OGH 6Ob91/21g

OGH6Ob91/21g23.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. G*****, 2. Dr. H*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz gegen die beklagte Partei K***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Gernot Murko und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung, über die Revision (richtig: Rekurs und Revision) der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 10. März 2021, GZ 4 R 44/21v‑65, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 30. Dezember 2020, GZ 40 C 918/15p‑61, mit Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00091.21G.0623.000

 

Spruch:

I. Dem Rekurs gegen die (teilweise) Zurückweisung des Klagebegehrens (Konvertierungsauftrag vom 22. 10. 2012) wird nicht Folge gegeben.

II. Hingegen wird der Revision Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird im Übrigen aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

III. Die Kosten des Berufungs‑ und des Revisions‑(rekurs‑)verfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Zum Sachverhalt kann auf die Entscheidung 6 Ob 132/19h verwiesen werden. Mit dieser Entscheidung trug der erkennende Senat dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Im fortzusetzenden Verfahren werde es auf Seiten der Kläger erforderlich sein, konkret zu behaupten, welche Aufträge zur Konvertierung bzw Umstellung des Indikators die Beklagte nicht befolgt habe. Folge der Selbstständigkeit der für den Schaden aus jeder selbstständigen Verletzungshandlung laufenden selbstständigen Verjährungsfrist sei nämlich, dass die jeweiligen Schadensereignisse im Feststellungsbegehren identifiziert werden müssten, würden doch andernfalls zentrale Fragen wie die nach der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten in ein allfälliges späteres Verfahren über eine Leistungsklage verschoben werden. Dann könnte die Feststellungsklage aber nicht die mit ihr verfolgte Klarstellungsfunktion erfüllen.

[2] Im fortgesetzten Verfahren präzisierte der Klagevertreter sein Begehren dahingehend, dass das Hauptbegehren zu lauten habe wie folgt:

„Es wird zwischen den klagenden Parteien und der beklagten Partei festgestellt, dass die klagenden Parteien das vertragliche Recht haben, einseitige Konvertierungsaufträge in den japanischen Yen, den US‑Dollar und den Schweizer Franken zu beauftragen, und die beklagte Partei den klagenden Parteien für jeden Schaden haftet, der aus der Verweigerung der Konvertierung in Euro am 24. 8. 2009, sowie der Verweigerung der Konvertierung in Japanischen Yen am 22. 10. 2012, sowie der Verweigerung der Konvertierung in Euro am 11. 1. 2019, sowie der Verweigerung der Konvertierung in Japanische Yen am 2. 4. 2019, sowie der Verweigerung der Konvertierung in Euro am 29. 9. 2020, sowie aller zukünftig erteiler und nicht durchgeführter Konvertierungsaufträge in japanischen Yen, den US‑Dollar, den Schweizer Franken und Euro, für die – im Einzelnen näher angeführten – Konten der Kläger entsteht.“

[3] Außerdem stellten die Kläger mehrere Eventualbegehren.

[4] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab jedoch einem Eventualbegehren Folge und stellte zwischen den Parteien fest, dass die Kläger das vertragliche Recht haben, einseitige Konvertierungsaufträge in den Japanischen Yen, den US‑Dollar und Schweizer Franken zu beauftragen, und die Beklagte den Klägern für jeden Schaden hafte, der aus der Verweigerung von Konvertierungen in den Japanischen Yen, den US‑Dollar und den Schweizer Franken für im Einzelnen näher bezeichnete Konten der Kläger zukünftig entsteht. Außerdem stellte das Erstgericht fest, dass die Kläger das vertragliche Recht hätten, frei zwischen dem Indikator drei‑, sechs‑ und zwölf‑Monats‑Libor plus Aufschlag 1 % zu wählen, und die Beklagte den Klägern für jeden Schaden, der aus der Verweigerung des Indikatorwechsels für die Konten der Kläger zukünftig entstehe, hafte.

[5] Rechtlich erwog das Erstgericht, aufgrund der Absicht der Parteien und der bei Abschluss des Vertrags von den Vertragspartnern abgegebenen Erklärungen sei die Vereinbarung hinsichtlich der Konvertierungsmöglichkeit so zu verstehen, dass eine solche auf Wunsch der Kläger jederzeit ohne Zustimmung der Beklagten in Schweizer Franken, Japanische Yen und US‑Dollar möglich und eine freie Indikatorwahl zwischen mehreren Indikatoren bei einem gleichbleibenden Aufschlag von 1 % rechtsgültig vereinbart worden sei. Weder aus den Vertragsgesprächen noch dem Vertragstext ergebe sich ein diesbezügliches Zustimmungsrecht der Beklagten. Bei den behaupteten Auftragserteilungen am 24. 8. 2009, am 22. 10. 2012, am 1. 11. 2019, am 2. 4. 2019 und am 29. 9. 2020 handle es sich um die Haftung für Schäden, die die Vergangenheit betreffen. Insoweit wäre es bereits möglich gewesen, eine Klage auf Vertragszuhaltung zu erheben.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, jedoch im Spruchpunkt II.1. hinsichtlich der Haftung für die Verweigerung der Konvertierung in Japanische Yen am 22. 10. 2012 mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren zurückgewiesen wurde, und ließ die Revision nicht zu.

[7] Ein wortidentes Haftungsfestellungsbegehren sei bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen worden, sodass das Begehren im nunmehrigen dritten Rechtsgang nicht neuerlich gestellt werden könne. Im Übrigen habe das Erstgericht zutreffend ein Feststellungsinteresse verneint.

[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel der Kläger, das, soweit es sich gegen die Zurückweisung eines Teils des Klagebegehrens wendet, als Rekurs iSd § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zu qualifizieren ist.

[9] Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[10] Zum Rekurs:

[11] 1.1. Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts der Rekurs unter anderem nur dann zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (§ 519 Abs 1 ZPO). In diesem Fall ist der Vollrekurs an den Obersten Gerichtshof ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage oder die Höhe des Streitwerts zulässig (RS0043893 [T1]).

[12] 1.2. Insoweit kann allerdings auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO): Bereits im ersten Rechtsgang begehrten die Kläger ausdrücklich Schadenersatz für die Nichtbefolgung eines Konvertierungsauftrags zum 22. 10. 2012. Dieses Begehren wurde damals abgewiesen, sodass es nicht neuerlich gestellt werden kann.

[13] Die Behauptung der Kläger, die nunmehr gestellten Begehren gingen über das seinerseits gestellte Begehren hinaus, treffen hinsichtlich anderer ausdrücklich angeführter Konvertierungszeitpunkte zu, nicht jedoch hinsichtlich des Auftrags vom 22. 10. 2012. Insoweit ging das Berufungsgericht daher zutreffend mit Zurückweisung des Klagebegehrens vor.

[14] Soweit das nunmehrige Klagebegehren über das seinerzeitige Klagebegehren hinausgeht, indem es grundsätzlich das Konvertierungsrecht der Kläger feststellt und andere nicht befolgte Konvertierungsaufträge angeführt werden, auf die die Haftung der Beklagten gestützt wird, hat das Berufungsgericht das Klagebegehren ohnedies nicht zurückgewiesen.

[15] Zur Revision:

[16] 2. Hingegen ist die Revision der Kläger aus Gründen der Rechtssicherheit berechtigt.

[17] 2.1. Gemäß § 511 Abs 1 ZPO ist das Gericht, an welches die Sache zurückverwiesen wurde, bei der weiteren Behandlung und Entscheidung an die rechtliche Beurteilung gebunden, welche das Revisionsgericht seinem aufhebenden Beschluss zugrunde gelegt hat.

[18] 2.2. Die Ergänzungsaufträge des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 6 Ob 132/19h betrafen naturgemäß in der Vergangenheit liegende Konvertierungsaufträge, wäre doch andernfalls die aufgetragene Präzisierung der Zeitpunkte der Auftragserteilung gar nicht möglich (gewesen). Damit wäre die Aufgabe der Vorinstanzen im dritten Rechtsgang lediglich gewesen, das Klagebegehren zu erörtern und bei dessen entsprechender Präzisierung seine Berechtigung anhand allenfalls erforderlicher ergänzender Feststellungen zu beurteilen.

[19] Hingegen bestand kein Raum für die Prüfung eines Feststellungsinteresses, wären doch andernfalls die vom erkennenden Senat erteilten Ergänzungsaufträge sinnlos gewesen. Ein derartiges Verständnis kann dem Aufhebungsbeschluss aber nicht beigelegt werden.

[20] 2.3. Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass ein Feststellungsbegehren (auch) dann möglich ist, wenn ein möglicher Leistungsanspruch den Feststellungsanspruch nicht voll ausschöpft (RS0039202 [T8]). Eine Feststellungsklage ist selbst dann möglich, wenn ein Leistungsanspruch in Betracht kommt, aber der Kläger ein umfassenderes Rechtsschutzziel verfolgt (4 Ob 231/06h), das Rechtsschutzziel mit dem Feststellungsanspruch einfacher, sicherer und prozessökonomischer erreicht werden kann, was insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen gilt (RS0039110), oder wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsanspruch abzuschneiden (RS0038908).

[21] Gerade im Hinblick auf das bereits seit mehreren Jahren laufende Kreditverhältnis zwischen den Parteien und die mehreren unterschiedlichen Konten sowie die zahlreichen Konvertierungsaufträge zwischen mehreren Währungen wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Erhebung eines Leistungsbegehrens zumindest untunlich, lässt sich doch der Schaden der Kläger zum derzeitigen Zeitpunkt auch nicht annähernd abschätzen.

[22] 2.4. Weitere Erwägungen zur Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens waren – wie ausgeführt – nach dem Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs von den Vorinstanzen nicht anzustellen.

[23] 3. Damit erweist sich aber die Revision im Sinn des Aufhebungsbegehrens als berechtigt.

[24] Die konkrete Klärung, welche Teile der Korrespondenz zwischen den Streitteilen bereits als ausreichend bestimmte konkrete Aufträge zu qualifizieren sind und inwieweit es sich dabei um bloße Anfragen handelte, war zweckmäßigerweise aufgrund der schon vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobenen Einzelfallbezogenheit der Entscheidung dem Berufungsgericht aufzutragen, zumal dazu teilweise auch bereits Feststellungen des Erstgerichts vorliegen.

[25] 4. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 50 ZPO.

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