BVwG L513 2156701-1

BVwGL513 2156701-14.7.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L513.2156701.1.00

 

Spruch:

L513 2156701-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2017, Zl. 1079728810-150935635, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

 

I.1. Bisheriger Verfahrenshergang

 

I.1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Irak, der arabischen Volksgruppe sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 3). Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Sicherheitsorgan niederschriftlich einvernommen.

 

Im Rahmen der Erstbefragung bei der Polizeiinspektion Graz Paulustor-AGM am 25.07.2015 (AS 1 - 11) gab der Beschwerdeführer hinsichtlich der Fluchtgründe zu Protokoll, dass er sich bereits 2007 entschlossen hätte, den Irak zu verlassen. Er habe es aber lange nicht machen können. Die Situation in Bagdad sei aufgrund der Attentate sehr schlecht. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben, da es viele Anschläge gebe und die Situation dort einfach gefährlich sei.

 

Am 13.03.2017 (AS 51 - 63) erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz als "BFA" bezeichnet).

 

Zu seinen Ausreisegründen befragt, erklärte der BF, dass 2007 einer seiner Freunde als Märtyrer durch eine Autobombe gestorben sei. Ein zweiter Freund sei entführt worden. Er habe nicht im Irak heiraten wollen, weil seine Kinder dort keine Zukunft hätten. Er habe immer in Sicherheit und zwar in einem stabilen Land leben wollen. Er hätte nach Sicherheit und Ordnung gesucht. Wirtschaftlich habe er keine Probleme gehabt. Er sei niemals konkret persönlich bedroht worden, sondern allein aus Gründen der allgenmeinen Sicherheitslage nach Österreich gekommen.

 

Dem Beschwerdeführer wurden im Übrigen die länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak ausgehändigt. Des Weiteren wurde dem BF diesbezüglich eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

 

Im Rahmen der Einvernahme brachte der BF mehrere Unterlagen in Vorlage. Konkret handelte es sich hierbei um eine Teilnahmebestätigung für den Kurs Deutsch für Asylwerbende - A 2/2 - Kaprun", ein Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung über die Mitgliedschaft in einem Fußballverein der Wohnortgemeinde des BF und neun Vereinbarungen über gemeinnützige Arbeit in der Wohnortgemeinde des BF (AS 65 - 87).

 

I.1.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BFA (AS 99 - 175) gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

I.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausführliche Feststellungen, die dem BF nachweislich zur Kenntnis gebracht wurden.

 

I.1.2.2. Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe glaubhaft dargelegt, den Irak aufgrund der Sicherheitslage bzw. zur Verbesserung seiner persönlichen - wirtschaftlichen - Situation verlassen zu haben. Probleme mit den irakischen Behörden wurden nicht vorgebracht (AS 160).

 

I.1.2.3. In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

 

I.1.2.4. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.3. Mit Verfahrensanordnung vom 19.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

 

I.1.4. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 05.05.2017 innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

 

I.1.4.1. In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und dem BF Asyl zuzuerkennen; in eventu den angefochtenen hinsichtlich Spruchpunktes II. zu beheben und dem BF subsidiären Schutz zu gewähren; festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak auf Dauer unzulässig sei sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben und in eventu den angefochtenen Bescheid gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

I.1.4.2. In weiterer Folge werden in umfassender Weise verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG kundgetan.

 

I.1.4.3. Des Weiteren wird wiederholt, dass der BF den Irak aufgrund der dort vorherrschenden Sicherheitslage verlassen hätte, zumal staatlicher Schutz und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung stünden. Im Übrigen wolle der BF berichtigen, dass er zu einer seiner Schwestern keinen Kontakt habe.

 

I.1.4.4. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien, zumal ihn die belangte Behörde nicht befragt habe, was er damit meinen würde, aus Gründen der allgemeinen Sicherheit geflohen zu sein. In diesem Fall hätte er ausführen können, dass die Sicherheitslage sehr schlecht sei. So sei ein schiitischer Freund von der schiitischen Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq bedroht worden, weil dieser einen Anschlag auf seine Person gemeldet habe. Ebenso habe es das BFA unterlassen nachzufragen, was der BF damit gemeint habe, dass es im Irak "kein System" gebe. Hätte die Behörde nachgefragt, hätte der BF ausführen können, dass der Staat Irak nicht fähig sei, ihn zu schützen. Schließlich habe der BF in der Einvernahme angegeben, dass es in seiner Heimat aufgrund seiner Nationalität Verfolgung gegen seine Person gegeben habe. Daraufhin habe es das BFA unterlassen nachzufragen, wie sich diese Verfolgung genau ausgewirkt habe bzw. wie genau sich diese Verfolgung dargestellt habe. Ferner seien die im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderfeststellungen unzureichend und veraltet. So habe sich das BFA nur unzureichend mit der Verfolgung der schiitischen Bevölkerung und der allgemeinen Sicherheitslage sowie der Sicherheitslage in Bagdad auseinandergesetzt. Des Weiteren habe das BFA Ermittlungen zu den südlichen Provinzen und hinsichtlich der Situation im Falle der Rückkehr unterlassen. Unter auszugsweiser Zitierung der "Position zur Rückkehr in den Irak" des UNHCR vom 14.11.2016 wird behauptet, dass für den BF eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht vorliegen würde. Eine solche wäre nur gegeben, wenn eine Person das vorgeschlagene Neuansiedlungsgebiet auf legalem Weg erreichen und sich dort rechtmäßig aufhalten könne, ihr dort keine neue Gefahr eines ernsthaften Schadens drohe, sie zum vorgeschlagenen Gebiet familiäre Bindungen habe und die Familie bereit und in der Lage sei, sie zu unterstützen. Da der BF außerhalb von Bagdad über keinerlei familiäre Bindungen oder andere Bekannte verfüge, die ihn unterstützen könnten, sei eine innerstaatliche Fluchtalternative ausgeschlossen, zumal es auch in den südlichen Provinzen sicherheitsrelevante Vorfälle geben würde. Was die Sicherheitslage, insbesondere in Bagdad, betrifft, so wird unter auszugsweiser Zitierung mehrerer Länderberichte auf die Gefahr von Terroranschlägen hingewiesen.

 

I.1.4.5. Obwohl der BF in der Einvernahme erwähnt habe, aufgrund seiner Nationalität verfolgt worden zu sein (Bescheid Seite 12), habe das BFA ohne weitere Ermittlungen festgestellt, der BF hätte keine Probleme aufgrund seiner Nationalität (Bescheid Seite 15). Aufgrund dieses Mangels habe das BFA die Entscheidung mit Aktenwidrigkeit belastet. Darüber hinaus habe das BFA festgestellt, der BF hätte seine Heimat aufgrund der wirtschaftlichen Situation verlassen (Bescheid Seite 16), obwohl der BF ausgeführt habe, seine Familie hätte genug Geld zum Leben (Bescheid Seite 7) und er hätte sogar monatlich etwa € 500,-- ansparen können (Bescheid Seite 8). Die Feststellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation würden folglich dem Vorbringen des BF widersprechen und gebe es keine Anhaltspunkte für die Annahme der belangten Behörde.

 

I.1.4.6. Zur Beweiswürdigung wird ausgeführt, dass die Feststellungen auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung basieren und § 60 AVG verletzen.

 

Was die vom BF angesprochene schlechte Sicherheitslage betrifft, so sei der Beweiswürdigung ein Abgleich mit den einschlägigen Länderberichten nicht zu entnehmen. Hätte die belangte Behörde das Vorbringen des BF entsprechend gewürdigt und hätte sie insbesondere einen derartigen Abgleich vorgenommen, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass die geschilderte Verfolgungsgefahr objektiv nachvollziehbar sei.

 

Des Weiteren stütze die Behörde ihre Entscheidung auf die angeblich nicht vorliegende Verfolgung aus einem der fünf Gründe, die in der GFK geregelt seien. Dabei führe die Behörde aus, der BF hätte sogar "jeden einzelnen dieser Gründe dezidiert verneint" (Bescheid Seite 62). Dabei liege ein Mangel der Beweiswürdigung seitens der Behörde vor, zumal der BF in der Einvernahme angegeben habe, aufgrund seiner Nationalität verfolgt worden zu sein (Bescheid Seite 12). Hierbei liege ein klarer Widerspruch zwischen dem Vorbringen des BF und den Ausführungen der Behörde vor.

 

Darüber hinaus lege das BFA nicht nachvollziehbar dar, wie sie zu der Feststellung gekommen sei, der BF hätte seine Heimat lediglich aus finanziellen Gründen verlassen. Der BF habe in seiner Heimat genug Geld verdient, um sogar monatlich einen Großteil davon anzusparen. Es fänden sich in seinem Vorbringen keinerlei Hinweise, die auf eine schlechte finanzielle Situation hinweisen.

 

Zudem habe das BFA die eigenen Feststellungen in den Länderberichten unzureichend gewürdigt. Beispielsweise führe die Behörde auf Seite 19 des Bescheides aus, Bagdad wäre fast jeden Monat die am stärksten betroffene Provinz gewesen, was die Tötung von Zivilpersonen betreffe. Auch habe die Behörde festgestellt, dass im Februar 2016 670 Iraker getötet worden seien. In Bagdad wären im Februar 2016 277 Zivilpersonen getötet worden, weshalb Bagdad die am stärksten betroffene Provinz gewesen wäre. Dennoch habe die Behörde zur Situation im Falle einer Rückkehr ausgeführt, es wäre dem BF durchaus zuzumuten, dass er in Bagdad leben könne. Diese Ausführungen würden deutlich zeigen, dass sich die Behörde nicht hinreichend mit ihren eigenen Feststellungen auseinandergesetzt habe. Bereits aus den Länderberichten gehe hervor, dass sich für den BF keine Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative eröffne.

 

Zudem führe die Behörde auf Seite 64 des Bescheides aus, der BF könnte sich alternativ zu seiner Heimatprovinz auch im mehrheitlich von Schiiten bewohnten Süden des Irak niederlassen. Hierbei habe die Behörde offenbar ihre eigenen Feststellungen, wonach auch die südlichen Provinzen mit sicherheitsrelevanten Vorfällen konfrontiert wären oder wonach sich die Sicherheitslage in den südlichen Provinzen zuletzt verschlechtert hätte, nicht beachtet. Die Behörde führe in ihren Feststellungen aus, es würde die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative bestehen (Bescheid Seite 16), jedoch habe sie jegliche Ausführungen unterlassen, wo genau sich der BF alternativ zu Bagdad niederlassen könnte. Begründend führe die Behörde lediglich aus, es wäre dem BF zumutbar, sich im mehrheitlich von Schiiten bewohnten Süden des Irak niederzulassen (Bescheid Seite 64). Ausführungen, wie der BF dorthin gelangen könnte sowie eine genaue Prüfung der Möglichkeit dieser angeblichen Fluchtalternative im Hinblick auf die derzeit eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Irak, unterlasse die Behörde jedoch.

 

Hätte die Behörde den BF gefragt, ob es für ihn möglich wäre, sich im Süden des Landes niederzulassen, hätte er die Möglichkeit gehabt, auszuführen, dass er außerhalb von Bagdad über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte verfüge und es ihm nicht möglich wäre, sich im Süden niederzulassen, zumal er dort keine Unterstützung erhalten würde. Wie sich aus den Länderberichten ergebe, stehe dem BF eine interne Fluchtmöglichkeit nicht zur Verfügung.

 

Die Behörde führe auf Seite 64 des Bescheides aus, der BF könne gemeinsam mit seiner Frau für den Lebensunterhalt der Familie sorgen. Wie das BFA zu dieser Annahme gelangt sei, entziehe sich der Kenntnis des BF, zumal die Behörde in den Feststellungen ausführe, der BF wäre ledig. Tatsächlich sei der BF ledig und habe er dies auch in der Einvernahme angegeben.

 

I.1.4.7. Aufgrund der Zugehörigkeit zur schiitischen Religionsgemeinschaft wäre der BF jedenfalls Verfolgung aufgrund der Religionszugehörigkeit ausgesetzt. Entgegen der Annahme der belangten Behörde handle es sich in gegenständlicher Sache sowohl um eine Verfolgung gesetzt durch den irakischen Staat als auch um eine Verfolgung durch Private. Es komme sogar zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte (Bescheid Seite 49), weshalb jedenfalls nicht davon auszugehen sei, dass diese dem BF ausreichend Schutz bieten könnten. Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen und auch Gruppen des IS seien für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich.

 

I.1.4.8. Was Spruchpunkt II. betrifft, so würden die Länderfeststellungen des BFA einen massiven Anstieg an zivilen Todesopfern im Irak im Jahr 2016 aufgrund des vorherrschenden und lang andauernden innerstaatlichen Konflikts aufzeigen (Bescheid Seite 29 f). Hätte das BFA demnach seine Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt richtig beurteilt, hätte sie dem BF aufgrund der verheerenden Sicherheitslage den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen.

 

I.1.4.9. Der BF sei unbescholten, er sei grundversorgungsberechtigt und somit seien die Mittel für seinen Unterhalt gesichert. Aus seinem Persönlichkeitsbild ergebe sich keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Der BF sei bemüht sich in Österreich zu integrieren und habe bereits des Öfteren für den Bauhof der Gemeinde gearbeitet. Darüber hinaus spiele der BF in einem örtlichen Verein Fußball, wo er bereits Freunde gefunden habe. Der BF spreche bereits ein wenig Deutsch und besuche derzeit den Deutschkurs Niveau A2. Bis zu einer endgültigen Entscheidung werde sich der BF noch besser einleben und das Gericht laufend darüber informieren.

 

I.1.4.10. Da sich insbesondere zur Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung der entscheidungsrelevante Sachverhalt nahezu täglich ändern könne, sei die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich. Zitiert wurde hierzu aus zwei Entscheidungen des VwGH vom 19.03.2013 (Zl. 2011/21/0267) und vom 19.02.2013 (Zl. 2012/18/0230).

 

Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigen, nicht antragsgemäß zu entscheiden, wird daher nochmals ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts beantragt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs betreffend Art. 47 der Charta zur Zahl U 466/11 und U 1836/11 vom 14.03.2012 verwiesen. Im gegenständlichen Fall liegt der unionsrechtliche Bezug - der zur Anwendung des Art. 47 der Charta führt - in der Rückkehrrichtlinie, der Qualifikationsrichtlinie und der Verfahrensrichtlinie. Daher kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK - unter Maßgabe des Art. 47 der Charta - im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Diesbezüglich verlangte der EGMR in der jüngsten Entscheidung Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden wird und die Durchführung ausdrücklich beantragt wird.

 

I.1.4.11. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Verfahrensbestimmungen

 

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

1.3. Prüfungsumfang

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

1.4. Verweise, Wiederholungen

 

1.4.1. Das erkennende ist Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

1.4.2. Ebenso ist es nicht unzulässig, Teile der Begründung des Bescheides der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstmals entscheidenden) Gerichts, wenn sich der Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung des Bescheides ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (Erk. d. VfGH v. 7.11.2008, U67/08-9 mwN).

 

1.4.3. Grundsätzlich ist im gegenständlichen Fall anzuführen, dass das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchführte und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenfasste. Das BFA hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation im Irak auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht.

 

2. Zur Entscheidungsbegründung:

 

2.1. Basierend auf dem Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:

 

2.1.1. Der Beschwerdeführer

 

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der schiitischen Glaubensrichtung. Er wurde am XXXX geboren und lebte bis zu seine Ausreise Ende Juni 2015 an seiner Wohnadresse in Bagdad. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Seine Eltern und zehn Geschwister leben weiterhin in der Hauptstadt des Irak. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie im Irak - abgesehen von einer Schwester - in Kontakt und pflegt mit dieser ein gutes Verhältnis.

 

Der Beschwerdeführer besuchte im Irak für mehrere Jahre die Schule und war er anschließend als Bäcker tätig.

 

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit Berufserfahrung sowie mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument und eine Wohnmöglichkeit im Familienverband.

 

2.1.2. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte er keine Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates zu gewärtigen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat Mitte 2015 einer individuellen, insbesondere aktuellen, Gefährdung oder Verfolgung aus Gründen der GFK in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

 

2.1.3. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa Ende Juli 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

 

In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. Er verfügt auch über keine sonstigen relevanten familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und bezieht Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber, wobei er grundsätzlich erwerbsfähig ist. Er ist alleinstehend, Mitglied in einem Fußballverein seiner Wohnsitzgemeinde und pflegt normale soziale Kontakte. Der BF absolvierte einen Deutschkurs Niveau A1, besucht laut seinen eigenen Angaben derzeit einen weiteren Deutschkurs Niveau A2 und verrichtete mehrfach gemeinnützige Tätigkeiten im Recyclinghof, Bauhof und gemeindeeigenen Anlagen seiner Wohnsitzgemeinde. Der BF brachte zudem ein Unterstützungsschreiben des Ehepaares Dr. XXXX in Vorlage. Anderweitige Integrationsschritte hat der Beschwerdeführer nicht ergriffen.

 

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

 

2.1.4. Die Lage im Herkunftsstaat Irak

 

Zur aktuellen Lage im Irak wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden. Insbesondere wurden nachstehende länderkundliche Feststellungen (unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid im Detail angeführten und nachstehend abgekürzt zitierten Quellen) getroffen:

 

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformation vom 16.2.2017:

 

Update Sicherheitslage allgemein: (Relevant für Abschnitt 3 - Sicherheitslage und 5 - Sicherheitskräfte)

 

Iraqi Body Count dokumentierte für 2016 über 16.000 zivile Todesfälle durch Gewalt (hier nach Monaten aufgeschlüsselt: Jänner bis Dezember 2016):

 

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(Iraqi Body Count 13.2.2017):

 

Neben den derzeit aufgrund der Mossul-Offensive besonders hohen zivilen Todeszahlen in der Provinz Ninewa sterben auch in Bagdad täglich mehrere Menschen durch Gewalt (insbesondere durch improvisierte Sprengsätze). Die Liste der täglichen zivilen gewaltsamen Todesfälle auf Iraqi Body Count liest sich exemplarisch folgendermaßen:

 

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(Iraqi Body Count 14.2.2017)

 

UNAMI, die UN-Mission für den Irak, veröffentlichte die folgenden Zahlen, die von Seiten der Staatendokumentation zu einer Grafik zusammengefasst wurden:

 

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(Quelle: Zahlen UNAMI 1.2.2017, Darstellung: Staatendokumentation)

 

Bei dieser Statistik handelt es sich um absolute Mindestzahlen. UNAMI wurde bei der Verifizierung der Opfer behindert. Darüber hinaus starb eine unbekannte Zahl an Menschen auf Grund von indirekten Folgen des Konfliktes, wie das Fehlen von Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung, etc. Des Weiteren ist zu beachten, dass UNAMI nach Beginn der Offensive zur Rückeroberung Mossuls und anderer Gebiete in Ninewa zahlreiche Berichte von zivilen Todesopfern erhalten hat, die aufgrund der Lage nicht verifiziert werden konnten. UNAMI lieferte für den Monat Dez. 2016 keine Zahlen der getöteten Iraker insgesamt, sondern ausschließlich Zahlen für die zivilen Opfer. Bei jenen Monaten, die mit Stern versehen sind, ist die Zahl der in Anbar getöteten Zivilisten nicht enthalten ist.

 

Die Zahl der Zivilpersonen, die im Jänner 2017 im Irak getötet wurden, beträgt 382, die Zahl der Verletzten 908. Bagdad war, wie fast jeden Monat die am stärksten betroffene Provinz, Ninewa und Salahuddin waren ebenfalls besonders stark betroffen (UNAMI 1.2.2017).

 

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Seit August 2014 wurden im Irak von Seiten der US-geführten Koalition über 10.000 Luftschläge durchgeführt. Bis Februar 2016 waren es noch knapp 7.000 Luftschläge, die bis dahin durchgeführt worden waren (BBC 20.1.2017).

 

Die folgende Grafik zeigt die groben Kontrollgebiete der unterschiedlichen Akteure, wobei die Kategorie "Iraqi government" auch die Popular Mobilisation Forces (Volksmobilisierungseinheiten / Hashd al-Shaabi – bestehend aus fast ausschließlich schiitischen Milizen) umfasst:

 

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(BBC 20.1.2017)

 

2016 war für den Irak ein weiteres turbulentes Kriegsjahr. Die Terrormiliz Islamischer Staat büßte durch den Verlust wichtiger Städte (u.a. Ramadi Anfang 2016 und Falluja im Juni 2016) massiv an Territorium ein. [ ] Die derzeit laufende Offensive zur Rückeroberung Mossuls ist nach wie vor im Gange. Der IS, der noch knapp 4.000 Kämpfer in Mossul haben dürfte, wehrt sich mit Selbstmordkommandos, Scharfschützen, Drohnenbomben und chemischen Waffen, wie Chlor- und Senfgas (IFK 1.2017). (Näheres zu Mossul s. u.)

 

Die territoriale Zurückdrängung des IS hat die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen sogar eine asymmetrische Kriegsführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert (AA 7.2.2017). Der IS führte im Irak im Jahr 2016 über ein Dutzend Selbstmordanschläge und Autobomben-Anschläge durch. Am 3. Juli 2016 kamen bei einem Autobomben-Anschlag in Bagdad über 200 Menschen ums Leben, hunderte weitere wurden verletzt. Der IS hält weiterhin ungefähr 3.200 jesidische Frauen und Kinder fest, die meisten davon werden in Syrien festgehalten (HRW 1.2017).

 

Laut UNAMI hat der IS seine Anschläge zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden verübt, und hat dabei vorwiegend auf Zivilisten, auch Frauen, Kinder und ältere Personen abgezielt (UNAMI 1.2.2017). Am 2.1.2017 fand beispielsweise in einer belebten Straße im schiitisch dominierten Viertel Sadr City in Bagdad ein größerer Autobombenanschlag statt, bei dem 35 Menschen starben und über 60 verletzt wurden (BBC 2.1.2017).

 

Im Zusammenhang mit der Zurückdrängung des Kontrollgebietes des IS sieht das Institute for the Study of War (ISW) bereits jetzt das erneute Aufflammen von Aufständen von Seiten der Sunniten im Irak, die durch die Schwächung des IS und den dadurch entstehenden Freiraum wieder Fuß fassen können. Regierungsfeindliche Gruppen formieren sich einerseits, weil die Sunniten im konfessionell geprägten Konflikt von der schiitisch dominierten Regierung weiterhin zunehmend marginalisiert werden, und sie Angst vor den an Bedeutung gewinnenden vom Iran aus gelenkten schiitischen Milizen haben. Andererseits werden diese Probleme von Seiten der bereits/nach wie vor existierenden radikalen Gruppen wie Al Qaeda und ex-/neo-baathistischen Gruppen wie Jaysh al-Rijal al-Tariqa al-Naqshbandiya (JRTN) benutzt, um sunnitische Bürger für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Diese Gruppen sind - Annahmen des ISW zufolge - bereits jetzt zunehmend für Anschläge im Irak verantwortlich. Die US-geführte Koalition gegen den IS habe sich zu sehr auf das Zurückdrängen des IS konzentriert und andere Organisationen vernachlässigt (ISW 7.2.2017).

 

Bei der Rückeroberung IS-kontrollierter Gebiete kam es weiterhin zu Exekutionen, Folter und Misshandlungen der örtlichen Bevölkerung durch schiitische Milizen der Popular Mobilisation Forces (HRW 1.2017).

 

Bzgl. der schiitisch-schiitischen Konflikte in Bagdad und im Süden des Landes s. Abschnitt über Innenpolitik.

 

Rund 17 Millionen Menschen (53 Prozent der Bevölkerung) sind im Irak von Gewalt betroffen. Die irakischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen nicht über ausreichend qualifiziertes Personal, es fehlt an rechtsstaatlichem Grundverständnis. Gewalttaten bleiben oft straflos. Die Schwäche der irakischen Sicherheitskräfte erlaubt es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa’ib Ahl al-Haq und der Kata’ib Hisbollah, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. (AA 7.2.2017).

 

Mossul-Offensive: (Relevant für Abschnitt 3 - Sicherheitslage)

 

Die seit zwei Jahren geplante Offensive auf die zweitgrößte Stadt des Irak, Mossul, die Hochburg des IS im Irak, startete überstürzt im Oktober 2016, ohne die Frage der politischen Nachfolge in Mossul geklärt zu haben. Die Kampagne wird von einer sehr heterogenen Koalition aus lokalen und regionalen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen geführt (IFK 1.2017).

 

Die irakische Armee hatte in der letzten Januarwoche des Jahres 2017 – mehr als drei Monate nach dem Start der Offensive – den Ostteil Mossuls für befreit erklärt. Die Extremisten wehren sich jedoch heftig und setzen dabei vor allem sprengstoffbeladene Autos mit Selbstmordattentätern oder Scharfschützen ein. Bis zur vollständigen Einnahme der Stadt dürfte es noch Wochen oder Monate dauern (Standard 1.2.2017).

 

Der [bevölkerungsreichere] Westteil Mossuls ist nach wie vor in den Händen des IS. Die Vereinten Nationen rechnen mit Militäraktionen zur Rückeroberung des Westteils in den kommenden Wochen. Ein Massenexodus kann dabei nicht ausgeschlossen werden. Aus dem Ostteil sind laut IOM (International Organization for Migration) im Zuge der Kämpfe 180.000 Menschen geflohen, 550.000 seien vor Ort geblieben (NNZ 24.1.2017).

 

Allgemein wird angenommen, dass die Einheiten bei der Eroberung des Westteiles auf noch größeren Widerstand treffen werden. Darüber hinaus verzeichnet die von den USA trainierte und ausgestattete Eliteeinheit Counter Terrorism Service (CTS), auf die sich der Irak bei der Eroberung Mossuls hauptsächlich verlässt, massive Verluste ("über 50 Prozent"). Auch bei der irakischen Armee würde es herbe Verluste geben, wobei jedoch die irakischen Behörden selbst keine Zahlen bekanntgeben (Al-Jazeera 31.1.2017).

 

Im Zuge der Offensive zur Rückeroberung der IS-Gebiete in und um Mossul evakuierte der IS Zivilisten, um diese als menschliche Schutzschilde zu benutzen (HRW 1.2017).

 

Die schiitischen Milizen (inzwischen rechtlich der regulären Armee gleichgestellt – s.u.) werden von vielen (insbesondere von vielen Sunniten) mehr gefürchtet als der IS. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Zeugen berichten von Folter, Schlägen und Ermordungen. Im Zuge der Befreiung der Stadt Mossul nimmt das Terrain, das die Milizen unter ihrer Kontrolle haben, stark zu. Die Stadt Mossul ist von den Milizen [und den kurdischen Peschmerga] umzingelt (BBC 3.12.2016), wobei vereinbart war, dass die Milizen die Stadt nicht betreten werden, jedoch wird berichtet, dass (vermutliche) Miliz-Angehörige im Ostteil der Stadt auf Zivilisten schießen (MEM 8.2.2017).

 

Innenpolitik (Relevant für Abschnitt 2 – Politische Lage):

 

Die derzeitigen Anti-IS-Operationen sind zwar insofern erfolgreich, als sie den IS schwächen, gleichzeitig verschärfen sie aber die politische Instabilität. Die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen haben gemeinsam mit der Partei des Ex-Premiers Nouri al-Maliki dem amtierenden Premier Abadi gedroht, ein Misstrauensvotum gegen ihn auszusprechen. Abadi steht in Gefahr sein Amt zu verlieren, und muss Zugeständnisse gegenüber den Milizen machen. Abadi war es beispielsweise auch nicht möglich, die Milizen davon abzuhalten, ihre Operationen in Tal Afar wieder aufzunehmen (ISW 7.2.2017).

 

Zusätzlich dazu hat das irakische Parlament im November 2016 die Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Forces/Hashd al-Shaabi) – jene Milizen, die wie die irakischen Sicherheitskräfte gegen den IS kämpfen – rechtlich der Armee gleichgestellt. [ ] Die meisten dieser Milizen sind schiitisch, etliche davon sind vom Iran abhängig, sind radikal und werden der Verbrechen an Sunniten beschuldigt. [ ] Diese rechtliche Gleichstellung ist ganz nach dem Geschmack von Expremier Nuri al-Maliki, der zurück an die Macht will und dessen neue politische Hausmacht die Milizen sind (Standard 28.11.2016).

 

Maliki gelingt es auch zunehmend mit Misstrauensanträgen gegenüber Abadis Ministern die Regierung zerbröckeln zu lassen. Der Verteidigungsminister und der Finanzminister wurden im Jahr 2016 bereits entlassen (Standard 23.9.2016). Über die Sommermonate 2016 wurden mit derartigen Methoden bereits fünf Minister erfolgreich abgesetzt (AA 7.2.2017).

 

Auch für die Region Kurdistan im Irak ist die Frage, ob Maliki zurück an die Macht kommt, von großer Bedeutung. Massoud Barzani, der Präsident der Kurdischen Regionalregierung [Amtszeit bereits abgelaufen - er befindet sich aber nach wie vor Amt], hat immer wieder mit Ankündigungen, die Unabhängigkeit Kurdistans erklären zu wollen, aufhorchen lassen. Falls Maliki zurückkehren würde, würde er dies in die Tat umsetzen, so Barzani (Ekurd Daily 23.1.2017).

 

Insbesondere auch im Süden des Irak regt sich verstärkter Widerstand gegen Malikis Vorhaben, an die Spitze der Macht zurückkehren zu wollen. Die Anhänger der Sadr-Bewegung wollen mittels Demonstrationen die Hoffnung Malikis auf eine Rückkehr verhindern. Ein inner-schiitischer Konflikt zwischen Sadristen und Maliki-Anhängern ist spürbar, auch wenn diesbezügliche militärische Auseinandersetzungen unwahrscheinlich sind (Al Monitor 26.12.2017). Am 11. Februar kam es in Bagdad allerdings zu schiitisch-schiitischen Zusammenstößen. Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung schossen auf schiitische Demonstranten der regierungskritischen Sadr-Bewegung. Dabei wurden mindestens 6 Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen in die "Green Zone" (ehemalige internationale Zone, in der sich viele Regierungs- und Botschaftsgebäude befinden) geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik. Die Sadr-Bewegung richtet sich zwar v.a. auch gegen eine Rückkehr Malikis, gerade diesem könnte jedoch der Aktivismus Sadrs nutzen, da er den amtierenden Premier Abadi zusätzlich schwächt (MEE 12.2.2017, vgl. Standard 13.2.2017).

 

Flüchtlinge/Internvertriebene (Relevant für Abschnitt 11 - IDPs und Flüchtlinge):

 

Rund 3 Millionen Menschen wurden seit Januar 2014 intern-vertrieben, an ihre Heimatorte konnten in dieser Zeit rund 1,5 Millionen zurückkehren. Die folgende Grafik veranschaulicht die Zahl der IDPs nach der jeweiligen Region, in die sie geflüchtet sind:

 

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(IOM 2.2.2017)

 

In der Region Kurdistan-Irak alleine halten sich mehr als 11,3 Millionen Binnenvertriebene auf. Über 10 Millionen Menschen, also rund ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 7.2.2017). Bezüglich der Rückkehr von IDPs ist insbesondere Tikrit nennenswert, das eine unerwartete Wendung erlebt hat. Nachdem die Popular Mobilisation Forces nach der Rückeroberung in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile niederbrannten und andere Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), konnten inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner Tikrits zurückkehren. Allerdings ist der Großteil der Stadt zerstört und die Infrastruktur noch nicht wieder vollständig hergestellt (WP 23.11.2016).

 

Beispielsweise wird berichtet, dass von den rund 50.000 Familien, die von Salahuddin nach Kirkuk kamen, es nur 20.000 Familien möglich war, in rückeroberte Gebiete zurückzukehren, die übrigen Familien beschuldigen schiitische Milizen, dass diese sie nicht zurückkehren lassen würden (Rudaw 10.1.2017).

 

Innerhalb der letzten zwei Jahre seien ungefähr 900.000 Vertriebene nach Hause zurückgekehrt (Stand 23.11.2016), vorwiegend in sunnitische Städte wie Fallujah, Ramadi und Tikrit. An Orte zurückzukehren, an denen Sunniten in Nachbarschaft mit Schiiten oder Kurden gelebt hatten, ist für Sunniten besonders schwierig, und Hunderttausenden war dies nicht möglich, obwohl der IS dort bereits verdrängt wurde. Sunniten leiden unter dem Pauschalverdacht, mit dem IS zu sympathisieren. In manchen Orten, die die Popular Mobilisation Forces vom IS zurückerobert hatten, werden überhaupt keine ehemaligen Ortseinwohner zurückgelassen. Oft spielen dabei auch Stammeskonflikte oder Rachefeldzüge eine Rolle (WP 23.11.2016). Für Rückkehrer besteht oft auch die Gefahr, Opfer von explosiven Kampfmittelrückständen zu werden. Teilweise werden IDPs von Behörden aufgefordert in ihre Häuser zurückzukehren, obwohl die sehr reale Gefahr besteht, dass diese mit Sprengfallen versehen sind (MRG 22.12.2016).

 

Tikrit kann, wie erwähnt, am ehesten noch als "Erfolg" gesehen werden, da laut Washington Post über 90 Prozent der Bevölkerung in diese Stadt zurückkehren konnten (Stand Nov. 2016), Auf lange Sicht sei dieser Erfolg aber fraglich, da keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden seien, um das wiederaufzubauen, was im Zuge des Konfliktes zerstört wurde. Die irakische Regierung hat im Zuge des Konfliktes innerhalb kürzester Zeit fast die Hälft ihres Einkommens verloren, und das während sie große Mengen an finanziellen Mitteln für militärische Offensiven aufbringen musste/muss (WP 23.11.2016). Auf Grund der massiven finanziellen Schwierigkeiten kämpfen die irakische Regierung und die Regionalregierung Kurdistans auch auf Grund von Ressourcenproblemen mit der Bewältigung der IDP-Krise. Die irakischen Streitkräfte und die Streitkräfte der Regionalregierung tragen zur Unsicherheit der IDPs bei, indem sie sich zu wenig um den Schutz und die Unterstützung der vom Konflikt betroffenen IDPs kümmern, wodurch viele Vertriebene um ihr Leben kämpfen müssen, obwohl sie sich bereits in von der Regierung kontrollierten Gebieten befinden (MRG 22.12.2016).

 

Von der Mossul-Offensive sind laut UNHCR rund 1,5 Millionen Menschen in und um Mossul betroffen. Über 144.000 Menschen in und um Mossul zählen derzeit zu den Vertriebenen, über 23.000 konnten nach Beginn der Offensive wieder an ihren Herkunftsort zurückkehren. Die folgende Grafik zeigt die durch die Offensive ausgelösten Flüchtlingsströme:

 

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Die missliche Lage der IDPs wird zum Teil ausgenützt. So werden IDPs - Vorwürfen zufolge - teilweise von Milizen zwangsrekrutiert (auch Minderjährige). Die in Flüchtlingscamps untergebrachten IDPs haben häufig das Problem, dass ihre Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt ist, sowie dass Milizen ihnen die Papiere abnehmen und für lange Zeit nicht zurückgeben. Ein zusätzliches Problem ist, dass sie nicht mit ihren Familien kommunizieren können, da ihnen die Mobiltelefone abgenommen werden (UNHCR 20.1.2017, vgl. Al-Jazeera 1.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.understandingwar.org/backgrounder/warning-update-iraq ’s-sunni-insurgency-begins-isis-loses-ground-mosul, Zugriff 13.2.2017

 

https://www.iraqbodycount.org/database/ , Zugriff 13.2.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1483364807_irk.pdf (Zugriff am 14. Februar 2017)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Sicherheitslage

 

Seit der US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 ist ein starker Anstieg der Todeszahlen zu beobachten, der sich insbesondere ab dem Jahr 2012 noch einmal verstärkt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Todeszahlen im Irak (in Dunkelrot) bis zum Jahr 2014.

 

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(VOH 17.11.2015)

 

Im Jahr 2014 war der Konflikt im Irak der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden laut der österreichischen Botschaft in Amman 21.073 Todesopfer verzeichnet. Damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015).

 

Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der getöteten Zivilisten im Irak (inkl. Zivilpolizisten) für die Monate Jänner bis Dezember 2015 sowie die Anzahl der getöteten Iraker insgesamt. Demnach wurden im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet, 7.515 davon waren Zivilisten (inklusive Zivilpolizei). 14.855 Zivilisten (inkl. Zivilpolizei) wurden verletzt. UNIRAQ wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Verglichen mit dem Jahr 2013 war die Sicherheitslage im Jahr 2015 schlechter. In der folgenden Grafik finden sich die Mindestzahlen für das Jahr 2015:

 

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Quelle: Daten: UNAMI (Jänner bis Dezember 2015), Grafik:

Staatendokumentation

 

Für den Monat Februar 2016 berichtet UNAMI, dass zumindest 670 Iraker getötet und 1.290 verletzt wurden. Darunter waren 410 getötete Zivilisten (einschließlich Bundespolizei, Sahwa Zivilschutz, Leibwächter, Polizei für den Schutz von Gebäuden und Anlagen, sowie Feuerwehr) und 1.050 verletzte. Die Provinz Bagdad war (im Monat Februar 2016) mit zumindest 277 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (40 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten) und Kirkuk (29 getötete Zivilisten). Auf Grund der unübersichtlichen und volatilen Sicherheitslage können laut UNAMI die zu Anbar dokumentierten Zahlen (4 getötete und 126 verletzte Zivilisten) besonders stark von den tatsächlichen Zahlen abweichen (UNAMI 2.2016). Im März 2016 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.073 Zivilpersonen getötet. Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es 575 zivile Todesopfer und 1.196 Verletzte im März 2016. Weiter wurden 544 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 365 verletzt. Die am stärksten betroffene Provinz war im März abermals Bagdad mit 1.029 (259 Tote, 770 Verletzte) zivilen Opfern. In der Provinz Nineweh gab es 133 Tote und 89 Verletzte, in der Provinz Babil 65 Tote und 141 Verletzte, in der Provinz Kirkuk 34 Tote und 57 Verletzte, in der Provinz Diyala elf Tote und in der Provinz Salahuddin sechs Tote und einen Verletzten (Mindestzahlen) (BAMF 4.4.2016).

 

Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren – ebenfalls vom IS verübten – Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (National 6.3.2016).

 

Die am meisten gefährdeten Personengruppen sind neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparats, sogenannte "Kollaborateure", aber auch Mitarbeiter von Ministerien (AA 18.2.2016, s. auch Abschnitt 8).

 

Insgesamt kann die Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 als weiterhin höchst instabil bezeichnet werden. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninewah und Salah al-Din. Die irakische Regierung und die KRG konzentrierten sich weiterhin darauf, territoriale Fortschritte gegen den IS zu machen (UN Security Council 26.10.2015).

 

Der Aufstieg der zahlreichen konfessionellen Milizen und sonstigen bewaffneten Organisationen und Gruppen geht insbesondere auf den Bürgerkrieg von 2005 bis 2007 zurück. Heute stehen sich v.a. der aus Al-Qaida hervorgegangene "Islamische Staat", die schiitischen Milizen und die kurdischen Peschmerga gegenüber. Die schiitischen Milizen in ihrer Gesamtheit werden als militärisch stärker als die irakische Armee eingeschätzt (Standard 18.11.2015), und einige davon machen sich massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig (RSF 18.4.2015, vgl. HRW 20.9.2015, vgl. Rohde 9.11.2016). Neben deren gewaltsamen Übergriffen auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gibt es auch schiitische Milizen, die - ähnlich wie islamistische sunnitische Gruppen - gegen (nach deren Definition) "un-islamisches" Verhalten vorgehen und z.B. Bordelle, Nachtclubs oder Alkoholgeschäfte attackieren (Washington Post 21.1.2016). Die Peschmerga kämpfen zwar an der Seite der Zentralregierung, beschränken sich jedoch auf die Verteidigung der kurdischen Gebiete gegen den IS (Rohde 9.11.2015), gleichzeitig befinden sie sich aber auch in einem gespannten Verhältnis zu den schiitischen Milizen (Deutschlandfunk 5.12.2015). All diese Akteure sind mit externen Mächten liiert, allen voran Iran, Saudi-Arabien, Türkei oder den USA (Rohde 9.11.2015). Die USA sind mit einigen tausend US-Soldaten im Irak präsent und haben vor, ihre Präsenz mit weiteren Bodentruppen auszubauen. (Spiegel 2.12.2015, vgl. FAZ 24.10.2015, vgl. Focus 9.3.2016). Die von den USA angeführte Koalition gegen den IS hat im Irak seit Beginn ihrer Luftangriffe im August 2014 mehr als 6.800 Luftschläge durchgeführt (auf der folgenden Karte in blau dargestellt). Die Karte zeigt außerdem, welche Gebiete vom IS kontrolliert werden, bzw. in welchen Gebieten der IS die Möglichkeit hat, frei zu operieren – schraffiert dargestellt (BBC 29.2.2016):

 

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Quelle: BBC (29.2.2016)

 

Die folgende Karte zeigt, welche Gebiete im Irak von welchen militärischen Organisationen/Milizen kontrolliert werden:

 

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Quelle: ISW (9.2.2016)

 

Laut einer Untersuchung des in den USA ansässigen Instituts IHS Jane's habe der IS im Jahr 2015 in Syrien und Irak insgesamt mehr Land eingebüßt als erobert. Insgesamt soll die Miliz etwa 14 Prozent ihres Territoriums eingebüßt haben. Zu den Verlusten im Irak zählten die Stadt Tikrit und die Raffinerie von Baiji. Zudem haben die Extremisten die Kontrolle über einen Teil einer Schnellstraße zwischen Raqqa in Syrien und Mossul im Irak verloren, was logistische Schwierigkeiten mit sich bringe. Erobert hat der IS im Irak die Provinz Anbar, sowie deren Hauptstadt Ramadi [letztere wurde in der Zwischenzeit wieder zurückerobert] (Standard 22.12.2015).

 

Im November 2015 eroberten die irakisch-kurdischen Peschmerga gemeinsam mit Einheiten der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihres syrischen Ablegers YPG und mit Unterstützung durch amerikanische Luftschläge die Stadt Sinjar vom IS zurück (NZZ 13.11.2015). (In der Folge dessen kam es dort zwischenzeitlich zu Zusammenstößen zwischen jesidischen Kämpfern und Einheiten der KDP-Peschmerga (Ekurd 26.11.2015).)

 

Den Kurden gelang es auch, den IS aus Dörfern in der Nähe von Kirkuk zu vertreiben (NTV 11.9.2015). Gleichzeitig benutzen die Kurden den Krieg gegen den IS aber auch, um in den ohnehin lange umstrittenen Gebieten kurdische Fakten zu schaffen (unter anderem auch mit der Übernahme der Stadt Kirkuk im Sommer 2014), Araber werden zum Teil vertrieben (20Minuten 8.2015, vgl. Deutschlandfunk 15.7.2015). Umgekehrt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung den vorrückenden Peshmerga in den Rücken fallen und mit dem IS zusammenarbeiten. Es herrscht Misstrauen auf beiden Seiten, bei den Kurden, sowie den Arabern (20Minuten 8.2015).

 

Im Dezember 2015 gab Abadi die Rückeroberung der Stadt Ramadis bekannt, die im Mai in die Hände des IS gefallen war. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg (Standard 29.12.2015). In dem ein Jahr andauernden Kampf gegen den IS in Ramadi, wurde die Stadt völlig zerstört (Haaretz 18.1.2016).

 

Stammeskämpfer haben die am 19.02.16 begonnenen Gefechte gegen den IS in Falluja eingestellt, nachdem der IS Angaben der Armee zufolge mehr als 100 Bewohner der Stadt als Geiseln gefangen genommen hatte. Angaben des Verwaltungschefs zufolge soll es sich um rund 60 Gefangene handeln. Die Stämme befürchteten, dass die Geiseln hingerichtet würden (BAMF 22.2.2016). Ende März 2016 begannen irakische Truppen (mit Unterstützung durch US-Luftangriffe) mit einer Großoffensive auf die vom IS besetzte Großstadt Mossul, der zweitgrößten Stadt Iraks, die nach wie vor vom IS gehalten wird (Standard 24.3.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-un-casualty-figures-april-2015-enar

, May: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51021 , June:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4031:casualty-figures-for-the-month-of-june-2015-in-iraq-continue-to-be-on-the-high-side&Itemid=633&lang=en

, July:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4111:casualty-figures-for-the-month-of-july-2015&Itemid=633&lang=en , August:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4230:un-casualty-figures-for-the-month-of-august-in-grievous-increase&Itemid=633&lang=en , Sept.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4344:un-casualty-figures-for-the-month-of-september-2015&Itemid=633&lang=en , Oct.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4454:un-casualty-figures-for-the-month-of-october-2015&Itemid=633&lang=en , Nov.

 

 

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4610:un-casualty-figures-for-the-month-of-november-2015&Itemid=633&lang=en , Dez.

http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5147:un-casualty-figures-for-the-month-of-january-2016&Itemid=633&lang=en , Feb.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5284:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2016&Itemid=633&lang=en

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/301090/437831_de.html , Zugriff 19.1.2016

 

 

 

 

2.1. Die wichtigsten im Irak operierenden militärischen Akteure und Milizen

 

Iraqi Security Forces (ISF)

 

Den ISF kommt nach dem Abzug der Streitkräfte der Koalition ab 2011 eine besonders gewichtige Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit im Irak zu. Die ISF haben drei Hauptzweige: die irakische Armee, die irakische Polizei und die National Police.

 

Die ISF sind zum Teil infiltriert von schiitischen Arabern, während sunnitische Araber in den ISF unterrepräsentiert sind (ISW o.D.a). Teilweise wurden schiitische Milizen, die für ihr brutales Vorgehen gegen Sunniten bekannt sind (s. Abschnitt 8., sowie 8.2.), auch in die ISF integriert, was die Sunniten Iraks mit besonderer Sorge sehen.

 

Die ISF verübten aber auch selbst Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.b). Darüber hinaus haben die ISF das Problem, dass es im Land schiitische Milizen gibt, die zusammengenommen sogar als militärisch stärker als die ISF eingeschätzt werden (Standard 18.9.2015).

 

Insbesondere im Sommer 2014 machten die ISF keine gute Figur und überließen dem IS kampflos große Gebiete des Landes - unter anderem die Stadt Mossul (Spiegel 15.6.2014). Zehntausende irakische Soldaten verließen im Juni 2014 ihre Posten und flüchteten. Viele aus Angst vor dem IS, viele meinten, sie hätten den Befehl dazu bekommen. Es fehlte unter anderem an einer starken Führung, sowie an fehlender Motivation, zweiteres wohl auch, weil sich viele nicht mit der Politik des damaligen Präsidenten Maliki identifizieren konnten. Die ursprünglich 400.000 Mann starke Armee, die mit US-Hilfe aufgebaut worden war, wird nunmehr auf 85.000 aktive Soldaten geschätzt. Das Verteidigungsministerium hatte die Zahl offenbar hochgespielt, man spricht in diesem Zusammenhang von "Geistersoldaten". Abadi gab im November 2014 zu, dass es 50.000 solcher Geistersoldaten gab (Global Security o.D.).

 

Schiitische Milizen

 

 

 

 

 

Sunnitische Milizen

 

 

 

 

Ungefähr 100.000 irakische Sunniten sind bekannt als "Sons of Iraq" (auch "Awakening" oder "Sahwa" genannt). Es handelt sich um bewaffnete Männer, die während der Jahre 2003-2006 das US-Militär im Irak bekämpften, aber sich danach mit den US-Streitkräften gegen Al Qaida Iraq (den Vorläufer des IS) verbündeten. Ihnen wurde zugesagt, dass sie in die ISF integriert werden sollen, aber nur ein Teil wurde letztlich tatsächlich eingegliedert. Die übrigen wurden in Checkpoints eingesetzt, und erhielten ein geringes Gehalt, wurden aber nicht formell eingegliedert. Als Ergebnis dessen waren einige dieser Kämpfer desillusioniert und Berichten zufolge schlossen sich einige (Zahlen sind nicht bekannt) dem IS an (CRS 31.12.2015).

 

Kurdische Kämpfer

 

 

 

Es gibt seit langem Bestrebungen zur Zusammenführung der KDP-Peschmerga und der PUK-Peschmerga zu einer einheitlichen Armee. Eine effektive und vollständige Vereinigung ist jedoch auf Grund der Konkurrenzsituation und des Misstrauens gegeneinander nicht erfolgt (CMEC 16.12.2015).

 

 

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.2. Bagdad

 

Bagdad ist fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Bei vielen der verübten Anschläge sind religiöse oder politische Motive zu vermuten. Einer der tödlichsten Anschläge des Jahres 2015 fand am 13. August statt, bei dem eine Bombe auf einem Markt in der Gegend um Jameela im Osten Bagdads detonierte, zumindest 45 Zivilisten in den Tod riss und 72 weitere verletzte (UN Security Council 26.10.2015). Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren – ebenfalls vom IS verübten – Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (NG 6.3.2016).

 

Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen selbst. Nach einer Stellungnahme, die von sunnitischen Lehrern herausgegeben wurde, haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben (UK Home Office 11.2015). Laut Human Rights Watch sprachen v.a. in den Provinzen Bagdad und Diyalah kriminelle Banden, die laut sunnitischen Opfern mit den irakischen Sicherheitskräften und den schiitischen Milizen verbunden sind, Drohungen aus und verübten Morde, die nicht untersucht wurden (HRW 27.1.2016). Die für Menschenrechtsverletzungen bekannte schiitische Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq hat in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A’amel, 9 Nissan, Dora und Sha'ab. Zum Teil ist die Miliz in Bagdad einflussreicher als die örtliche Polizei. Übergriffe auf benachbarte sunnitische Viertel kommen vor (ISW 12.2012, vgl. FIS 29.4.2015).

 

Die vielen nach Bagdad strömenden Binnenflüchtlinge verschärfen die Spannungen in Bagdad noch zusätzlich. Es kommt zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen, sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen (UNAMI 13.6.2015). Iraks Hauptstadt ist in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen. Gemischte Viertel gibt es immer

 

weniger. Die folgenden Karten von 2003, 2010 und 2015 veranschaulichen dies: Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: National Geographic (o.D.)

 

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Quelle: Izady 2016

 

Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Dies gilt auch für die ersten beiden Monate des Jahres 2016, in denen in der Region Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet und

1.623 Zivilisten verletzt (UNIRAQ 1.-12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

 

UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (13.6.2015): Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-

 

11dec2014-30april2015.pdf, Zugriff 22.3.2016

 

http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-un-casualty-figures-april-2015-enar

, May: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51021 , June:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4031:casualty-figures-for-the-month-of-june-2015-in-iraq-continue-to-be-on-the-high-side&Itemid=633&lang=en

, July:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4111:casualty-figures-for-the-month-of-july-2015&Itemid=633&lang=en , August:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4230:un-casualty-figures-for-the-month-of-august-in-grievous-increase&Itemid=633&lang=en , Sept.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4344:un-casualty-figures-for-the-month-of-september-2015&Itemid=633&lang=en , Oct.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4454:un-casualty-figures-for-the-month-of-october-2015&Itemid=633&lang=en , Nov.

 

 

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4610:un-casualty-figures-for-the-month-of-november-2015&Itemid=633&lang=en , Dez.

http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5147:un-casualty-figures-for-the-month-of-january-2016&Itemid=633&lang=en , Feb.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5284:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2016&Itemid=633&lang=en

 

2.3. Die mehrheitlich von Schiiten bewohnten südlichen Provinzen Iraks

 

Die südlichen Provinzen Iraks (Karbala, Babil, Wasit, Najaf, Qadissiya, Missan, Thi-Qar, Muthanna und Basrah) befinden sich unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte (ISF). Jedoch ist der Staat bei der Kontrolle stark auf mehrere schiitische Milizengruppen angewiesen, die in einigen Gebieten eigenmächtig agieren (IDMC 30.6.2015). Im überwiegend schiitischen Gebiet im Süden Iraks wurden im Jahr 2014 427 Personen getötet (schließt Zivilisten und Militärs ein)(UK Home Office 11.2015). Im Jahr 2015 wurden von Iraq Body Count in Basra 90 zivile Todesfälle durch Gewalt dokumentiert (Mindestzahlen), im [spärlich besiedelten Gebiet] Muthanna sechs, im [spärlich besiedelten Gebiet Najaf] einer, in Qadissiya einer, in Missan 27, in Wassit 11, in Thi-Qar 17 und in Babil ca 270 [in dieser Quelle fanden sich keine Angaben zur Provinz Karbala](IBC 2015). In diesen Provinzen (ausgenommen Babil, s.u.) gab es keine direkten Konfrontationen mit dem IS. Die Gewalt hat sich hier auf sporadische terroristische Angriffe beschränkt. Eine Ausnahme stellt die Provinz Babil dar, in der der IS versuchte, Bagdad vom Süden her anzugreifen (CEDOCA 29.5.2015). In der Provinz Babil kam es während des Jahres 2015 darüber hinaus vermehrt zu Morden und Entführungen durch schiitische Milizen (USDOS 14.10.2015).

 

Ein Papier des UNHCR, datiert mit Oktober 2014 besagt, dass sich der aktuelle Konflikt im Irak hauptsächlich auf die Provinzen im Zentral- und Nordirak konzentriert, dass aber auch die südlichen Provinzen mit sicherheitsrelevanten Vorfällen konfrontiert sind, einschließlich Bombenanschlägen, gezielte Entführungen, religiös motivierte Vergeltungsanschläge gegen Individuen (auch Mitgliedern politischer Parteien, religiösen und ethnischen Führungsfiguren, Regierungsangestellten und Fachkräften). Immer wieder finden Entführungen von Sunniten statt (UK Home Office 11.2015).

 

Dadurch, dass der irakische Staat Ende 2014 große Teile der Armee und der Polizei aus den südlichen Provinzen abgezogen hatte, verschlechterte sich die Sicherheitslage zuletzt in diesen Provinzen. Die Kriminalität steigt, es kommt vermehrt zu blutigen Zusammenstößen zwischen schiitischen Klans, zu Entführungen und Lösegelderpressungen. Der zunehmende Einfluss der schiitischen Milizen verschlimmert die Situation zusätzlich. Die Regierung hat im Jänner 2016 eine Armee-Division und eine Polizeitruppe in die südliche Stadt Basra geschickt, um die dortige Bevölkerung zu entwaffnen, und gegen die konkurrierenden, sich gegenseitig bekämpfenden schiitischen Klans vorzugehen (Reuters 15.1.2016, vgl. Al- Arabiya 9.1.2016, vgl. New Arab 7.1.2016). Die großen Stammesverbände in den Provinzen Basrah und Thi-Qar besitzen leichte und mittelschwere Waffen und bekämpfen sich in Abwesenheit von Rechtsstaatlichkeit gegenseitig (Al-Monitor 2.3.2016). Auch das Institute for the Study of War berichtete Anfang des Jahres 2016 von der zunehmenden Instabilität in Basra, die von den rivalisierenden schiitischen Gruppen (darunter auch die Organisation Asa’ib Ahl al-Haqq) nutzen, um an Einfluss zu gewinnen. Das Institut berichtete auch von der stark ansteigenden Kriminalität und Gewalt in Basra (ISW 11.1.2016).

 

In den südlichen Provinzen kommt es darüber hinaus häufig zu Protesten, die sich gegen Regierungskorruption, Mangel an öffentlichen Dienstleitungen, die häufigen Stromausfälle und die schlechte Wasserqualität richten. Dabei seien Berichten zufolge Demonstranten bedroht worden (UNAMI 19.1.2016).

 

Im Süden des Landes finden sich sunnitische Gemeinden eher nur vereinzelt und vorwiegend in spärlich besiedelten ländlichen Gebieten (Columbia University 2014). Diese in den südlichen Provinzen lebende sunnitische Minderheit ist immer wieder Mord, Entführungen und Bedrohungen ausgesetzt (USDOS 14.10.2015).

 

Anm.: Zu den Zugangsbeschränkungen für IDPs im Süden / in den Süden Iraks siehe Abschnitt 11.

 

Quellen:

 

 

 

Jaffal),

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-basra-tribes-fightingdisarmament.html , Zugriff 18.3.2016

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

 

 

Commissioner for Human Rights (19.1.2016): Report on the Protection of Civilians in the Armed Conflict in Iraq: 1 May – 31 October 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453277693_unamireport1may31october2015.pdf ,Zugriff 18.3.2016

 

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Anm.: Dieser Abschnitt ist nur relevant für Gebiete, in denen das staatliche Rechtssystem greift. Dies ist in Teilen des Landes nicht oder nur eingeschränkt der Fall (in vom IS besetzten Gebieten, oder teilweise in einigen von schiitischen Milizen dominierten Gebieten).

 

Das Strafjustizwesen wies laut Amnesty International weiterhin gravierende Mängel auf. Der Justiz fehlte es an Unabhängigkeit. Die Verfahren waren systematisch unfair, insbesondere solche, in denen Anklage wegen terroristischer Straftaten erhoben wurde und die Todesstrafe verhängt werden konnte. Gerichte sprachen Angeklagte aufgrund von "Geständnissen" schuldig, die unter Folter erpresst worden waren, und die teilweise bereits vor Prozessbeginn von staatlichen Fernsehsendern ausgestrahlt wurden (AI 24.2.2016). Der irakische Staat verhängt Todesstrafen aufgrund von Geständnissen, die durch Folter erzwungen wurden (RFE/RL 5.11.2015). Rechtsanwälte, die Terrorismusverdächtige verteidigten, wurden von Sicherheitsbeamten bedroht und eingeschüchtert und von Milizen tätlich angegriffen. Der IS und andere bewaffnete Gruppen attackierten und töteten weiterhin Richter, Rechtsanwälte und Justizbedienstete. Im Juli 2015 verurteilte das Zentrale Irakische Strafgericht in Bagdad 24 mutmaßliche IS-Mitglieder zum Tode. Die Männer waren für schuldig befunden worden, im Juni 2014 mindestens

1.700 Militärkadetten des Militärstützpunkts Camp Speicher in der Nähe von Tikrit in der Provinz Salah al-Din getötet zu haben. Vier weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Gerichtsverhandlung dauerte nur wenige Stunden und stützte sich weitgehend auf "Geständnisse", die nach Angaben der Angeklagten während ihrer Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren, sowie auf ein Video des Massakers, das der IS zuvor in Umlauf gebracht hatte. Die Angeklagten bestritten ihre Beteiligung an den Tötungen. Einige gaben an, zum Tatzeitpunkt nicht in Tikrit gewesen zu sein. Keiner der Angeklagten hatte einen Rechtsbeistand seiner Wahl. Alle wurden von Rechtsanwälten vertreten, die das Gericht ernannt hatte. Diese plädierten zwar für milde Urteile, stellten aber die Beweise oder die Zulässigkeit der "Geständnisse" nicht in Frage (AI 24.2.2016).

 

Laut Bericht des Auswärtigen Amtes findet die Verfolgung von Straftaten nur unzureichend statt. Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über eine sogenannte "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten (AA 18.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016

 

 

4. Sicherheitsbehörden

 

Anm.: Zu den irakischen Sicherheitskräften (ISF), sowie zu den (teilweise von der Regierung beauftragten) schiitischen Milizen, und den wichtigsten im Irak agierenden militärischen Kräften s. Abschnitt 3.1.

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Folter und unmenschliche Behandlung werden von der irakischen Verfassung in Art. 37 ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die "Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman and Degrading Treatment or Punishment (CAT)" unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren eingesetzt. Es kommt immer wieder zu systematischer Anwendung von Folter bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u.a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz überwiesen, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 18.2.2016).

 

Vernehmungsbeamte folterten Häftlinge, um Informationen zu erpressen und "Geständnisse" zu erzwingen, die später vor Gericht gegen sie verwendet wurden. Einige Häftlinge sollen infolge der Folter gestorben sein. Im April 2015 bestätigte ein Mitglied des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses, dass nach wie vor Häftlinge gefoltert und erpresste "Geständnisse" vor Gericht verwendet würden. Der UN-Ausschuss gegen Folter warf der Regierung vor, Foltervorwürfe nicht zu untersuchen, und forderte bessere Schutzmaßnahmen gegen Folter (AI 24.2.2016). Auch die Bertelsmann-Stiftung berichtet davon, dass Beamten des irakischen Innenministeriums Gefangene (straffrei) zu Tode folterte. Unter der Regierung von Ex-Premierminister Maliki hatte es eine Untersuchung des irakischen "Ministerium für Menschenrechte" [seit August 2015 abgeschafft], die ergeben hatte, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2013 20 von 117 Todesfällen in Haft die Folge von Folter waren (BI 2016).

 

Nach glaubwürdigen Berichten von Human Rights Watch kommt es in Gefängnissen der Asayisch (kurdische Geheimpolizei) in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige, z. B. durch Schläge mit Kabeln, Wasserschläuchen, Holzstöcken und Metallstangen, durch das Halten von Gefangenen in Stresspositionen über längere Zeiträume, tagelanges Fesseln und Verbinden der Augen sowie ausgedehnte Einzelhaft. Die Haftbedingungen sind insgesamt sehr schlecht (AA 18.2.2016).

 

In den Abschnitten 8.1. sowie 8.2. finden sich weitere Informationen zu diesem Themenbereich.

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016

 

6. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Staatliche Stellen sind nach wie vor für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und trotz erkennbarem Willen der Regierung Abadi nicht in der Lage oder bereit, die in der Verfassung verankerten Rechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Derzeit ist es staatlichen Stellen zudem nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dies geht nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen sowie den Vereinten Nationen einher mit Repressionen, mitunter auch extralegalen Tötungen sowie Vertreibungen von Angehörigen der jeweils anderen Konfession (AA 18.2.2016).

 

Auch laut Amnesty International sind sowohl Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen, als auch die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Regierungstruppen waren für wahllose Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle verantwortlich und verübten außergerichtliche Hinrichtungen. Die Menschenrechtslage habe sich im Jahr 2015 weiter verschlechtert. Alle Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen sowie andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge setzten sowohl die "Einheiten der Volksmobilisierung" (al-Hashd al-Shaabi) (v.a. bestehend aus von der Regierung legitimierten schiitischen Milizen) als auch der "Islamische Staat" Kindersoldaten ein.

 

Im Juli und August 2015 beteiligten sich in Bagdad, Basra und anderen Städten tausende Menschen an Straßenprotesten gegen staatliche Korruption, Engpässe in der Strom- und Wasserversorgung und die Unfähigkeit der Behörden, grundlegende Versorgungsleistungen sicherzustellen. Mindestens fünf Personen wurden getötet, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um die Demonstrationen aufzulösen. In den darauffolgenden Wochen wurden mehrere Anführer der Proteste in Bagdad, Nassiriya und Basra von Unbekannten getötet. Der Innenminister behauptete, die Tötungen stünden nicht in Zusammenhang mit den Demonstrationen. Es blieb jedoch unklar, ob die Behörden die Vorfälle gründlich untersuchten.

 

Es kommt weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren.

 

Im Zuge der Rückeroberung von Gebieten, die der IS im Jahr 2014 erobert hatte, kommt es auch zu Repressionen durch kurdische Peschmerga, durch schiitische und auch sunnitische Milizen insbesondere gegen Angehörige (anderer) sunnitischer Stämme, die der Kollaboration mit dem IS bezichtigt werden (AA 18.2.2016).

 

Journalisten mussten 2015 weiterhin unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Sie waren Drohungen und tätlichen Angriffen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt und mussten befürchten, vom IS und anderen bewaffneten Gruppen verschleppt und getötet zu werden. Im April 2015 erklärte der Innenminister, die negative Berichterstattung der Medien über die Sicherheitskräfte behindere den Kampf gegen den IS (AI 24.2.2016).

 

Auf dem Weltpressefreiheitsindex 2014 belegt der Irak Platz 153 von 180 und liegt damit nur unwesentlich besser als am absoluten Tiefpunkt von Platz 158 im Jahr 2008. Zudem war der Irak im Jahr 2014 das viert-tödlichste Land für Journalisten – was insbesondere mit Gewaltakten an Journalisten durch den IS zusammenhängt (ÖB Amman 5.2015).

 

Abgesehen von Journalisten gibt es eine Reihe anderer Personengruppen, die besonders gefährdet sind: Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen sind Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sowie sogenannte "Kollaborateure" sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Neben Autobomben kommen dabei häufig schallgedämpfte Waffen zum Einsatz. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (meist Angehörige von Minderheiten), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, Friseure und medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Anschlägen. Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet [oder im Dienst des IS – s. Abschnitt 2.2.], häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft. Laut der UN-Mission haben viele von ihnen weder Zugang zu Anwälten noch Kontakt zu ihren Familien (AA 18.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

6.1. Regierung, ISF, schiitische Milizen

 

Die laut Human Rights Watch außer Kontrolle geratenen schiitischen Milizen (HRW 20.9.2015) begehen breit angelegte und systematische Menschenrechtsverletzungen (AI 24.2.2016, HRW 27.1.2016). Es werden Zivilisten werden aus ihren Häusern vertrieben, gekidnappt, willkürlich verhaftet, gefoltert und in einigen Fällen in Massenexekutionen getötet. Insbesondere in jenen Gebieten, die die Milizen vom IS zurückerobern, wird die sunnitische Bevölkerung pauschal schikaniert. V.a. die Miliz Asa’ib Ahl Al Haqq ist hier besonders hervorzuheben (HRW 15.2.2015, vgl. BTI 2016). Von den schiitischen Milizen wurden ganze Dörfer systematisch zerstört, sie wurden geplündert, niedergebrannt, oder gesprengt (HRW 27.1.2016). Von April bis Dezember 2015 sind alleine in der Provinz Salah al-Din zumindest 718 Sunniten von Kämpfern schiitischer Milizen entführt worden (Reuters 14.12.2015). Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, dass sich einige der schiitischen Milizen teilweise hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen JournalistInnen und Menschen mit anderer sexueller Orientierung kaum vom IS unterscheiden (Rohde 9.11.2015).

 

Auch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) selbst verübten Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016

 

 

 

 

https://www.ecoi.net/local_link/318408/443588_en.html , Zugriff 6.4.2016

 

 

 

7. IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit

 

Der Irak ist seit über einem Jahrzehnt Schauplatz enormer Vertreibungswellen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat sich dies auf Grund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Zentral- und Südirak noch einmal massiv verschärft (RI 2.11.2015). Seit Januar 2014 sind geschätzte 3,2 Millionen Menschen zu Internvertriebenen (IDPs) geworden (Stand 1. Jänner 2016). Über 10 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 4.1.2016). Außerdem befinden sich im Irak rund 245.000 syrische Flüchtlinge (WFP 15.12.2015).

 

Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500.000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.

 

IOM dokumentierte für den Zeitraum 1.Jänner 2014 bis 3.Dezember 2015

3.195.390 internvertriebene Iraker (532.565 Familien). In den Provinzen Bagdad und Anbar befinden sich mit jeweils 18 Prozent die größten Anteile dieser IDPs, in Dahuk 13 Prozent, Kirkuk 12, Erbil 10, Ninewa 7 und in Suleimaniya 5 Prozent. Bis Dezember 2015 seien Berichten zufolge 458.358 Personen zu ihrem Herkunftsort zurückgekehrt (IOM 18.12.2015). Die folgende Grafik zeigt die Herkunftsregionen der IDPs in Prozent:

 

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(Quelle: IOM 3.2016)

 

Die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen kam es jedoch zeitweise zur Schließung von Provinzgrenzen. So wurde z.B. im Mai 2015 Flüchtlingen, besonders jungen Männern, aus Anbar der Zugang nach Bagdad verwehrt (AA 18.2.2016). Es gab Berichte, dass IDPs aufgrund ihrer Identität oder Herkunft der Zugang zu sicheren Gebieten versperrt wurde, wodurch sie potentieller Gefahr ausgesetzt wurden. In zahlreichen Gebieten waren IDPs Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausgesetzt, die gegen internationale Standards verstoßen. Der für diese Einschränkungen angegebene Grund ist zumeist die Furcht vor militanten Gruppen, die in Checkpoints eindringen oder Schläferzellen aufbauen könnten. Seit Jänner 2015, als der IS in Anbar erstmals aktiv wurde, wurden Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten wurden und daran gehindert wurden, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger. Es gibt regelmäßige Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Laut OCHA sind zahlreiche Checkpoints für IDPs geschlossen, zuletzt v.a. im Süden von Sulaymaniyah und in der Provinz Kirkuk. Im Süden verhindern die Zugangsbeschränkungen das Vorankommen von sunnitischen IDPs in die vorwiegend schiitischen Provinzen. Das betrifft viele Familien aus Anbar, die z.B. nach Bagdad, Karbala und Basra wollen. Generell gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von konfessionellen Spannungen, insbesondere in Bagdad und Salah al-Din, und dies beeinträchtigt die Möglichkeit der Menschen, Zugang zu Versorgungsleistungen und Unterstützung zu finden (IRIN 19.5.2015).

 

Laut UK Home Office hängen die beobachteten Zugangsbeschränkungen meist mit bestimmten Kriterien zusammen, wie der Zusammensetzung der Familie, dem religiösen und ethnischen Hintergrund, dem Herkunftsort, dem Alter, in der betreffenden Provinz und dem Mangel an Aufnahmekapazitäten (Home Office 11.2015, bzgl. des Kriteriums Alter: UNAMI 13.7.2015). Männern, die älter sind als 18 Jahre, ist beispielsweise die Einreise in die Provinz Qadisiya verwehrt worden, während die Provinzen Najaf und Wassit im Berichtszeitraum Dezember 2014 – April 2015 gar keinen neuen IDPs Einlass gewährten (UNAMI 13.7.2015). Die Provinz Babil (Anm.: auch Babylon) hat ab Mai 2015 ebenfalls keine IDPs mehr eingelassen (IOM 11.2015). Die Kriterien, die an solchen Zugangs-Checkpoints gelten, müssen nicht unbedingt klar definiert sein oder können sich plötzlich ändern. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das sogenannte "Sponsorensystem". Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssen einen Sponsor (eine Referenzperson, die im Zielgebiet lebt) vorweisen (Home Office 11.2015). Ein solches Sponsorensystem wird z. B. angewendet auf IDPs aus Anbar, die nach Bagdad flüchten wollen, sowie für viele IDPs, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen (Home Office 11.2015) [Anm.: Für die Kurdenregion hat es diesbezüglich Änderungen gegeben, s. dazu Abschnitt 11.1.]. Im November 2015 berichtete auch IOM, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Flüchtlinge nun noch mehr eingeschränkt seien, da die meisten Provinzen ein neues Gesetz angenommen hätten, das Binnenvertriebene dazu verpflichte, bei der Ankunft einen lokalen Bürgen vorzuweisen (IOM 11.2015).

 

Selbst wenn der Zugang gewährt wird, kann es für IDPs zusätzliche Anforderungen geben, um sich bei den lokalen Behörden zu registrieren (Home Office 11.2015). Der UNHCR berichtete bereits im Oktober 2014, dass speziell im Süden des Irak Binnenvertriebene von Provinz zu Provinz reisen, um Behörden zu finden, die sie registrieren, damit sie Zugang zu Leistungen wie z.B. Grundversorgung, Bildung und Bargeldversorgung erhalten. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Fortbewegungsfreiheit der IDPs zusätzlich durch Unsicherheit (auch auf Grund konfessioneller Spannungen) und laufende militärische Operationen eingeschränkt ist. Der Großteil der Verbindungswege wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert (UNHCR 10.2014). Zum Teil werden IDP-Familien nur dann durch einen Checkpoint gelassen, wenn sich die erwachsenen Männer bereit erklären den paramilitärischen Einheiten der Volksmobilisierung (PMU) beizutreten (UNAMI 13.7.2015).

 

Die Ankunft von IDPs in einem bestimmten Gebiet verschärft immer auch die Spannungen zwischen den ethno-religiösen Gruppen (Home Office 11.2015).

 

In den Gebieten, die die Kurden vom IS zurückerkämpft haben, insbesondere in den von den Kurden neu besetzten Gebieten werden arabische IDPs von kurdischen Sicherheits-/Streitkräften zu tausenden in sogenannten Sicherheitszonen festgehalten. Sie werden davon abgehalten, in ihre Wohngebiete zurückzukehren, während die kurdischen IDPs zurückkehren dürfen. Teilweise werden auch gezielt Häuser von Arabern zerstört, damit diese nicht zurückkehren. Außerdem kommt es vor, dass Araber von KRI-Streitkräften ohne Anklage für längere Zeit inhaftiert werden (HRW 25.2.2015).

 

Auch für die Stadt Kirkuk und Umgebung liegen Berichte vor, denen zufolge Sunniten von Kurden aus ihren Gebieten vertrieben werden (Deutschlandfunk 15.7.2015).

 

Die IDPs leben in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinische Versorgung. Von den 3,2 Millionen IDPs befinden sich in etwa 2,3 Millionen im Zentral- und Südirak (RI 2.11.2015). Das World Food Programme setzte sich das Ziel, 2,2 Millionen Vertriebene und vom Konflikt betroffene Personen im Irak mit einer monatlichen Essensration zu versorgen. Auf Grund der Zugangsbeschränkungen musste das Word Food Programme seine Hilfsleistungen zurückstufen und versorgt nun lediglich 1,5 Millionen Menschen jeden Monat (WFP 1.12.2015). Das World Food Programme war auf Grund von Unterfinanzierung dazu gezwungen, die Essensrationen um bis zu 50 Prozent zu verringern, was dazu führt, dass viele Familien, die bisher versorgt waren, nun ebenfalls unter Nahrungsmittel-Unsicherheiten leiden (UN News Service 27.11.2015).

 

In den nicht-kurdischen Gebieten erreicht die humanitäre Hilfe die Menschen weitaus seltener als in der kurdischen Autonomieregion teilweise, weil es an Information mangelt, welche Güter/Leistungen benötigt werden und wie diese dorthin transportiert werden sollen, und teilweise, weil gewaltsame Konflikte es den humanitären Organisationen praktisch unmöglich machen, in diesen Gegenden zu operieren (RI 2.11.2015).

 

Neben dem IS sind auch die Preisfluktuationen und die reduzierte Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Nahrungsmittelproduktion im Irak lahm gelegt ist, was die Lage der 2,4 Millionen Iraker, die an unsicherer Nahrungsmittelzufuhr leiden, verschärft (UN News Service 27.11.2015).

 

Ein UN-Beobachter hat bereits im Mai 2015 die irakischen Behörden für ihr Versagen, den fast 3 Millionen IDPs im Irak adäquate Unterstützung und Schutz zu bieten, massiv kritisiert (IRIN 19.5.2015).

 

Beispiele für die Rückkehr von Flüchtlingen, die vor dem Terror des IS geflohen waren, gibt es auch. So sind seit der Rückeroberung von Tikrit im vergangenen März durch schiitische Freiwilligenmilizen und die irakische Armee zwei Drittel der einst 200.000 – überwiegend sunnitischen – Einwohner in die Stadt zurückgekehrt (FAZ 15.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LITTLE AID AND FEW OPTIONS,

http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&docid=563868d14&skip=0&query=displace&coi=IRQ , Zugriff 15.1.2016

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

 

 

 

Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015, 13. Juli 2015

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-

 

11dec2014-30april2015.pdf , Zugriff 15.1.2016

 

 

 

http://www.ecoi.net/local_link/313757/452054_de.html , Zugriff 15. 1.2016

 

 

 

 

8. Grundversorgung/Wirtschaft

 

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrien. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über vier

 

Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" gleichen die Lebensbedingungen von 57 Prozent der städtischen Bevölkerung im Irak denen von "Slums". Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die UN-Mission ermittelte schon im Juni 2013, dass vier Millionen Iraker unterernährt sind. Etwa ein Viertel der 36 Mio. Iraker lebt unterhalb der Armutsgrenze (2 US-Dollar/Tag).

 

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und

 

teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Seit dem Spätsommer 2015 hat Irak mit einem Cholera-Ausbruch zu kämpfen (laut Zahlen der Vereinten Nationen 1.600 Erkrankte Ende Oktober 2015) (AA 18.2.2016).

 

Berichten des UNHCR zufolge sollen in der vom IS kontrollierten Stadt Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung, ungeeigneter, giftiger Nahrung und fehlender Medikamente gestorben sein (BAMF 22.2.2016).

 

Informationen zu der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage/Ressourcenlage in der Autonomen Kurdenregion finden sich auch in den Abschnitten 2.1. und 11.1., darüber hinaus finden sich einige weitere Informationen zur Grundversorgung im übrigen Irak im Abschnitt 8.

 

Quellen:

 

 

9. Rückkehr

 

Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österreichischen Bundesgebiet ist über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Unterstützung von IOM-Österreich möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Im Jahr 2015 haben ca. 150 Rückkehrer in den Irak diese Unterstützung in Anspruch genommen.

 

Von Anfang Jänner bis Ende Juni 2016 kehrten 926 Asylwerber freiwillig aus Österreich in den Irak zurück. Die meisten freiwilligen Rückkehrer in diesem Zeitpunkt sind somit irakische Asylwerber, gefolgt von 431 Afghanen und 414 Asylwerbern aus dem Iran (KURIER.at, 13.07.2016).

 

Das Rückkehrprojekt Magnet, das zwischen Jänner 2012 und Juni 2013 u. a. eine Kooperation von IOM-Österreich mit dem Büro für Migration und Vertriebene sowie dem Ministerium für Arbeit und Soziales der kurdischen Autonomieregierung beinhaltete, unterstützte freiwillige Rückkehrer aus Österreich, wie auch aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden, bei der Re-Integration in den Arbeitsmarkt der kurdischen Autonomieregion. Das Nachfolgeprojekt Magnet II, welches im Juni 2014 gestartet wurde und seither in Kooperation zwischen der kurdischen Regionalregierung und den jeweiligen belgischen, finnischen, niederländischen, französischen und britischen Behörden umgesetzt wird, kann von Rückkehrern aus Österreich aktuell nicht in Anspruch genommen werden.

 

Im Rahmen des Rückkehrprogramms AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) von IOM kehrten im Jahr 2015 insgesamt über 3.000 ehemalige Asylwerber aus 14 verschiedenen europäischen Ländern freiwillig in den Irak, nach Bagdad, Erbil, Suleimanyia und Basra, zurück. Dies stellt eine Zunahme von ca. 200% gegenüber dem Jahr 2014 dar. IOM unterstützt die Rückkehrer neben der Organisation der Reise selbst mit Reintegrationsmaßnahmen wie Mikrokrediten, provisorischen Unterkünften, Arbeitssuche und wichtigen Gütern des täglichen Lebens und arbeitet dabei mit dem irakischen Migrationsministerium und dem Migrationsbüro der kurdischen Autonomieregierung zusammen.

 

Quelle:

 

 

 

http://iomiraq.net/article/0/movement-and-assisted-migration (Zugriff am 9.5.2016)

 

 

 

http://iomiraq.net/article/0/iom-helps-iraqi-migrants-voluntarily-return-home-belgium (Zugriff am 9.5.2016)

 

 

 

Die irakische Verfassung garantiert in ihrem Art. 44 die innerstaatliche Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit jedes Staatsbürgers. Es stehen vor diesem Hintergrund Einzelbestimmungen für die Regulierung dieser Grundfreiheiten in Anwendung, so hinsichtlich der Vorlage bestimmter Identitätsdokumente sowie der persönlichen Aussage vor den jeweiligen örtlichen Behörden. Als die beiden wichtigsten Dokumente für den Verkehr mit den Behörden, neben der Registrierung etwa für die Zuteilung von Lebensmittelrationen oder die Ausstellung anderer Dokumente, dienen der Staatsbürgerschaftsnachweis sowie der Personalausweis (Identity Card), weitere maßgebliche Dokumente sind Wohnsitzbestätigungen (Meldenachweis), Lebensmittelrationskarten, Geburts- und Sterbeurkunden. Laut UNHCR werden die vier erstgenannten Dokumente in der Regel von örtlichen Niederlassungsbehörden im Parteienverkehr verlangt. In den drei autonomen kurdischen Provinzen des Nordiraks werden in Ermangelung dieser Dokumente auch Ersatzpapiere (sogen. Information Card) für den einmaligen Gebrauch verwendet. In Ermangelung der Vorlage entsprechender Identitätsdokumente kommt es zu Schwierigkeiten beim Passieren von Checkpoints und/oder der Registrierung durch die zuständigen Behörden sowie der Erlaubnis zur Niederlassung, was in der Folge zur Einschränkung des Bezugs staatlicher Leistungen führen kann. Die örtlichen Büros von IOM und deren Partnern setzen demgegenüber ausdrücklich nicht die Vorlage solcher Dokumente für die Gewährung ihrer Unterstützungsleistungen an IDP voraus. Erhebungen von IOM aus 2014 zufolge gaben nur ca. 10% aller IDP den Verlust solcher Dokumente verursacht durch die Umstände der internen Vertreibung an. Demgegenüber sind über 90% aller IDP von den jeweiligen örtlichen Behörden registriert worden.

 

Alle wesentlichen persönlichen Daten werden von den örtlichen Standesämtern in Personenstandsregistern festgehalten bzw. ergänzt. Diese sind grundsätzlich auch für die Neuausstellung verloren gegangener Personalausweise zuständig. Sofern der Zugang zu einem Personenstandsamt nicht möglich oder zu gefährlich ist, kann die Übertragung der entsprechenden Daten auf Antrag bei der örtlichen Niederlassung des Ministeriums für Vertriebene und Migranten, in der KRG beim örtlichen Büro der Behörde für Vertriebene und Migranten, zur jeweiligen Behörde des Aufenthaltsorts veranlasst werden, dies ist auch bei irakischen Botschaften möglich. Darüber hinaus bietet UNHCR Unterstützung bei der Erlangung neuer Identitäts- und andere Dokumente durch seine sogen. Protection and Reintegration Centers vor Ort an, so auch in Dohuk, Erbil und Suleymaniah. In Ermangelung der Möglichkeit persönlichen Erscheinens beim Personenstandsamt seiner Herkunftsregion ist es einer IDP auch möglich, die Neuausstellung von Identitätsdokumenten durch dort anwesende Verwandte oder andere Dritte unter Vorlage einer beglaubigten Vollmacht zu veranlassen. Als Mindestvoraussetzungen für die Neuausstellung solcher Dokumente genügen allfällige Kopien von elterlichen Dokumenten, Meldenachweise oder die Angabe der Nummer des "Familienbuches" am örtlichen Standesamt. Zuletzt existiert in Bagdad auch ein zentraler Mikrofilm-Speicher aller bisherigen Personenstandsdaten, sollte ein bestimmtes Personenstandsregister zerstört worden sein. Das Gesagte gilt sinngemäß auch für die Erlangung eines Staatsbürgerschaftsnachweises, der von der nationalen Staatsbürgerschaftsbehörde in Bagdad ausgestellt wird bzw. bei den örtlichen Zweigstellen in den jeweiligen Provinzen beantragt werden kann.

 

Quelle:

 

British Home Office, COI on Internal relocation in Iraq vom 24.12.2014 in der Fassung der Aktualisierung vom 22.10.2015; https://www.gov.uk/government/publications/iraq-country-information-and-guidance )

 

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich im Hinblick auf diese Feststellungen auf folgende Erwägungen:

 

2.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest.

 

An dieser Stelle ist im Übrigen festzuhalten, dass im Bescheid des BFA im Rahmen der Beweiswürdigung - wie in der Beschwerde dargelegt - irrtümlicherweise angeführt wird, dass der Beschwerdeführer eine Frau habe (AS 162 [BS 64]). Abgesehen vom Umstand, wonach im Verfahrensgang eine falsche Polizeiinspektion bezüglich der Erstbefragung (AS 101 [BS 3]) und im Rahmen der Beweiswürdigung ein falsches Datum der Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 161 [BS 63]) vermerkt wurde, bleibt auch festzuhalten, dass im Rahmen der Beweiswürdigung bzw. rechtlichen Beurteilung des Weiteren irrtümlicherweise angeführt wird, dass der BF in Österreich studieren wolle und im Irak keine Anstellung als Lehrer erhalten habe sowie Sunnit sei [AS 160, 164 [BS 62, 66]. Aus diesen Mangelhaftigkeiten resultiert jedoch weder die Notwendigkeit zur Behebung des Bescheides noch zu einer mündlichen Verhandlung, da nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dem Bescheid in einer Gesamtbetrachtung in Verbindung mit dem vorliegenden Verfahrensakt eindeutig entnommen werden kann, dass es sich hierbei um Versehen handelt und im Übrigen zweifelsfrei feststeht, dass der BF der schiitischen Religionsgemeinschaft angehört, ledig ist und im Irak als Bäcker beruflich tätig war. Im Übrigen ist dem Verfahrensakt zweifelsfrei entnehmbar, dass die Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Graz Paulustor am 25.07.2015 und die Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2017 erfolgten.

 

2.2.2. Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie dessen persönliche und familiäre Lebensumstände im Herkunftsstaat ergeben sich aus den als glaubhaft erachteten Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. In der Beschwerde wird ein diesbezügliches ergänzendes oder den Angaben im Verfahren vor der belangten Behörde entgegenstehendes Vorbringen nicht erstattet.

 

Die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dessen glaubhaften Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Hinblick auf seine mehrjährige Schulausbildung und die vor der Ausreise ausgeübte Tätigkeit als Bäcker. Daraus folgt auch, dass der Beschwerdeführer, der sich im Irak in Bagdad aufgehalten hat, mit der Lage in seinem Heimatstaat vertraut ist, zumal er dort den größten Teil seines Lebens zugebracht hat. Der Beschwerdeführer konnte sich auch durch eigene Arbeit vor seiner Ausreise ein hinreichendes Auskommen erwirtschaften.

 

Die Feststellungen unter Punkt 2.1.3. beruhen schließlich ebenfalls auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde. Seine Eltern und zehn Geschwister leben weiterhin in Bagdad im Irak, sodass von ausreichenden Unterstützungsmöglichkeiten seiner engsten Verwandten im Rückkehrfall, insbesondere dem Vorhandensein einer Wohnmöglichkeit, ausgegangen werden kann.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren diesbezüglich keinerlei Angaben getätigt hat und bezüglich der Frage nach seinem Gesundheitszustand in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.03.2017 bestätigte, völlig gesund zu sein.

 

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregisterauszug vom 11.05.2017. Seine irakischen Identitätsdokumente (Staatsbürgerschaftsnachweis und Personalausweis) brachte der Beschwerdeführer selbst in Vorlage.

 

2.2.3. Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihm in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, die in den für den gegenständlichen Beschwerdefall wesentlichen Punkten - insbesondere zur Sicherheits- und Menschenrechtslage - aus den Jahren 2015 und 2016 stammen, wobei die Länderberichte sogar eine umfassende integrierte Kurzinformation vom 16.02.2017 beinhalten. Die Quellen liegen auch dem Bundesverwaltungsgericht vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage zur Lage im Herkunftsstaat ergibt.

 

Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung der belangten Behörde weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht ferner kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Soweit in der Beschwerde auf Berichte zur Sicherheitssituation aufgrund der Anschlagskriminalität, insbesondere in Bagdad, verwiesen wird, so gehen entsprechende Feststellungen bereits aus den unter dem Punkt Sicherheitslage der Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat dargestellten Grafiken zu rezenten sicherheitsrelevanten Vorfällen hervor. Darüber hinaus haben Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ausgewogen, vollständig und aktuell zu sein, jedoch können diese – schon aus Gründen der Übersichtlichkeit – nicht jedwedes sicherheitsrelevante Ereignis in sämtlichen Details festhalten. Aus den vom Beschwerdeführer zitierten Quellen geht hervor, dass sich in Bagdad sowie im gesamten Irak oftmals Anschläge ereignen. Dies geht auch aus den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak hervor. Die belangte Behörde ist ferner den vorhandenen religiösen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten ausführlich nachgegangen und hat festgestellt, dass Misshandlungen und Diskriminierungen basierend auf Religionszugehörigkeit sowie konfessionelle Gewalt im Irak vorkommen und Bagdad in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt ist, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen. Insoweit zeichnen die in der Beschwerde zitierten länderkundlichen Berichte im Ergebnis ein ähnliches Bild und transportieren keine wesentlich anders gelagerte Sachlage. Im Hinblick auf die Situation außerhalb Bagdads und den Ausführungen zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative fehlt dem Vorbringen indes die Relevanz, da von Seiten des erkennenden Richters keine innerstaatliche Fluchtalternative herangezogen wurde.

 

Das Bundesamt ist als Spezialbehörde (Erk. d. VwGHs vom 11.11.1998, GZ. 98/01/0283, 12.5.1999, GZ. 98/01/0365, 6.7.1999, GZ. 98/01/0602) verpflichtet, sich aufgrund aktuellen Berichtsmaterials ein Bild über die Lage in den Herkunftsstaaten der Asylwerber zu verschaffen. Selbiges gilt für das Bundesverwaltungsgericht. In Ländern mit besonders hoher Berichtsdichte, wozu der Irak zweifelsfrei zu zählen sind, liegt es in der Natur der Sache, dass selbst eine Spezialbehörde nicht sämtliches existierendes Quellenmaterial verwenden kann, da dies ins Uferlose ausarten würde und den Fortgang der Verfahren zum Erliegen bringen würde. Vielmehr wird den oa. Anforderungen schon dann entsprochen, wenn es einen repräsentativen Querschnitt des vorhandenen Quellenmaterials zur Entscheidungsfindung heranzieht. Die der Entscheidung zu Grunde gelegten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers können somit zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben, jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG). Die vom BFA getroffene Auswahl des Quellenmaterials ist aus diesem Grunde daher ebenso wenig zu beanstanden.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hält in diesem Zusammenhang klarstellend fest, dass eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen nur dann erforderlich ist, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird (vgl. VwGH 2.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da der Beschwerdeführer jedoch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung zu gewärtigen hatte, sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht geboten.

 

2.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die vom BFA vorgenommene freie Beweiswürdigung im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).

 

Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

 

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

 

Im Sinne dieser Judikatur ist es dem Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde zutreffend folgert - nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft darzulegen. Im Einzelnen:

 

2.2.4.1. Die belangte Behörde erachtet die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Ausreisegründe als glaubhaft, jedoch nicht als asylrelevant. Die belangte Behörde erblickt insoweit im Vorbringen des Beschwerdeführers keine individuelle Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe.

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich dieser Einschätzung der belangten Behörde an. Im Einzelnen:

 

Was die einzelnen Ausführungen des Beschwerdeführers betrifft, bleibt festzuhalten, dass die einzelnen Vorbringensteile - wie bereits im Bescheid der belangten Behörde dargestellt - für sich genommen jeweils als glaubhaft zu qualifizieren sind. Auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts waren die Angaben des BF in sich stimmig, nachvollziehbar, wiesen keine gravierenden Widersprüche auf und stimmten im Wesentlichen überein. Ergänzend ist anzumerken, dass die einzelnen Teile des Vorbringens zweifellos auch vor dem Länderhintergrund zum Irak möglich erscheinen. Dies vermag allerdings - entgegen den Behauptungen in der Beschwerde - nichts an der mangelnden Asylrelevanz des Vorbringens zu ändern.

 

Ferner ist bezüglich der geschilderten Ereignisse, die seinen beiden Freunden - und nicht dem BF - im Jahr 2007 zugestoßen seien, zur Vollständigkeit anzumerken, dass es diesem Vorbringen am erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der späteren Ausreise Mitte 2015 mangelt, weswegen diesen Ereignissen allein schon aus diesem Grund keine Asylrelevanz zukommen kann.

 

Die Voraussetzung "wohlbegründete Furcht" wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. zur notwendigen Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall aus der jüngeren Rechtsprechung etwa das Erkenntnis des VwGH vom 07.11. 1995, Zl 94/20/0793) (VwGH 19.10.2000, 98/20/0430, siehe auch VwGH 30.08.2007, 2006/19/0400-6).

 

Es fehlt somit an einem zeitlichen Konnex zwischen jenen Vorfällen und seiner Ausreise sowie an der erforderlichen hinreichenden Aktualität einer Verfolgung bzw. Bedrohung. Die rein subjektive Befürchtung des Beschwerdeführers, ihm könne womöglich im Fall einer Rückkehr etwas zustoßen, vermag eine asylrelevante Gefährdung nicht aufzuzeigen. Es ergibt sich somit aus diesem Grund in Zusammenschau mit den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine glaubhaft aktuelle und konkrete Gefährdung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

 

Abschließend ist der belangten Behörde auch beizupflichten, dass sich aus diesen Überlegungen ableiten lässt, dass der BF den Irak letztlich aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage zur wirtschaftlichen Verbesserung seiner persönlichen Lebenssituation verlassen hat. Es wird zwar nicht in Abrede gestellt, dass der BF ausführte, seine Familie habe genug Geld zum Leben (AS 55) und es ihm möglich gewesen sei, monatlich etwa € 500,-- anzusparen (AS 57), allerdings bedeutet dies keineswegs, dass der BF im Hinblick auf die besseren Bildungs- und Berufsaussichten - in Verbindung mit der Sicherheitslage - nicht aus diesen Gründen nach Europa gelangen wollte. Insoweit sich kein asylrelevanter Ausreisegrund feststellen ließ, musste die belangte Behörde im Ergebnis nach allgemeiner Lebenserfahrung zutreffend den Schluss ziehen, dass der BF den Irak aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage aufgrund des Auftretens terroristischer Gruppierungen, der Bombenanschläge und religiöser Spannungen zur Verbesserung seiner persönlichen – wirtschaftlichen - Lebenssituation verließ.

 

2.2.4.2. Da der Beschwerdeführer keine staatliche Strafverfolgung im Irak aufgrund eines Kapitalverbrechens in den Raum gestellt hat, war dem Folgend zur Feststellung zu gelangen, dass er im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen würde. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften vorgebracht wurden.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Hinblick auf die Sicherheitslage in Bagdad nicht, dass Bagdad fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten ist und ausweislich der statistischen Daten zu den unsichersten Provinzen gehört. Der aktuellen Berichterstattung folgend gehen Anschläge in Bagdad jedoch in erster Linie vom Islamischen Staat aus und richten sich im Wesentlichen gegen die schiitische Bevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte. Besondere risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers wurden nicht vorgebracht und gehört dieser auch nicht den Sicherheitskräften an.

 

Trotz Befragung führte der Beschwerdeführer keine von ihm zu erwartenden Probleme wegen der allgemeinen Lage im Irak detailliert an. Auch hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie, weshalb anzunehmen ist, dass diese Familie nicht von gravierenden Sicherheitsproblemen im Irak betroffen war, andernfalls dies dem Beschwerdeführer in den privaten Gesprächen mitgeteilt worden wäre und der Beschwerdeführer dies in der Folge in der Einvernahme erwähnt hätte. Stattdessen gab der BF lediglich zu Protokoll, dass es seinen Angehörigen gut gehe (AS 55).

 

Dahingehend wurde von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung der Sicherheitslage in den Feststellungen darauf verwiesen, dass im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet wurden, 7.515 davon waren Zivilisten. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Was speziell die Herkunftsregion Bagdad betrifft, so gab es im Jahr 2015 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Bagdad ist fast täglich von Anschlägen und Gewaltakten geplagt. Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen. Die Sicherheitslage im Irak blieb im Jahr 2015 somit weiterhin höchst instabil.

 

Bei Auswertung der im Einzelnen genannten Erkenntnisquellen und angesichts dieser Opferzahlen verkennt das Bundesverwaltungsgericht zwar nicht, dass das Gebiet von Bagdad im besonderen Maße von den Aktivitäten verschiedener militanter Organisationen und von Anschlägen betroffen war, doch kann dennoch aufgrund der dokumentierten Bevölkerungszahl von ca. 7.935.699 Einwohnern des irakischen Gouvernements Bagdad in Relation mit den Opfern aufgrund von Anschlägen oder bewaffneten Auseinandersetzungen nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser Opfer eines Anschlages werden würde. Denn angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im Irak in der Region Bagdad derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad im Übrigen nicht statt.

 

Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer Opfer von Anschlagskriminalität wird, kann im Anbetracht dessen nicht erkannt werden.

 

2.2.5. Ebenso weist das erkennende Gericht auf folgende Umstände hin:

 

2.2.5.1. Soweit der Beschwerdeführer nun im Asylverfahren erstmals in der Beschwerde neu ausführt, dass er sowohl staatlicher als auch privater Verfolgung aufgrund der Religionszugehörigkeit ausgesetzt wäre und ein schiitischer Freund von der schiitischen Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq bedroht worden sei, weil dieser einen Anschlag auf sich gemeldet habe, so wird damit gegen das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot verstoßen.

 

Diese Bestimmung lautet:

 

(1) In einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden,

 

1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes entscheidungsrelevant geändert hat;

 

2. wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war;

 

3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder

 

4. wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen.

 

(2) Über die Zulässigkeit des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweise muss nicht entschieden werden, wenn diese für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht maßgeblich sind.

 

Das gegenständliche Verfahren hat keinen hinreichenden Anhaltspunkt für das Vorliegen eines der in § 20 Abs 1 leg cit normierten Ausnahmetatbestände hervorgebracht und wurden solche auch in der Beschwerdeschrift nicht substantiiert dargetan. Dem Beschwerdeschriftsatz mangelt es an jedweder Begründung für dieses neue Fluchtvorbringen. Eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die ursächlich dafür ist, dass er dies nicht schon im Verfahren vor dem BFA hätte darlegen können, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat einen Ausnahmetatbestand auch in seiner Beschwerde nicht aufgezeigt. Es ist somit nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer dies nicht schon im Verfahren vor dem BFA hätte vorbringen können, wenn es den Tatsachen entsprechen würde, zumal er dazu in der Einvernahme am 13.03.2017 ausreichend Gelegenheit hatte. Auf dieses in der Beschwerde erstmals neu vorgebrachte Vorbringen brauchte daher nicht näher eingegangen werden.

 

2.2.5.2. Sofern in der Beschwerde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorgetragen wird, wird festgestellt, dass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Nach der Judikatur des VwGH (vgl. 20.01.1993, 92/01/0752; 19.05.1994, 94/19/0465; VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356) obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen sowie Bescheinigungsmittel vorzulegen und ist die Behörde nicht verpflichtet, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.

 

Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung des Vorbringens ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221). Es ist in erster Linie Obliegenheit des Asylwerbers auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen (vgl VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196; 30. 1. 1991, 90/01/0197; vgl zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299; 2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung grds. nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).

 

Auch ist auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren Bedacht zu nehmen (§ 15 AsylG 2005, § 13 BFA-VG) und im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069). Dabei darf in diesem Zusammenhang aber nicht übersehen werden, dass auf Grund der Spezifika eines Asylverfahrens, unbeschadet dessen, dass es als antragsgebundenes Verwaltungsverfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz abgeführt wird, die Anforderungen an einen Asylwerber insbesondere bei der Beschaffung von Bescheinigungsmitteln auf Grund von fluchttypischen Sachzwängen nicht überzogen werden dürfen. Dennoch sieht der das asylrechtliche Ermittlungsverfahren zum Inhalt habende § 18 Asylgesetz 2005 keine Beweis- bzw. Bescheinigungslastumkehr zugunsten des Beschwerdeführers vor, sondern leuchtet aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung hervor, dass in dieser Bestimmung lediglich explizit darauf hingewiesen wird, dass das Asylverfahren den fundamentalen Prinzipen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Prinzip der materiellen Wahrheit und dem Grundsatz der Offizialmaxime nach § 39 Absatz 2 AVG, folgt. Eine über §§ 37 und 39 Absatz 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht normiert § 18 Asylgesetz nicht (vgl. schon die Judikatur zu § 28 AsylG 1997, VwGH 14.12.2000, Zahl 2000/20/0494).

 

Im Lichte der oa. Ausführungen ist es dem BF nicht gelungen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das BFA ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

2.2.5.3. Insoweit in der Beschwerde zum Ausdruck gebracht wird, dass es aufgrund der Angaben des BF in den Einvernahme vor dem BFA konkreterer Fragestellungen bedurft hätte, um den maßgeblichen Sachverhalt zu erforschen, ist dahingehend nochmals auszuführen, dass es grundsätzlich dem Asylwerber zukommt, dass dieser die Gründe seiner Furcht vor Verfolgung konkret und substantiiert vorbringen konnte (VwGH 21.11.1996, Zahl 95/20/0334). Dem Antragsteller wurde im vorliegenden Fall im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme ausreichend Gelegenheit eingeräumt, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände anzuführen. Dem BF wurde am 13.03.2017 etwa zwei Stunden Zeit geboten, seine Fluchtgründe ausführlich darzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, dass es dem Asylwerber obliegt alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (VwGH 20.1.1993, 92/01/0752; 19.5.1994, 94/19/0465 mwN.) und das BFA ist nicht verpflichtet den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss. Dieses Vorbringen in der Beschwerde ist im Ergebnis nicht dergestalt um damit der Beweiswürdigung des BFA konkret und substantiiert entgegen zu treten, weshalb auch keine Verpflichtung zur Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens besteht. Eine Verletzung der Ermittlungspflichten kann aus diesem Grund nicht festgestellt werden, vielmehr wurde dem BF bereits in der Erstbefragung das Merkblatt bezüglich der Pflichten und Rechte von Asylwerbern in einer ihm verständlichen Sprache ausgehändigt. Ihm mussten also die Mitwirkungspflicht im Asylverfahren und die Folgen einer allfälligen Verletzung dieser Pflicht bewusst sein, was ihn jedoch scheinbar unbeeindruckt ließ (vgl. AS 3).

 

2.2.5.4. Insoweit in der Beschwerde mehrfach moniert wird, dass der BF im Zuge der Einvernahme bejaht habe, dass es im Irak eine Verfolgung seiner Person aufgrund seiner Nationalität gegeben habe (Bescheid Seite 12), allerdings im bekämpften Bescheid festgestellt worden sei, der BF hätte keine Probleme aufgrund seiner Nationalität (Bescheid Seite 15) bzw. die Behörde ihre Entscheidung auf die angeblich nicht vorliegende Verfolgung aus einem der fünf Gründe stütze, die in der GFK geregelt seien, wobei die belangte Behörde ausführe, der BF hätte sogar "jeden einzelnen dieser Gründe dezidiert verneint" (Bescheid Seite 62), so ist dem zu entgegnen, dass dem BFA nicht entgegenzutreten ist, wenn es davon ausgeht, dass der BF vor seiner Ausreise keiner Verfolgung iSd GFK unterlag und ihm auch zukünftig eine derartige Verfolgung nicht droht. Der BF bejahte zwar abschließend die Frage nach einer Verfolgung seiner Person aufgrund seiner Nationalität, der vorliegende Verfahrensakt zeigt allerdings deutlich, dass es sich hier um ein Missverständnis seitens des BF handeln musste. So bestätigte der BF zunächst, dass die Ereignisse im Jahr 2007, die zwei Freunde von ihm getroffen hätten, und die allgemeine Sicherheitslage die einzigen Ausreisegründe gewesen seien. Des Weiteren gab der BF zu Protokoll, dass er niemals konkret persönlich bedroht worden sei und rein aus Gründen der allgemeinen Sicherheitslage nach Österreich gekommen sei (AS 59). Abschließend darf in diesem Zusammenhang auch noch auf folgende Passage aus der Einvernahme vor der belangten Behörde verwiesen werden, die belegt, dass der BF keine Verfolgung iSd der GFK zu fürchten hatte oder hat (AS 59): "LA: Könnten Sie zurück nach Bagdad gehen? AW: Nein, da die Sicherheit die ich hier gefunden habe, habe ich dort nicht. Ich bin auch ganz ehrlich und sage, dass ich in Bagdad keinerlei persönliche Probleme hatte. Nachgefragt, es war nur die allgemeine Sicherheitslage. Man kann dort kein normales Leben führen.". In dieses Bild passt es letztlich auch, dass der BF im Rahmen des Rechtsmittelschriftsatzes - im Gegensatz zu anderen Themenbereichen - diesbezüglich keine näheren Ausführungen tätigte, weshalb sich in diesem Zusammenhang auch weitere Nachforschungen erübrigten.

 

2.2.5.5. Die Rüge in der Beschwerde, dass die Begründung § 60 AVG verletzte, geht ebenfalls ins Leere. Die Bescheidbegründung bezweckt insbesondere, die Parteien über die von der Behörde angestellten Erwägungen zu unterrichten und ihnen damit eine zweckmäßige Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Genau dies hat das BFA getan, was auch durch die Beschwerdeausführungen belegt wurde. Auch das Bundesverwaltungsgericht vermag an der Begründung der belangten Behörde keine entscheidungswesentlichen rechtswidrigen Mängel entdecken.

 

2.2.5.6. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber § 16 Absatz 1 BFA-VG beziehungsweise zur Anregung, die Aufhebung von § 16 BFA-VG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen:

 

In der Beschwerde werden verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf § 16 Absatz 1 BFA-VG geäußert. Diesbezüglich ist auszuführen, dass die Bestimmung zur Beschwerdefrist des § 16 Absatz 1 BFA-VG, soweit sie Verfahren in Zusammenhang mit der Zuerkennung und Aberkennung von internationalen Schutz betrifft, mit Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 23.02.2016, G 589/2015-6 als verfassungswidrig aufgehoben wurde (BGBl. I Nr. 17/2016 vom 31.03.2016). Hinsichtlich Asylverfahren, welche mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verbunden sind, gilt aber weiterhin eine Beschwerdefrist von zwei Wochen.

 

Die in der gegenständlichen Beschwerde hinsichtlich § 16 BFA-VG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken werden sohin vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt.

 

Der Verfassungsgerichtshof hatte bereits in seinem früheren Erkenntnis vom 02.12.2014, G 148/2014 ausgesprochen, dass sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51 (RV 1618 BlgNR 24. GP ) ergibt, dass das Kriterium für die Erforderlichkeit abweichender Bestimmungen nach Artikel 136 Absatz 2, dritter Satz B-VG jenem des Artikels 11 Absatz 2, letzter Halbsatz B-VG entspricht. Vom VwGVG abweichende Regelungen - so auch der angefochtene § 16 Absatz 1 BFA-VG - dürfen daher nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" sind.

 

In der Begründung des entsprechenden Abänderungsantrags (AA-82 25. GP ) zur Novelle BGBl. I Nr. 70/2015 heißt es in Bezug auf die Beschwerdefrist im Zusammenhang mit der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG:

 

"Eine verkürzte Beschwerdefrist ist hier unerlässlich, da in diesen Fällen über das Aufenthaltsrecht des Fremden entschieden wird und damit insbesondere aufenthaltsbeendende Maßnahmen zur Außerlandesbringung unmittelbar einhergehen. Aufgrund der verkürzten Entscheidungsfrist kommt es zu einer beschleunigten Entscheidung, die dem besonderen öffentlichen Interesse der Aufrechterhaltung des geordneten Vollzugs im Asyl- und Fremdenwesen im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendende Maßnahmen, anderen Maßnahmen zur Außerlandesbringung oder sonstigen Rückkehrentscheidungen gerecht wird."

 

Im gegenständlichen Fall wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verhängt und ist dem Gesetzgeber dahingehend zuzustimmen, dass es in derartigen Fällen unerlässlich erscheint, eine Beschleunigung dieser Verfahren anzustreben, um den geordneten Vollzug des Fremden- und Asylwesens zu sichern, weshalb die verkürzte Beschwerdefrist aus Sicht des erkennenden Gerichts unerlässlich erscheint.

 

Im Hinblick auf die im Asylverfahren vorgesehenen Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Rechtsberatung ist auch nicht erkennbar, dass durch die Beschwerdefrist von zwei Wochen die Effektivität des Rechtsschutzes gefährdet wäre.

 

Letztlich wurde dem Beschwerdeführer im Bescheid der belangten Behörde eine zweiwöchige Beschwerdefrist eingeräumt und wurde die Beschwerde auch tatsächlich innerhalb dieser Frist eingebracht, sodass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer in seinen verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt wäre.

 

2.2.5.7. Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerdeschrift eine mündliche Verhandlung bzw. persönliche Einvernahme. Hierbei wurde aber nicht angeführt, was bei einer weiteren - persönlichen Einvernahme im Asylverfahren - konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (z.B. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der Beweiswürdigung des BFA, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.

 

2.2.5.8. Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war, das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Im gegenständlichen Fall ist ausweislich der Feststellungen und der diesbezüglichen Beweiswürdigung nach Ansicht des erkennenden Gerichts im Irak keine den Beschwerdeführer betreffende aktuelle, unmittelbare und konkrete Gefahr einer Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund gegeben.

 

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind.

 

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstigen Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

 

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, Zl. 95/20/0329 mwN).

 

Eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK liegt somit nicht vor und es braucht daher auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden.

 

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist demgemäß nicht zu beanstanden.

 

3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

 

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

 

Nach der ständige Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der EGMR aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen im Übrigen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

 

3.2.2. Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

 

3.2.3. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. EGMR U 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (VfSlg 13.314/1992; EGMR GK 07.07.1989, Soering gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 14038/88). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein ausreichend reales Risiko für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (EGMR U 04.07.2006, Karim gegen Schweden, Nr. 24171/05, U 03.05.2007, Goncharova/Alekseytev gegen Schweden, Nr. 31246/06).

 

3.2.4. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände vorliegen (EGMR U 02.05.1997, D. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 30240/96; U 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 44599/98; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Unter außergewöhnlichen Umständen können auch lebensbedrohende Ereignisse (etwa das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm.

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung dieser Frage unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137). Außergewöhnlicher Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VwGH 11.11.2015, Ra 2015/20/0196, mwN).

 

3.2.5. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).

 

Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführer so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH U. 17.02.2009, C-465/07 ). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen:

ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

 

Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).

 

Dessen ungeachtet sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).

 

3.2.6. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

 

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

 

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Sicherheitslage in Teilen des Irak prekär ist und Anschlagskriminalität in Bagdad nach wie vor zu gewärtigen ist. Wenn der BF nunmehr im Zuge der Beschwerde behauptet, dass die Länderfeststellungen des BFA einen massiven Anstieg an zivilen Todesopfern im Irak im Jahr 2016 aufgrund des vorherrschenden und lang andauernden innerstaatlichen Konflikts aufzeigen würden (Bescheid Seite 29 f), so können diese Ausführungen nicht nachvollzogen werden, zumal die in den Länderfeststellungen angeführten Monate Februar und März 2016 bezüglich der Opferzahlen im Vergleich mit den durchschnittlichen monatlichen Opferzahlen im Jahr 2015 keine signifikanten Änderungen aufweisen. Was speziell die Herkunftsregion Bagdad betrifft, so gab es nun im Jahr 2015 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Bei Auswertung der im Einzelnen genannten Erkenntnisquellen und angesichts dieser Opferzahlen verkennt das Bundesverwaltungsgericht zwar nicht, dass das Gebiet von Bagdad im besonderen Maße von den Aktivitäten verschiedener militanter Organisationen und von Anschlägen betroffen war, doch kann dennoch - entgegen den Behauptungen in der Beschwerde bezüglich der Opferzahlen im Februar 2016 - aufgrund der dokumentierten Bevölkerungszahl von ca. 7.935.699 Einwohnern des irakischen Gouvernements Bagdad in Relation mit den Opfern aufgrund von Anschlägen oder bewaffneten Auseinandersetzungen nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser Opfer eines Anschlages werden würde. Denn angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im Irak in der Region Bagdad derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad im Übrigen nicht statt.

 

Insoweit hat weder der Beschwerdeführer selbst ein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, noch kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit in Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch Anschlagskriminalität oder bürgerkriegsähnliche Zustände Ereignisse ausgesetzt wäre.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer ist vielmehr ein junger, arbeitsfähiger und gesunder Mann mit hinreichender mehrjähriger Schulbildung (Grundschule, Hauptschule und Gymnasium). Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des Beschwerdeführers vorausgesetzt werden, zumal dieser vor seiner Ausreise als Bäcker tätig war. Das Bundesverwaltungsgericht geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer im Irak grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit seiner damals ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts zu erwirtschaften.

 

Darüber hinaus konnte davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes (Eltern und zehn Geschwister) eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht vor. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr auch insoweit im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird.

 

3.3. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§ 57 AsylG sowie § 52 FPG):

 

3.3.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

3.3.2.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende Juli 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

3.3.3.1. Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger des Irak kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

3.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

3.3.4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,

 

Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Die bisherige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers beträgt seit Ende Juli 2015 beinahe zwei Jahre, womit diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch relativ kurz ist, um bereits jetzt von einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration zu sprechen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet ist und der Beschwerdeführer zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist war, sind gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine aufenthaltsbeendende Rückkehrentscheidung sprechen. Diese Interessen überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib, selbst wenn er in Österreich Deutschkurse besucht, gemeinnützige Arbeiten in seiner Wohnsitzgemeinde verrichtet, Mitglied in einem örtlichen Fußballverein ist, soziale Kontakte knüpft und mit diesen Personen seine Freizeit verbringt sowie dem BF die Dauer des Verfahrens nicht zuzurechnen ist. Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).

 

Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahe stehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.

 

Der BF übt in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus, ist nicht selbsterhaltungsfähig und befindet sich in der Grundversorgung. Er konnte auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Was mittlerweile erworbene Deutschkenntnisse - einen Deutschkurs Niveau A1 hat der BF bereits positiv absolviert - betrifft, so sei in diesem Zusammenhang auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des § 7 Grundversorgungsgesetzes als Asylwerber gemeinnützige Tätigkeiten in der Gemeinde Kaprun ausführt(e), fällt bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung nicht besonders stark ins Gewicht, zumal hierdurch eine nachhaltige Integration des BF im Arbeitsmarkt, welche auch künftig auf seine Selbsterhaltungsfähigkeit schließen ließe, aktuell nicht erkannt werden kann. Insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers von 24 Monaten kann ihm auch der Umstand, dass er sportliche Aktivitäten, wie Fußball spielen, setzt, nicht zum Vorteil gereichen, zumal er überhaupt erst seit 01.08.2016 aktives Mitglied bei einem Fußballverein seiner Wohnsitzgemeinde ist.

 

Was das vorgelegte Unterstützungsschreiben betrifft, so ist dieses ebenfalls vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich der BF erst einen kurzen Zeitraum in Österreich aufhält und die persönlichen Bindungen bereits unter diesem Aspekt als nicht besonders eng angesehen werden können. Es wird auch nicht verkannt, dass der BF ruhig, besonnen und hilfsbereit ist, was sich auch an seiner freiwilligen Mitarbeit in der Gemeinde oder in der örtlichen Landwirtschaft zeigt. Der Aspekt der sozialen Vernetzung, welche sich aus dem vorgelegten Schreiben ergibt, ist allerdings gerade im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer noch nicht besonders berücksichtigungswert.

 

Bei den Verfassern dieses Schreibens handelt es sich nicht um Personen aus dem unmittelbaren Lebensbereich des BF, welche daher keinen umfassenden, sondern lediglich einen partiellen Einblick in die privaten Anknüpfungspunkte des BF haben und im Wesentlichen aus ihrer subjektiven Sichtweise angeben, dass der BF im Wesentlichen allgemein anerkannte Regeln eines geordneten Zusammenlebens in seinem Lebensumfeld einhält. Hieraus ergibt sich zwar, dass der BF nicht in sozialer Isolation lebt, sondern mit einem überschaubaren Personenkreis im Kontakt steht, bzw. zum Teil Freundschaften aufbaute und in einem gewissen Umfang bestrebt ist, die deutsche Sprache zu erlernen.

 

Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht sind diese privaten Anknüpfungspunkte allerdings - vor allem in Zusammenhang mit der geringen Aufenthaltsdauer - auf jeden Fall deutlich zu wenig. Werte wie Besonnenheit und Hilfsbereitschaft etc. sind nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen und werden gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, von dem erkennenden Richter als selbstverständlich vorausgesetzt.

 

Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt im Irak, wo seine Eltern und zehn Geschwister leben und er somit über ein soziales Netz verfügt, zumal der BF in Bezug auf sein Lebensalter erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig ist und kann auch aufgrund der nicht übermäßig langen Abwesenheit (rund zwei Jahre) aus seinem Heimatland Irak nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine völlige Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit bestehen nach wie vor Bindungen des BF zum Irak.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Familien- und Privatleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen kosovarischen (ehemaligen) Asylwerber keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vgl. ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers erkennen: Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch, sodass auch seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine engsten Familienangehörigen leben. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Irak - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07).

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt somit, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider den Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.

 

Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung im Übrigen zutreffend eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 unterlassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen – wie hier – eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

3.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

3.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

3.3.6.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

 

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018) hielt in diesem Zusammenhang fest, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt.

 

Die in § 24 Abs. 4 VwGVG getroffene Anordnung kann nach dessen Wortlaut nur zur Anwendung gelangen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Schon deswegen kann - entgegen den Materialien - nicht davon ausgegangen werden, diese Bestimmung entspräche (zur Gänze) der Vorgängerbestimmung des § 67d Abs. 4 AVG. Zudem war letztgenannte Norm nur auf jene Fälle anwendbar, in denen ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war. Eine derartige Einschränkung enthält § 24 Abs. 4 VwGVG nicht (mehr).

 

Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch:

trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.

 

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

 

* der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und

 

* bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen

 

* die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und

 

* das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen

 

* in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Verfahren den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde daher nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt.

 

Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung (vgl. diesbezüglich die auch unter Punkt 2.2.4. wiedergegebene Argumentation des BFA).

 

Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung des BFA vom 18.04.2017 immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

 

Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in diesen kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe. Auch tritt der BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.

 

Was die im Rechtsmittel zitieren Entscheidungen des VwGH vom 19.03.2013 (Zl. 2011/21/0267) und vom 19.02.2013 (Zl. 2012/18/0230) betrifft, so bleibt festzuhalten, dass nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (in der Folge als Charta bezeichnet) zwar jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht iSd des Art. 52 Abs. 1 der Charta ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts allerdings zulässig, weil sie eben - wie in der Charta normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 der Charta verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes). Das Unterbleiben der Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 der Charta normierte Voraussetzung (vgl. dazu zur im Ergebnis inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, nämlich § 41 Abs. 7 AsylG 2005, auch VfGH 27.9. 2011, U 1339/11-3). Daher ist auch aus europarechtlicher Sicht eine Verhandlung im Asylverfahren nicht zwingend vorgesehen.

 

Was die in der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes betrifft, so ist Folgendes anzumerken. Der Verfassungsgerichtshof hat sich (anlässlich von Beschwerden gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes) mit der GRC ausführlich in diesen Entscheidungen zu U 466/11 und U 1836/11, beide vom 14. März 2012, auseinandergesetzt. Auf das Wesentliche zusammengefasst gilt demnach in Verfahren, in denen Unionsrecht eine Rolle spielt, die EU-Grundrechte-Charta wie die Verfassung und sind Grundrechte, die durch diese EU-Charta garantiert sind, gleichsam verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, die vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden können. Der Verfassungsgerichtshof brachte aber im Zuge dieser Entscheidungen auch zum Ausdruck, dass er vor dem Hintergrund der in diesen Entscheidungen zitierten Rechtsprechung des EGMR weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 [im Ergebnis inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung zu § 21 Abs. 7 BFA-VG] hegt, noch habe der damalige Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung in den Anlassfällen einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt. Demnach steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde.

 

Zum Argument der Beschwerde, aufgrund der jüngsten Entscheidung des EGMR, Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, sei eine mündliche Verhandlung abzuhalten, ist Folgendes auszuführen: Der EGMR hegte in seiner Entscheidung Denk gegen Österreich, vom 05.12.2013, 23396/09, keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 [im Ergebnis inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung zu § 21 Abs. 7 BFA-VG]. Tatsächlich wurde Österreich im Rahmen dieser Entscheidung wegen Verletzung des Art. 6 EMRK wegen Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung vor dem VwGH betreffend ein auf das Arbeitslosenversicherungsgesetz gestütztes Verfahren (Streichung von Notstandshilfe wegen Vereitelung eines Stellenangebots) verurteilt. Der VwGH sei demnach das erste und einzige Tribunal gewesen, das über das Vorbringen der Beschwerdeführer entschieden habe, und die Nachprüfung habe nicht nur rechtliche, sondern auch wichtige Sachverhaltsfragen betroffen. Ganz abgesehen davon, dass sich der EGMR in seiner in der Beschwerdeschrift zitierten Entscheidung somit nicht auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 [im Ergebnis inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung zu § 21 Abs. 7 BFA-VG] bezieht, da es sich um ein Verfahren im Bereich der Arbeitslosenversicherung handelt, stellt das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall nicht das erste und einzige Tribunal dar, welches das Anliegen des BF überprüfen könne, zumal hier noch die nachprüfende Kontrolle durch den VwGH und VfGH möglich ist.

 

Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

 

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Punkt 2. bis 4. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Neuerungsverbot, zum Flüchtlingsbegriff, zur Aktualität der Ausreisegründe, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

 

Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

 

Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ergeben sich aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids an.

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