VwGH 92/01/0888

VwGH92/01/088823.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. August 1992, Zl. 4.303.193/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §14 Abs1;
AsylG 1991 §14 Abs4;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §17 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §14 Abs1;
AsylG 1991 §14 Abs4;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §17 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "ehemaligen SFRJ" albanischer Nationalität, der am 19. August 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 20. Februar 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 10. August 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland am 28. September 1990 angegeben, als Kosovo-Albaner in seinem Heimatland politisch benachteiligt worden zu sein. Er habe der kommunistischen Partei von 1980 bis 1986 deshalb angehört, um für seine illegale Betätigung für seine Landsleute Deckung zu haben. Als Direktor der Volksschule in D sei er von Mitgliedern des kosovo-albanischen Widerstandes aufgefordert worden, in seiner Schule die albanische Kultur zu fördern. Dies sei ihm zwar offiziell nicht möglich gewesen, doch habe er diese Forderungen im Untergrund unterstützt, wobei er auch Leiter einer illegalen Gruppe gewesen sei, die Flugzettel verteilt, Parolen an die Wand geschrieben und Verbindungen zu anderen Gruppen aufrecht erhalten habe. Am 7. März 1986 habe eine Demonstration von Schülern und Lehrern aus mehreren Schulen stattgefunden, mit der gegen eine Intensivierung des Serbisch-Unterrichtes protestiert werden sollte. Der Beschwerdeführer und der Schulsekretär seien als Organisatoren der Demonstration festgenommen und in einer Polizeistation mit Händen, Füßen und Schlagstöcken geschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe hiebei leichte Verletzungen erlitten; ein Arzt sei aber nicht beigezogen worden. Der Beschwerdeführer sei daraufhin vom Gericht in M zu zwei Jahren Haft verurteilt und sofort in die Haftanstalt T eingeliefert worden. Nach seiner Entlassung aus der Haft im März 1988 sei der Beschwerdeführer auch als Lehrer entlassen worden. Er habe, weil er keine Anstellung mehr bekommen habe, zu Hause in der Landwirtschaft gearbeitet und für seinen Bruder, der eine Baufirma besitze, die Buchhaltung geführt. Als in der Zeit vom

23. bis 27. Jänner 1990 überall im Kosovo Demonstrationen stattgefunden hätten, habe er auch an einer solchen in M teilgenommen. Bei der gewaltsamen Auflösung dieser Demonstration sei er zwar geschlagen und leicht verletzt, doch nicht festgenommen worden. In seinem Heimatort sei er zum örtlichen Vorsitzenden der im Februar 1990 gegründeten, von den Serben nicht anerkannten Demokratiebewegung der Kosovo-Albaner bestellt worden. Es sei bei Demonstrationen zu Schwierigkeiten mit der Polizei gekommen und seien mit 2. Juli 1990 alle albanischen Polizisten entlassen und gegen serbische ausgetauscht worden. Der Beschwerdeführer habe sich noch mehr in der Demokratiebewegung engagiert und Versammlungen zur Beratung von Maßnahmen zur Gegenwehr veranstaltet. Am 27. Juli 1990 sei die Polizei in sein Haus gekommen, um ihn festzunehmen, wobei aber nur seine Gattin anwesend gewesen sei, die seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben habe. Die Polizei habe ihn auch bei seiner Schwester, bei der er zunächst Unterschlupf gefunden habe, gesucht und seine Familienangehörigen geschlagen. Daraufhin habe er sich im Untergrund an verschiedenen Orten aufgehalten. Da ihm bei seiner Haftenlassung angedroht worden sei, er habe im Falle weiterer politischer Betätigung mit einer längeren Haftstrafe zu rechnen, und er Angst gehabt habe, von der Polizei erwischt zu werden, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Den Nachweis über seine Haftzeit habe er nicht bei sich, doch werde er sich bemühen, diesen unter Zuhilfenahme von Familienangehörigen zu erhalten.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer seine erstinstanzlichen Angaben bekräftigt.

Die belangte Behörde, die gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 bereits dieses Gesetz anzuwenden hatte, hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers insbesondere damit begründet, daß seine Angaben, eine zweijährige Haftstrafe verbüßt zu haben, unglaubwürdig seien, weil er trotz mehrmaliger Aufforderung diesbezügliche Unterlagen nicht vorgelegt und in einer ergänzenden Befragung sich mit der Betrauung eines Vertrauensanwaltes zur Verifizierung dieser allenfalls beigebrachten Dokumente nicht einverstanden erklärt habe. Außerdem bestehe kein zeitlicher Konnex zu seiner Ausreise und könne aus den allgemeinen Verhältnissen bzw. der allgemeinen Lage der Angehörigen der albanischen Volksgruppe keine konkrete Verfolgungsmotivation des Staates abgeleitet werden.

Dieser Auffassung der belangten Behörde ist zunächst entgegenzuhalten, daß dem Asylverfahren eine Pflicht des Asylwerbers, die von ihm aufgestellten Behauptungen förmlich zu beweisen, fremd ist; es genügt vielmehr gemäß § 3 Asylgesetz 1991 die Glaubhaftmachung bzw. Bescheinigung der Angaben. Zwar kann dem Asylwerber gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Vorlage von Urkunden durch die Behörde aufgetragen werden, doch darf aus der Unterlassung der Beibringung von Dokumenten über seine Inhaftierung allein noch kein Schluß auf die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bzw. seines Vorbringens gezogen werden. Auch hat der Beschwerdeführer eine von der belangten Behörde nicht widerlegte Erklärung für die Schwierigkeiten bei Erlangung von seine Inhaftierung betreffenden Dokumenten geboten, die darin bestand, daß sein Bruder, den er um die Übermittlung derselben ersucht habe, mittlerweile inhaftiert worden sei und noch immer festgehalten werde. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde läßt die Weigerung, der Beauftragung eines Vertrauensanwaltes mit der Überprüfung der vom Beschwerdeführer in Aussicht gestellten Dokumente zuzustimmen, ebensowenig bereits den Schluß auf seine Unglaubwürdigkeit zu. Diese Weigerung kann angesichts der vom Beschwerdeführer bei seiner ergänzenden Einvernahme am 18. Juli 1991 hiefür gegebene Begründung, er habe zu den Anwälten kein Vertrauen, weil es nur serbische Anwälte gebe, und im Hinblick auf die im Kosovo herrschende, durch hartes Vorgehen seitens der serbischen Polizei und Behörden gegen die albanische Volksgruppe gekennzeichnete besondere Situation sowie auf die vom Beschwerdeführer behaupteten politischen Aktivitäten nicht als mutwillig angesehen werden. Auch kann der Niederschrift über die angeführte Einvernahme nicht entnommen werden, daß dem Beschwerdeführer etwa angeboten worden wäre, einen Vertrauensawalt albanischer Nationalität heranzuziehen.

Lagen somit keine stichhaltigen Gründe vor, aus denen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hätte in Zweifel gezogen werden können, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, sich mit seinem Vorbringen auseinanderzusetzen. Eine solche den Vorschriften der §§ 56 ff AVG genügende Auseinandersetzung kann in den im angefochtenen Bescheid enthaltenen allgemeinen Ausführungen über die allgemeine Situation im Heimatland des Beschwerdeführers und in der globalen Beurteilung seines Vorbringens als für die Darlegung von Fluchtgründen ungeeignet nicht erblickt werden. Soweit die belangte Behörde - ohne näher anzugeben, auf welche Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers sich dies beziehe - mangelnden zeitlichen Konnex zur Begründung ihrer abweislichen Entscheidung herangezogen hat, steht dem entgegen, daß der Beschwerdeführer angegeben hat, sich ab 27. Juli 1990 im Untergrund versteckt zu haben, sodaß angesichts seiner Einreise am 19. August 1990 jedenfalls ein zeitliches Naheverhältnis zu den von ihm mit Juli 1990 datierten Ereignissen vorliegt. Die seinen Angaben zufolge wegen politischer Aktivitäten erfolgte Inhaftierung in den Jahren 1986 bis 1988 liegt zwar schon längere Zeit zurück, kann aber deshalb bei Beurteilung der Angaben des Beschwerdeführers nicht außer Betracht bleiben, weil infolge dieser Inhaftierung die politische Einstellung des Beschwerdeführers den Behörden bekannt sein mußte, und weil er angegeben hat, ihm sei bei seiner Entlassung für den Fall weiterer politischer Aktivitäten eine längere Haftstrafe angedroht worden.

Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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