlichkeit der beanstandeten Konvertierungsklausel – selbst wenn sie über ihren Wortlaut hinaus auch für die Rückzahlung maßgebend sein sollte – nicht zur Nichtigkeit des Vertrags. Denn sie änderte nichts daran, dass die Kläger den Kredit in – allenfalls von anderer Seite beschaffter (9 Ob 62/21i [Rz 10] mwN) – Fremdwährung zurückzahlen müssten. Eine Lückenfüllung durch das dispositive Recht ist insofern nicht erforderlich. Umso mehr gilt das dann, wenn die Klausel – ihrem Wortlaut entsprechend – ausschließlich auf die Zuzählung des Kredits anwendbar gewesen sein sollte. Denn dann fehlte für die Rückzahlung überhaupt eine Konvertierungsklausel, was der Gültigkeit des ohnehin auf Rückzahlung in der Fremdwährung gerichteten Kreditvertrags nicht entgegenstünde.

[10] 2. Auf eine Nichtigkeit des Vertrags wegen (zunächst) mangelnder Bestimmtheit des Kreditbetrags (in Franken) haben sich die Kläger in der Berufung nicht gestützt. Sie können die insofern unterbliebene Rechtsrüge in der Revision nicht nachholen (RS0043480 [T22]).

[11] Abgesehen davon ist nach herrschender Auffassung im Rahmen eines (vor‑)vertraglichen Schuldverhältnisses unter anderem über rechtliche Hindernisse, die einem gültigen Vertragsschluss entgegenstehen, aufzuklären (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II14 Rz 70 mwN). Dies gilt umso mehr dann, wenn die Berufung auf die Nichtigkeit einem völlig anderen Zweck dient als die Norm, deren Absicherung die Nichtigkeitssanktion bezweckt: Das Verbot der (willkürlichen) einseitigen Festsetzung des Entgelts soll den Vertragspartner vor den damit verbundenen Gefahren schützen, ihm aber nicht ermöglichen, sich von der Tragung eines von ihm bewusst und fehlerfrei übernommenen Risikos (hier: des Wechselkursrisikos) zu lösen (4 Ob 208/21y [Rz 12]).

[12] Allfällige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wechselkurses bei der Zuzählung des Kredits führen daher nicht zur Ungültigkeit des gesamten Vertrags wegen mangelnder Bestimmtheit, wenn durch die zeitnahe Information des Kunden über den zugrunde gelegten Franken‑Betrag ausreichende Bestimmtheit eingetreten ist und der Kreditnehmer offenkundig das Vorliegen eines ausreichend bestimmten Kreditvertrags akzeptiert hat (4 Ob 208/21y [Rz 15]; vgl auch 9 Ob 66/21b). Das war hier der Fall: Die Kläger wurden mehrfach über den aushaftenden Franken‑Betrag und die sie belastenden Wechselkursveränderungen informiert; dennoch haben sie von der Möglichkeit einer Konvertierung nicht Gebrauch gemacht. Könnten sie sich nun auf die (ursprüngliche) Unbestimmtheit des Kreditbetrags berufen, so könnten sie das fehlerfrei übernommene und trotz Möglichkeit der Konvertierung weiterhin akzeptierte Wechselkursrisiko nachträglich auf die Bank abwälzen. Dies wäre vom Zweck des Bestimmtheitserfordernisses nicht gedeckt.

[13] 3. Die von den Klägern genannten Gründe führen daher nicht zur (Gesamt‑)Nichtigkeit des Kreditvertrags, ohne dass es dafür einer Lückenfüllung durch das dispositive Recht bedürfte. Die unionsrechtlichen Ausführungen der Kläger zu dieser – vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejahten – Möglichkeit können daher dahingestellt bleiben (vgl 4 Ob 208/21y [Rz 16]); ein Vorabentscheidungsersuchen ist nicht erforderlich. Vielmehr ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte