OGH 6Ob178/22b

OGH6Ob178/22b28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. U* AG, *, 2. C*gesellschaft mbH, *, beide *, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientinnen 1. O* AG, *, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, 2. B* AG, *, vertreten durch Dr. Robert Briem Rechtsanwalt‑GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung, über die Revision und den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungs‑ und Rekursgericht vom 2. Juni 2022, GZ 2 R 26/22y‑37, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 13. Dezember 2021, GZ 41 Cg 59/21a‑27, bestätigt und der Rekurs gegen den darin enthaltenen Beschluss zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00178.22B.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

III. Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 51.409,46 EUR (darin 8.568,24 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe

und

Begründung:

[1] Die Erstklägerin, die Beklagte und die Nebenintervenientinnen sind Aktiengesellschaften, die das Bankgeschäft betreiben; die Beklagte und die Nebenintervenientinnen (die im Weiteren, soweit sie gemeinsam angesprochen sind, als die „3 Banken“ bezeichnet werden) sind börsenotiert.

[2] Die Zweitklägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihre Funktion als Beteiligungsgesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe, der auch die Erstklägerin angehört, ausübt. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Erstklägerin.

[3] Die Erstklägerin und die Beklagte sowie die Nebenintervenientinnen stehen seit Jahren zueinander in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis.

[4] Jahrzehnte zurückliegend (auf Basis eines im Jahr 1952 geschlossenen Vertrags) hatte zwischen einer später von der Erstklägerin übernommenen Bank, der Beklagten und den Nebenintervenientinnen ein Syndikatsverhältnis bestanden. Dieses Syndikat hatte der Rechtsvorgängerin der Erstklägerin die Beherrschung gesichert. Im Jahr 1984 wurde es gekündigt, und es wurden mehrere neue Syndikatsverhältnisse begründet. Jeweils zwei der 3 Banken bildeten mit strategischen Aktionären ein Syndikat in Bezug auf die dritte der 3 Banken. Ursprünglich war auch die G* AG (im Weiteren: G* AG) (jeweils) Vertragspartner dieser Syndikate. An deren Stelle trat – nach der Übertragung von deren Beteiligungen an den 3 Banken an eine neu errichtete Beteiligungsgesellschaft – die G* Holding AG (*; im Weiteren kurz: Holding).

[5] Durch die Syndikatsverträge soll(te) verhindert werden, dass die Rechtsvorgängerin der Erstklägerin und nunmehr die Klägerinnen die Kontrolle über eine der 3 Banken übernehmen. Ihr Zweck ist es (jeweils), mittels einheitlicher Ausübung der Stimmrechte nach Maßgabe der Bestimmungen des Syndikatsvertrags die Eigenständigkeit (jeweils) einer der 3 Banken zu erhalten, wobei es im Interesse der Syndikatspartner liegt, dass sich die (jeweils Betroffene der 3 Banken) als ertrags- und gewinnorientiertes Unternehmen weiterentwickelt und die von den Syndikatspartnern in gesonderten Vereinbarungen dargelegten Kooperationsinteressen dauerhaft gefestigt werden.

[6] Die 3 Banken und die Holding sind (direkt oder indirekt wechselseitig) aneinander beteiligt.

[7] Die Klägerinnen gehören diesem Syndikat nicht an. Sie sind aber an allen 3 Banken beteiligt:

[8] Die Erstklägerin ist direkt mit 9,85 % und mittelbar über die Zweitklägerin als ihrer 100%igen Tochtergesellschaft mit 37,53 % (somit insgesamt mit 47,38 %) an der Beklagten beteiligt. Sie hält direkt 3,41 % und über die Zweitklägerin 23,76 % (insgesamt 27,17 %) an der Erstnebenintervenientin und direkt 6,63 % sowie 23,15 % über die Zweitklägerin (insgesamt 29,78 %) an der Zweitnebenintervenientin.

[9] Die Beteiligungsverhältnisse an den 3 Banken und der Holding bestanden wie folgt:

B eklagte (seit der Umwandlung der Vorzugsaktien aufgrund der am 16. 6. 2021 beschlossenen und unangefochten gebliebenen Satzungsänderung):

Streubesitz 4,37 %

Zweitklägerin 37,53 %

Erstklägerin 9,85 %

Erstnebenintervenientin 13,85 %

Zweitnebenintervenientin 17,06 %

(inkl Unterordnungssyndikatsnehmer:

B* Privatstiftung [1,44 %],

D* GmbH [1,24 %],

V*‑Versicherung V.a.G.

[0,38 %])

Holding 14,84 %

W* reg. Gen.m.b.H. 2,50 %

Erstnebenintervenientin (per 31. 12. 2020):

Streubesitz 31,62 %

Zweitklägerin 23,76 %

Erstklägerin 3,41 %

Mitarbeiter 4,15 %

Beklagte 16,15 %

(inkl B* Beteiligungsverwaltungs-

gesellschaft m.b.H.)

Zweitnebenintervenientin 14,79 %

(inkl Unterordnungssyndikat mit der

B* [B* GmbH])

W* reg. Gen.m.b.H. 4,50 %

Holding 1,62 %

Zweitnebenintervenientin (per 31. 12. 2020):

Streubesitz 20,44 %

Zweitklägerin 23,15 %

Erstklägerin 6,63 %

B*‑Belegschaftsbeteiligungsprivatstiftung 1,30 %

Erstnebenintervenientin 19,17 %

(inkl Unterordnungssyndikat mit der

B* [B* GmbH])

Beklagte 18,89 %

Holding 7,44 %

W* reg. Gen.m.b.H. 2,98 %

Holding:

G* AG 49,3 %

(die ihre bis zu diesem Zeitpunkt an den 3 Banken gehaltenen Aktienpakete im Jahr 2003 an die Holding veräußert hatte)

O* 1,5 %

(eine Genossenschaft mit über 2.000 Mitgliedern [das können aktive oder pensionierte Arbeitnehmer der Erstnebenintervenientin, deren Beteiligungsgesellschaften und juristische Personen sowie Stiftungen, zu deren Zweck die Förderung der Genossenschaft gehört, sein])

indirekt über jeweils eine (100%ige) Tochtergesellschaft:

Beklagte 16,4 %

Erstnebenintervenientin 16,4 %

Zweitnebenintervenientin 16,4 %

[10] Beschlüsse, die von Gesetzes wegen mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden müssen, können in der Holding nicht gegen die Stimmen der G* AG und der O* Genossenschaft gefasst werden. Zwischen den Aktionären der Holding bestand und besteht kein auf die Holding bezogener Stimmbindungsvertrag. Die Holding hält außer ihrem Aktienbesitz an den 3 Banken keine weiteren Beteiligungen.

[11] Bei der Beklagten führen die mittelbaren und unmittelbaren wechselseitigen Beteiligungen zu einer „Selbstbeteiligung“ von ca 9,45 %.

[12] Die Organbesetzungen bei der Beklagten und den Nebenintervenientinnen wurden von der Finanzmarktaufsichtsbehörde wiederholt geprüft und blieben ohne Beanstandung. Die Erstklägerin war bis zumindest 2020 durchgehend im Aufsichtsrat vertreten. DieBeklagte stellt(e) jeweils ein Aufsichtsratsmitglied von 15 (bei der Erstnebenintervenientin) bzw 14 (bei der Zweitnebenintervenientin) Aufsichtsratsmitgliedern. Aktuell ist der Vorstandsvorsitzende der Beklagten in den Aufsichtsräten der Nebenintervenientinnen vertreten (wie auch die jeweiligen Vorstandsvorsitzenden der Nebenintervenientinnen Aufsichtsratsmitglieder in den Aufsichtsräten der anderen der 3 Banken sind). Auf Vorstandsebene bestehen keine Verflechtungen.

[13] Die Banken führten in den letzten Jahrzehnten Kapitalerhöhungen durch. Die Beklagte erhöhte (jedenfalls) seit 1956 laufend (19 mal bis zuletzt im Jahr 2018) ihr Kapital.

[14] Die im Zentrum der Kritik stehenden Barkapitalerhöhungen der Beklagten in den Jahren 2015, 2017 und 2018 wurden aus genehmigtem Kapital (gemäß §§ 169 ff AktG) durchgeführt. Die jeweiligen vom Aufsichtsrat genehmigten Beschlüsse des Vorstands beruhten auf der Ermächtigung des Vorstands durch (unangefochtene) Beschlüsse der Hauptversammlung. So wurde der Vorstand beispielsweise im Jahr 2018 ermächtigt, das Kapital bis zum 3. 7. 2023 gegen Bareinlagen durch die Ausgabe von bis zu 6.187.500 Stück auf Inhaber lautende Stamm-Stückaktien zu erhöhen und den Ausgabekurs sowie die Ausgabebedingungen im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat festzusetzen. Von diesen Ermächtigungen machte der Vorstand Gebrauch und beschloss die Erhöhung des Grundkapitals um 5 Mio EUR (im Jahr 2015), 6,875 Mio EUR (im Jahr 2017) und 6.187.500 EUR im Jahr 2018.

[15] Die Beschlüsse des Vorstands über die Kapitalerhöhungen enthielten unter anderem jeweils die Wendung: „Das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre […] wird gewahrt“. Es wurde im Rahmen dieser (und der vorhergehenden) Kapitalerhöhungen hinsichtlich der Zuteilung von Aktien und des Ausgabepreises nicht zwischen Aktionärinnen unterschieden. Allen Aktionärinnen (und der Öffentlichkeit) war die Festlegung des gleichen Ausgabebetrags durch den Vorstand bekannt.

[16] Die Durchführung der Kapitalerhöhungen wurden am 7. 11. 2015, 16. 5. 2017 und 23. 10. 2018 im Firmenbuch (unter Ausweisung des Datums der jeweiligen [schon zuvor eingetragenen] Ermächtigungsbeschlüsse der Hauptversammlung [vom 11. 5. 2012, 11. 5. 2016 und 8. 5. 2018], der Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse sowie des Betrags der Kapitalerhöhung) im Firmenbuch eingetragen.

[17] Anlässlich dieser Kapitalerhöhungen wurden im Jahr 2015 bei einem Nominale von 5 Mio EUR rund 51 Mio EUR, im Jahr 2017 bei einem Nominale von 6,875 Mio EUR rund 75 Mio EUR und im Jahr 2018 bei einem Nominale von 6.187.500 EUR rund 75 Mio EUR eingezahlt.

[18] Den Klägerinnen war das Ausmaß der jeweiligen wechselseitigen Beteiligungen zwischen den 3 Banken „seit Jahrzehnten“ und die Beteiligungsstrukturen an der Holding „seit vielen Jahren“ bekannt; ebenso das Bestehen der Syndikatsverträge sowie „im Kern“ auch deren Bestreben, über gemeinsame „Zweckgesellschaften“ Synergieeffekte zu nutzen (etwa Ressourcen im IT-Sektor, die Abwicklung von durch Kooperationspartner aufgebrachtes Kfz-Leasing, Versicherungsmakleragenden oder Kapitalanlagen betreffend).

[19] Die Vorstände der Beklagten hatten die Kapitalerhöhungen mit den wichtigsten Aktionären (auch den Klägerinnen [und vorher mit der Rechtsvorgängerin der Erstklägerin]) zuvor abgestimmt. Die Klägerinnen (bzw die Rechtsvorgängerin der Erstklägerin) stimmten „allen bisherigen Kapitalerhöhungen“ (gemeint anlässlich der Beschlussfassung über die Ermächtigungsbeschlüsse in der Hauptversammlung), auch jenen in den Jahren 2015, 2017 und 2018, zu. Die Beschlüsse des Vorstands über die Kapitalerhöhungen der Jahre 2015 und 2017 wurden vom Aufsichtsrat einstimmig genehmigt.

[20] Weder bei den vorhergehenden noch bei der Kapitalerhöhung des Jahres 2018 forderten die Klägerinnen die Notwendigkeit der Festlegung eines höheren Ausgabebetrags für die Nebenintervenientinnen, die Holding oder andere Aktionäre, an deren Grundkapital die Beklagte direkt oder indirekt beteiligt ist. Auch soweit die Kapitalerhöhungen durch Ausnutzung genehmigten Kapitals durchgeführt wurden, erhoben die von der Erstklägerin in den Aufsichtsrat der Beklagten nominierten Personen keine Einwände gegen die Festlegung des gleichen Ausgabebetrags für alle Aktionäre.

[21] Die Aktionärinnen der Holding(also nicht nur die 3 Banken) leisteten dieser regelmäßig nicht rückzahlbare „Gesellschafterzuschüsse“ entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligungsquote, (auch) um die Liquidität für die Teilnahme an den Kapitalerhöhungen bereitzustellen. Die Holding zeichnete bei den Kapitalerhöhungen der 3 Banken unter Verwendung dieser Mittel, „gegebenenfalls“ zuzüglich eigener Mittel oder einer Fremdfinanzierung. Auch die Beklagte gewährte der Holding – also einer AG, deren mittelbare Aktionärin sie (über eine 100%ige Tochtergesellschaft) war und ist – ab dem Jahr 2009 verschiedene Zuschüsse (bezogen auf ihre Beteiligung: im Umfang von 16,4 %), welche „weitgehend“ für die Zeichnung oder den derivativen Erwerb von Aktien der 3 Banken verwendet wurden.

[22] Von den Zuschüssen erfuhren die Klägerinnen „jedenfalls“ im Juli und August 2018; über deren exakte Höhe waren sie spätestens am 18. 6. 2019 informiert.

[23] Der Beschluss des Vorstands der Beklagten vom 21. 9. 2018 über die Ausnutzung der ihm am 8. 5. 2018 erteilten Ermächtigung zur Kapitalerhöhung im Umfang von bis zu 6.187.500 EUR wurde mit Beschluss des Aufsichtsrats am gleichen Tag(erstmals) gegen die Stimme des Vertreters der Klägerinnen genehmigt.

[24] Auch im Jahr 2018 (am 4. 10.) leistete die Beklagte an die Holding einen Zuschuss (in Höhe von rund 1,658 Mio EUR), der nun aber ausdrücklich dahin gewidmet war, dass er nicht für Kapitalerhöhungen der Beklagten verwendet werden dürfe. Der Zuschuss sollte nach der Widmung vielmehr dazu dienen, ein den Beteiligungsverhältnissen an der Holding entsprechendes Verhältnis der Gesamteinlagen (inklusive Zuschüsse) zu wahren.

[25] Nachdem von den Klägerinnen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Zuschüsse und der Wirksamkeit der durch Zuschussleistungen der Beklagten finanzierten Einlagen der Holding erhoben worden waren, kamen die Holding und die 3 Banken in einer am 23. 4. 2019 abgeschlossenen Schiedsvereinbarung überein, sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Rechte im Zusammenhang mit Fragen aus dem Gesellschaftsverhältnis der Parteien (unter anderem betreffend die Zuschüsse und Kapitalerhöhungen) von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen.

[26] Die Holding zahlte – um ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung sicher ausüben zu können – am 25. 4. 2019 Zuschüsse der Beklagten in Höhe von 5.424.795,50 EUR zuzüglich 835.967,13 EUR an Zinsen an die Beklagte zurück, worüber die Aktionärinnen der Beklagten in der Hauptversammlung am 16. 5. 2019 informiert wurden, desgleichen (über Frage der Klägerinnen) darüber, dass der im Jahr 2018 an die Holding geleistete Zuschuss widmungsgemäß nicht für die Teilnahme der Holding an der Kapitalerhöhung der Beklagten verwendet wurde.

[27] Die Klägerinnen waren zwar nicht Partei des Schiedsvertrags; sie wussten aber über das Schiedsverfahren Bescheid und äußerten nach dessen Konstituierung Bedenken gegen die Unbefangenheit von zwei Schiedsrichtern.

[28] Im Schiedsverfahren trug die Beklagte den Rechtsstandpunkt der Klägerinnen als eigenen vor. Sie legte dem Schiedsgericht mehrere von den (nunmehrigen) Klägerinnen in den bereits gegen die 3 Banken behängenden Verfahren vorgelegten Schriftsätze und Rechtsgutachten vor. Das Schiedsgericht gelangte mit Schiedsspruch vom 17. 2. 2020 zum Ergebnis, dass die Holding keine zusätzlichen Einlagen schulde, die teilweise Finanzierung der Einlagenleistungen durch Zuschüsse an der wirksamen Erbringung der Einlagen nichts ändere und die Zuschüsse auch nicht aus sonstigen Gründen rechtswidrig gewesen seien. Die Beklagte wurde zur Leistung der (rückgezahlten) Zuschüsse verpflichtet.

[29] Der Vorstand der Beklagten beantwortete in der Hauptversammlung am 10. 6. 2020 Fragen der Klägerinnen zu den Zuschüssen. Er teilte zur Verwendung des Zuschusses aus dem Jahr 2018 mit, dass eine Kontrolle der Verwendung durch die Beklagte stattgefunden habe, und wiederholte, dass der Vorschuss nicht für die Kapitalerhöhung verwendet worden sei.

[30] Die von der Beklagten gegen den Schiedsspruch erhobene Aufhebungsklage wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 23. 7. 2020 zurückgewiesen (18 OCg 3/00w; ebenso jene der Zweitnebenintervenientin zu 18 OCg 2/00y).

[31] In der Hauptversammlung vom 7. 5. 2021 stellten die Klägerinnen die Frage, ob die nochmalig durch die Holding aufgebrachten (also rückgezahlten) Zuschüsse aufgrund des Schiedsspruchs (über den sie zumindest seit 10. 6. 2020 informiert waren) in der Zwischenzeit von der Beklagten an diese zurückbezahlt (also wieder gewährt) worden seien und wurden (unter Bezifferung der Beträge) davon informiert, dass dies entsprechend dem Ergebnis des Schiedsverfahrens zwischen den 3 Banken und der Holding im Oktober und Dezember 2020 erfolgt sei.

[32] Den für Kapitalerhöhungen der Beklagten (in der Zeit von 28. 10. 2009 bis „2017“) geleisteten Zuschüssen von rund 3,767 Mio EUR standen rund 5,283 Mio EUR an von der Holding geleisteten Dividenden (gezahlt im Zeitraum 6. 6. 2005 bis 6. 6. 2018) gegenüber; unter Einrechnung auch des ausdrücklich nicht für die Kapitalerhöhung gewidmeten (und am 4. 10. 2018 geleisteten) Betrags ergäbe sich ein Gesamtbetrag von rund 5,425 Mio EUR an Zuschüssen der Beklagten.

[33] Die Satzung der Beklagten sieht (in ihrem § 25) vor, dass die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheidet, wobei sie den Bilanzgewinn ganz oder teilweise von der Verteilung ausschließen kann; weiters, dass der Bilanzgewinn an die Aktionäre stets im Verhältnis ihrer Anteile am Grundkapital und den auf die Aktien geleisteten Einlagen sowie im Verhältnis der Zeit, die seit dem für die Leistung bestimmten Zeitpunkt verstrichen ist, verteilt wird.

[34] Die Klägerinnen begehren mit ihrer am 24. 6. 2021 eingebrachten Klage, die Beklagte dazu zu verpflichten, es zu unterlassen,

(1.–3. Hauptbegehren)

die Nebeninterventientinnen und die Holding (als Aktionärinnen [Inferentinnen, womit in Hinkunft für den vorliegenden Fall rück‑ bzw wechselseitig beteiligte Aktionärinnen als Gesellschafterinnen der Beklagten gemeint sind]) (jeweils) im Rahmen von Kapitalerhöhungen zur Zeichnung zuzulassen und ihnen Aktien zuzuteilen;

in eventu (1.–3. Eventualbegehren)

ihnen im Rahmen von Kapitalerhöhungen über das um die prozentuelle Rückbeteiligung der Beklagten am Grundkapital der jeweiligen Inferentin reduzierte Ausmaß hinaus Aktien gegen Bezahlung der übernommenen Einlage zuzuteilen oder durch eine allenfalls von der Beklagten nach § 153 Abs 6 AktG beauftragte Emissionsbank zuteilen zu lassen, es sei denn, die[se Inferentin] verpflichte sich gegenüber der Beklagten bzw einer allenfalls von der Beklagten nach § 153 Abs 6 AktG beauftragten Emissionsbank dazu, für jede gezeichnete Aktie zusätzlich zum Ausgabebetrag einen Mehrbetrag in Höhe des Produkts aus dem Ausgabebetrag und der Summe von a) des Produkts der prozentuellen wechselseitigen Beteiligungen zwischen der Beklagten und [dieser Inferentin] dividiert durch die prozentuelle Beteiligung der übrigen Aktionäre am Grundkapital [dieser Inferentin] und b) der prozentuellen Rückbeteiligung [dieser Inferentin] am Grundkapital der Beklagten zu leisten;

(4. Klagebegehren)

im Rahmen von Kapitalerhöhungen einem Aktionär, an dessen Grund- oder Stammkapital die Beklagte direkt oder indirekt beteiligt ist, über das um die prozentuelle Rückbeteiligung der Beklagten am Grund- oder Stammkapital dieses Aktionärs reduzierte Ausmaß hinaus Aktien gegen Bezahlung der übernommenen Einlage zuzuteilen oder durch eine allenfalls von der Beklagten nach § 153 Abs 6 AktG beauftragte Emissionsbank zuteilen zu lassen, es sei denn, dieser Aktionär verpflichte sich gegenüber der Beklagten bzw einer allenfalls von der Beklagten nach § 153 Abs 6 AktG beauftragten Emissionsbank dazu, für jede gezeichnete Aktie zusätzlich zum Ausgabebetrag einen Mehrbetrag in Höhe des Produkts aus dem Ausgabebetrag und der Summe von a) des Produkts der prozentuellen wechselseitigen Beteiligungen zwischen der Beklagten und diesem Aktionär dividiert durch die prozentuelle Beteiligung der übrigen Aktionäre oder Gesellschafter am Grund- oder Stammkapital dieses Aktionärs und b) der prozentuellen Rückbeteiligung dieses Aktionärs am Grundkapital der Beklagten zu leisten;

(5.–7. Klagebegehren)

der Holding Zuschüsse zum Zwecke von deren Teilnahme an Kapitalerhöhungen der Beklagten oder der Nebenintervenientinnen, zum Zwecke der Stärkung von deren Liquidität und zum Zwecke der allgemeinen Finanzierung des von der Holding betriebenen Unternehmens zu leisten;

sowie die Feststellung der Nichtigkeit

(8.–10. Klagebegehren)

der (datumsmäßig jeweils pro Jahr präzisierten) Beschlüsse des Vorstands der Beklagten (über die Ausnützung des genehmigten Kapitals, die Festlegung des Preises sowie Durchführung des öffentlichen Angebots und über das endgültige Volumen)undder damit korrespondierenden (wiederum datumsmäßig präzisierten) Genehmigungsbeschlüsse des (Ausschusses des) Aufsichtsrats hinsichtlich der Kapitalerhöhungen der Jahre 2015, 2017 und 2018; weiters

(11.–22. Klagebegehren)

der (jeweils betragsmäßig konkretisierten) Beschlüsse des Vorstands der Beklagten und der damit korrespondierenden Zustimmungsbeschlüsse des Aufsichtsrats über Zuschüsse an die Holding in den Jahren 2018 (zwei Zuschüsse), 2017, 2016, 2015, 2014, 2012, 2011, 2010, 2009 (zwei Zuschüsse).

[35] Die Klägerinnen brachten – auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche – zusammengefasst vor, die Zulassung der Inferentinnen zur Bezugsrechtsausübung anlässlich der Kapitalerhöhungen verstieße gegen „zwingendes Kapitalaufbringungsrecht“, weil der Beklagten wegen der wechselseitigen (Rück-)Beteiligungen nicht so viel an neuem Kapital zugeflossen sei, wie es aktienrechtlich erforderlich gewesen wäre.

[36] Das Zeichnungs- und Erwerbsverbot nach § 51 Abs 2, § 66 AktG beschränke sich nicht auf Tochterunternehmen iSd § 189a Z 7 UGB. Es sollten mit diesen Bestimmungen sämtliche Umgehungen durch Gesellschaften verhindert werden, deren Verhalten die zeichnende Gesellschaft lenke (§ 244 Abs 1 UGB) oder zumindest lenken könnte (§ 244 Abs 2 UGB). Die 3 Banken und die Holding bildeten aufgrund wechselseitiger Abhängigkeiten, ringförmiger Überkreuzbeteiligungen, der Syndikatsverhältnisse, der Organverflechtungen, der Koordinierungstreffen, der Nutzung gemeinsamer Infrastruktur und konzernbegründender organisatorischer Maßnahmen einen einheitlich geleiteten Ringbeteiligungskonzern, wobei „der Ring selbst“ die einheitliche Leitung darstelle. In dieser „totalen Familie“ sei die Beklagte gleichzeitig ihre eigene Mutter und ihre eigene Tochter. Die Inferentinnen seien Tochtergesellschaften der Beklagten, wie auch die Beklagte deren Tochtergesellschaft sei. Faktisch komme es zu einer unzulässigen Kapitalzirkulation zwischen den ringbeteiligten 3 Banken und der Holding.

[37] Gegenstand der Klage sei nicht die Feststellung der Nichtigkeit der Kapitalerhöhungen, sondern der Nichtigkeit der damit zusammenhängenden Vorstandsbeschlüsse und der Beschlüsse des Arbeitsausschusses des Aufsichtsrats. Die Nichtigkeit der Kapitalerhöhungen könnte allenfalls eine Folgefrage sein; die Kapitalerhöhungen (selbst) oder Beschlüsse der Hauptversammlung würden nicht angefochten. Durch die (bekämpften Beschlüsse und die darauf aufbauende) Bezugsrechtsausübung werde aber unter Verletzung des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots sowie der Finanzverfassung der Beklagten in die gesetzlich geschützten individuelle Aktionärsrechte der Klägerinnen eingegriffen.

[38] Für den Fall, dass die 3 Banken samt der Holding keinen (Ringbeteiligungs-)Konzern bilden, hätte von ihnen eine (Geld-)Mehrleistung für (mit einem zu niedrigen Ausgabebetrag emittierte) junge Aktien abgefordert werden müssen oder es wären ihnen entsprechend dem Ausmaß der Überkreuzbeteiligungen weniger Aktien zuzuteilen gewesen. Da beides nicht erfolgt sei, seien die ihnen übermäßig zugeteilten Aktien entgeltlos von der Beklagten einzuziehen; den Inferentinnen komme insoweit weder Stimmrecht noch Anspruch auf Dividende zu. Bis zur Leistung des Mehrbetrags (bzw der Wirksamkeit einer Zwangseinziehung) schuldeten die Inferentinnen die noch offenen Einlagen (teilweise), weswegen die Klägerinnen einen zu geringen Anteil am Bilanzgewinn erhielten. Es werde – zumal die Klägerinnen die Einlage voll geleistet hätten – der Wert ihrer Einlage verringert. Diese durch gesetzwidrige Ausnutzung des genehmigten Kapitals durch Vorstand und Aufsichtsrat herbeigeführte Verwässerung verletze ebenfalls ihre individuellen Aktionärsrechte.

[39] Gleiches gelte für die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßenden Zuschüsse (nur) an die Holding (nicht aber an andere an der Kapitalerhöhung der Beklagten teilnehmenden Aktionärinnen). Auch dies führe dazu, dass die Klägerinnen entgegen der Satzung der Beklagten einen zu geringen Anteil am Bilanzgewinn erhielten.

[40] Die Klägerinnen hätten wegen der zu bejahenden Wiederholungsgefahr einen Anspruch auf Unterlassung zukünftiger Verletzungen und die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse. Von einer verfristeten/präkludierten Klagsführung könne bereits deshalb keine Rede sein, weil die Klägerinnen erst in der Hauptversammlung vom 7. 5. 2021 darüber informiert worden seien, dass die Zuschüsse an die Holding (neuerlich) zurückbezahlt worden seien. Die Schwere der von den Organen der Beklagten verwirklichten Eingriffe in die Aktionärsrechte der Klägerinnen sei zudem mit den Nichtigkeitsgründen nach § 199 Abs 1 AktG vergleichbar. Die Nichtigkeitsklage sei aber nicht befristet.

[41] Die Beklagte und die Nebenintervenientinnen wendeten an erster Stelle ein, dass die von den Klägerinnen geltend gemachte Aktionärsklage im Rechtsschutzsystem des Aktiengesetzes nicht vorgesehen sei. Auch von der (deutschen) Rechtsprechung werde sie nur im Ausnahmefall eines kompetenz-überschreitenden Eingriffs der Verwaltungsorgane in die Zuständigkeit der Hauptversammlung bejaht, welcher Fall angesichts der Ermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung nicht vorgelegen sei. Die Unterlassungsansprüche beträfen ausschließlich unmittelbare Ansprüche der Gesellschaft und damit direkt das Gesellschaftsvermögen. Dafür sei aber das Regime des § 134 AktG vorhanden, aus dem einzelne Aktionäre gerade keine Klagebefugnis ableiten könnten. Mit den Unterlassungsbegehren werde zudem unzulässig in Rechte nicht am Verfahren beteiligter Dritter eingegriffen, denen gegenüber das Urteil keine Rechtskraftwirkung entfalte. Die Inferentinnen könnten die Beklagte ihrerseits klageweise auf Erfüllung des Bezugsrechts in Anspruch nehmen. Bei Erfolg einer solchen Klage könnte die Beklagte einen von den Klägerinnen angestrebten/erwirkten Titel nicht erfüllen, ohne den von den Inferentinnen erwirkten Titel zu verletzen.

[42] Schließlich seien die Unterlassungsbegehren auch noch unschlüssig, unbestimmt und aufgrund des seit Jahrzehnten bestehenden Wissens der Klägerinnen präkludiert.

[43] Die Feststellungsbegehren seien nicht fristgerecht erhoben worden und bereits mangels rechtlichen Interesses unzulässig, weil nicht alle Aktionärinnen am Verfahren beteiligt seien und die Klägerinnen eine Leistungsklage hätten einbringen können, um die angedeuteten möglichen Konsequenzen wie Abberufung, versagte Entlastung oder Schadenersatz geltend zu machen. § 198 AktG, der eine Rechtskrafterstreckung vorsehe, sei nicht anwendbar. Würde man die analoge Anwendbarkeit bejahen, müssten alle Regelungen des Beschlussanfechtungsregimes herangezogen werden. Danach liege grundsätzlich die Anfechtbarkeit und nur in den in § 199 AktG geregelten Ausnahmefällen Nichtigkeit vor. Das Klagebegehren sei daher zu Unrecht auf Feststellung und nicht auf Rechtsgestaltung gerichtet. Selbst wenn ein Nichtigkeitsgrund vorläge, wofür jeder Anhaltspunkt fehle, wäre die Nichtigkeit hinsichtlich der Klagebegehren 9. und 10. bereits gemäß § 200 Abs 2 AktG geheilt, weil die betreffenden Kapitalerhöhungen bereits seit mehr als drei Jahren im Firmenbuch eingetragen seien.

[44] Verletzungen des Bezugs- und Gewinnbezugsrechts der Klägerinnen, der Finanzverfassung der Beklagten und des Gleichbehandlungsgrundsatzes lägen nicht vor. Die 3 Banken seien eigenständige Institute. Behauptungen dazu, dass die 3 Banken und die Holding einander sowohl Mutter als auch Tochter seien, seien schon abstrakt unschlüssig. Eine einheitliche Leitung liege nur vor, wenn sie von einem Institut ausgehen würde. Keiner der Kontrolltatbestände des § 244 Abs 2 UGB sei hinsichtlich der von den Klägerinnen genannten Rechtsträger (auch nicht hinsichtlich der Stiftung und der Genossenschaft) gegeben.

[45] Die an die Inferentinnen übertragenen Aktien seien vollständig einbezahlt gewesen. Die Mehrleistungsthese sei unzutreffend und die wechselseitigen Beteiligungen im gegebenen Ausmaß zulässig. Die bestehenden Rückbeteiligungen repräsentierten auch unter Herausrechnung der mittelbaren Selbstbeteiligung einen weit höheren Wert als im Jahresabschluss ausgewiesen. Außerdem sei ein hohes Agio bezahlt worden. Die Rückbeteiligungen könnten nur für die Gläubiger, nicht aber die Aktionäre der Beklagten mit einem Verwässerungseffekt verbunden sein. Die Anwendung der These einer Mehrzahlungspflicht für wechselseitig beteiligte Aktionäre führe zu einer Schädigung der übrigen Aktionäre der Inferentin zu Gunsten der übrigen Aktionäre der Emittentin. Die von den 3 Banken bisher praktizierte Methode, den Ausgabebetrag für alle Aktionäre in gleicher Höhe festzulegen, stehe nicht nur im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern sei durch diesen sogar geboten.

[46] Durch die Zuschüsse an die Holding sei nicht gegen das Gebot der effektiven Kapitalaufbringung verstoßen worden, zumal die Ausstattung der Holding mit dem für die Teilnahme an den Kapitalerhöhungen der 3 Banken notwendigen Vermögen auch im Wege einer ordentlichen Kapitalerhöhung hätte erfolgen können.

[47] Das Erstgericht setzte den Streitwert für die Klagebegehren zu 8. und 9. (Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse der Verwaltungsorgane bezüglich der Kapitalerhöhungen in den Jahren 2015 und 2017) mit (je) rund 75 Mio EUR sowie jenen zu 10. (Kapitalerhöhung im Jahr 2018) mit rund 51 Mio EUR fest und wies alle Klagebegehren ab.

[48] Es verneinte die Aktivlegitimation der Klägerinnen, sei es doch zu weitgehend, jedem Aktionär bereits aufgrund einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ein Klagerecht zuzugestehen. Dies würde zu einer nahezu uneingeschränkten Individualklagebefugnis gegen Organhandlungen führen. In diesem Fall bestünde die Gefahr, dass Organkapazitäten der Aktiengesellschaften im hohen Maße zur Abwehr von Individualansprüchen aufgewendet werden müssten. Selbst wenn man Individualklagen für zulässig erachten sollte, müssten diese zeitnah zur behaupteten Organpflichtverletzung erhoben werden. Die nun kritisierten Vorgänge seien den Klägerinnen aber seit vielen Jahren bekannt gewesen. Die Hauptunterlassungsbegehren seien überschießend; die dazu gestellten Eventualbegehren dagegen nicht ausreichend bestimmt. Die Feststellungsbegehren seien aufgrund ihrer Subsidiarität zu den wesensgleichen Unterlassungsbegehren unzulässig. Schon mittels dieser würden die angesprochenen Fragen geklärt. Der Beklagten komme gegenüber den Inferentinnen keine beherrschende Rolle zu. Die von den Klägerinnen postulierte Mehrleistungsthese habe keine Grundlage im Gesetz.

[49] Das Berufungsgericht wies den Rekurs gegen die Hinaufsetzung des Streitwerts als unzulässig zurück; der Berufung der Klägerinnen gab es nicht Folge.

[50] Es pflichtete dem Erstgericht darin bei, dass den Klägerinnen für die Begehren (allesamt) die Aktivlegitimation fehle. Ein (teilweiser) Bezugsrechtsausschluss könne nur von der Hauptversammlung beschlossen werden. Behauptete Verletzungen von Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften sowie Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 47a AktG begründeten keinen Individualanspruch auf Unterlassung. Ein Eingriff in die Kompetenz der Hauptversammlung liege nicht vor; eine Überschreitung der Ermächtigungsbeschlüsse sei nicht einmal behauptet worden, vielmehr sei unstrittig, dass eine Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung vorgelegen habe. Soweit Bezugsberechtigungen betroffen seien, hätten die Bezugsberechtigten (daher auch die Nebenintervenientinnen und die Holding) als notwendige Streitgenossen der Beklagten auf Duldung der Unterlassung geklagt werden müssen. Dies gelte (hier: hinsichtlich der notwendigen Streitgenossenschaft mit der Holding) auch für die Begehren auf Unterlassung der Leistung von Zuschüssen an die Holding.

[51] Wenn allfällige Ungleichbehandlungen durch die Gewährung von Zuschüssen zu einem Schaden der Klägerinnen geführt haben sollten, liege ein Reflexschaden aus einem Schaden der Gesellschaft vor. Diese könne die Zahlungen rückfordern; der einzelne Aktionär sei durch § 134 AktG ausreichend geschützt. Da den begehrten Feststellungen die Bindungswirkung nach § 198 AktG nicht zukomme, fehle es wiederum an der Einbeziehung der (notwendigen) Streitgenossen. Eine Anfechtungsmöglichkeit von Beschlüssen der Geschäftsführungsorgane sei gesetzlich nicht vorgesehen. Eine planwidrige Lücke, die durch Analogie zu schließen sei, liege nicht vor. Soweit man dies überhaupt bejahe, käme nur eine Anfechtung nach § 199 Abs 1 Z 3 und Z 4 AktG analog (und unter Anwendung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist nach § 200 Abs 2 AktG) in Betracht.

[52] Auch nach dem Vorbringen der Klägerinnen lasse sich kein Mutter-Tochter-Verhältnis begründen, das das Bezugsrecht nach § 51 Abs 2 AktG ausschließe. Die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung selbst werde von den Klägerinnen nicht in Abrede gestellt, weshalb nicht nachvollziehbar sei, warum die Beschlüsse über die Erhöhung des Grundkapitals nichtig sein sollten. Die zu 9. und 10. erhobenen Klagebegehren seien gemäß § 200 Abs 2 AktG bereits präkludiert.

[53] Zuschüsse an Aktionäre seien mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht unvereinbar, es sei vielmehr so, dass nur dem Vorstand die Leitungs- und Geschäftsführungsbefugnis zukomme und nur er in der Lage sei, solche Geschäfte zu tätigen. Maßgeblich sei nicht, ob die Vorgänge aktienrechtlich unbedenklich seien, sondern dass eine solche Vorgehensweise der Grundstruktur gerade nicht widerspreche. Es fehle den Klägerinnen am rechtlichen Interesse. Der behauptete Schaden durch die Zuschüsse sei bereits eingetreten, sodass die Leistungen nach § 56 AktG zurückgefordert werden könnten, wobei die Klägerinnen über den erforderlichen Minderheitenanteil nach § 134 AktG verfügten.

[54] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil gesicherte Rechtsprechung dazu fehle, ob der Begriff der Mutter- und Tochtergesellschaft im Zusammenhang mit dem Übernahmeverbot des § 51 Abs 2 AktG (nur) nach § 244 UGB zu beurteilen sei, ob wechselseitige Beteiligungen auch ohne Vorliegen des gesetzlich definierten Mutter-Tochter‑Verhältnisses originäre Aktienerwerbsvorgänge (zum Teil) ausschlössen und/oder (welche) Mehrleistungen der Inferentinnen bedingten sowie ob und unter welchen Voraussetzungen Unterlassungsklagen einzelner Aktionäre gegen die Gesellschaft und die Feststellung der Nichtigkeit von Organbeschlüssen möglich seien.

Rechtliche Beurteilung

[55] Der Revisionsrekurs der Klägerinnen ist unzulässig; ihre Revision ist zwar aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs

[56] 1. Die Beklagte bemängelte die mit der Klage vorgenommene Bewertung der Klagebegehren 8. bis 10. (Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse der Verwaltungsorgane betreffend die Kapitalerhöhungen in den Jahren 2015, 2017 und 2018) gemäß § 7 RATG und § 197 Abs 6, § 201 AktG.

[57] Das Erstgericht lehnte eine (analoge) Anwendung von § 197 Abs 6 AktG ab. Es setzte die Streitwerte der Klagebegehren 8. bis 10. gemäß § 7 RATG um ein Vielfaches (ungefähr um das 200fache) höher fest.

[58] Das Gericht zweiter Instanz wies den dagegen erhobenen Rekurs zurück. Es stützte sich einerseits auf den Rechtsmittelausschluss nach § 7 Abs 2 RATG, trat aber andererseits (hinsichtlich der Bemängelung einer angeblich unrichtig unterbliebenen Anwendung des § 197 Abs 6 AktG) nach inhaltlicher Auseinandersetzung der Auffassung des Erstgerichts bei, dass § 197 Abs 6 AktG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei.

[59] 2. Der Revisionsrekurs der Klägerinnen ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig:

[60] Der Ausschluss des Revisionsrekurses im Kostenpunkt wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Er erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen das Rekursgericht in irgendeiner Form über Kosten abspricht (Musger in Fasching/Konecny, IV/1³ [2019] § 528 ZPO Rz 66 mwN). Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung wird mit dem Revisionsrekurs eine Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz „im Kostenpunkt“ nach § 528 Abs 2 Z 3 bekämpft (zu § 197 Abs 6 AktG siehe 6 Ob 539/87; RS0007695; vgl auch Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG³ [2021] § 197 Rz 70; so auch Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG III6 [2019] § 197 Rz 46 für jene Fälle, in denen – wie hier – die Neufestsetzung des Streitwerts ausschließlich Auswirkungen auf die Kosten- und Gebührenbemessung hat). Vom Ausschluss nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO sind sowohl Entscheidungen der zweiten Instanz über die Zulässigkeit eines Rekurses (vgl RS0044963 [T25]) gegen einen Beschluss, mit dem das Erstgericht den Verfahrensgegenstand gemäß § 7 RATG bewertete (RS0120192; RS0044195; RS0044218; RS0044177), als auch eine die Kostenfrage betreffende Entscheidung nach § 197 Abs 6 AktG erfasst.

[61] Wenn das Rekursgericht im Rahmen der Zurückweisung des Rekurses die angefochtene Entscheidung – wie hier zur Anwendung des § 197 Abs 6 AktG – auch inhaltlich geprüft und als richtig befunden hat, liegt darin eine bestätigende Entscheidung nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (RS0044232; RS0044456 [T10]), sodass der Revisionsrekurs auch aus diesem Grund jedenfalls unzulässig ist.

II. Zur Revision

II.1. Unterlassungsbegehren 1.–4. (Teilnahme der Inferentinnen an Kapitalerhöhungen der Beklagten)

[62] Damit streben die Klägerinnen den gänzlichen Ausschluss von (rückbeteiligten) Inferentinnen (so auch der Nebenintervenientinnen und der Holding) von der Teilnahme an Kapitalerhöhungen der Beklagten oder die Minderzuteilung an bzw Mehrleistung durch diese im Rahmen der Teilnahme an Kapitalerhöhungen.

II.1.1. Vorbemerkungen

[63] Das Aktiengesetz sieht drei verschiedene Arten von Kapitalerhöhungen vor:

-) die „normale“ Kapitalerhöhung (§§ 149 bis 158 AktG) aufgrund der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung (mit entsprechenden Mehrheitserfordernissen) unter Änderung der Satzung und nachfolgender Umsetzung des konkreten Hauptversammlungsbeschlusses durch den Vorstand;

-) die bedingte Kapitalerhöhung (§§ 159 bis 168 AktG), bei der das Kapital für einen bestimmten Zweck und umfangsmäßig beschränkt zur Verfügung gestellt wird, und

-) die (hier wesentliche) Kapitalerhöhung mittels genehmigten Kapitals (§§ 169 bis 173 AktG). Dabei überträgt die Hauptversammlung bestimmte Entscheidungskompetenzen mit Ermächtigung an den Vorstand, wobei dies der Zustimmung von mindestens drei Viertel des bei Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedarf (§ 169 Abs 2 AktG). Die Ermächtigung kann sich neben jener, innerhalb bestimmter zeitlicher und betraglicher Grenzen neue Aktien gegen Einlagen auszugeben, etwa auch auf die Beschlussfassung zum Ausschluss des Bezugsrechts oder die Ermächtigung, bedingt genehmigtes Kapital einzuräumen, beziehen. Durch die Ermächtigung zur Ausgabe von genehmigtem Kapital soll dem Vorstand ermöglicht werden, rasch auf Investitionschancen zu reagieren. Die Durchführung der Kapitalerhöhung wird damit technisch zu einer Maßnahme der Geschäftsführung. Im Gegensatz zur ordentlichen Kapitalerhöhung muss (womit eine Kontrollmaßnahme eingezogen ist) beim genehmigten Kapital der Aufsichtsrat der Durchführung der Kapitalerhöhung zustimmen (§ 169 Abs 3 AktG). Nach Vorliegen des Vorstandsbeschlusses und der Zustimmung des Aufsichtsrats richtet sich der weitere Ablauf des genehmigten Kapitals nach dem Verfahren der ordentlichen Kapitalerhöhung (§ 170 Abs 1 AktG).

[64] Das Recht des Aktionärs, „auf sein Verlangen“ einen seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechenden Teil der neuen Aktien zugeteilt zu erhalten (das Bezugsrechtsrecht nach § 153 Abs 1 AktG), ist ein wesentlicher Bestandteil seines Mitgliedschaftsrechts (Nagele/Lux in Artmann/Karollus, AktG III6 [2019] § 153 Rz 1). Es kann aber ausgeschlossen werden; entweder schon im Rahmen der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung oder später durch den Vorstand, aber nur aufgrund einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung, wobei zwar keine konkreten Gründe für die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss angegeben werden müssen, jedoch abstrakte Zielbestimmungen, an denen ermessen werden kann, ob die abstrakt beschriebene Maßnahme überhaupt im Gesellschaftsinteresse liegen kann. Die Vorstandsentscheidung über den Ausschluss muss im Interesse der Gesellschaft liegen, darüber hinaus aber auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein; die im Bericht (vgl § 153 Abs 4, § 171 Abs 1 AktG) genannten Gründe sind bindend. Ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung muss die Verwaltung die Kapitalerhöhung unterlassen oder unter Wahrung des gesetzlichen Bezugsrechts vornehmen (Winner/Obradović in MünchKomm AktG5 [2021] § 203 Rz 197 ff, 208; s dazu Nagele/Lux in Artmann/Karollus, Aktiengesetz III6 [2019] § 159 Rz 18).

[65] Die Klägerinnen meinen, in ein Bezugsrecht der Inferentinnen werde bei deren Ausschluss nicht eingegriffen. Diese hätten – wegen des Gebots der effektiven Kapitalaufbringung, weil wechselseitige Beteiligungen per se unzulässig seien und die Inferentinnen dem Zeichnungsverbot nach § 51 Abs 2 AktG unterlägen – gar kein Bezugsrecht. Bei einer Ringbeteiligung werde die einheitliche Leitung nicht durch ein anderes herrschendes Unternehmen vermittelt, sondern es sei „der Ring“ sozusagen (selbst) die einheitliche Leitung des von den 3 Banken (im Verband mit der Holding) in wirtschaftlicher und faktischer Hinsicht gebildeten Gesamtunternehmens, das mit einer einfach abgestuften Konzernverbindung, bestehend aus einer konzernleitenden Holding mit zahlreichen Tochtergesellschaften, vergleichbar sei. Hinsichtlich des Gläubigerschutzes sei das Gefährdungspotential durch Kapitalverwässerung bei einem „Mehrmütterverhältnis“, wie es in dem von den 3 Banken errichteten Konstrukt liege, sogar noch höher. Jedenfalls seien den Inferentinnen aufgrund der Rückbeteiligung entweder weniger Aktien zuzuteilen oder von ihnen eine Mehrleistung dafür abzuverlangen.

[66] Die Aktionärsklage halten die Klägerinnen unter Berufung auf deutsche Rechtsprechung und Lehre dann für zulässig, wenn Vorstand und Aufsichtsrat in individuelle Aktionärsrechte eingegriffen hätten.

[67] Die Beklagte tritt dem mit ihren bisherigen Argumenten zu notwendiger Streitgenossenschaft, unbestimmten und überschießenden Klagebegehren, entgegen, vor allem aber mit der Verneinung eines Zeichnungsverbots. Die Inferentinnen seien keine „Tochterunternehmen“ und die Mehrleistungsthese unzutreffend. Abgesehen davon sei eine Mehrleistung durch das Agio ohnehin erbracht worden.

[68] Das vorliegende Verfahren reiht sich als eines von vielen in die seit Jahren ausgetragenen Auseinandersetzungen der Parteien und Nebenintervenientinnen ein.

[69] Von den in den Jahren 2019 und 2020 eingebrachten Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Hauptversammlungen wurden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) fünf bis zur rechtskräftigen Erledigung des anhängigen Übernahmeverfahrens unterbrochen; eine weitere wurde zurückgezogen. In dem über Antrag der Klägerinnen eingeleiteten Verfahren gemäß §§ 29, 33 ÜbG gegen die Beklagte und die beiden Nebenintervenientinnen (das im Kern Vorgänge rund um die Gründung der Holding betrifft) wurde das Beweisaufnahmeverfahren vor der Übernahmekommission geschlossen; die Entscheidung steht aber noch aus. In ihrem Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens vertraten die Klägerinnen den (ganz anderen) Standpunkt (als hier), die Beklagte und die Nebenintervenientinnen seien rechtlich selbständige und voneinander unabhängige Kreditinstitute, sie bildeten lediglich im Hinblick auf unterschiedliche Zielgesellschaften mit unterschiedlichen Partnern Syndikate, stünden nicht unter einheitlicher Leitung iSd § 244 UGB und hätten keine Kontrolle durch gemeinsam kontrollierende Rechtsträger, es gäbe kein Konstrukt der „3 Banken“. Die Anträge auf Einleitung einer Sonderprüfung bei der Beklagten und der Zweitnebenintervenientin wurden rechtskräftig abgewiesen (6 Ob 93/20z; 6 Ob 205/20w); ein weiterer Sonderprüfungsantrag gegen die Erstnebenintervenientin wurde teilweise rechtskräftig abgewiesen und das Verfahren im Übrigen bis zur Erledigung eines bestimmten Beschlussanfechtungsverfahrens unterbrochen. Die – zuvor schon erwähnten – Schiedsklagen scheiterten (18 OCg 3/00w; 18 OCg 2/00y), wobei bisher in keinem der genannten Verfahren vom Obersten Gerichtshof auf Zeichnungsverbot oder „Mehrleistungsthese“ einzugehen war.

[70] Die Parteien vertreten ihre diametralen Rechtsstandpunkte vehement („Einlagenkarussell“, „Missbrauch“, „inszeniertes Schiedsverfahren“, „Tatplan“ versus „schikanöse Klagsführung“, „maximale Druckausübung über die FMA“, „Krieg erklärt“). Dazu ist festzuhalten, dass sich in diese Richtung gehendes (doloses) Verhalten dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen lässt. Insbesondere sind weder „missbräuchliches Zusammenwirken“ noch eine „Scheinwidmung“ des Zuschusses im Jahr 2018 festgestellt.

[71] In ihrer Auseinandersetzung (vor allem zur bisher vom Obersten Gerichtshof nicht beantworteten Frage des Erfordernisses einer Mehrleistung) werden beide Seiten durch Rechtsgutachten unterstützt und seit Jahren in Fachzeitschriften begleitet (Gutachten: Cahn Beil ./EP; Rüffler Beil ./EQ, Beil ./FN [auf Seiten der Klägerinnen]; Karollus Beil ./25; Artmann Beil ./30; Koch Beil ./42 und ./70; U. Torggler Beil ./43 und ./53; Ekkenga Beil ./47; Schopper Beil ./48 [auf Seiten der Beklagten]; Fachartikel: Cahn, Wechselseitige Beteiligungen – komplizierte Details, einfache Grundfragen, ecolex 2023, 217; Koppensteiner, Gemeinschaftsunternehmen im Normenvergleich, wbl 2020, 241; ders, Eigene Anteile und wechselseitige Beteiligungen im Aktienrecht, GES 2020, 227; ders, Nachtrag zur Problematik wechselseitiger Beteiligungen im Aktienrecht, GES 2020, 300 [„Anfrage aus der Praxis“]; Mock, Gläubiger- und Aktionärsschutz bei der Festsetzung von Ausgabebeträgen bei wechselseitigen Beteiligungen, GES 2021, 5 [„Anfrage aus der Praxis“]; ders, Gläubiger‑ und Minderheitenschutz im Ringbeteiligungskonzern, wbl 2021, 678 ff; ders, Der Ausgabebetrag bei wechselseitigen Beteiligungen – eine Rechtsfrage! Zugleich Replik auf Aschauer/Eckert, RWZ 2022/21, RWZ 2022/31; Rüffler/Cahn, Kapitalaufbringung bei wechselseitigen Beteiligungen – zugleich eine Erwiderung auf Karollus, GesRZ 2020, 169, GesRZ 2020, 242; Rüffler/Vanas, Zur Berechnung des Ausgabekurses bei Kapitalerhöhungen in wechselseitigen Beteiligungen, GES 2022, 135 [auf Seiten der Klägerinnen]; Artmann, Der Erwerb eigener Anteile durch gemeinsam beherrschte Unternehmen, wbl 2021, 61; Aschauer/Eckert, Zur Festlegung des Ausgabekurses bei wechselseitigen Beteiligungen – Zugleich ein Beitrag zur Bewertung wechselseitiger Beteiligungen, RWZ 2022/21; dies,Replik zu Mock, RWZ 2022/31, RWZ 2022/48; Eckert/Schopper, Kapitalaufbringung bei wechselseitigen Beteiligungen, GesRZ 2020, 381; Hayden/U. Torggler, Erstreckung des Verbots des Erwerbs eigener Anteile [§ 51 Abs 2 und § 66 AktG]; „Gemeinschaftsunternehmen“, GesRZ 2022, 58; Karollus, Wider die Mehrleistungsthese für Kapitalerhöhungen bei wechselseitiger Beteiligung! GesRZ 2020, 169).

[72] Ob die Aktionärsklage als Mittel der Unterbindung von Verwaltungshandeln des Vorstands und Aufsichtsrats zulässig ist, ist in Österreich ungeklärt.

[73] Zu bedenken wäre dabei, dass einerseits der Schutz einzelner Aktionäre im Aktiengesetz schwach ausgeprägt ist und der Verwaltung bei Ausnutzung genehmigten Kapitals gewöhnlich bei der Hauptversammlung liegende Entscheidungsbefugnisse delegiert wurden. Hinsichtlich der von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse stünde dem Aktionär als Abhilfe gegen deren Fehlerhaftigkeit das Beschlussmängelrecht zur Verfügung (damit allerdings auch bei der „normalen“ Kapitalerhöhung nur gegen die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung an sich, nicht aber gegen daran anschließendes Verwaltungshandeln). Andererseits fiele ins Gewicht, dass die Aktionäre – in Kenntnis des im Aktiengesetz nur für Beschlüsse der Hauptversammlung eingerichteten Beschlussmängelrechts – mit ihrem (eines hohen Quorums bedürftigen) Ermächtigungsbeschluss (von mindestens 75 %) die Entscheidung bewusst aus der Hand gegeben haben. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass in den Erläuterungen zum Aktienoptionengesetz 2001 (BGBl I 2001/42 – AOG 2001) eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsschutz gegen fehlerhafte Beschlüsse der Verwaltungsorgane stattfand, (aber) „der Entwurf einzelnen oder Gruppen von Aktionären“ besondere „optionsspezifische Kontrollrechte (insbesondere eigene Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche bei Fehlerhaftigkeit)“ nach den Gesetzesmaterialien nicht einräumte, sondern bloß auf die Geltung von „allgemeinen aktienrechtlichen Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre gegenüber Organbeschlüssen“ verwiesen wurde (ErläutRV 485 BlgNR 21. GP  9). Der Unterschied zwischen genehmigtem bedingtem Kapital und genehmigtem Kapital liegt in der Bedarfsabhängigkeit für bestimmte, gesetzlich determinierte Zwecke unter quantitativen Beschränkungen. Er besteht aber nicht hinsichtlich des grundsätzlichen Ablaufs (Ermächtigungsbeschluss durch die Hauptversammlung, Durchführung durch den Vorstand), welcher Umstand nach dem Vorbringen der Klägerinnen jedoch zu einer (zumal nur diese maßgeblich wäre: unbeabsichtigten) – und durch die Unterlassungsklage (und Feststellungsklage) zu korrigierenden – Rechtsschutzlücke führen soll.

[74] Verneinte man schon unter diesem Gesichtspunkt das Bestehen eines subjektiven Rechts, das dem einzelnen Aktionär die Befugnis verleiht, die Unterlassung einer bestimmten Beschlussfassung durch Vorstand und Aufsichtsrat bei Durchführung der Kapitalerhöhung im Rahmen von genehmigtem Kapital zu verlangen, wäre auf die Prüfung der von den Parteien aufgeworfenen materiell‑rechtlichen Fragen zur Auslegung des Zeichnungsverbots, der Zulässigkeit von wechselseitigen Beteiligungen und der Minderzeichnungs-/Mehrleistungsthese (wie schon in den zuvor genannten Verfahren) nicht einzugehen. Im Folgenden wird an erster Stelle auf die Berechtigung des Standpunkts der Klägerinnen zu Zeichnungsverbot, wechselseitiger bzw Ringbeteiligung und Minderzeichnungs-/Mehrleistungsthese gestützt vor allem auf die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung sowie das Gleichbehandlungsgebot eingegangen:

II.1.2. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung

[75] Gläubiger können bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich nur die Gesellschaft in Anspruch nehmen (§ 61 Abs 2 GmbHG, § 48 AktG). Das macht es aus Gläubigerschutzerwägungen notwendig, einen Mindestfonds zu schaffen und zu erhalten. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sind daher wesentliche Prinzipien des Rechts von Kapitalgesellschaften (zur unionsrechtlichen Grundlagevgl dazu etwa Art 11 b. iv; Art 56 Abs 1 bis 4; ErwGr 3 und 40 ff der Richtlinie [EU] 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 7. 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts).

[76] Etliche Regelungen, besonders im Zweiten Teil des Aktiengesetzes (über die „Gründung der Gesellschaft“ und die „Gründungsprüfung“) verfolgen daher den Zweck, die (reale) Kapitalaufbringung sicherzustellen, wobei die Regelungen über Mindestsummen (§§ 7 ff AktG) und die zentrale Pflicht der Einlageleistung (§§ 28a, 60 AktG) durch Haftungsregelungen ergänzt werden (§§ 39 ff AktG). Die einmal getätigten Einlagen der Gesellschafter sollen nicht „zurückfließen“. Sie dürfen nicht zurückgezahlt werden (§ 52 Satz 1 AktG; Verbot der Einlagenrückgewähr), wären doch ansonsten die Regelungen über die Kapitalaufbringung konterkariert. Begleitet werden die diesbezüglichen Regelungen des Aktiengesetzes hinsichtlich der Leistungen der Gesellschafter überdies durch die Normen des EKEG (Behandlung der Darlehen eines Gesellschafters an die in der Krise befindliche Gesellschaft als Eigenkapital, womit grundsätzlich eine Rückzahlungssperre [§ 14 EKEG] verbunden ist, solange die Gesellschaft nicht saniert ist) und der IO (Nachrangigkeit: § 57a IO). Auf das – hier zentral zu behandelnde – Verbot der Zeichnung eigener Aktien nach § 51 AktG (ein ähnliches Verbot betrifft den derivativen Erwerb: §§ 65 ff AktG; vgl zu deren nun geltenden europarechtlichen Grundlagen Abschnitt 4 [Art 59 ff] der RL [EU] 2017/1132) wird noch gesondert eingegangen.

II.1.3. Verwässerung

[77] An etlichen Stellen ihrer Ausführungen beschäftigen sich die Parteien mit der Gefahr der „Verwässerung“ und daraus angeblich folgenden (von der Gegenseite aber verneinten) Konsequenzen.

[78] Mit dem Begriff „Kapitalverwässerung“ werden durchaus unterschiedliche Phänomene bezeichnet. Grundsätzlich geht es um „Entwertungen“ unter verschiedenen Blickwinkeln. So bezeichnet Schopper etwa den Vorgang, dass beim Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft selbst der Aktiengesellschaft die für die übernommene Aktie versprochene Einlage nicht in voller Höhe des Ausgabebetrags neu zugeführt wird, sondern (teilweise) bereits vorhandenes Kapital der Gesellschaft bloß umgeschichtet wird, als „Kapitalverwässerungseffekt“ (Schopper in Artmann/Karollus, AktG I6 [2018] § 51 Rz 1; vgl auch Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 5 KapBG Rz 59 [umgekehrt] zu den Folgen einer Nichtteilnahme der eigenen Aktien an der Kapitalberichtigung). Dadurch kann der Gläubigerschutz beeinträchtigt sein.

[79] Die – nicht mit einer Verringerung des Gesellschaftsvermögens einhergehende – Veränderung der Kapital‑ und Gewinnverhältnisse (nicht zum Nachteil von Gläubigern, aber) zu Lasten der nicht teilnehmenden Altaktionäre an der Kapitalerhöhung wird ebenso als Verwässerung („der Beteiligungsquote“ [mit Blickpunkt auf diese]) tituliert (siehe Nagele/Lux in Artmann/Karollus, AktG III6 [2019] § 149 Rz 4]). Diese „Entwertung“ kann auch noch durch eine unangemessen niedrige Festsetzung des Bezugspreises verschärft werden. Dann kommt es dadurch, dass die neu hinzutretenden Aktionäre gegenüber den (vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Altaktionären) etwa nur einen Wert, der zwar dem Nominale der Kapitalerhöhung entsprechen mag (oder nur geringfügig darüber liegt), nicht aber einen Wert, wie er dem Wert der Gesellschaft unter Berücksichtigung der neuen Beteiligungsverhältnisse entspräche, leisten müssen, zu einer noch schwerwiegenderen „Verwässerung der Mitgliedschaft“ (Diregger in U. Torggler, GmbHG [2014] § 52 Rz 15; Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 153 Rz 1, 16 [„Kursverwässerung“ bzw „Wertverwässerung“]).

[80] Der Begriff „Verwässerung“ kann daher unterschiedliche Gesichtspunkte im Auge haben (Gläubigerschutz, Vermögensrecht oder Beteiligungsquote der Aktionäre). Inhaltlich geht es aber letztlich immer um eine Wertminderung des jeweiligen Anteils am Unternehmen mit Folgen für Stimmgewicht (siehe zum Verlust der Herrschaftsmacht mit etwaigem Verlust von Minderheitenrechten Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 153 Rz 1), Wert der Beteiligung und Ausmaß der Dividende.

II.1.4. Verbot der Zeichnung eigener Aktien

[81] II.1.4.1. Der Effekt der Verwässerung durch den Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft selbst ist als Problemstellung im Aktienrecht schon längst bekannt. Das Verbot der Zeichnung eigener Aktien dient ganz zentral dem Schutz vor Verwässerung durch bloße Umschichtung bereits vorhandenen Kapitals ohne Aufbringung „neuer“ Mittel. § 51 AktG normiert dementsprechend und aus diesem Grund, dass die Gesellschaft keine eigenen Aktien zeichnen darf (Abs 1 leg cit).

[82] II.1.4.2. Die(aktuell auf der Erlaubnis nach Art 67 der Richtlinie [EU] 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 7. 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts beruhende) Regelung des § 51 Abs 2 AktG, wonach

„ein Tochterunternehmen (§ 189a Z 7 UGB) [...] als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines Bezugsrechts gemäß § 165 eine Aktie der Gesellschaft nicht übernehmen [darf]“,

 

soll eine Umgehung von § 51 Abs 1 AktG durch Schaffung einer von der Aktiengesellschaft zwar rechtlich getrennten juristischen Person, die aber wirtschaftlich gesehen ihr Kapital aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft (zumindest bis zu einem bestimmten Ausmaß) aufgebracht hat, vermeiden (vgl „Umgehungstatbestände“ bei Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG³ [2021] § 51 Rz 17). Die Zeichnung von Aktien der Gesellschaft durch eine 100 %ige Tochtergesellschaft bedeutete nämlich, dass die Aktien aus einem Vermögen angeschafft werden, das der Gesellschaft wirtschaftlich betrachtet schon zur Gänze gehört. Neben dieser Zweckverfolgung der effektiven Kapitalaufbringung (die auf die [wirtschaftliche] Beteiligung abstellt) sollen auch andere negative Effekte, wie etwa der Schutz vor der (eigenen) Verwaltungsherrschaft, wie sich aus der Weiterverweisung von § 51 Abs 2 AktG über § 189a Z 7 UGB auf den Tatbestand der Beherrschung nach § 244 UGB ergibt, hintangehalten werden (vgl zu den Zwecken der Norm auch: „um das Kapital vollständig zu erhalten und die Gleichbehandlung der Aktionäre zu gewährleisten“ in ErwGr 1 der RL 92/101/EWG ).

[83] § 189a Z 7 UGB definiert „Tochterunternehmen“ (Hervorhebungen durch Unterstreichungen in Gesetzeszitaten jeweils durch den erkennenden Senat) als

„ein Unternehmen, das von einem Mutterunternehmen im Sinn des § 244 unmittelbar oder mittelbar beherrscht wird“.

 

[84] § 244 Abs 1, 2, 4 und 5 UGB lauten (soweit hier von Interesse):

„(1) Stehen Unternehmen unter der einheitlichen Leitung einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland, so haben die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens einen Konzernabschluss […] aufzustellen [...]

(2) Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland ist stets zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichtes verpflichtet (Mutterunternehmen), wenn ihr bei einem Unternehmen (Tochterunternehmen)

1. die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht,

2. das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und sie gleichzeitig Gesellschafter ist oder

3. das Recht zusteht, einen beherrschenden Einfluß auszuüben, oder

4. auf Grund eines Vertrages mit einem oder mehreren Gesellschaftern des Tochterunternehmens das Recht zur Entscheidung zusteht, wie Stimmrechte der Gesellschafter, soweit sie mit ihren eigenen Stimmrechten zur Erreichung der Mehrheit aller Stimmen erforderlich sind, bei Bestellung oder Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- oder eines Aufsichtsorgans auszuüben sind.

[...]

(4) Als Rechte, die einem Mutterunternehmen zustehen, gelten auch die Rechte eines anderen Tochterunternehmens oder von Personen, die für Rechnung des Mutterunternehmens oder eines anderen Tochterunternehmens handeln. Abzuziehen sind die Rechte, die mit Anteilen verbunden sind, die

1. vom Mutterunternehmen oder einem Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden oder

2. als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für eine Kreditgewährung hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden.

(5) Bei Ermittlung der Mehrheit der Stimmrechte sind von der Zahl aller Stimmrechte die Stimmrechte aus eigenen Anteilen abzuziehen, die dem Tochterunternehmen selbst, einem seiner Tochterunternehmen oder einer anderen Person für Rechnung dieser Unternehmen gehören.“

 

[85] II.1.4.3. Für Aktien, die entgegen § 51 AktG (auch über ein Tochterunternehmen) unzulässigerweise übernommen oder erworben wurden, wird in der Literatur auf die analoge Anwendung der Regeln bei unzulässigem Erwerb eigener Aktien, welcher nämlich nur in engen Grenzen (vgl § 65 Abs 1 bis 2 AktG und der Höhe nach bis maximal 10 % des Grundkapitals) erlaubt ist, verwiesen. Unzulässig erworbene Aktien sind danach binnen Jahresfrist zu veräußern (vgl § 65a Abs 1 AktG [analog]). Auch eine schadenersatzrechtliche Haftung der Vorstands- und eventuell der Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft kommt in Betracht (Schopper in Artmann/Karollus, AktG I6 [2018] § 51 Rz 4).

II.1.4.4. Ergebnis

[86] Wesentlich ist, dass § 51 AktG nach seinem telos (auch) vor Verwässerung schützen soll, dabei aber eben eine Grenze in Form des Erwerbs durch ein „Tochterunternehmen“ zieht. Hätte jegliche Form der durch Beteiligung des Zeichners bewirkten Kapitalverwässerung vermieden werden wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, jedes Unternehmen, an dem die Gesellschaft (in irgendeiner, noch so geringen Form) beteiligt ist, von der Zeichnung von Aktien dieser Gesellschaft auszuschließen. Dies ist aber nicht erfolgt. Die Grenzziehung in § 51 Abs 2 AktG ist als Wertung des Gesetzgebers vor dem Hintergrund des Verwässerungsschutzes zu achten. Die Zeichnung von Aktien durch Unternehmen, die keine Tochterunternehmen iSd § 51 Abs 2 AktG sind, ist nicht (schon bei jedweder Beteiligung) verboten.

II.1.5. Tochterunternehmen iSd § 51 Abs 2 AktG

[87] II.1.5.1. Zentrale Bedeutung für den Rechtsstreit nimmt daher die Frage ein, welche Verbindung zwischen der Aktiengesellschaft und einem Unternehmen das Bestehen des in § 51 Abs 2 AktG angesprochenen Mutter-Tochter-Verhältnisses schafft.

[88] Die Klägerinnen meinen, der Normzweck von § 51 Abs 2 AktG verlange, dass sich das Übernahmeverbot an „abhängige“ Unternehmen richte, wobei auch eine mehrfache Abhängigkeit bzw gemeinsame Beherrschung („Mehrmütterschaft“) bestehen könne und angesichts des Normzwecks auch genügen müsse. Der Begriff „Tochterunternehmen“ sei daher in diesem Sinne zu verstehen. Die 3 Banken und die Holding seien durch den „Ring“ so miteinander verknüpft, dass sie einander gleichzeitig wechselseitig beherrschten und beherrscht werden.

[89] Die Beklagte beschränkt das Verbot auf das Vorliegen von Beherrschung (und damit eines Mutter-Tochter-Verhältnisses). Weder lägen einheitliche Leitung (§ 244 Abs 1 UGB) noch einer der Control-Tatbestände vor (§ 244 Abs 2 UGB).

II.1.5.2. Genese von § 51 AktG, § 189a Z 7 und § 244 UGB

[90] II.1.5.2.1. Das in § 51 Abs 2 AktG normierte Zeichnungsverbot bezog sich ursprünglich auf „ein abhängiges Unternehmen“ (in der Stammfassung BGBl 1965/98). Dabei blieb es bis zur Novellierung mit dem EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (BGBl 1996/304 – EU-GesRÄG). Seither sind (zuerst über § 228 Abs 3 HGB und später über § 189a Z 7 UGB) „Tochterunternehmen“ unter Verweis auf § 244 UGB vom Zeichnungsverbot erfasst (in den weiteren Ausführungen wird zur Vereinfachung nur die Bezeichnung UGB [auch bezüglich der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Handelsrechts-Änderungsgesetzes BGBl I 2005/120 – HaRÄG, mit dem das HGB zum UGB wurde] weitergeführt).

II.1.5.2.2. Rechnungslegungsgesetz (BGBl 1990/475 – RLG)

[91] § 228 UGB – ebenso wie die im Kontext interessierenden §§ 244 und 262 UGB – hatte der Gesetzgeber erst kurz davor und anlässlich der Anpassung der Rechnungslegungsvorschriften an die Bilanz-RL mit dem RLG allesamt gleichzeitig im Blick gehabt, als er – als Komplementärtatbestand zur Vollkonsolidierung – in § 262 UGB die bloß anteilsmäßige Konsolidierung von gemeinsam geführten Unternehmen normiert hatte.

[92] Er unterschied einerseits zwischen Vollkonsolidierung (§ 244 UGB) und Quotenkonsolidierung (§ 262 UGB; vgl dessen Abs 1 mit Geltung ab 1. 1. 1994:

„Führt ein in einen Konzernabschluß einbezogenes Mutter- oder Tochterunternehmen ein anderes Unternehmen gemeinsam mit einem oder mehreren nicht in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen, so darf das andere Unternehmen in den Konzernabschluß entsprechend den Anteilen am Kapital einbezogen werden, die dem Mutter- oder dem Tochterunternehmen gehören“).

 

[93] Weiters wurde § 240 UGB (Pflichtangaben bei Aktiengesellschaften) neu geschaffen und in Z 9 normiert, dass das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung (§ 228 Abs 1 UGB) unter Angabe des beteiligten Unternehmens im Anhang anzuführen ist. Auch hatte eine Aktiengesellschaft gemäß § 277 Abs 4 UGB, sofern sie ein verbundenes Unternehmen gemäß § 228 Abs 3 UGB war, mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses bekanntzumachen, welchem Konzern sie angehörte.

[94] Die hier besonders interessierenden Bestimmungen des § 228 Abs 3 und § 244 Abs 1 und 2 UGB wurden damals wie folgt gefasst:

§ 228 Abs 3 UGB:

„Verbundene Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften sind solche Unternehmen, die nach den Vorschriften über die vollständige Zusammenfassung der Jahresabschlüsse verbundener Unternehmen (Vollkonsolidierung) in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens gemäß § 244 einzubeziehen sind, das als oberstes Mutterunternehmen den am weitestgehenden Konzernabschluss gemäß §§ 244 bis 267 aufzustellen hat, auch wenn die Aufstellung unterbleibt. Dies gilt sinngemäß, wenn das oberste Mutterunternehmen seinen Sitz im Ausland hat. Tochterunternehmen, die gemäß §§ 248 oder 249 nicht einbezogen werden, sind ebenfalls verbundene Unternehmen.“

 

§ 244 Abs 1 und 2 UGB:

„(1) Stehen Unternehmen unter der einheitlichen Leitung einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland und gehört dem Mutterunternehmen eine Beteiligung gemäß § 228 an dem oder den anderen unter der einheitlichen Leitung stehenden Unternehmen (Tochterunternehmen), so haben die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens einen Konzernabschluß und einen Konzernlagebericht aufzustellen sowie dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung (Generalversammlung) des Mutterunternehmens innerhalb der für die Vorlage des Jahresabschlusses geltenden Fristen vorzulegen. Der Konzernabschluß und der Konzernlagebericht sind der Hauptversammlung zusammen mit dem Jahresabschluß des Mutterunternehmens vorzulegen.

(2) Ein Konzernabschluß und ein Konzernlagebericht sind auch aufzustellen, wenn das Mutterunternehmen an einem oder mehreren anderen Unternehmen beteiligt ist (§ 228) und ihm bei diesem Unternehmen (Tochterunternehmen)

1. die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht,

2. das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen,

3. das Recht zusteht, einen beherrschenden Einfluß auszuüben oder

4. auf Grund eines Vertrages mit einem oder mehreren Gesellschaftern des Tochterunternehmens das Recht zur Entscheidung zusteht, wie Stimmrechte der Gesellschafter, soweit sie mit ihren eigenen Stimmrechten zur Erreichung der Mehrheit aller Stimmen erforderlich sind, bei Bestellung oder Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- oder eines Aufsichtsorgans auszuüben sind.“

 

[95] Von der Einbeziehung eines Gleichordnungskonzerns war ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 244 UGB ausdrücklich und bewusst abgesehen, der Unterschied der vorgenommenen Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlichen Schutzzielen und von Abs 1 leg cit zu § 15 Abs 1 AktG 1965 und § 115 Abs 1 GmbHG erkannt (ErläutRV 1270 BlgNR 17. GP  61) und die Bedeutung von § 262 UGB „praktisch nur“ für Gemeinschaftsunternehmen, „bei denen keiner der Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar mit mehr als der Hälfte des Kapitals beteiligt ist und bei denen überdies nicht die Equity-Methode (§ 263) praktiziert wird“, gesehen worden (ErläutRV aaO 66). Der mit dem RLG eingeführte § 247 Abs 1 UGB umschrieb den Konsolidierungskreis als „das Mutterunternehmen und alle Tochterunternehmen“.

[96] „Verbundene Unternehmen“ hatten ihre Grundlage in Art 41 iVm Art 1 Abs 1 lit a) und b) sowie d) bb) Konzern-RL (83/349/EWG ), wofür als Voraussetzung (immer in der Einzahl und auf unilaterale Beherrschung abstellend) gefordert wurde, dass dieses Unternehmen (Mutterunternehmen)

a) die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines Unternehmens (Tochterunternehmens) hat oder

b) das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans eines Unternehmens (Tochterunternehmens) zu bestellen oder abzuberufen und gleichzeitig Aktionär oder Gesellschafter dieses Unternehmens ist

oder

[...]

d) bb) aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses Unternehmens allein über die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter dieses Unternehmens (Tochterunternehmens) verfügt.

 

II.1.5.2.3. EU-Gesellschaftsrechtsänderungs-gesetz (BGBl 1996/304 – EU-GesRÄG)

[97] Mit dem EU-GesRÄG wurde auf die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben durch Europarecht reagiert und bei Novellierung von § 51 AktG ausdrücklich auf Art 18 und 24a der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 13. 12. 1976 (RL 77/91/EWG – Kapital-RL; geändert durch die Richtlinie 92/101/EWG des Rates vom 23. November 1992 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG über die Gründung der Aktiengesellschaft sowie die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals) Bezug genommen. Zu Art 24a war bei seiner Einfügung durch die RL 92/101/EWG ausgeführt worden:

„Um das gezeichnete Kapital vollständig zu erhalten und die Gleichbehandlung der Aktionäre zu gewährleisten, beschränkt die Richtlinie 77/91/EWG die Möglichkeit für eine Aktiengesellschaft, ihre eigenen Aktien zu erwerben. […] Um zu verhindern, daß sich eine Aktiengesellschaft einer anderen Gesellschaft, in der sie über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt oder auf die sie einen beherrschenden Einfluß ausüben kann, bedient, um eigene Aktien zu erwerben, ohne die hierfür vorgesehenen Beschränkungen zu beachten, sind die Vorschriften für den Erwerb eigener Aktien durch eine Gesellschaft auf die wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Fälle des Erwerbs von Aktien durch diese andere Gesellschaft auszudehnen. Diese Regelung sollte auch auf die Zeichnung von Aktien der Aktiengesellschaft erstreckt werden. […] Besteht zwischen der Aktiengesellschaft und der anderen Gesellschaft im Sinne des dritten Erwägungsgrundes nur ein mittelbares Verhältnis, so erscheint es gerechtfertigt, die anwendbaren Bestimmungen flexibler als bei einem unmittelbaren Verhältnis zu gestalten, indem vorgesehen wird, daß die Aussetzung der Stimmrechte als Mindestmaßnahme zur Verwirklichung der Ziele der vorliegenden Richtlinie vorgesehen wird.“

 

[98] Die „Selbstverständlichkeit“ (Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG³ [2021] § 51 Rz 5) des Verbots der Zeichnung eigener Aktien wurde anlässlich des EU‑GesRÄG ausdrücklich im Gesetz verankert (§ 51 Abs 1 AktG).

[99] Das (bis dahin bestandene) Verbot in Abs 2 legcit der Zeichnung von Aktien durch ein „abhängiges Unternehmen“ wurde in eines durch ein „Tochterunternehmen“ abgeändert und für dieses nicht auf ein Konzernunternehmen nach (dem unverändert gebliebenen) § 15 AktG verwiesen, sondern ausdrücklich auf § 228 Abs 3 UGB, welche Bestimmung ihrerseits wiederum auf § 244 UGB (und nicht auf § 262 UGB) verwies. § 15 AktG wurde damals aber wiederum nicht etwa übersehen (was ja auch nicht anlässlich des RLG der Fall gewesen war), sondern explizit in den Gesetzesmaterialien erwähnt (ErläutRV 32 BlgNR 20. GP  81);so etwa auch bei der Neuregelung der Bestimmung über den (derivativen) Erwerb (§ 66 AktG), anlässlich deren Novellierung ausgeführt wurde, dass die (bis dahin) geltende Fassung inhaltlich auf § 15 AktG Bezug nehme. Für die Neufassung wurde aber auf den „Konzerntatbestand des § 228 Abs 3“ UGB zurückgegriffen (ErläutRV 32 BlgNR 20. GP  88). Bereits damals wurde also (wie heute) auf Normen des Dritten Buchs des UGB und damit auf Bestimmungen über die Rechnungslegung verwiesen.

[100] Die kurz zuvor mit dem RLG (zur Unterscheidung zwischen anteilsmäßiger und Vollkonsolidierung) geschaffene Gesetzeslage konnte (in Bezug auf §§ 228, 244 UGB) nicht aus dem Blickfeld geraten sein, wurden doch §§ 228, 244 UGB ebenfalls novelliert. In § 228 Abs 1 UGB wurde dieGrenze für die Annahme des Bestehens einer „Beteiligung“ (worunter „Anteile an anderen Unternehmen, die bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch eine dauernde Verbindung zu dienen“, verstanden wurden) „im Zweifel“ (von 25 %) auf 20 % herabgesetzt.

[101] § 228 Abs 3 und § 244 Abs 1 UGB blieben unverändert.

[102] Dagegen wurde in § 244 Abs 2 UGB das Beteiligungserfordernis als Voraussetzung für das Bestehen von Control-Tatbeständen nach Abs 2 mit folgendem (Eingangs-)Wortlaut

(„Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland ist stets zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichtes verpflichtet (Mutterunternehmen), wenn ihr bei einem Unternehmen (Tochterunternehmen)

1. die Mehrheit der Stimmrechte […]

[…]

4. auf Grund eines Vertrags […]“)

 

beseitigt, um Richtlinienkonformität mit (Art 1 Abs 1) der Konzern-RL herzustellen (ErläutRV aaO 72).

II.1.5.2.4. Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 (BGBl I 2015/22 – RÄG 2014)

[103] Beim Verweis auf diese Vorschriften des Dritten Buchs blieb es in der Folge auch mit dem RÄG 2014. Auf § 244 UGB wird seither statt mittels des mit dem RÄG 2014 aufgehobenen „§ 228 Abs 3 UGB“ über Z 7 des (lediglich Begriffsbestimmungen enthaltenden, neu eingeführten) § 189a UGB auf § 244 UGB weiterverwiesen (vgl „Verweiskorrektur“ in ErläutRV 367 BlgNR 25. GP  22).

[104] § 244 Abs 2 UGB blieb durch das RÄG 2014 unangetastet; Abs 1 erhielt eine nicht die hier interessierende Kernformulierung „unter einheitlicher Leitung einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen)“ betreffende Veränderung (unter anderem Einführung des Corporate Governance Berichts;es wurde aber das Beteiligungserfordernis auch für Abs 1 leg cit aufgegeben). Zwar wird in den Gesetzesmaterialien zum Begriff der „einheitlichen Leitung“ darauf verwiesen, dass dieser Begriff bereits § 15 Abs 1 AktG und § 115 Abs 1 GmbHG zugrunde liege. Die Erwähnung des Begriffsverständnisses von „einheitliche Leitung“ unter Rekurrierung auf diese Bestimmungen kann aber nur als auf den Inhalt des Begriffs (dass nämlich „einheitliche Leitung“ nicht sämtliche Bereiche des [geleiteten] Unternehmens umfassen muss, sondern die Lenkung in den wichtigsten Fragen der Unternehmenspolitik genügen kann) Bezug nehmend aufgefasst werden, zumal es – für die Frage von Gemeinschaftsunternehmen von Bedeutung – bei der Ausübung dieser einheitlichen Leitung durch eine Kapitalgesellschaft blieb. Wenn entgegen dem eindeutigen Wortlaut „einheitliche Leitung einer Kapitalgesellschaft“ und trotz der zuvor geschilderten Genese unter Ablehnung des Gleichordnungsverhältnisses nun „einheitliche Leitung“ auch als durch mehrere Kapitalgesellschaften gemeinsam möglich angesehen worden wäre, hätte dies erwähnt und im Gesetzestext niedergeschrieben werden müssen.

[105] Wiewohl der Gesetzgeber in § 198 Abs 10 Z 3 und § 258 UGB ein Unternehmen iSd § 262 Abs 1 UGB als „Gemeinschaftsunternehmen“ bezeichnete, es in diesen Bestimmungen von den (dort ebenfalls genannten) „Tochterunternehmen“ und „assoziierten Unternehmen“ unterschied und sich überdies anlässlich der Einführung von § 229 Abs 1a UGB mit dem Wert (der Bewertung) eigener Anteile auseinanderzusetzen hatte, erfolgtekeinerlei – bei Sichtweise der Klägerinnen gebotene – Nachschärfung von § 51 AktG iVm § 189a Z 7, § 244 UGB.

II.1.5.3. S chlussfolgerungen

[106] Unter Berücksichtigung von (immer die Einzahl verwendendem) Wortlaut, Systematik und Genese der relevanten Normen ist ein durch mehrere Aktiengesellschaften als Aktionärinnen (faktisch) gemeinsam geführtes/geleitetes Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft kein Tochterunternehmen iSd § 51 Abs 2 und § 66 AktG:

[107] Im Unionsrecht wird der Begriff „Mutterunternehmen“ stets in der Einzahl verwendet und ihm „Tochterunternehmen“ auch in der Mehrzahl gegenübergestellt (siehe dazu Hayden/U. Torggler, GesRZ 2022, 58 [59]). Aus ErwGr 3 der RL 92/101/EWG kann abgeleitet werden, dass die Einbeziehung von Untergesellschaften eine Umgehung der Bestimmung (über das Verbot des Kaufs eigener Aktien durch die Gesellschaft selbst) durch eine von der (einen) Gesellschaft instrumentalisierte Tochterunternehmen hintanhalten soll. Diese Instrumentalisierungsgefahr zugunsten einer Gesellschaft ist aber bei einem Gemeinschaftsunternehmen, das gemeinschaftlich geführt wird, nicht gegeben, weil die Führung des Gemeinschaftsunternehmens eine notwendige Abstimmung mehrerer (Ober-)Unternehmen, also nicht allein einer Obergesellschaft, die ihren Willen nicht zwangsweise durchsetzen kann, voraussetzt.

[108] Einheitliche Leitung iSd § 244 Abs 1 UGB liegt nicht vor, wenn mehrere Gesellschaften sich abstimmen und gemeinsam vorgehen (so auch Janschek/Mannsberger in Aschauer/Bertl/Fröhlich/Mandl, Handbuch zum Rechnungslegungsgesetz, 24. Lieferung [2022] § 244 UGB Rz 41; vgl auch Chr. Nowotny in Straube/Ratka/Rauter, UGB II RLG³ [2022] § 244 UGB Rz 17). Wie sonst die Abgrenzung zwischen dem Verständnis von „einheitlicher Leitung“ in § 244 Abs 1 UGB und dem von „gemeinsamer Führung“ in § 262 Abs 1 UGB zu treffen wäre, bliebe unklar. Aufgrund der expliziten Anführung des Konzerntatbestands von § 15 AktG in den Gesetzesmaterialien zu § 51 AktG (ErläutRV 32 BlgNR XX. GP  81 f) bei Erweiterung des Zeichnungsverbots eigener Aktien auf Tochterunternehmen und die Bezugnahme auf den Tatbestand der verbundenen Unternehmen iSd § 228 Abs 3 UGB (und nicht des § 15 AktG), der damit nach dem Willen des Gesetzgebers bei Schaffung der Norm nicht den Gleichordnungskonzernbegriff umfasste, ist dem Argument der Revision, § 51 Abs 2 und § 66 AktG seien normzweckorientiert anhand von § 15 AktG so auszulegen, dass auch von mehreren Unternehmen gemeinsam geführte Unternehmen als Tochterunternehmen anzusehen wären, nicht zu folgen. Dies umso mehr, als „gemeinsam geführte“ Unternehmen bekannt und gesetzlich erfasst (siehe § 262 Abs 1 UGB) waren, aber eben nicht als Kriterium für das Bestehen eines Tochterverhältnisses herangezogen wurden (vgl zur Auslegung von § 66 AktG unter Hinweis auf [damals] §§ 228, 244 UGB im Übrigen schon 6 Ob 185/13v [ErwGr 13]; siehe zum Erfordernis des Unterordnungskonzerns auch Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG³ [2021] § 51 Rz 20).

[109] Der Verweis des Gesetzgebers auf § 228 Abs 3 UGB, der mit dem RÄG 2014 bei gleichem Regelungsinhalt durch § 189a Z 7 UGB ersetzt wurde, war damit eine Entscheidung, aus der keine planwidrige Lücke abgeleitet werden kann. Für eine analoge Anwendung der Zeichnungs- oder Erwerbsverbote auf „gemeinschaftlich beherrschte Gemeinschaftsunternehmen“, weil derselbe „Kapitalverwässerungseffekt“ wie bei „unilateraler“ Leitung oder Kontrolle iSd § 244 UGB auftreten könne, besteht kein Raum (vgl RS0106092); im Übrigen wäre schon „im Zweifel“ kein Analogieschluss zu ziehen (Kerschner, Juristische Methodenlehre [2022] 106 ff).

[110] Eine „gemeinsame“ (gleichrangige) Führung bewirkt auch keine rechtlich gegebene Beherrschungsmöglichkeit in Form der Control-Tatbestände nach § 244 Abs 2 Z 1 bis 4 UGB, zumal es dabei immer der Abstimmung des Stimmverhaltens im Syndikat bedarf und kein „Diktat“ bzw das Recht der Alleinbestimmung der Beklagten ersichtlich ist (vgl auch Stückler in Zib/Dellinger, UGB [2015] § 244 Rz 116, 126, wonach – solange keinem Konsortialpartner die Mehrheit der Stimmrechte innerhalb des Konsortiums zukommt – bei keinem der Gesellschaftsunternehmen ein Mutter-Tochter-Verhältnis vorliegt; dazu, dass die Control-Tatbestände abschließend aufgezählt sind, siehe Kalss in MünchKomm AktG5 [2019] § 56 [zu § 51 öAktG Rz 105]).

[111] Auch die aktuelle unionsrechtliche Rechtsgrundlage (Art 67 der Richtlinie [EU] 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 7. 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts) bietet keinen Anlass, dies anders zu sehen, ist doch darin ausdrücklich festgehalten, dass eine Koordinierung der Vorschriften über das Konzernrecht nicht besteht (vgl Art 67 Abs 2 der RL). Bei Ausnutzung der insoweit eingeräumten Ermächtigung zur Definition der Fälle von (auch mittelbarer) Beherrschung schreibt die Richtlinie nur Fälle vor, aus denen sich keine gemeinsame Beherrschung ableiten lässt (Verwendung der Einzahl: „die Aktiengesellschaft das Recht hat, die Mehrheit der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane zu bestellen […] bzw […] aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Aktionären allein die Mehrheit der Stimmrechte […] kontrolliert“ bzw „eine Aktiengesellschaft mittelbar über die Stimmrechte verfügt oder einen beherrschenden Einfluss ausüben kann bzw die Umstände präzisieren, in denen davon ausgegangen wird, dass eine Aktiengesellschaft über die Stimmrechte verfügt“).

[112] Den Klägerinnen kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie (mit den sie unterstützenden Gutachten und Stellungnahmen in der Literatur) den Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Bestimmung des § 52 AktG (auch unter Durchgriff auf die Rückbeteiligung [dazu sogleich]) als vorrangig vor dieseauch im Wortlaut zum Ausdruck kommendeWertung des Gesetzgebers stellen.

[113] Zentraler Normzweck der §§ 51, 65 ff AktG (war und) ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Kapitalaufbringung und -erhaltung die Hintanhaltung einer Kapitalverwässerung sowie die Gleichbehandlung der Aktionäre und auch die Vermeidung der eigenen Verwaltungsherrschaft. Mit der Abgrenzung in § 51 Abs 2 AktG iVm § 189a Z 7, § 244 UGB wurde normiert, in welchem Umfang Verwässerungen unterbunden werden sollen. Damit ist aber gleichzeitig auch die Grenze gezogen worden, in welchem Umfang sie hinzunehmen sind.

II.1.5.4. Ergebnis

[114] § 51 Abs 2 AktG erfasst (im Wege des § 189a Z 7 UGB) als „Tochterunternehmen“ ein „Unternehmen, das von einem Mutterunternehmen im Sinn des § 244 unmittelbar beherrscht wird“.

[115] Ein Unternehmen, demgegenüber eine Aktiengesellschaft, die Aktien ausgibt, (allein) keinen der Tatbestände nach § 244 Abs 1 oder 2 UGB erfüllt, unterliegt nicht dem Zeichnungsverbot des § 51 Abs 2 AktG.

[116] Bei Zeichnung von Aktien durch ein Unternehmen außerhalb eines Mutter-Tochter-Verhältnisses (an dem die die Aktien ausgebende Aktiengesellschaft aber in anderer Form beteiligt ist), kann damit eine gewisse (hingenommene) Verwässerung des Kapitals die Folge sein.

II.1.6. Wechselseitige Beteiligung

[117] II.1.6.1. Als weiteres Argument für das Bestehen eines Zeichnungsverbots der Nebenintervenientin und der Holding führen die Klägerinnen deren Rückbeteiligung an. Wechselseitige Beteiligungen (oder Ringbeteiligungen) seien per se unzulässig. Deswegen sollen auch der Erwerb, der eine solche schafft, und deren Aufrechterhaltung (etwa durch Zuteilung an eine Inferentin bei einer Kapitalerhöhung) unzulässig sein.

[118] II.1.6.2. Unter wechselseitigen Beteiligungen werden Beteiligungen zwischen zwei Gesellschaften (direkt) aneinander verstanden. Mit dem Begriff Ringbeteiligung werden komplexere Rückbeteiligungsverhältnisse zwischen mehr als zwei Gesellschaften umschrieben (in einer einfachen Form etwa bei Beteiligung von A an B, B an C und C an A; siehe Koppensteiner, Eigene Anteile und wechselseitige Beteiligungen im Aktienrecht, GES 2020, 227 [235]; vgl auch Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 66 Rz 28, 32; Potyka, Zur Zulässigkeit der gerichtlichen Bestellung eines Sonderprüfers nach § 130 Abs 2 AktG. Anmerkung zu OGH 25. 11. 2020, 6 Ob 93/20z, GesRZ 2021, 185 [189]; Rüffler/Cahn, Kapitalaufbringung bei wechselseitigen Beteiligungen, GesRZ 2020, 242 [FN 3]).

[119] II.1.6.3. In Deutschland wird die wechselseitige Beteiligung in § 19 dAktG definiert:

„Unternehmen mit Sitz im Inland in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die dadurch verbunden sind, dass jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört“.

 

[120] Eine Umschreibung einer Ringbeteiligung existiert nicht. Ob Ringbeteiligungen (sofern Abhängigkeit besteht) von §§ 19, 328 dAktG erfasst sind, ist strittig (bejahend etwa Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH‑Konzernrecht10 [2022] § 19 AktG Rz 10; verneinend Grunewald, MünchKomm AktG5 [2020] § 328 Rz 1).

[121] Gehört einem wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung oder kann eines auf das andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben, so ist das eine als herrschendes, das andere als abhängiges Unternehmen anzusehen (§ 19 Abs 2 dAktG); trifft dies auf beide Unternehmen zu, so gelten beide Unternehmen als beherrschend und als abhängig (§ 19 Abs 3 dAktG). (Eine) Solcherart abhängige Gesellschaft(en) muss (müssen) nach §§ 71d, 71c dAktG ihre Aktien an dem herrschenden Unternehmen bis auf höchstens 10 % veräußern. Mitgliedschaftsrechte aus den Aktien, die die abhängige Gesellschaft hält, ruhen (§§ 71d, 71b dAktG), während die Mehrheits-/herrschende Gesellschaft sie uneingeschränkt ausüben kann (Grunewald, MünchKomm AktG5 [2020] § 328 Rz 1).

[122] Da wechselseitige Beteiligungen (auch unterhalb des Ausmaßes einer Mehrheitsbeteiligung) aus Sicht der Kapitalerhaltung als problematisch erachtet werden (siehe nur Leuering/Goertz in Hölters/Weber,Aktiengesetz4 [2022] § 328 Rz 1 [„doppelte Verwendung einer Einlage“]), beschränkt § 328 dAktG die Ausübung der Rechte bei wechselseitig beteiligten Unternehmen, auch wenn keines im Mehrheitsbesitz des anderen steht bzw keines einen beherrschenden Einfluss auf das andere ausüben kann, auf den Umfang von 25 %. Dies betrifft sämtliche Verwaltungs- und Vermögensrechte, die mit dem Anteilsbesitz verbunden sind (also etwa Stimmrecht, Anspruch auf Dividende, Bezugsrecht auf junge Aktien gegen Einlagen), ausgenommen das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln nach § 328 Abs 1 vorletzter Satz dAktG (Grunewald, MünchKomm AktG5 [2020] § 328 Rz 9 f; Leuering/Goertz in Hölters/Weber, Aktiengesetz4 [2022] § 328 Rz 5).

[123] II.1.6.4. In Österreich existieren keine mit dem deutschen Recht vergleichbaren, die wechselseitige Beteiligung definierenden oder ihre Konsequenzen ausdrücklich und umfänglich regelnden Normen.

[124] Jabornegg erachtete wechselseitige Beteiligungen – allerdings noch auf Basis der Rechtslage vor dem RLG – wegen des Gebots der effektiven Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung unter Hinweis auf § 65 AktG nicht für zulässig (Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG³ [1993] § 66 Rz 7 ff). P. Doralt und Chr. Nowotny fassten sie dagegen (ebenfalls schon vor dem RLG) nicht generell als unzulässig auf, wobei sie für das zulässige Ausmaß auf Analogie (zu § 66 Abs 1 AktG) und „Sittenwidrigkeit“ (welche nach Doralt bei Beteiligungen von weniger oder gerade 25 % nur im Ausnahmefall vorliegen werde; Chr. Nowotny hielt sogar eine durchgerechnete Beteiligung bis zu jeweils 50 % für möglich) als Schranke zurückgriffen (P. Doralt,Die wechselseitige Beteiligung im Gesellschaftsrecht, ÖStZ 1977, 48; vgl auch Chr. Nowotny, Wechselseitige Beteiligungen, RdW 1986, 303).

[125] Seit dem RLG verlangen die Rechnungslegungsvorschriften (zuerst nach § 240 Z 9 UGB und später nach § 241 Z 6 UGB) Pflichtangaben über „das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung“ (§ 228 Abs 1 UGB [idF RLG]) bzw (§ 189a Z 2 [idF RÄG 2014]) „unter Angabe des beteiligten Unternehmens“.

[126] Frotz sah in diesen Vorschriften ein gewichtiges Argument für die Zulässigkeit wechselseitiger Beteiligungen. In Anlehnung an § 65 AktG seien sie aber unzulässig, wenn das Produkt der Beteiligungsquoten 10 % des Grundkapitals übersteige (Frotz, Wechselseitige Minderheitsbeteiligung in FS Kastner [1992] 153 ff [164, 168, 172]; ähnlich für wechselseitige Beteiligungen im Konzern Wallisch,Die wechselseitige Beteiligung, GesRZ 2001, 136 ff [außerhalb des Konzerns könne die Mehrheitsbeteiligung als vage Grenze für die Zulässigkeit einer wechselseitigen Beteiligung angewandt werden]). Karollus bewertet unter Berufung auf § 66 AktG wechselseitige Beteiligungen für prinzipiell zulässig (Karollus in Artmann/Karollus, AktG I6 [2018] § 66 Rz 26 ff). Kalss betrachtet sie wegen § 65 AktG und der zuvor schon erwähnten Ausweispflicht nach § 241 Z 6 UGB ebenfalls für zulässig, jedenfalls im Ausmaß einer Rückbeteiligung von Unternehmen bis zu 10 % (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 66 Rz 29, 31; vgl auch Doralt/Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 15 Rz 33 f). Es handle sich dabei auch nicht um einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. Aus einer wechselseitigen Beteiligung außerhalb des Mutter-Tochter-Verhältnisses bestehe ein Bezugsrecht und es könne das Stimmrecht ausgeübt werden. Bei Ringbeteiligung dürfe die Schwelle von durchgerechnet 10 % nicht überschritten werden; wenn keine Gesellschaft als Muttergesellschaft iSd § 189a Z 7 iVm § 244 UGB zu qualifizieren sei, bestehe – wie bei wechselseitigen Beteiligungen – keine Beschränkung für den Anteilserwerb (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 66 Rz 29 ff). Auch Koppensteiner (Eigene Anteile und wechselseitige Beteiligungen im Aktienrecht, GES 2020, 227 ff [237, 241]) vertritt die Ansicht, dass die nicht ausdrücklich geregelte wechselseitige Beteiligung sowohl im Hinblick auf § 51 Abs 2 AktG als auch § 66 Abs 1 AktG originär und derivativ grundsätzlich zulässig, der Verwässerungseffekt aber ausgleichsbedürftig sei.

[127] II.1.6.5. Nach Auffassung des erkennenden Senats lassen die Regelungen im Aktiengesetz nur den Schluss zu, dass wechselseitige Beteiligungen nicht grundsätzlich verboten sind.

[128] Die Beherrschungstatbestände nach § 244 UGB (auf die § 51 Abs 2 AktG über § 189a Z 7 UGB verweist) mögen zwar nicht expressis verbis am Bestehen einer Beteiligung ansetzen – diese ist dennoch der dahinterstehende Grund- bzw Regelfall der Verbindung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. „Archetyp“ der Tochtergesellschaft ist die (bis zu 100 % gehende) Mehrheitsbeteiligung der Mutter an der Tochter. Die Beteiligung ist es ja im Übrigen, die die – durch § 51 AktG eingedämmte und eingegrenzte – Kapitalverwässerung bewirkt.

[129] Darf nun aber – weil mit § 51 Abs 2 AktG (wie gezeigt) eine Grenze gezogen wurde – eine (Unter-)Gesellschaft, die keine Tochtergesellschaft iSd § 51 Abs 2, § 66 AktG ist, als nicht vom Verbot betroffene Aktien der an ihr beteiligten (Ober-)Aktiengesellschaft zeichnen (wobei die Bezeichnungen „Ober“- bzw „Unter“-Gesellschaft im gegebenen Zusammenhang nur ausdrücken sollen, welche Gesellschaft unter dem Blickwinkel der Aktionärsstellung an der anderen betrachtet wird), kommt es zwangsläufig und denknotwendig zu einer wechselseitigen Beteiligung der Gesellschaften. Die (vormalige „reine“ Ober-)Aktiengesellschaft, die bis dahin nur Aktionärin der (vormaligen „reinen“ Unter-)Gesellschaft war, wird damit zusätzlich zur Gesellschaft der Untergesellschaft, die nun (mit dem Erwerb denklogisch) auch zu deren Aktionärin wird. Ist beispielsweise die A-AG zu 15 % als Aktionärin an der B-AG beteiligt, folgt daraus, dass die B-AG (ohne Vorliegen einer Beherrschung[‑smöglichkeit] iSd § 244 UGB), weil sie nicht Tochterunternehmen ist, erlaubtermaßen Aktien an der A-AG (Obergesellschaft) erwerben darf. Mit dem Erwerb der ersten Aktie wird sie zwingend Aktionärin ihrer eigenen Aktionärin, wobei schon bei diesem ersten Erwerb der Ankauf aus Mitteln erfolgt, die wirtschaftlich betrachtet bereits über die Beteiligung der Obergesellschaft an der Untergesellschaft – aber eben nur teilweise und in eingegrenztem Umfang – ersterer zugehören.

[130] Dem Gesetzgeber waren wechselseitige Beteiligungen, wie § 189a Z 2 und § 241 Z 6 UGB zeigen (Pflichtangabe des Bestehens „einer wechselseitigen Beteiligung [§ 189a Z 2] unter Angabe des beteiligten Unternehmens“, wobei eine Beteiligung nach § 189a Z 2 UGB in Anteilen liegt, die dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen zu dienen, was bei einem Kapitalanteil von 20 % vermutet wird), ebenso bekannt, wie ihm die Problematik des fehlenden inneren Werts eigener Anteile (vgl § 229 Abs 1a UGB) nicht verborgen geblieben ist. Es wäre zu erwarten gewesen, dass er – hätte er wechselseitige Beteiligungen in jeglicher Form als unzulässig angesehen – daran Sanktionen oder Verbote geknüpft hätte (dazu hätte er schon § 51 Abs 2 AktG anders fassen müssen, was über eine Anknüpfung an [ein bestimmtes Ausmaß] eine[r] Beteiligung auch leicht hätte erfolgen können). Ihm kann nicht unterstellt werden, er habe – stillschweigend und ohne Verankerung diesbezüglicher Normen – mittels der Grenzziehung im Zeichnungsverbot gemäß § 51 Abs 2 AktG (schon in sich widersprüchlich) nur den Erwerbsvorgang selbst für „Untergesellschaften“ erlauben wollen, nicht aber das Halten dieser Aktien und die Ausübung der mit ihnen verbundenen Rechte.

[131] Liegt kein Mutter-Tochter-Verhältnis vor, ist ein wechselseitiger Beteiligungserwerb zulässig (so auch Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 51 Rz 23;§ 52 Rz 114; Eckert/Schopper, Kapitalaufbringung und wechselseitige Beteiligung, GesRZ 2020, 381; siehe zum derivativen Erwerb auch Foglar-Deinhardstein in Napokoj/Foglar-Deinhardstein/Pelinka, AktG Taschenkommentar [2019] § 65 Rz 63 [ausdrücklich auch zur „Ringbeteiligung“]; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 66 Rz 29 ff).

[132] Dazu, bis zu welchem Höchstausmaß wechselseitige Beteiligungen gehalten werden dürfen und ob dies von der Komplexität und dem Grad der (Un-)Mittelbarkeit der Rückbeteiligungen (etwa in Ringformen) abhängen kann, müssen hier Überlegungen nicht angestellt werden, weil die durchgerechnete Selbstbeteiligung (insgesamt) die von Teilen der Literatur als möglicherweise problematisch erachtete Quote von 10 % nicht erreicht und es bei der Teilnahme an den Kapitalerhöhungen (nur) um die Wahrung des bisherigen Beteiligungsverhältnisses geht.

II.1.6.6. Ergebnis

[133] Eine Beteiligung außerhalb eines Mutter-Tochter-Verhältnisses (wenn auch in Form einer Rück- oder Ringbeteiligung) ist – jedenfalls soweit eine durchgerechnete (un‑)mittelbare Selbstbeteiligung von 10 % nicht überschritten wird – zulässig.

II.1.7. Minderzeichnungs-/Mehrleistungsthese

[134] II.1.7.1. Von der Frage der Zulässigkeit der Teilnahme an den Kapitalerhöhungen überhaupt trennen die Klägerinnen die Frage, ob die wechselseitig beteiligten Inferentinnen zu denselben Bedingungen wie die anderen Aktionärinnen an den Kapitalerhöhungen teilnehmen dürfen und verneinen dies auf Basis der (Minderzeichnungs- bzw) „Mehrleistungsthese“.

[135] II.1.7.2. Die von den Klägerinnen ins Treffen geführte Mehrleistungsthese wurde erst im Zusammenhang mit den diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten der Klägerinnen und den 3 Banken von Rüffler (unter dem Blickwinkel der Kapitalaufbringung Beil ./EQ, 41, 47) und Cahn (Beil ./EP, 48) entwickelt. Ekkenga (Beil ./47, 31 ff), Schopper (Beil ./48, 16 ff), und Koch (Beil ./70) sind ihr in ihren (von der Gegenseite beauftragten) Gutachten entgegengetreten. Der Meinungsstreit wurde – wie schon dargestellt – in Fachzeitschriften weitergeführt (vgl ErwGr II.1.1.; Koppensteiner, GES 2020, 227; Mock, GES 2021, 5, 9 ff; ders,wbl 2021, 678 ff; ders, RWZ 2022, 187; Rüffler/Cahn, GesRZ 2020, 241, 243 ff; Karollus, GesRZ 2020, 169, 170; Eckert/Schopper, GesRZ 2020, 381; Aschauer/Eckert, RWZ 2022/21).

[136] Die Minderzeichnungs- bzw Mehrleistungsthese lässt sich dahin zusammenfassen, dass – selbst bei Verneinung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses – das Gebot der vollständigen Einlageleistung (bei Zahlung bloß des Ausgabebetrags) verletzt werde, weil infolge der mittelbaren Selbstbeteiligungen ein Teil der von den wechselseitig- oder ringbeteiligten Aktionärinnen erbrachten Einlagen aus dem Vermögen der kapitalerhöhenden Gesellschaft selbst stamme. Diese Kapitalverwässerung bewirke einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 47a AktG) und sei auch aus Gläubigerschutzgründen bedenklich, weshalb diese Effekte entweder durch Minderzeichnung (bei „Vollzahlung“) oder Mehrleistung auszugleichen seien. Nach der (die Einbringung von Kommanditanteilen in eine Komplementär-GmbH betreffenden) Entscheidung 6 Ob 8/00w, die mit der Einlageleistung bei wechselseitiger Beteiligung in der Aktiengesellschaft vergleichbar sei (dazu Rüffler/Cahn, GesRZ 2020, 242 [245 f]), müsse der Emittentin neues Vermögen real in Höhe der Einlage zufließen. Eine wirksame Kapitalerhöhung finde nur bei Herausrechnung der Beteiligungsquote der kapitalerhöhenden Gesellschaft an der Inferentin oder bei Verpflichtung der Inferentin zu einer entsprechenden Mehrleistung statt.

[137] Dazu werden von den Klägerinnen folgende Formeln (siehe auch Mock, GES 2021, 5 ff [13]) vorgeschlagen:

Für die Minderzeichnung

Für die Mehrleistung

Legende

BA: Beteiligung der Inferentin an der Emittentin;

BB: Beteiligung der Emittentin an der Inferentin;

J: Anzahl der im Rahmen der Kapitalerhöhung geschaffenen jungen Aktien;

K: Gesamter einzuzahlender Kapitalerhöhungsbetrag;

X: Anzahl der jungen Aktien, die der Inferentin, sofern sie die Mehrleistungen nicht erbringt, tatsächlich zuzuteilen sind.

 

[138] II.1.7.3. Die Gegner der Mehrleistungsthese (siehe die zuvor erwähnten Gutachten und ErwGr II.1.1.; etwa Eckert/Schopper, GesRZ 2020, 382; Karollus Beil ./25 und GesRZ 2020, 169) lehnen die im Zusammenhang mit der Einbringung von Kommanditanteilen in eine GmbH entwickelte Judikatur als nicht einschlägig ab, zumal bei Kapitalerhöhungen auf die Einlagen Barbeträge geleistet würden und der Gesetzgeber Einschränkungen an der Kapitalerhöhung bei wechselseitigen Beteiligungen nur dann vorsehe, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs 2 AktG iVm § 189a Z 7 UGB erfüllt seien, in den anderen Konstellationen aber den mit der Beteiligung an der Kapitalerhöhung einhergehenden Kapitalverwässerungseffekt in Kauf nehme (so auch Ekkenga Beil ./47 mit Verweis auf die gesetzlich angelegte Balance im Gläubigerschutz zwischen den Schutzinteressen der Inferentengläubiger und der Emittentengläubiger; vgl auch Koch Beil ./70 [„konstruierte Lösung“ im Einzelfall] und Schopper Beil ./48, der sich zudem auf den Wertungswiderspruch zum zwar nach § 51 Abs 2 AktG verbotenen, aber dennoch wirksamen Aktienerwerb der Tochtergesellschaft bei [lediglich] voller Barleistung bezieht). Das Hinausrechnen der Beteiligung habe keine Grundlage im Gesetz, führe zu keiner Verbesserung des (schon wegen des hohen Agios von 900 % im vorliegenden Fall ohnehin gewahrten) Gläubigerschutzes, sondern nur zu einer Verkomplizierung von (wechselseitig durchgeführten) Kapitalerhöhungen und zu Rechtsunsicherheit. Es verstieße vielmehr gegen das Gleichbehandlungsgebot, wenn für dieselbe Anzahl an Aktien eine höhere Einlagezahlung zu leisten wäre oder trotz gleichbleibender Einlage weniger Aktien zugeteilt würden, und womöglich auch noch gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, wenn wegen der Gesellschafterstellung der kapitalerhöhenden Gesellschaft, also einer causa societatis, an den Gesellschafter eine überhöhte Leistung (Teilnahme an der Kapitalerhöhung zu unangemessenen Bedingungen) eine Mehrleistung erbracht werde (Karollus, GesRZ 2020, 169 [174 f]; Schopper Beil ./48, 16).

[139] II.1.7.4. Den Befürwortern der Minderzeichnungs- bzw Mehrleistungsthese ist zugute zu halten, dass sie beachtenswerte Momente durch die faktisch eingeschränkte Kapitalaufbringung aufzeigen können. Eine Abwägung der Argumente schlägt aber letztlich gegen ihre Anwendung aus:

II.1.7.5. Ablehnung der Minderzeichnungsthese

[140] Der Minderzeichnungsthese steht schon das (gerade von den Klägerinnen hervorgestrichene) Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre nach § 47a AktG entgegen. Ein Abweichen davon setzt zwar an erster Stelle an der sachlichen Rechtfertigung durch eine unterschiedliche Ausgangslage an (dazu behaupten die Klägerinnen eine „ineffektive“ Kapitalzahlung trotz nomineller Vollzahlung durch die rückbeteiligten Inferentinnen). Selbst bei deren Vorliegen ist aber – im Sinne eines Willkürverbots – die Ungleichbehandlung auf das zumutbare Mindestmaß, dh, das gelindeste Mittels zur Verfolgung des (Ausgleichs-)Zwecks, zu beschränken. Die (ungleiche) Maßnahme muss also im Vergleich zum Gewicht der verfolgten Interessen verhältnismäßig sein (vgl zum Gebot des gelindesten Mittels Doralt/Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 47a Rz 11).

[141] Eine Pflicht zur Minderzuteilung muss daran scheitern, dass sie eindeutig den unnötig beschwerlicheren sowie nachteiligeren und damit einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellt. Wenn der – von den Klägerinnen erstrebte und als sachgerecht angesehene – Zweck in gleicher Weise durch über den Ausgabebetrag hinausgehende finanzielle Mehrleistung der Inferentinnen pro Aktie erreicht werden kann, ist die durch den Vorstand vertretene Gesellschaft in der Wahl ihrer Mittel nicht frei, käme es doch ansonsten zwar zur Kapitalaufbringung in der Form, wie dies die Klägerinnen fordern, aber gleichzeitig auch unvermeidlich zu einer die Inferentinnen über Gebühr benachteiligenden Verringerung ihres prozentuellen Anteils am Gesamtkapital mit einer Verringerung ihres Stimmrechts, also einem Verlust an Einfluss zu ihren Lasten. Es muss daher der jeweiligen Inferentin überlassen bleiben, ob sie bei (als berechtigt unterstellter) Forderung einer Mehrleistung pro Aktie ihr Bezugsrecht zur Gänze ausüben will und das gesamte „Aktienpaket“ gegen einen höheren Preis erwirbt oder davon nur beschränkt, aber eben umfänglich nach ihrem Willen, Gebrauch macht.

[142] Damit könnte nur auf eine Mehr‑(geld‑)leistung pro Aktie zurückgegriffen werden.

II.1.7.6. Ablehnung der Mehrleistungsthese

[143] II.1.7.6.1. Zur Einlage(‑leistung) legt das ausnehmend detailreich durchgestaltete Aktiengesetz in § 8a Abs 1 und § 49 Folgendes fest:

Für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag oder den auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals dürfen Aktien nicht ausgegeben werden (§ 8a Abs 1 AktG). Für die Festsetzung eines unterschiedlichen Ausgabebetrags enthält das Aktiengesetz keinen Hinweis. Im Gegenteil: Das Gesetz „begrenzt“ die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen nach oben ausdrücklich mit dem „Ausgabebetrag“ (§ 49 Abs 1 AktG).

[144] Auch in Deutschland, wo es – wie bereits dargestellt – in § 19 dAktG eine explizite Regelung zu wechselseitig beteiligten Unternehmen und gesetzlich festgelegte Grenzen gibt (25 % bei der einfachen, 10 % bei der qualifizierten wechselseitigen Beteiligung [nach § 19 Abs 3 dAktG]), normiert der Gesetzgeber als Rechtsfolgen eine Ausübungssperre ab Erreichen der Grenzwerte für Stimm-, Bezugsrecht sowie Dividenden und die Verpflichtung zur Anteilsreduktion. Er knüpft daran aber nicht eine Pflicht, für den originären Erwerb solcher Beteiligungen einen höheren Ausgabebetrag zahlen zu müssen.

[145] II.1.7.6.2. Auf (analog) anzuwendende Normen, die die Mehrleistungs- oder Minderzeichnungspflicht auch nur annähernd konkret festlegen, können sich die Klägerinnen nicht berufen. Deren Rechtsgrundlage (sei es [analoge] Rechtsanwendung oder Rechtsfortbildung) – bleibt auch unter den Befürwortern – letztlich unklar. Genannt werden die Grundsätze der realen Kapitalaufbringung, der Kapitalerhaltung und der Gleichbehandlung.

[146] Gerade die Gleichbehandlung hängt im Übrigen vom Standpunkt des Betrachters ab, genauer gesagt davon, ob die von den Klägerinnen behauptete Benachteiligung von „fremden“ Aktionärinnen (dh, solchen ohne Rückbeteiligung) aus dem Blickwinkel der („Fremd“-)Aktionärinnen der Emittentin betrachtet wird, oder ob auf die („Fremd-“)Aktionärinnen der Inferentinnen geblickt wird. Auch an diesen Gesellschaften sind (denknotwendig, weil sie ansonsten keine bloßen Untergesellschaften, sondern [bis zu 100 %-]Tochterunternehmen wären) („Fremd“-)Aktionärinnen beteiligt. Beide Gesellschaften (die einander gleichzeitig Unter- und die Obergesellschaft sind) können (was die Klägerinnen als Argument nur unter Blickrichtung auf die Beklagte ins Treffen führen) die „Zusammensetzung ihrer Mitgesellschafter nicht bestimmen“.

[147] Folgte man der Mehrleistungsthese, könnte tatsächlich darüber nachgedacht werden, ob darin eine verbotene Einlagenrückgewähr läge, weil die Inferentin an die Gesellschaft, die zugleich Aktionärin der Inferentin ist, aus diesem Grund einen höheren Geldbetrag leistet. Jedenfalls wären dann die („Fremd“-)Gesellschafterinnen der (hier: aus dem Blickwinkel der Kapitalerhöhung) Inferentinnen (Untergesellschaften) benachteiligt. Dabei stellte sich im vorliegenden Fall schon ganz grundsätzlich die Frage, in welchem Umfang „Benachteiligungen“ der von den Klägerinnen behaupteten Art einzubeziehen wären, zumal die Klägerinnen selbst wiederum Gesellschafterinnen der Nebenintervenientinnen sind und wirtschaftlich in gewissem Umfang an den angeblich unrechtmäßigen Vorteilen partizipieren. Die Abwägung und Gewichtung der diesbezüglich gegenläufigen Interessen der („Fremd“‑)Aktionärinnen der Inferentin gegenüber jenen der („Fremd“-)Aktionärinnen der Emittentin kommt dem Gesetzgeber – und nicht dem Richter – zu.

[148] II.1.7.6.3. Soweit die wechselseitige Beteiligungsstruktur und/oder Ringbeteiligungsstruktur aktienrechtlich zulässig ist, resultiert daraus für die wechselseitig beteiligten Aktionärinnen die Berechtigung, an Kapitalerhöhungen der Gesellschaft (verhältniswahrend) teilzunehmen, und zwar grundsätzlich zu gleichen Bedingungen, weil die Aktien aus einer wechselseitigen Beteiligung – ohne Einschränkung durch Bestimmungen im Aktiengesetz – nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz dieselben Stimm- und Bezugsrechte vermitteln wie andere Aktien.

[149] II.1.7.6.4. Die kapitalerhöhende Gesellschaft erhält auch von der wechselseitig beteiligten Inferentin die gleich hohe Geldleistung als Einlage wie von den anderen (nicht rückbeteiligten) („Fremd“-)Aktionärinnen. Der Gläubigerschutz kann im Übrigen schon durch entsprechend hohes Agio ausreichend gewährleistet sein.

[150] II.1.7.6.5. Zur nach § 51 Abs 2 AktG verbotenen Zeichnung von Aktien äußert sich der Gesetzgeber nur dahin, dass diese dennoch wirksam ist, die Aktien aber wieder veräußert werden müssen. Hätte der Gesetzgeber (wegen der Kapitalverwässerung) diesfalls von einem Tochterunternehmen eine Mehrleistung verlangen wollen, hätte er dies geregelt oder jedenfalls regeln müssen. Es kann dem (das Aktiengesetz detailreich regelnden) Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, dem Rechtsanwender oder der Rechtsprechung eine derart komplizierte Berechnung der Mehrleistung – wie dargestellt – de facto im Wege der Rechtsfortbildung einräumen zu wollen. Nach dem diesfalls – beredten – Schweigen des Gesetzgebers ist mit dem verbotenen Aktienerwerb nur die (im Gesetz genannte) Sanktion der Veräußerungspflicht verknüpft, aber keine in der Form (irgend‑)einer Mehrleistung (vgl Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 51 Rz 32, 51 zur Pflicht, bei Erwerb entgegen § 51 Abs 2 AktG die „volle Einlage“ zu leisten bzw bei Erwerb für Rechnung der Tochtergesellschaft durch einen Dritten nach § 52 Abs 3 AktG „zunächst – gleich einem Dritten – zur Verpflichtung zur Leistung der übernommenen Einlageleistung“; so auch für das dAktG zum „abhängigen“ Unternehmen Arnold/Notz in Hirte/Mülbert/Roth, AktG5 [2022] § 56 Rz 44 [„Pflicht, die Einlage zu leisten“]; Drygala in Zöllner/Noack, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz³ [2011] § 56 Rz 31 [„aus der Aktenübernahme verpflichtet wird, wie jeder andere Aktionär auch“]; Götze in MünchKomm AktG5 [2019] § 56 Rz 41 [„Leistung der Einlagen {§ 54}“]). Wenn dies aber nicht einmal beim Tochterunternehmen geboten ist (wobei es sich nicht um eine 100 %-Tochter handeln müsste, genügt doch Beherrschung [vermittelt allein durch die Beteiligungsquote], daher eine Mehrheitsbeteiligung), wäre es ein grober Wertungs‑widerspruch, eine solche Mehrleistungspflicht bei Aktienzeichnungen unterhalb der gesetzlichen Erheblichkeitsschwelle eines Mutter-Tochter-Verhältnisses zu verlangen, bei der der originäre Aktienerwerb nicht verboten, sondern erlaubt ist. Wäre eine Verwässerung durch „Mehrleistung“ von einem Tochterunternehmen ausgleichbar, bedürfte es im Übrigen des Zeichnungsverbots gar nicht, sondern jeweils bloß der höheren Einlagenleistung.

[151] II.1.7.6.6. Eine – den Klägerinnen aus verschiedenen und teilweise beachtenswerten Momenten heraus als wünschenswert erscheinende – Überbrückung der Kapitalverwässerung und der behaupteten Ungleichbehandlung (allerdings nur der „Fremd“‑Aktionärinnen der Obergesellschaft) mittels der Mehrleistungsthese widerspräche auch Aspekten der Rechtssicherheit (wozu auch der Aspekt der Rechtsklarheit gehört U. Torggler, Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit im Wirtschaftsprivatrecht, JBl 2011, 762 [763]; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff² [1991] 325 f). Selbst wenn man mit den Klägerinnen einen Handlungsbedarf des Gesetzgebers ortete, würde mit Anwendung der dazu entworfenen komplexen Formel(n) (und den Schwierigkeiten ihrer [exekutiven] Umsetzung) angesichts des vom ABGB vorgegebenen Methodenkatalogs (§§ 6 ff ABGB) die Grenze zulässiger Rechtsfortbildung durch das Gericht (Richterrecht) weit überschritten. Für eine „analoge“ Anwendung bedürfte es einer konkret fassbaren Norm, auf die zur Berechnung der Mehrleistung oder Minderzeichnung zurückgegriffen werden könnte. Eine solche Norm, die nach dem in Art 18 B-VG festgeschriebenen Legalitätsprinzip vorhersehbar und determiniert sein müsste (vgl Grabenwarter/Frank, Bundesverfassungsgesetz und Grundrechte [2020] Art 18 Rz 4; siehe auch Kerschner/Mayr, Rangordnung der Interpretationsmethoden, JAP 2021/2022, 4 ff [7] zur „hinreichende[n] Gesetzesbindung“ als „unverzichtbare[m] Bindeglied zwischen Gesetzgebung und Vollziehung“), können die Klägerinnen nicht anführen. Die Grundsätze der Kapitalaufbringung und Gleichbehandlung der Aktionärinnen bieten jedenfalls keine (ausreichend) konkrete, gesetzlich determinierte Grundlage für die komplexe Berechnung, wie Rückbeteiligungen (in unterschiedlichster Konstellation) bei der Zuteilung von Aktien oder der Berechnung des Ausgabebetrags im Rahmen von Kapitalerhöhungen zu berücksichtigen wären. Nicht einmal die Klägerinnen haben den ihrer Ansicht nach „richtigen“ Umfang des Bezugsrechts der Inferentinnen oder deren konkreten Mehrbetrag beziffert, sondern bloß allgemein auf die Formel Bezug genommen.

[152] II.1.7.6.7. Mit dem Einschluss nur der Tochterunternehmen in das Zeichnungsverbot und der aus der Zeichnung durch eine Untergesellschaft zwingend resultierenden Rückbeteiligung kommt es – unweigerlich und unübersehbar – zu den daraus folgenden Konsequenzen mit den (eben in Kauf genommenen) Gefahren einer gewissen Kapitalverwässerung und Ungleichbehandlung von im Verhältnis zur Gesellschaft (wechselseitig) rückbeteiligten Aktionären im Vergleich zu („Fremd“-)Aktionärinnen. Eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke besteht nicht.

[153] Eine Pflicht der Inferentinnen zur Aufzahlung auf eine vermeintliche Vollwertigkeit von deren Einlage im Rahmen der Teilnahme an einer Kapitalerhöhung beruhend auf dem Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung und dem Gleichbehandlungsgebot lässt sich aus dem Aktiengesetz nicht ableiten.

II.1.8. Zusammenfassung

[154] § 51 AktG schützt nach seinem telos (auch) vor Kapitalverwässerung, zieht dabei aber eine Grenze in Form des Erwerbs durch ein „Tochterunternehmen“. Diese Grenzziehung in § 51 Abs 2 AktG ist als Wertung des Gesetzgebers zu achten.

[155] Die Zeichnung von Aktien durch Unternehmen, die keine Tochterunternehmen iSd § 51 Abs 2 AktG sind, ist nicht (schon wegen jedweder Beteiligung) verboten.

[156] Bei Zeichnung von Aktien durch ein Unternehmen außerhalb eines Mutter-Tochter-Verhältnisses (an dem die Aktien ausgebende Aktiengesellschaft [Emittentin] aber in anderer Form beteiligt ist) kann damit eine gewisse (hingenommene) Verwässerung des Kapitals die Folge sein.

[157] § 51 Abs 2 AktG erfasst im Wege des § 189a Z 7 UGB ein Tochterunternehmen als ein „Unternehmen, das von einem Mutterunternehmen im Sinn des § 244 unmittelbar beherrscht wird“.

[158] Ein Unternehmen, demgegenüber eine Aktiengesellschaft, die Aktien ausgibt, (allein) keinen der Tatbestände nach § 244 Abs 1 oder 2 UGB erfüllt, unterliegt nicht dem Zeichnungsverbot des § 51 Abs 2 AktG.

[159] Eine wechselseitige Beteiligung außerhalb eines Mutter-Tochter-Verhältnisses (wenn auch in Form einer Rück- oder Ringbeteiligung) ist – jedenfalls soweit eine durchgerechnete (un‑)mittelbare Selbstbeteiligung von 10 % nicht überschritten wird – zulässig.

[160] Beteiligt sich eine solcherart (direkt oder indirekt) rückbeteiligte, aber nicht in einem Tochter‑Verhältnis zur Emittentin stehende Inferentin an der Kapitalerhöhung, ist das über ihren Aktienbesitz vermittelte Bezugsrecht, mit dem sie das bisherige Verhältnis ihres Anteils am Grundkapital der Emittentin wahrt, weder (durch eine Pflicht zur Minderzeichnung) beschränkt noch hat sie einen anderen Betrag als den Ausgabebetrag zu leisten. Ihre Einlageverpflichtung ist – wie die aller anderen Aktionärinnen – mit der Leistung des im Zeichnungsschein enthaltenen Ausgabebetrags (§ 152 Abs 1 Z 2 AktG) erfüllt.

II.1.9. Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall

[161] II.1.9.1. Die Klägerinnen stützen ihre Unterlassungsbegehren auf die Behauptung, es sei rechtswidrig gewesen, die Nebenintervenientinnen und die Holding an Kapitalerhöhungen der Beklagten überhaupt (in eventu im Ausmaß ihres Anteils am Stammkapital ohne Minderzuteilung oder Mehrleistung) zuzulassen, und es drohe die Wiederholung dieses Verhaltens (bzw wäre die Nichtigkeit der Verwaltungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat hinsichtlich der Kapitalerhöhungen der Jahre 2015, 2017 und 2018 festzustellen).

[162] II.1.9.2. Die wechselseitigen Beteiligungen erreichen durchgerechnet für alle Gesellschaften keine 10 % des Grundkapitals der Beklagten. Die Sorge um den Gläubigerschutz ist durch die Zahlung des hohen Agios von mehr als dem Neunfachen des anteiligen Betrags des Grundkapitals anlässlich der von den Feststellungsbegehren umfassten Kapitalerhöhungen der Jahre 2015, 2017 und 2018(eliminiert bzw) minimiert worden. Die (diametral im Widerspruch zum eigenen Vorbringen der Klägerinnen im Antrag auf Wiederaufnahme des Übernahmeverfahrens stehende) Qualifikation der Nebenintervenientinnen, der Holding und der Beklagten als (gleichzeitig jeweilige) Töchter- bzw Muttergesellschaft(en) iSd § 51 Abs 2 AktG (iVm § 189a Z 7, § 244 UGB) wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.

[163] Damit, warum die Inferentinnen – abseits der ihrer „Ring“-Betrachtung – Tochtergesellschaften sein sollten, befassen sich die Klägerinnen nicht näher. Sogar Rüffler räumt (als Privatgutachter der Klägerinnen [Beil ./EQ, 29 f]) ein, dass keine der zeichnenden Gesellschaften von der Beklagten nach § 244 Abs 2 UGB beherrscht werden kann, weil diese an ihnen jeweils unter 20 % beteiligt sei. Selbst wenn beispielsweise die Beklagte das Syndikat beherrschen könnte (indem sie die anderen Mitglieder iSd Z 4 zur Stimmabgabe verpflichtete [was sich allerdings aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten lässt]), reichte es in keiner der Gesellschaften, an denen die Beklagte beteiligt ist, zu einer Mehrheit. Daran vermögen auch – in der Revision ohne Erörterung oder Bezug auf insoweit eingeräumte Rechte gemäß § 244 Abs 2 UGB bleibende – in den Raum gestellte „enge Organverflechtungen“ nichts zu ändern.

[164] Aus den festgestellten wechselseitigen Beteiligungen, personellen Verflechtungen sowie der Syndizierung kann insgesamt weder einheitliche Leitung noch Beherrschung der Nebenintervenientinnen oder der Holding durch die Beklagte iSd § 244 Abs 1 und 2 UGB abgeleitet werden.

[165] II.1.9.3. Entgegen dem Standpunkt der Klägerinnen war die Zulassung der Teilnahme der Nebenintervenientinnen und der Holding weder wegen der gegebenen Beteiligungssituation noch der Organbesetzungen oder des Unterbleibens einer Minderzuteilung oder Mehrleistung rechtswidrig. Die darauf gegründeten Unterlassungsbegehren 1.–4. (samt Eventualbegehren) wurden von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen.

[166] Auf die Frage der Zulässigkeit einer Aktionärsklage, mit der einer Aktiengesellschaft im Rahmen einer Kapitalerhöhung aufgrund genehmigten Kapitals ein bestimmtes Verhalten verboten werden soll, ist damit nicht mehr einzugehen; desgleichen nicht auf die weiteren Einwände der Beklagten und Nebenintervenientinnen, wie etwa deren Ansicht, die Klagebegehren seien (teilweise) auch überschießend oder unbestimmt.

II.2. Feststellungsbegehren 8.–10. (Beschlüsse über die Kapitalerhöhungen)

[167] Hinsichtlich der Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat betreffend Kapitalerhöhungen der Jahre 2015, 2017 und 2018 haben sich die Klägerinnen auf die gleichen Argumente wie bei den Unterlassungsbegehren gestützt. Sie können daher zur fehlenden Berechtigung ihrer Begehren auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Ob eine darauf gerichtete Feststellungsklage überhaupt zulässig wäre, kann offen bleiben.

II.3. Unterlassungsbegehren 5.–7. (Unterlassung der Gewährung von Zuschüssen an die Holding)

II.3.1. Aktionärsklage

[168] In Anlehnung an die (auch in Deutschland nicht gänzlich unumstrittene) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 10. 10. 2005, II ZR 90/03 Mangusta/Commerzbank II BGHZ 164, 249 = NJW 2006, 374; 10. 7. 2018, II ZR 120/16; 7. 5. 2019, II ZR 278/16; zur Kritik siehe etwa Rieckers, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts IV5 [2020] § 18 Klagerecht der Aktionäre Rz 9 f mwN [Schaffung einer dort nicht vorgesehenen Fortsetzungsfeststellungsklage im Zivilprozessrecht, Entfall des Grundsatzes der Subsidiarität; die Reichweite des verbandsrechtlichen Abwehranspruchs sei nach wie vor umstritten]) gewährt die österreichische Lehre dem einzelnen Aktionär überwiegend (wenn auch unter verschiedenen Voraussetzungen und vor allem dort, wo der Verwaltung Entscheidungsbefugnisse der Hauptversammlung delegiert wurden [wie beim Verwaltungshandeln unter Ausnutzung genehmigten Kapitals]) die Aktionärsklage bei Eingriffen in seine (Individual-)Rechte (Rüffler, Die Aktionärsklage, ÖJZ 2021, 405; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 92 Rz 112 [je nach Schwere, zeitliche Einschränkung]; Bachner,Individuelle Abwehransprüche und einstweilige Verfügungen bei Missachtung der Holzmüller-Doktrin in FS Nowotny, 215; Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] Vor § 195 Rz 41 [die analoge Anwendung der §§ 195 ff andenkend]; Koppensteiner,Nachtrag zur Problematik wechselseitiger Beteiligungen im Aktienrecht, GES 2020, 300 [Anfechtungsfrist von einem Monat]; Artmann/Karollus in Artmann/Karollus AktG I6 [2018] § 47a Rz 14 [je nach Sachlage]; Eckert/Schopper/Walcher in Eckert/Schopper, AktG-ON1.00 [2021] § 170 Rz 43 ff, insb Rz 46 [erhebliches Rechtsschutzdefizit; analoge Anwendung der §§ 195 ff ungeklärt]; Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG³ [2021] § 171 AktG Rz 62 ff [Unterlassungsklage bei drohendem Eingriff ins Bezugsrecht]; Winner/Obradović in MünchKomm AktG5 [2021] § 203 Rz 217 [bei Bezugsrechtsausschluss; kurze Verfristung analog § 197 Abs 2 AktG]).

[169] Abseits von derartigen Eingriffen (wie etwa aus Anlass der von der Hauptversammlung den Verwaltungsorganen delegierten Maßnahmen) wird die Einflussnahme auf das Verwaltungshandeln aber kritisch gesehen (siehe nur Diregger in Kalss/Frotz/Schörghofer, Handbuch Vorstand Kap 21 [2016] Rz 25 [Irregularität]).

II.3.2. Stellung des Aktionärs

[170] II.3.2.1. Bei Prüfung der Frage, ob und in welchen Fällen das Aktiengesetz dem einzelnen Aktionär einräumt, dem Vorstand und Aufsichtsrat bestimmtes Handeln im Rahmen der Geschäftsführung zu untersagen, ist zweierlei besonders zu beachten: Erstens der Umstand, dass das Aktiengesetz im Gesellschaftsrecht den höchsten Organisationsgrad aufweist, und Zweitens die (Grund-)Funktion der (einzelnen) Aktionäre als (zahlreiche) haftungsmäßig auf die Einlage beschränkte Geldgeber ohne direkten Einfluss auf die Geschäftsführung (Mader/Weinknecht, Hauptmerkmale der Aktiengesellschaft [Stand 9. 4. 2023, Lexis briefings in lexis360.at]; Hausmaninger/Taufner in Gratzl/Hausmaninger/Justich, Handbuch zur Aktiengesellschaft² [2016] Grundlagen und Rechtsform der AG Rz 45).

II.3.2.2. Geschäftsführungsmonopol des Vorstands

[171] Den Aktionären wird gemäß § 103 AktG nur (in Ausnahmefällen), soweit Gesetz oder Satzung dies vorsieht (Abs 1 leg cit), Einfluss auf die Geschäftsführung eingeräumt – allerdings nicht einzeln, sondern gebündelt im Weg der Beschlussfassung in der Hauptversammlung. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn dies der Vorstand oder, sofern es sich um ein gemäß § 95 Abs 5 AktG seiner Zustimmung vorbehaltenes Geschäft handelt, der Aufsichtsrat verlangt (Abs 2 leg cit).

[172] Im Aktiengesetz gesetzlich vorgesehene Beschlussfassungen der Hauptversammlung über Geschäftsführungsmaßnahmen betreffen wesentlich(st)e Strukturentscheidungen (Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG³ [2021] § 171 Rz 55), also etwa Auflösung der Gesellschaft (§ 203 AktG), Verschmelzung (§ 221 AktG), Übertragung des gesamten Vermögens (§ 237 AktG) oder Maßnahmen von vergleichbarem Gewicht (§§ 45, 174, 238 AktG).

[173] Schon auf die Besetzung des Vorstands haben die Aktionäre nur ganz mediatisiert – nämlich nur in Bezug auf die Besetzung des (ebenfalls weisungsfreien) Organs „Aufsichtsrat“ (vgl zu dessen Bestellung durch Wahl § 87 AktG; zur Abberufung durch die Hauptversammlung mit Dreiviertel-Mehrheitsbeschluss und durch das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Antrag der Minderheit [10 %] § 87 Abs 8 und 10 AktG; § 88 Abs 4 AktG) – Einfluss. Der Aufsichtsrat entscheidet seinerseits über Bestellung oder Abberufung des Vorstands (aus wichtigem Grund: § 75 Abs 4 AktG). Seine Hauptaufgabe ist die Kontrolle des Vorstands. Ihm kommt nur sehr eingeschränkt Einfluss auf die Geschäftsführung zu (so bei einzelnen in § 95 Abs 5 AktG bezeichneten Maßnahmen im Rahmen einer notwendigen Zustimmung oder bei der Feststellung des Jahresabschlusses).

[174] Der Vorstand hat in der Aktiengesellschaft das Geschäftsführungs‑ und Vertretungsmonopol. Das von den Aktionären beigesteuerte Vermögen wird von ihm im Sinne einer Fremd‑ bzw Drittorganschaft verwaltet (vgl 4 Ob 127/06i; 1 Ob 294/97k). Anders als bei der GmbH kommt den Gesellschaftern gerade kein Weisungsrecht zu (§ 70 Abs 1 AktG [Leitung „unter eigener Verantwortung“]; 6 Ob 77/14p [ErwGr 2.1.]; vgl Kalss/Burger/Eckert, Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts [2003] 314 ff, 328 ff; zur Verallgemeinerungsfähigkeit des Prinzips der fehlenden Weisungsbefugnis von Aktionären auch nach anderen Rechtsordnungen siehe Hollaus, Führung und Überwachung von AGs in England, den USA, der Schweiz und Frankreich, GesRZ 2023, 90).

[175] II.3.2.3. Die Hauptversammlung kann (bestimmte, eingeschränkte) Kontrollrechte ausüben; sie kann eine Sonderprüfung anordnen oder einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entziehen (was dessen Abberufung durch den Aufsichtsrat zur Folge hat [§ 75 Abs 4 AktG]). Zentral ist ihre Funktion im Bereich der Satzungsänderung (vgl §§ 145 f AktG); die Geschäfte leiten kann sie aber nicht.

[176] II.3.2.4. Zwar kennt das Aktiengesetz abseits der Bündelung der Meinungen der Aktionäre in der Hauptversammlung auch Individualrechte des einzelnen Aktionärs (jeweils mit der Wortwahl „kann jeder Aktionär … verlangen“ bzw „auf Verlangen eines Aktionärs“). Diese betreffen aber nicht die Geschäftsführung, sondern die „eigene“ Vermögensposition bzw die mitgliedschaftliche Stellung in Bezug auf die Gesellschaft oder untereinander (vgl etwa § 10 Abs 4 AktG [Umwandlung von Inhaber- auf Namensaktien bzw umgekehrt]; § 108 Abs 5 AktG [Abschrift der in Abs 3 leg cit genannten Unterlagen]; § 118 Abs 1 AktG [Auskunft in der Hauptversammlung in Bezug auf Tagesordnungspunkte]; § 128 Abs 3 und 4 AktG [Mitteilung über die gefassten Beschlüsse bzw Erfassung und Zählung der abgegebenen Stimme]; § 153 Abs 1 AktG [Bezugsrecht anlässlich der Kapitalerhöhung]; § 221a Abs 6 AktG [Auskunft über alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten der anderen beteiligten Gesellschaft]; § 216 AktG; als Individualrechte wird auch das Recht auf Gewinnbeteiligung nach § 53 AktG angesehen).

II.3.2.5. Der Gleichbehandlungsgrundsatz normiert zwar eine tragende Säule des Aktienrechts (Doralt/Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 47a Rz 1), er richtet sich aber seiner Formulierung nach als Gebot an die Verwaltungsorgane. Eine textliche Ausgestaltung als subjektives Individualrecht des einzelnen Aktionärs – wie dies durch die Verwendung des Wortes „Verlangen“ bzw „verlangt“ an etlichen Stellen zum Ausdruck kommt (etwa bei den im Folgenden aufgezählten Minderheitenrechten) – fehlt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (ist nicht Recht per se, sondern) gilt für Haupt- und Nebenrechte (Doralt/Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 47a Rz 9).

[177] II.3.2.6. Minderheitenrechte beschränken sich (während des laufenden Geschäftsbetriebs) auf die Einberufung einer Hauptversammlung, die Aufnahme und Ankündigung eines Tagesordnungspunkts und damit im Wesentlichen auf die Vorbereitung und Durchsetzung der Rechte anlässlich der Meinungsbündelung durch Beschlussfassung in der Hauptversammlung (§ 105 Abs 3, § 109 f AktG [„verlangen“]), weiters auf Kontrollmaßnahmen wie die Einflussnahme bei Bestellung eines Abschlussprüfers (§ 270 Abs 3 UGB), seine Beiziehung bei der Hauptversammlung (§ 104 Abs 2 Z 3 AktG), und überhaupt die Kontrolle der Geschäftsführung im Rahmen der Möglichkeit der Bestellung eines Sonderprüfers nach § 130 AktG.

[178] Diese Kontrollmaßnahmen werden aber wesentlich flankiert von den Minderheitenrechten nach § 134 AktG. Deren Ausübung kann in die Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen einzelne Aktionäre oder Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats (sogar durch die Minderheit selbst [„wenn es eine Minderheit verlangt“]) münden.

[179] Über die erwähnten Minderheitenrechte hinaus stehen dem Aktionär nach dem Konzept des Aktiengesetzes gerichtlich durchsetzbare Rechte nur in ganz engem Spielraum (abseits der Bekämpfung der Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat aus bestimmten Gründen [§ 202 AktG]) zu, nämlich vor allem im Hinblick auf die Vermeidung von Fehlern bei der Willensbildung der Gemeinschaft der Aktionäre in der Hauptversammlung (§§ 195 ff AktG). Anders als nach § 7 VereinsG 2002 ist eine allgemeine Anfechtung von Beschlüssen (aller) Organe aber nicht eingerichtet. Obwohl im Vergleich zum Recht der GmbH das Aktiengesetz wesentlich umfangreicher und differenzierter ausgestaltet ist, fehlt darin auch die Verankerung eines den §§ 16, 42 GmbHG vergleichbaren einstweiligen Rechtsschutzes.

[180] II.3.2.7. Zusammenfassend sind daher Aktionäre (in aller Regel) von der dem Vorstand obliegenden Geschäftsführung ausgeschlossen. Dessen Kontrolle liegt beim Aufsichtsrat. Die Mitwirkung bzw Korrekturmöglichkeit durch (einzelne) Aktionäre sieht das Aktiengesetz bei Geschäftsführungsmaßnahmen nicht vor.

II.3.3. Kein Rechtsschutzdefizit bei Forderungen der Gesellschaft

[181] II.3.3.1. Bei Versagen der dem Aufsichtsrat obliegenden Kontrolle besteht auch kein Rechtsschutzdefizit, soweit es sich um Forderungen der Gesellschaft handelt, also primär um einen bei der Gesellschaft eingetretenen Schaden, der beim Aktionär nur Reflexschaden ist.

[182] Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft wurde anlässlich des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997 (BGBl 1997/106 – IRÄG 1997) um Minderheitenrechte (also Individualbefugnisse unter bestimmten Voraussetzungen) erweitert und damit ausreichend abgesichert. Es wurde damals der Haftung „beim Empfang verbotener Zahlungen (§ 56) durch verdeckte Gewinnausschüttungen“ (als solche bzw als gegen § 66a AktG verstoßendes Finanzierungsgeschäft sehen die Klägerinnen die Zuschüsse an) ausdrücklich gedacht (ErläutRV 734 BlgNR 20. GP  65) und mit der Regelung in § 122 Abs 1 AktG (nun verortet in der schon erwähnten Bestimmung des § 134 Abs 1 AktG) „der Minderheit ein wirksames Mittel zur Durchsetzung des Rückgewährverbotes in die Hand gegeben, das insbesondere bei konzernrechtlichen Verhältnissen Bedeutung hat“ (ErläutRV aaO 65 f). Ein Unterlassungsanspruch wurde aber weder normiert noch erörtert und auch anlässlich der Novellierung mit dem (bereits erwähnten und die Ausnutzung von genehmigtem bedingten Kapital betreffenden) AOG 2001 ausdrücklich nicht eingeräumt (ErläutRV 485 BlgNR 21. GP  9). Er verträgt sich auch nicht mit dem Kompetenzgefüge des Aktiengesetzes.

[183] Maßnahmen der effektiven Kapitalaufbringung und die Rückforderung einer verbotenen Einlagenrückgewähr sind auch nach Unionsrecht systematisch Rechte der Gesellschaft (vgl nur Art 57 der Richtlinie [EU] 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 7. 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts „wird […] zurückgewährt, wenn die Gesellschaft beweist, dass diesen Aktionären die Unzulässigkeit der an sie erfolgten Ausschüttung bekannt war“).

[184] In gleicher Weise resultieren aus einem Verstoß gegen § 66a AktG (auch dann wäre der Erwerb der Aktien und nach Kalss [in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 {2021} § 66a Rz 15], auch das Finanzierungsgeschäft selbst wirksam) Ansprüche der Gesellschaft selbst (zu den Rechtsfolgen hinsichtlich Schadenersatz der Organe gegenüber der Gesellschaft siehe Kalss aaO Rz 16; Foglar-Deinhardstein in Napokoj/Foglar-Deinhardstein/Pelinka, AktG Taschenkommentar [2019] § 66a Rz 9]).

[185] Die Geltendmachung von Forderungen der Gesellschaft ist ausreichend über die Verpflichtung des Vorstands zur Anspruchsverfolgung nach §§ 56 f AktG samt etwa daran anknüpfenden Schadenersatzansprüchen gegen die Aktionäre (§ 57 Abs 2 Satz 2 AktG) und dessen Überwachung durch den Aufsichtsrat (§ 95 Abs 1 AktG) abgesichert. Bleibt die Verwaltung untätig, ist Minderheitsaktionären (von 5 % des Grundkapitals) die Möglichkeit in die Hand gegeben, eine Hauptversammlung einzuberufen und derartige Anliegen auf die Tagesordnung zu setzen (§ 105 Abs 3 iVm § 109 Abs 1 AktG), woraufhin ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss darüber ergehen kann, der den Vorstand zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen verpflichtet. Eine über 10 % des Grundkapitals verfügende Minderheit kann dies (unabhängig von einem Mehrheitsbeschluss) bei „nicht offenkundig unbegründeten“ Ersatzansprüchen verlangen bzw die 5 %-Minderheit bei im Prüfungsbericht festgestellten „Tatsachen, aus denen sich die Ersatzpflicht“ ergibt (§ 134 Abs 1 AktG). Für die Anspruchsverfolgung können besondere Vertreter von der Hauptversammlung oder vom Gericht bestellt werden (§ 134 Abs 2 AktG). Die Aktionäre sind daher in Bezug auf (primäre) Ansprüche der Gesellschaft weder der Willkür des Vorstands noch der Untätigkeit des Aufsichtsrats schutzlos ausgesetzt. Die in § 134 AktG verankerten Minderheitenrechte sind ihren gesetzlich normierten Beschränkungen nach zu beachten und nicht darüber hinaus auf jeden einzelnen Aktionär, unabhängig von seiner Beteiligung (etwa auch nur mit einer Aktie), auszudehnen.

[186] II.3.3.2. Wenn das Aktiengesetz keine initiativen (Vorweg-)Weisungen anderer Gesellschaftsorgane an den Vorstand kennt (vgl 6 Ob 77/14p [ErwGr 2.1.]) und eine Einflussnahme einzelner Aktionäre (schon gar) nicht vorgesehen ist, ist gerade bei einem gerichtlichen Verbot, mit dem in die Geschäftsführung der dazu berufenen Organe eingegriffen wird, besondere Zurückhaltung geboten.

[187] II.3.3.3. Das kann auch nicht über eine ausdehnende Anwendung von § 47a AktG erreicht werden. Die Ableitung eines Individualrechts auf Basis eines „Eingriffs in die Finanzverfassung“ im Wege der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, wie Rüffler dies vornimmt (Rüffler,Grundlage und Reichweite einer Individualklagebefugnis von Aktionären nach österreichischem Recht, ÖJZ 2021, 410 ff [415]), verbietet sich, würde doch damit jede (auch noch so gering sich auswirkende) Maßnahme der Verwaltung den womöglich diametralen Steuerungsversuchen einzelner Aktionäre (auch) im Wege von Gerichtsverfahren unterworfen.

[188] § 47a AktG eröffnet häufig einen Ermessensspielraum, zumal die Gleichbehandlung „unter gleichen Voraussetzungen“ geboten ist. Dies erfordert aber stets die Auslegung, was als „gleiche Voraussetzungen“ anzusehen ist. Bei Einführung dieser Bestimmung mit dem EU-GesRÄG wurde bloß ein (schon bisher bestandener) „Grundsatz“ ausdrücklich festgehalten; eine sachliche Änderung des geltenden Rechtszustands sollte damit explizit nicht verbunden sein (ErläutRV 32 BlgNR 20. GP  80).

II.3.4. Kein direkter Eingriff in Aktionärsrechte durch die Gewährung der Zuschüsse

[189] II.3.4.1. Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, jede Gewährung einer Leistung an eine Gesellschafterin sei der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung vorbehalten. Mit den Beschlüssen über die Zuschüsse hätten die Verwaltungsorgane in die Kompetenz der Hauptversammlung eingegriffen.

[190] II.3.4.2. Dies ist – schon nach ihrem eigenen Standpunkt, nach dem es sich bei den Zuschüssen um eine verbotene Einlagenrückgewähr oder ein gegen § 66a AktG verstoßendes Geschäft handeln soll – nicht nachvollziehbar. Eine verbotene Einlagenrückgewähr oder ein gegen § 66a verstoßendes Finanzierungsgeschäft fiele nicht in die Zuständigkeit der Hauptversammlung, weil eine solche Maßnahme gar nicht – daher weder vom Vorstand noch vom Aufsichtsrat, und auch nicht auf Basis der Willensbildung der Gesellschafter – zu (beschließen oder zu) setzen wäre.

[191] Die Geschäftsführung an sich obliegt – soweit nach Gesetz oder Satzung keine Sonderzuständigkeit für eine Zustimmung der Hauptversammlung besteht – allein den Verwaltungsorganen. Warum der Vorstand bei jedem Rechtsgeschäft mit einem Aktionär, das eine Leistung der Gesellschaft an diesen nach sich zieht, etwa bei Abschluss eines Kaufvertrags (beispielsweise über Büromöbel, mag darin bei offenkundig überhöhtem Preis auch eine verdeckte Einlagenrückgewähr liegen), rite die Hauptversammlung zu befassen hätte, erschließt sich nicht.

[192] II.3.4.3. Wie die Leistung der gewährten Zuschüsse der Beklagten an die Holding (deren Aktionärin sie ja indirekt gleichzeitig ist) rechtlich genau einzuordnen wäre, muss im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden. Bei wechselseitigen Beteiligungen ist zwangsläufig eine „janusköpfige“ Stellung der beiden Unternehmen gegeben, die füreinander gleichzeitig Gesellschaft und Gesellschafter sind und beide Funktionen zu erfüllen haben. Selbst wenn man die Zuschüsse – wie dies die Klägerinnen tun – als verbotene Einlagenrückgewähr oder einen Verstoß gegen § 66a AktG ansähe, ginge es primär um einen der Gesellschaft durch eine Geschäftsführungsmaßnahme verursachten Schaden bzw um den Anspruch auf Rückforderung gegen den Leistungsempfänger bzw einen Schadenersatzanspruch (etwa auch gegen ihre Organe). Für die Verfolgung solcher Ansprüche räumt das Aktiengesetz den Aktionären (bloß, aber immerhin) Minderheitenrechte zur Durchsetzung dieser Ansprüche namens der Aktiengesellschaft ein (siehe ErwGr II.3.3.).

[193] Es handelt sich bei der Gewährung von Zuschüssen jedenfalls um Geschäftsführungsmaßnahmen (im engeren Sinn), für die die Kompetenz allein beim Vorstand liegt. Wenn nicht einmal der Gesamtheit der Aktionäre eine Mitsprache in Geschäftsführungsangelegenheiten zusteht, stünden Individualrechte in Geschäftsführungsangelegenheiten dazu im Widerspruch.

[194] II.3.4.4. Das erkennen die Klägerinnen in Wahrheit auch selbst an, wenn sie ausführen, es sei nicht richtig, dass sie bloß Reflexschäden geltend machten. Sie machten gerade nicht geltend, dass der auszuweisende Gewinn der Beklagten aufgrund der behauptetermaßen verbotswidrig erfolgten Zuschussleistungen an die Holding geschmälert und sie dadurch mittelbar geschädigt worden seien. Die Unmittelbarkeit des Eingriffs liege darin, dass – deswegen, weil ein Teil der Leistung aus dem Vermögen der Beklagten stamme – die Einlageleistung der Holding unvollständig sei. Die Holding werde aber – trotz § 25 der Satzung, der die Verteilung des Bilanzgewinns im Verhältnis der Anteile am Grundkapital und den auf die Aktien geleisteten Einlagen vorsehe – so behandelt, als wäre sie ihrer Einlagepflicht nachgekommen und verfüge über eine „vollwertige Beteiligung“. Die Holding erhalte demnach bei Aufteilung einen zu großen Anteil am Bilanzgewinn; dieser (der zu große Teil) wäre aber richtigerweise auf die anderen Aktionärinnen aufzuteilen.

[195] Damit behaupten die Klägerinnen, durch die Gewährung von Zuschüssen sei (unmittelbar) ihr Anteil am bzw ihre Quote vom Bilanzgewinn geschmälert worden.

[196] II.3.4.5. Die Gewinnverteilung fällt aber (auch nach der Satzung) in die Kompetenz der Hauptversammlung (§ 104 Abs 4 AktG). Diese ist zwar – was die Höhe des Bilanzgewinns anbelangt – an den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellten Jahresabschluss gebunden. Dass der auszuweisende Gewinn der Beklagten aufgrund behauptetermaßen verbotswidrig erfolgter Zuschussleistungen an die Holding verringert worden wäre, machen die Klägerinnen (zu Recht, weil darin nur eine mittelbare Schädigung läge) ausdrücklich nicht geltend.

[197] Es läge aber – angesichts der den Aktionären bekannten Zahlungen – an der Hauptversammlung, im Rahmen des von ihr zu fassenden Gewinnverteilungsbeschlusses darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Aufteilung des Gewinns entsprechend der Satzung nach den auf die Aktien geleisteten Einlagen verteilt wird. Dass oder warum (in Hinkunft) die ihrer Ansicht nach „richtige“ (aber nicht nähere konkretisierte) Gewinnverteilung nicht im Rahmen der Willensbildung der Aktionäre der Hauptversammlung anlässlich einer (bekämpfbaren) Beschlussfassung durchzusetzen wäre, legen die Klägerinnen nicht dar.

[198] II.3.4.6. Unabhängig davon wird durch die (Beschlüsse auf) Zuschussleistungen selbst keine direkte Schmälerung des Gewinnanteils herbeigeführt, bedarf es doch dafür etlicher Zwischenschritte (etwa von der Zeichnung der Aktien durch die Holding im Rahmen der Kapitalerhöhung bis hin zur – von der Hauptversammlung zu beschließenden – Gewinnverteilung), weshalb schon aus diesem Grund eine „Unmittelbarkeit“ zu verneinen ist. Warum sich Zuschüsse zur Stärkung der Liquidität und allgemeinen Finanzierung der Holding überhaupt direkt auf den quotenmäßigen Anteil am Bilanzgewinn nachteilig ausgewirkt haben sollten, erklären die Klägerinnen nicht.

II.3.5. Zusammenfassung

[199] Zuschüsse der Gesellschaft an eine Aktionärin, deren Aktionärin die Gesellschaft aufgrund einer Rückbeteiligung (mittelbar) selbst ist, sind Geschäftsführungsmaßnahmen. In der Gewährung des Zuschusses (oder der Beschlussfassung darüber) durch die Verwaltungsorgane liegt keine Maßnahme, die unmittelbar zur Schmälerung des (quotenmäßigen) Anteils eines einzelnen Aktionärs am Bilanzgewinn führt.

[200] Ein Individualrecht des einzelnen Aktionärs auf Untersagung der Beschlussfassung (und Durchführung) von Geschäftsführungsmaßnahmen wie die Gewährung von Zuschüssen mittels Unterlassungsklage besteht nicht.

[201] II.3.6. Auch die Abweisung der Klagebegehren 5. bis 7. erfolgte demnach zu Recht.

II.4. Feststellungsbegehren 11.–22. (Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse über die Gewährung von Zuschüssen an die Holding)

II.4.1. Rechtsschutzziel der Feststellungsklagen

[202] II.4.1.1. Ob eine Aktionärsklage analog § 201 AktG (bzw den §§ 199 ff AktG ähnlich ausgestaltet) unter bestimmten Voraussetzungen gegen Beschlüsse der Verwaltungsorgane zulässig sein könnte, kann (wie schon zu ErwGr II.2.) im vorliegenden Fall offen bleiben. Für die hier konkret geltend gemachten Feststellungsbegehren 11.–22. ist dies jedenfalls zu verneinen.

[203] II.4.1.2. Unterstellte man mit den Klägerinnen, es läge in den Zuschüssen ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr oder ein Verstoß gegen § 66a AktG, resultierten daraus (direkte) (Schadenersatz-)Ansprüche der Gesellschaft. Für Forderungen der Gesellschaft (sei es Rückforderung wegen verbotener Einlagenrückgewähr, sei es Schadenersatz [zur Haftung auch der Verwaltungsorgane siehe §§ 84 und 99 AktG]) besteht das – von den Klägerinnen als Begründung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage (ohne an die Voraussetzungen des § 228 ZPO gebunden zu sein) angeführte – Rechtsschutzdefizit nicht (siehe ErwGr II.3.3.).

[204] Mit dem sich auf Ansprüche der Gesellschaft gegen Aktionäre, gegen die nach §§ 39 bis 41 und 47 AktG verpflichteten Personen aus der Gründung oder gegen die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats aus der Geschäftsführung beziehenden Instrumentarium nach § 134 AktG steht ein ausreichend konzipierter Rechtsschutz zur Verfügung, sodass es aufgrund von Rechtsschutzüberlegungen nicht notwendig ist, dass derartigen Maßnahmen ein Verfahrenauf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse vorangehen müsste. Im Übrigen verfügten die Klägerinnen (unter Einrechnung der Weisungsbefugnis der Erstklägerin über die Zweitklägerin jedenfalls) im konkreten Fall über (weit) ausreichende Beteiligungen, um Minderheitenrechte in Anspruch nehmen zu können.

[205] Der Umstand, dass die Beklagte für die rechtliche Abklärung der Rechtsfragen zwischen der Holding und ihr rund um die Zuschüsse mit dem Schiedsverfahren einen – zulässigen (und der gerichtlichen Abklärung vergleichbaren) – Weg wählte, der mit für die Klägerinnen nicht gewolltem Ergebnis endete, vermag am strukturell ausreichenden Rechtsschutz selbst nichts zu ändern.

[206] II.4.1.3. Die Klägerinnen erklärten noch im Verfahren erster Instanz, sie betrieben mit der Klage (auch gar) keine (Schaden-)Ersatzansprüche der Beklagten, sondern verfolgten ein anderes Rechtsschutzziel: Es solle vielmehr „Klarheit über einen Streit zwischen den klagenden Parteien als Aktionären der beklagten Partei und dieser bzw ihren Verwaltungsorganen über die Wirksamkeit von Verwaltungshandlungen und der Pflichtwidrigkeit des Vorgehens der Organe der beklagten Partei geschaffen“ werden.

[207] Das Schaffen von „Klarheit über einen Streit“ zwischen den Klägerinnen und der Beklagten „bzw ihren Verwaltungsorganen“ über die Pflichtwidrigkeit von deren Vorgehen käme der (nicht vorgesehenen) Erstellung eines Rechtsgutachtens (nun) durch das Gericht gleich. Es besteht aber – wie schon erläutert – angesichts der im Aktiengesetz vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten weder ein ausreichendes Bedürfnis noch eine Grundlage dafür, eine „neue“, bisher nicht vorgesehene Feststellungsklage gegenBeschlüsse der Verwaltungsorgane nach Prägung der Klägerinnen im Rahmen einer richterlichen Rechtsfortbildung zu schaffen.

[208] Für die Zulässigkeit einer von den Voraussetzungen der Feststellungsklage nach § 228 ZPO losgelösten und im Aktiengesetz nicht eingerichteten Nichtigkeitsklage gegen Beschlüsse der Verwaltung ohne Vorliegen eines rechtlichen Interesses (und ohne Subsidiarität im Verhältnis zu einer möglichen Leistungsklage), die zwar nach der Forderung der Klägerinnen mit erga-omnes-Wirkung ausgestattet seien, dafür aber ohne zeitliche Beschränkung bleiben soll, können die Klägerinnen eine Rechtsgrundlage nicht nennen. Sie beziehen sich auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wollen allerdings dessen Einschränkungen (Geltendmachung „ohne unangemessene Verzögerung“ [BGH 10. 10. 2005, II ZR 90/03 Mangusta/Commerzbank II Rn 30 BGHZ 164, 249 = NJW 2006, 374;; vgl auch 7. 5. 2019, II ZR 278/16]) gegen sich nicht gelten lassen (danach wäre die Klage angesichts des Wissens der Klägerinnen um die Beteiligungen seit „Jahrzehnten“ und die Zuschüsse seit dem Jahr 2019 verfristet). Sie nehmen zudem keine Rücksicht darauf, dass der Bundesgerichtshof schwerwiegende und direkte Eingriffe in das Mitgliedschaftsrecht zugrundelegt.

[209] Zur Verneinung eines „unmittelbaren“ Eingriffs durch die Beschlüsse auf Gewährung von Zuschüssen in die Aktionärsrechte der Klägerinnen können sie auf die Ausführungen in ErwGr II.3.4.3. bis II.3.4.5. verwiesen werden.

II.4.2. Fehlendes rechtliches Interesse

[210] II.4.2.1. Damit hat es beim Instrument der Feststellungsklage nach § 228 ZPO zu bleiben, und es muss sich die Klage an dessen Voraussetzungen messen lassen.

[211] Insoweit können die Klägerinnen aber nicht darlegen, warum mit der (konkreten) Klage ein allseitiger Rechtsfrieden zwischen allen Beteiligten hergestellt werden könnte. Zudem ist das in § 228 Abs 1 ZPO geforderte rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung durch gerichtliche Entscheidung („wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat“) Voraussetzung für den Feststellungsanspruch (RS0039177). Dieses Rechtsschutzbedürfnis ist vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (RS0039239; RS0037977; vgl zur Subsidiarität der Feststellungsklage, wenn auch eine Leistungsklage möglich ist Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 [2021] § 171 Rz 62; RS0038849).

[212] II.4.2.2. Wenn die Revision behauptet, das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Möglichkeit, weitere Maßnahmen wie die Verweigerung der Entlastung der Verwaltungsmitglieder, deren Abberufung oder die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen „vorzubereiten“, ist das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung daraus nicht ableitbar. Es bleibt (nach wie vor) offen, wem gegenüber und für welche Perioden (die Begehren betreffen Beschlüsse zurück bis ins Jahr 2009) überhaupt noch eine „Entlastung“ verweigert werden könnte. Soweit dies noch ausstünde, ist nicht nachvollziehbar, inwiefern eine derartige Maßnahme von einer Feststellung abhinge oder warum die Klägerinnen die dafür notwendigen Schritte noch nicht gesetzt haben oder setzen konnten. Sie erklären nicht, warum sie im Zeitpunkt der Einbringung dieser Klage (bzw schon in der Vergangenheit) nicht schon in der Lage gewesen wären, (ohne Konkretisierung gebliebene Schadenersatz- oder andere Leistungs-)Ansprüche in Form von Leistungsklagen zu verfolgen, so etwa auch nicht hinsichtlich des von ihnen behaupteten „unmittelbaren“ Schadens an entgangener (anteiliger) Dividende.

[213] II.4.3. Es hat daher auch bei den Begehren 11.–22. (schon) mangels rechtlichen Interesses bei der Abweisung der Klagebegehren zu bleiben (RS0039201).

III. Kostenentscheidung

[214] Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Zuzusprechen sind der Beklagten im Hinblick auf § 22 RATG aber nur die Kosten einer Rechtsmittelgegenschrift.

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