VwGH Ra 2015/20/0174

VwGHRa 2015/20/017419.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, in der Revisionssache des S B in W, vertreten durch Prof. Dr. Michael Breitenfeld, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Marc Aurel Straße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Juni 2015, Zl. W169 2017575- 1/13E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. den hg. Beschluss vom 2. September 2015, Ra 2015/19/0194, mwN).

In der gegenständlichen außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe rechtsirrtümlich übersehen, dass auch Nachfluchtgründe zu berücksichtigen seien.

Mit diesem allgemeinen Vorbringen zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zeigt der Revisionswerber nicht auf, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Soweit der Revisionswerber mit seinem Vorbringen wohl auf ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzielt, hätte er im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung konkret darlegen müssen, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von welcher Rechtsprechung abweicht (vgl. den hg. Beschluss vom 8. Juni 2015, Ra 2014/20/0182, mwN).

Weiters bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 die aktuelle Konfliktsituation und -entwicklung im Herkunftsstaat des Revisionswerbers unberücksichtigt gelassen und sich auf Berichte aus vergangenen Jahren gestützt. Unter Verweis auf die Revisionsgründe moniert der Revisionswerber die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes und wesentliche Verfahrensmängel. Insbesondere habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zur aktuellen Situation in Afghanistan laut seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2015 auseinandergesetzt. Die Relevanz des Verfahrensmangels liege darin, dass es abstrakt möglich sei, im Fall eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen, für den Revisionswerber günstigeren, Sachverhaltsgrundlage zu gelangen.

Nach der hg. Rechtsprechung sind bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob für einen Fremden im Fall der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung gegeben ist. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (vgl. den Beschluss vom 24. März 2015, Ra 2014/19/0021, mwN).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund zeigt der Revisionswerber mit seinem bloß kursorischen Hinweis auf Länderberichte zur Sicherheitslage in Kabul nicht auf, inwieweit das Bundesverwaltungsgericht zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte kommen können.

Zur Zulässigkeit der Revision wird darüber hinaus geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit der Entscheidung nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens nicht beachtet, dass der Revisionswerber plane, in Zukunft mit seiner Ehefrau ein Familienleben zu führen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zitiert wird das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2015, Ra 2014/22/0035 - erblickt die Revision darin, dass das Bundesverwaltungsgericht die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen des Revisionswerbers auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert habe, obwohl der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukomme.

Eine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt, zumal das Bundesverwaltungsgericht hier - entgegen jenem Fall, welcher dem zitierten Erkenntnis vom 5. Mai 2015 zugrunde lag - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).

Mit dem bloßen Verweis, der Revisionswerber plane "in Zukunft mit seiner Ehefrau ein Familienleben zu führen", zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Das Ergebnis der vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Interessenabwägung kann nicht als unvertretbar angesehen werden.

Schließlich ist in Entsprechung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Revisionsverfahren für die Geltendmachung einer Aktenwidrigkeit als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen, warum das rechtliche Schicksal der Revision von dieser Frage abhängen sollte (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Juni 2014, Ra 2014/05/0004). Mit der bloßen Behauptung, das angefochtene Erkenntnis sei mit Aktenwidrigkeiten behaftet, vermag der Revisionswerber daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass eine Aktenwidrigkeit ohnehin lediglich dann anzunehmen wäre, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn wie im konkreten Fall Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, 2009/09/0129).

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 19. November 2015

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