VwGH 94/19/0337

VwGH94/19/03374.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juni 1993, Zl. 4.337.355/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ghanas, der am 7. Mai 1992 in das Bundesgebiet einreiste und am 8. Mai 1992 einen Asylantrag stellte, hat mit Berufung vom 6. Juli 1992 den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Juni 1992 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - bekämpft.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Juni 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 12. Mai 1992 hinsichtlich seiner Fluchtgründe im wesentlichen angegeben, er habe in seinem Heimatland keiner Partei oder sonstigen politischen Organisation als Mitglied angehört. Freunde in Nigeria hätten ihm anläßlich seiner Rückreise nach Ghana am 1. Jänner 1992 Briefe zur Weiterleitung an Freunde und Verwandte gegeben; diese Briefe seien bei seiner Paßkontrolle geöffnet worden, wobei einer dieser Briefe eine zur Weiterleitung an Colonel Amoako bestimmt gewesene Liste von in Nigeria aufhältigen Dissidenten enthalten habe. Die in der Liste aufgeführten Dissidenten hätten Colonel Amoako um Hilfe beim Sturz der Regierung gebeten. Obwohl der Beschwerdeführer seine Unschuld bzw. Unkenntnis über den Briefinhalt beteuert habe, sei er in A inhaftiert und der "Mitwisserschaft" beschuldigt worden. "Nach" (richtig gemeint wohl: während) seiner Haft sei er "ständig verhört und geschlagen worden". Nach seiner Haftentlassung habe der Beschwerdeführer sich jede Woche beim Militärgericht in A melden müssen. Zur Flucht habe er sich deshalb entschlossen, weil andere Personen - die in solche Fälle verwickelt gewesen seien - später getötet worden seien.

In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, den bei seiner Paßkontrolle entdeckten Brief habe ein Dissident in Lagos geschrieben; dieser sei der Mitarbeit an einer Verschwörung gegen die Regierung verdächtigt worden. Der Beschwerdeführer sei nach dem Briefinhalt befragt worden, er habe darüber aber nichts angeben können. Er sei dann nach A gebracht und dort vier Monate lang ohne formelle Anklage und Verurteilung inhaftiert gewesen; er sei der Unterstützung von im Ausland befindlichen Dissidenten bezichtigt worden. Am 30. April 1992 - als der "Familienanwalt im Gefängnis erschien" - sei er entlassen worden. Als der Beschwerdeführer die Ungerechtigkeit der Gerichtsbarkeit seines Heimatlandes "bedachte", habe er sich zum Verlassen Ghanas entschlossen, um bis zum Eintritt normaler Verhältnisse in einem "freien, sicheren Land" zu sein.

Abschließend führt der Beschwerdeführer wörtlich aus: "Ich wäre sehr dankbar, wenn mein bescheidenes Ansuchen um politisches Asyl gewährt werden würde".

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Heranziehung des § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991 davon ausgegangen, daß von ihr bereits dieses Gesetz anzuwenden sei, weil das gegenständliche Verfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig war". Da nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakte der erstinstanzliche Bescheid am 29. Juni 1992 erlassen (zugestellt) wurde und der Beschwerdeführer dagegen am 6. Juli 1992 (fristgerecht) berufen hat, war das gegenständliche Asylverfahren jedoch - entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid - am 1. Juni 1992 nicht beim Bundesminister für Inneres anhängig, sodaß die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991 im vorliegenden Fall noch das Asylgesetz (1968) hätte anwenden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Durch die demnach unrichtige Anwendung des Asylgesetz 1991 wurde der Beschwerdeführer im konkreten Fall aber deshalb nicht in seinen Rechten verletzt, weil die belangte Behörde den § 20 Abs. 1 leg. cit. nicht anwendete, sondern auf das (nach der richtigerweise anzuwendenden Rechtslage zu beachtende) Berufungsvorbringen eingegangen ist, dieses inhaltlich gewürdigt und des weiteren sich ausschließlich mit dem durch die neue Rechtslage inhaltlich nicht geänderten Flüchtlingsbegriff (früher § 1 Asylgesetz 1968 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, nunmehr § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) auseinandergesetzt hat und auf dieses Weise zur Abweisung der Berufung gelangt ist (vgl. die hg. Entscheidung vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0465).

Die belangte Behörde hat ihre abweisliche Entscheidung unter anderem damit begründet, daß der Beschwerdeführer im Asylverfahren unterschiedliche und widersprüchliche Angaben gemacht habe, weshalb die belangte Behörde seinen vorgebrachten Fluchtgründen insgesamt die Glaubwürdigkeit versagte.

Dieser hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gezogene Schluß erweist sich insoweit zutreffend, als zwischen seinen niederschriftlich festgehaltenen Angaben (vom 12. Mai 1992) und seinem Berufungsvorbringen gravierende Abweichungen und Widersprüche hinsichtlich erheblich erscheinender Umstände bestehen. So gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Befragung an, in einem der kontrollierten Briefe sei eine für Colonel Amoako bestimmt gewesene Liste der in Nigeria aufhältigen Dissidenten gefunden worden; diese Dissidenten hätten um Hilfe bei einem Regierungsumsturz gebeten. Abweichend davon behauptete er jedoch in seinem Berufungsvorbringen, in einem der Umschläge sei ein von einem Dissidenten in Lagos (Nigeria) geschriebener Brief gefunden worden. Von einer Dissidentenliste und dem an Colonel Amoako gerichtet gewesenen Hilfsansuchen ist in der Berufung demnach keine Rede mehr. Während der Beschwerdeführer nach seinen erstinstanzlichen Angaben der "Mitwisserschaft" bezichtigt worden sein soll, hat er in seiner Berufung insoweit behauptet, man habe ihm vorgeworfen, er habe außerhalb des Landes befindlichen Dissidenten dabei geholfen, die Regierung zu stürzen. Des weiteren hat sich der Beschwerdeführer abweichend von seinen niederschriftlich festgehaltenen Angaben in seiner Berufung nur mehr auf seine "ungerechte Inhaftierung" berufen, aber die in erster Instanz vorgetragenen Behauptungen, er sei nach seiner Haft ständig verhört und geschlagen worden ebensowenig aufrechterhalten, wie er auch die in erster Instanz dargelegten Meldepflichten beim Militärgericht in A sowie die ihm künftig drohenden Maßnahmen in seiner Berufung mit völligem Stillschweigen übergeht.

Der Beschwerdeführer vermag in seiner Beschwerde aber weder aufzuklären, worauf diese Widersprüche in seinen Angaben zurückzuführen sind, noch vermag er darzulegen, was seine ergänzende Einvernahme an diesen Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände dadurch hervorgekommen wären. Des weiteren übergeht der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde herangezogene Beweiswürdigung, es sei unwahrscheinlich und unglaubwürdig, daß einen Staatsstreich plandende Personen sich bei der Beförderung eines derartigen Briefes in dermaßen dilettantischer Weise selbst gefährdet hätten, mit völligem Stillschweigen.

Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der vorerwähnten gravierenden Widersprüche und im Hinblick darauf, daß eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht zu erkennen ist, dem Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt die Glaubwürdigkeit versagte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0560, und vom 21. April 1994, Zl. 94/19/0210).

Bei diesem Ergebnis braucht auf die übrigen Beschwerdeausführungen und insbesonders auf die Rechtsfrage, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe an sich geeignet gewesen wären, als wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention qualifiziert zu werden, nicht weiter eingegangen zu werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0230, vom 8. März 1989, Zl. 88/01/0160, und vom 20. September 1989, Zl. 89/01/0159).

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III.

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