Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51 Abs1;
AuslBG §28;
AVG §67d;
FrPolG 2005 §52 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z7 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §63 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §9 Abs7 idF 2011/I/038;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51 Abs1;
AuslBG §28;
AVG §67d;
FrPolG 2005 §52 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z7 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §54 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §63 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §9 Abs7 idF 2011/I/038;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 54 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 53 Abs. 2 Z 7 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei zuletzt am 15. März 2011 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Er habe sodann hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Über diesen Antrag sei vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 4. April 2012 in erster Instanz "negativ entschieden" worden. Das Verfahren über die dagegen erhobene Beschwerde sei beim Asylgerichtshof noch anhängig.
Am 21. April 2011 sei der Beschwerdeführer von Finanzbeamten in einer Imbissstube in 1100 Wien bei einer Beschäftigung als Abwäscher betreten worden. Eine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung für diese Tätigkeit sei nicht vorgelegen.
Der Beschwerdeführer sei seit 24. August 2011 mit einer türkischen Staatsangehörigen, die in Österreich lebe und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge, verheiratet. Seine Ehefrau sei seit 12. Jänner 2012 bei einem Kinderarzt beschäftigt. Darüber hinaus sei sie auch bei der Sozialversicherung als geringfügig beschäftigte Arbeiterin der T GmbH, die im Gastgewerbe tätig sei, gemeldet.
Der Beschwerdeführer sei einem Versicherungsdatenauszug zufolge von 21. April 2011 bis 18. Mai 2011 als geringfügig beschäftigter Arbeiter der Y KEG gemeldet gewesen; seit 20. Juni 2012 sei er bei der T GmbH als geringfügig beschäftigter Arbeiter gemeldet. Des Weiteren sei er unbescholten.
In ihren rechtlichen Erwägungen ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer - im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - als Asylwerber anzusehen sei. Als solchen könne gegen ihn ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Für das Vorliegen bestimmter Tatsachen sei dabei gemäß § 54 Abs. 2 FPG auf den Katalog des § 53 Abs. 2 und Abs. 3 FPG zurückzugreifen.
Der Beschwerdeführer sei am 21. April 2011 bei einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen. Dies stelle eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 54 Abs. 2 iVm § 53 Abs. 2 Z 7 FPG dar. Infolge des Vorliegens dieser bestimmten Tatsache sei gemäß § 54 Abs. 1 FPG davon auszugehen, dass die Annahme, der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, gerechtfertigt sei. Jede Verletzung der "zwingenden" Bestimmungen des AuslBG schädige in erheblichem Ausmaß staatliche und privatwirtschaftliche Interessen, die im Bereich (offenkundig gemeint: der Hintanhaltung) einer Verzerrung des Arbeitsmarktes hinsichtlich des Arbeitskräfteangebotes, des Lohndumpings, der Hinterziehung von Steuern und Abgaben sowie (offenkundig gemeint: der Gewährleistung) eines primären Zugangs inländischer Arbeitskräfte zum Arbeitsmarkt lägen. Ferner stehe die unrechtmäßige Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern auch den Gesamtinteressen aller ausländischen Arbeitskräfte entgegen, weil wesentliche Schutzbestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts bei der verbotenen Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften keine Anwendung fänden.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb die Erlassung des Rückkehrverbotes auch unter Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK zulässig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im August 2012 nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 richtet.
Die Beschwerde wendet sich gegen die Verfahrensführung der belangten Behörde und macht geltend, die belangte Behörde habe das Vorbringen des Beschwerdeführers in einem entscheidungswesentlichen Punkt völlig ignoriert, infolge dessen auch den maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig von Amts wegen ermittelt und die notwendigen Beweisaufnahmen nicht durchgeführt.
Die Beschwerde ist mit diesem Vorbringen im Recht.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass jene Gesichtspunkte, wie sie auch im gegenständlichen Verfahren zu prüfen waren, insbesondere die Frage einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2011/21/0298). Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof auch betont, dass im fremdenpolizeilichen Berufungsverfahren, soweit - was (auch) hier zutrifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0173) - im Sinn des Art. 51 Abs. 1 Grundrechtecharta (GRC) in Durchführung von Unionsrecht gehandelt wird, jedenfalls nach Maßgabe des § 67d AVG (und allenfalls auch des § 9 Abs. 7 FPG) grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung nicht zuletzt im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 47 Abs. 2 GRC besteht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. Juni 2012, Zl. 2011/21/0278, und vom 24. Jänner 2013, Zlen. 2012/21/0224 bis 0226).
Die belangte Behörde hat zwar im Rahmen des Berufungsverfahrens eine Verhandlung durchgeführt, jedoch hat sie es unterlassen, im Hinblick auf das Berufungsvorbringen zur umfassenden Beurteilung notwendige Beweisaufnahmen durchzuführen und für die Entscheidung wesentliche Sachverhaltselemente festzustellen.
Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass hier der infolge § 54 Abs. 2 FPG auch für die Erlassung eines Rückkehrverbotes maßgebliche Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt ist und damit das Vorliegen einer Gefahr im Sinn des § 54 Abs. 1 FPG indiziert wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings beim Erstellen der für ein Einreiseverbot - gleiches gilt aber auch für ein Aufenthaltsverbot und ein Rückkehrverbot - zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG - bezogen auf das Rückkehrverbot die in § 54 Abs. 1 FPG - umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache - unter anderem - von Bestrafungen, etwa nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen oder gerichtlich strafbarer Handlungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2012, Zl. 2012/18/0143, mwN, sowie ferner zur Gefährdungsprognose etwa die - zur Rechtslage vor dem FrÄG 2011 ergangenen, aber insoweit auch für die nach Inkrafttreten des FrÄG 2011 geltenden Rechtslagen maßgeblichen - Aufenthaltsverbote betreffenden hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2012, Zl. 2010/18/0264, und vom 29. Februar 2012, Zl. 2009/21/0074, sowie das zu einem Rückkehrverbot ergangene hg. Erkenntnis vom 24. April 2012, Zl. 2011/23/0281, jeweils mwN). Dies gilt umso mehr, wenn sich der Fremde mit dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten selbst nicht strafbar (vgl. § 28 AuslBG) gemacht hat.
Die belangte Behörde hat sich in Verkennung dieser Rechtslage damit begnügt, zur mündlichen Verhandlung allein den Beschwerdeführer vorzuladen, sein Vorbringen zu Protokoll zu nehmen und ihn bloß zu persönlichen Verhältnissen - wie etwa seinem Familienstand, der Beschäftigung seiner Ehefrau und dem Vorhandensein einer Krankenversicherung - zu befragen. Die belangte Behörde wäre im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers gehalten gewesen - nach Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Beweisverfahrens - hinreichende Feststellungen zu treffen, um die hier anzustellende Beurteilung in einer gesetzmäßigen Weise zu ermöglichen. Dies umso mehr, als die Prognose der belangten Behörde, weshalb sie davon ausgeht, der Beschwerdeführer werde künftig einer unerlaubten Beschäftigung nachgehen, auf Vermutungen, nicht aber auf vom Beweisverfahren gedeckte Ergebnisse gestützt wird.
Der angefochtene Bescheid war sohin schon deswegen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf die Erstattung von Umsatzsteuer abzielende Mehrbegehren war abzuweisen, weil im in der genannten Verordnung enthaltenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 19. Februar 2013
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