OGH 1Ob127/13b

OGH1Ob127/13b29.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Karl Ludwig Vavrovsky, Rechtsanwalt in Salzburg, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der F***** GmbH, *****, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen § 31 Abs 3, § 117 Abs 4 WRG (Streitwert: 1.019.960 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 24. April 2013, GZ 22 R 34/13y‑72, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 6. Juli 2012, GZ 43 Nc 4/07b‑67, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der erstinstanzliche Beschluss wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass er wie folgt lautet:

„1. Der Antrag des Antragstellers festzustellen, dass eine Haftung der F***** GmbH für die Folgen des Ölaustritts vom 25. 4. 1993 im Einzugsgebiet der Wasserversorgungsanlage Zell am See ‑ Prielau aufgrund einer wasserrechtlich nicht genehmigten Betriebstankstelle nicht gegeben sei, wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegnerin im Konkurs über das Vermögen der F***** GmbH eine Konkursforderung von 1.019.960 EUR dem Grunde nach zusteht.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Die Kosten des Antragstellers sind weitere Verfahrenskosten. Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Andreas U***** jun erteilte im März 1993 an die seit Mai 2011 insolvente F***** GmbH (damals noch eine AG) telefonisch den Auftrag, die bestehende Tankanlage der Bäckerei in Maishofen zum neuen Aufstellungsort nahe einer Bundesstraße außerhalb des Ortes zu übersiedeln. Am 25. 3. 1993 „schloss“ die Rechtsvorgängerin den Dieseltank „ab“ und schloss ihn am 30. 3. 1993 am neuen Standort wieder an. Ein weiteres Unternehmen pumpte den Tank aus, überführte die Anlage und befüllte diese am selben Tag wieder mit Diesel.

Als am 30. 3. 1993 der Tank von zwei Monteuren der Schuldnerin installiert wurde, war diesen klar, dass die Anlage in dieser Form nicht bewilligungsfähig war. Die Anlage war unter anderem auf unbefestigtem Boden aufgestellt worden, obwohl eine Betonwanne erforderlich gewesen wäre. Weiters wurden die alten und bereits jahrelang verwendeten Bestandteile der Tankanlage und der Zapfsäule in derselben Form wieder installiert. Ein für den Fall eines Ölaustritts erforderliches Schnellschlussventil (Magnetventil) war nicht angebracht; eine Schlauchverbindung wurde nur mangelhaft angeklemmt. Die Anlage wurde betriebsfertig hergestellt und eine Funktionsprobe durchgeführt (einige Liter Diesel wurden in einen Kanister herausgetankt). Eine Druckprüfung der Anlage erfolgte nicht; ebenso wurde ein vorhandenes Saugventil, das in der Folge versagte, nicht überprüft. Abschließend wurde lediglich der Kugelhahn geschlossen. Die beiden Monteure ließen sich nach Abschluss der Arbeiten die Arbeitsstunden und das Material im Büro der Bäckerei „U*****“ bestätigen und gaben zu erkennen, dass der Auftrag erfüllt sei.

In den anschließenden Wochen wurde die Tankanlage laufend von der „Firma U*****“ benützt und mit 10.000 l Diesel nachbetankt. Am 25. 4. 1993 löste sich nach einem Druckanstieg im Inneren des Tanks aufgrund der Sonneneinwirkung die nur mit einer Schelle befestigte Schlauchverbindung zwischen Tank und Zapfsäule. Dadurch flossen in der Folge 3.561 l Diesel auf den unbefestigten Boden aus. Dies führte zu einer erheblichen Verunreinigung des Erdreichs und des Grundwassers im Trinkwasserschongebiet einer Versorgungsanlage.

Die Betriebstankstelle (der Bäckerei) steht auf einer im Eigentum eines Dritten stehenden Liegenschaft. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft hat als Wasserrechtsbehörde in der Folge umfangreiche Maßnahmen zur Schadensbeseitigung durchgeführt bzw durchführen lassen. Sie schrieb der Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin als Verpflichteter im Sinn des § 31 Abs 1 WRG mit Bescheid vom 5. 12. 1995 gestützt auf § 31 Abs 3 WRG den Ersatz von Kosten in der Höhe von 22.291.131,69 S für die Folgen des Ölaustritts vom 25. 4. 1993 vor.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 2. 10. 1995 wurde der Berufung eines Vorstandsmitglieds der Antragstellerin (die später von einer AG in eine GmbH umgewandelt wurde) gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft, mit dem über dieses wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs 1 iVm § 137 Abs 5 lit b WRG eine Geldstrafe von 30.000 S verhängt worden war, keine Folge gegeben. Danach hat es dieses als gemäß § 9 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliches Organ zu verantworten, dass es infolge auffallender Sorglosigkeit der nunmehrigen Schuldnerin zu einer erheblichen Grundwasserverunreinigung auf der Liegenschaft gekommen sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. 12. 1996, 95/07/0218, als unbegründet abgewiesen.

Die Schuldnerin brachte beim Erstgericht gegen den Bescheid der Wasserrechtsbehörde einen Antrag gemäß § 117 Abs 4 WRG mit dem Begehren ein, dass ihre Haftung für die Folgen des Ölaustritts vom 25. 4. 1993 im Einzugsgebiet der Wasserversorgungsanlage aufgrund einer wasserrechtlich nicht genehmigten Betriebstankstelle nicht gegeben sei. Der Bescheid sei jedenfalls insoweit rechtswidrig, als ihr der Kostenersatz für wasserpolizeiliche Maßnahmen auferlegt worden sei. Sie sei weder unmittelbare Verursacherin der betreffenden Ölverschmutzung noch Anlagenbetreiberin der Betriebstankstelle gewesen. Sie sei auch weder Sach‑ noch Rechtsbesitzerin der Tankanlage gewesen, noch jener Liegenschaft, auf welcher diese errichtet worden sei, und hätte daher Maßnahmen im Sinn des § 31 Abs 2 WRG nur mit (rechtswidriger) Eigenmacht unter Eingriff in fremde Rechte oder aber im Auftrag der Werkbestellerin vornehmen können, sodass die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 WRG auf sie nicht zuträfen.

Die Antragsgegnerin begehrte Kostenersatz wie im Bescheid der Wasserrechtsbehörde und wendete insbesondere ein, dass die Haftung der nunmehrigen Schuldnerin feststehe, zumal der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg im Bescheid vom 2. 10. 1995 rechtskräftig festgestellt habe, dass es infolge auffallender Sorglosigkeit der Schuldnerin zur erheblichen Wasserverunreinigung gekommen sei. Sie sei bindend als Verpflichtete gemäß § 31 WRG anzusehen.

Aufgrund eines mit der Andreas U***** KG abgeschlossenen Vergleichs schränkte die Antragsgegnerin den Anspruch auf Kostenersatz gegen die Schuldnerin um 600.000 EUR auf 1.019.960 EUR ein.

Das Erstgericht, das das Verfahren auf den Grund des Anspruchs einschränkte, sprach aus, dass die Haftung „der Antragstellerin zur ungeteilten Hand mit der Firma Andreas U***** für die Kosten der von der Wasserrechtsbehörde der Bezirkshauptmannschaft Zell am See auf der Grundlage des § 31 Abs 3 WRG wegen der konkreten Gefahr einer (weiteren) Grundwasserverunreinigung im Einzugsgebiet der Wasserversorgungsanlage Zell am See ‑ Prielau nach einem Ölunfall am 25. 4. 1993 bei der wasserrechtlich nicht genehmigten Betriebstankstelle der Firma U***** GmbH auf GN 435/5, KG ..., Gemeinde ..., und Gefahr im Verzug unmittelbar angeordneten und wegen Untätigkeit der Verpflichteten unverzüglich durchgeführten Maßnahmen zum Schutz des genannten, für die Trinkwasserversorgung verwendeten Grundwasserkörpers als (weitere) Verpflichtete im Sinne des § 31 Abs 1 WRG“ dem Grunde nach zu Recht bestehe. § 31 WRG gehe vom Verursachungsprinzip aus. Die Verpflichtung zur Vornahme der zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen sei von einem Verschulden unabhängig. Verpflichteter sei derjenige, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen im konkreten Fall mit dem Eintritt der Gefahr einer Gewässerverunreinigung im ursächlichen Zusammenhang stünden. „Die Antragstellerin“ habe durch die von ihr vorgenommene betriebsfertige mangelhafte Installierung des Dieselöltanks ohne wasserrechtliche Bewilligung auf unbefestigtem Grund eine Maßnahme gesetzt, die aufgrund auffallender Sorglosigkeit zu einer erheblichen Gewässerverunreinigung im Trinkwasserschongebiet der Trinkwasserversorgungsanlage geführt habe. „Die Antragstellerin“ treffe somit eine Haftung gemäß § 31 Abs 1 WRG für die Kosten der von der Wasserrechtsbehörde wegen Gefahr im Verzug aufgrund des erheblichen Ölaustritts im Trinkwasserschongebiet und „des Nichttätigwerdens der Antragstellerin“ angeordneten und durchgeführten Maßnahmen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers (des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der GmbH) Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es feststellte, dass die Antragstellerin für die Folgen des Ölaustritts vom 25. 4. 1993 im Einzugsgebiet der Wasserversorgungsanlage Zell am See ‑ Prielau aufgrund einer wasserrechtlich nicht genehmigten Betriebstankstelle der Firma „U***** GmbH“ nicht hafte. Rechtlich führte es aus, dass die Schuldnerin weder unmittelbare Verursacherin noch Anlagenbetreiberin sei. § 31 Abs 2 WRG sei dahin zu verstehen, dass derjenige zu Maßnahmen verpflichtet sei und von der Behörde dazu verhalten werden könne, der die durch ihn herbeigeführte Gefahr beherrsche und damit faktisch, aber auch rechtlich in der Lage sei, entsprechende Abwehrmaßnahmen zu setzen. Dies treffe auf einen Werkunternehmer zu, dem bei Ausführung des Werks eine Gewässerverunreinigung unterlaufe (unmittelbarer Verursacher), nicht aber, wenn der Werkunternehmer das Werk bereits erstellt und übergeben habe (vgl RIS‑Justiz RS0082486). Unter dem Adressaten des § 31 WRG sei nicht eine Werkunternehmerin zu verstehen, die ihr Werk vollendet und an den Auftraggeber/Anlagenbetreiber übergeben habe. Wie hätte die Werkunternehmerin, die lediglich den Öltank vom früheren Standort abgebaut und am neuen Standort wieder aufgebaut habe, nach Verstreichen eines Zeitraums von vier Wochen bis zum Unfall und ohne weitere Einflussmöglichkeit auf den Betrieb der Anlage eine Verunreinigung des Wassers verhindern sollen, habe sie doch nicht wissen können, dass die „Firma U*****“ den Tank (ohne eine Anlagenbewilligung einzuholen) mit weiteren 10.000 l Diesel auffüllen und konsenslos in Betrieb nehmen würde? Auch wäre ein Werkunternehmer der Wasserrechtsbehörde weder unmittelbar bekannt noch in aller Regel soweit greifbar, um diesem noch wirksame Sofortmaßnahmen zur Verhinderung einer Gewässerverunreinigung aufzutragen. Dies sei grundsätzlich nur gegenüber dem Anlagenbetreiber denkbar. Mangels Möglichkeit zur Einflussnahme der Antragstellerin auf das weitere Verhalten der „Firma U*****“ sei unabhängig davon, dass das Werk gewisse der Schuldnerin zurechenbare (und zivilrechtlich zu beurteilende) Mängel aufgewiesen habe, nur die Anlagenbetreiberin als unmittelbare Adressatin des § 31 WRG anzusehen. Die Monteure der Schuldnerin hätten sich nach Abschluss der Arbeiten die Arbeitsstunden und das Material im Büro der Bäckerei „U*****“ bestätigen lassen und zu erkennen gegeben, dass der Auftrag erfüllt sei. Damit sei an der Übergabe der Tankanlage an die Firma „U*****“ nicht zu zweifeln. Die verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung des Vorstandsmitglieds der Schuldnerin sei vor dem Hintergrund des Vorwurfs einer begangenen Übertretung und einer dafür vorgesehenen Verwaltungsstrafe (§ 137 WRG) zu sehen, „nicht aber im Lichte eines Entschädigungsverfahrens gemäß § 117 WRG und der hieraus zu leistenden Beiträge“. Die Schuldnerin komme mangels eines Naheverhältnisses beim Betrieb der Anlage „nicht primär“ als Adressat nach § 31 WRG in Frage und habe zudem Wochen vor dem Ölunfall das Werk in den Verantwortungsbereich der Anlagenbetreiberin übergeben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den (ordentlichen) Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG für zulässig. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sehe im Wesentlichen (abgesehen vom Liegenschaftseigentümer) den Anlagenbetreiber als Verpflichteten im Sinn des § 31 WRG an und auch die oberstgerichtliche Rechtsprechung verneine eine Haftung des Werkunternehmers für Gewässerverunreinigungen nach Fertigstellung und Übergabe des Werks an den Anlagenbetreiber (RIS‑Justiz RS0082486). Dieses Verfahrensergebnis stehe jedoch hier nicht im Einklang mit dem Verwaltungsstrafverfahren, in welchem über das zur Vertretung nach außen zuständige Organ der Schuldnerin wegen des Ölunfalls eine Geldstrafe verhängt worden sei, weshalb die Frage einer (Mit‑)Haftung der Schuldnerin einer abschließenden Klärung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragt, das Rechtsmittel der Prozessgegnerin zurückzuweisen, hilfsweise den Revisionsrekurs abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin die rechtskräftige Verurteilung des Vorstandsmitglieds der Schuldnerin gemäß § 137 Abs 5 lit b WRG idF BGBl 1990/252 zu einer Verwaltungsstrafe keine Bindungswirkung für die Kostenersatzpflicht der Gesellschaft nach § 31 Abs 3 WRG entfaltet. Nach ständiger Rechtsprechung (9 ObA 80/03k = RIS‑Justiz RS0074219 [T24]; 8 ObA 70/03g = RIS‑Justiz RS0040203 [T4]; vgl zur älteren Rechtsprechung RS0040213) besteht auch nach der Entscheidung des verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 612/95 (= SZ 68/195) keine Bindung der Gerichte an Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden, weil die Bindungswirkung auf strafgerichtliche Verurteilungen beschränkt ist. Die verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung betrifft zudem nur ein Vorstandsmitglied, nicht aber die Schuldnerin selbst. Der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg vom 2. 10. 1995, der vom Verwaltungsgerichtshof (95/07/0218) bestätigt wurde, ist auch kein rechtsgestaltender Bescheid. Weiters erfasst die Bindung an die Bescheide der Verwaltungsbehörde nicht auch die auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage, mag sie auch auf identischer Sachverhaltsgrundlage beruhen (RIS‑Justiz RS0037015 [T2]; vgl RS0036981 [T9, T14]). Die Antragsgegnerin vermag auch nicht mit rechtlichen Argumenten aufzuzeigen, inwiefern sich aus der verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung eines Vorstandsmitglieds nach § 137 Abs 5 lit b WRG ergeben soll, dass die nunmehrige Schuldnerin „als Verpflichtete gemäß § 31 Abs 1 und 2 WRG bindend“ feststehe.

2. Die Wiedergabe des Inhalts des Bescheids des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg in den erstgerichtlichen Feststellungen ist nicht gleichzusetzen mit dem Sachverhalt, den das Erstgericht als Ursache des Austritts des Diesels aus der Tankanlage feststellte. Die Ansicht des Rekursgerichts, die Monteure hätten nicht wissen können, dass die „Firma U*****“ den Tank tatsächlich mit weiteren 10.000 l Diesel auffüllen und konsenslos in Betrieb nehmen würde, ist der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Eine vom Berufungsgericht vorgenommene (rechtliche) Wertung kann aber nie eine Aktenwidrigkeit sein (RIS‑Justiz RS0043277). Die von der Antragsgegnerin behauptete Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.

3. Schutzzweck der Vorschriften der §§ 30 ff WRG ist die Reinhaltung und der Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers (RIS‑Justiz RS0108330). § 31 Abs 1 WRG soll künftige Gewässerverunreinigungen verhindern. Er bezieht sich in erster Linie auf Anlagen und Maßnahmen, bei denen eine Einwirkung auf Gewässer zwar nicht vorgesehen, erfahrungsgemäß aber möglich ist. Dagegen bezweckt § 31 Abs 2 WRG die Beseitigung einer bereits konkretisierten Gefahr (RIS‑Justiz RS0082504): Wenn die Gefahr einer Gewässerverunreinigung trotz Einhaltung der nach Abs 1 gebotenen Sorgfalt eintritt, so hat der nach Abs 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die im Gesetz näher bezeichneten Behörden zu verständigen. Die neben der Verständigungspflicht bestehende Handlungspflicht des Verursachers umfasst alle Vorkehrungen, die ein weiteres Auslaufen von wassergefährdenden Stoffen verhindern, aber auch die Verpflichtung, bereits ausgelaufene Stoffe zu lokalisieren, einzusammeln und schadlos zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0082511). Werden diese Maßnahmen vom Verpflichteten nicht oder nicht rechtzeitig getroffen, so hat ihm nach § 31 Abs 3 WRG die Wasserrechtsbehörde die entsprechenden Maßnahmen aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Sofortmaßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen (1 Ob 72/97p = SZ 70/159; 1 Ob 207/98t = SZ 72/47 = RdU 2000, 149 [Pilgerstorfer], jeweils mwN).

Der besonderen Bedeutung der Reinhaltung der Gewässer wurde durch die WRG‑Novellen 1959, BGBl 1959/54, und 1969, BGBl 1969/207, dadurch Rechnung getragen, dass dieses Anliegen nicht nur dem Wasserberechtigten, sondern jedermann zur Pflicht gemacht wurde. Es können daher auch mehrere Personen unabhängig voneinander zu Maßnahmen nach § 31 Abs 2 WRG verpflichtet sein (RIS‑Justiz RS0082530). Zu diesem Personenkreis zählen neben dem unmittelbaren Verursacher auch der Anlagenbetreiber, sei er nun selbst Eigentümer der Anlage oder deren Bestandnehmer, etwa der Pächter (RIS‑Justiz RS0082530 [T2]). Die Bestimmung des § 31 Abs 2 WRG kann sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, dass derjenige zu Maßnahmen verpflichtet ist und von der Behörde dazu verhalten werden kann, der die durch ihn herbeigeführte Gefahr beherrscht und damit faktisch, aber auch rechtlich in der Lage ist, entsprechende Abwehrmaßnahmen zu treffen. Die Haftung für Anlagen umfasst nicht nur deren Herstellung, sondern auch deren Instandsetzung und Betrieb (1 Ob 207/98t = SZ 72/47 mwN ua; RIS‑Justiz RS0082486). Die Pflichten nach § 31 Abs 2 und 3 WRG treten verschuldensunabhängig ein (vgl RIS‑Justiz RS0082526 [T4]).

4. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 8/86 = SZ 59/111) ist auch der Werkunternehmer, der durch von ihm auf fremdem Grund gesetzte Maßnahmen die Gefahr einer Gewässerverunreinigung im Sinn des § 31 Abs 1 WRG herbeiführte, gemäß § 31 Abs 2 WRG verpflichtet, diese Gefahrenlage unverzüglich zu beseitigen. Der Werkunternehmer haftet, wenn bei Ausführung des Werks die Gewässerverunreinigung herbeigeführt wird (1 Ob 35/92 = JBl 1993, 389 [Dullinger]; 1 Ob 1/93). Hat aber der Werkunternehmer das Werk bereits erstellt und übergeben, so soll ihm in der Regel die rechtliche Möglichkeit fehlen, Maßnahmen der in § 31 Abs 2 WRG genannten Art zu treffen. Solche Maßnahmen oblägen dann dem über die Liegenschaft Verfügungsberechtigten (1 Ob 34/87 = SZ 60/235; 1 Ob 9/89 = SZ 62/130; RIS‑Justiz RS0082486). Dass der Werkunternehmer nur bis zur Erstellung und Übergabe des Werks Verpflichteter im Sinn des § 31 Abs 2 WRG sei, wird im Großteil des Schrifttums ‑ ohne daran Kritik zu üben ‑ referiert (Oberleitner/Berger, WRG‑ON 1.01 § 31 Rz 13; Bumberger/Hinterwirth, WRG² [2013] § 31 K 3 und E 69; Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993] § 31 WRG Rz 15; Puck in ecolex 1993, 520 [Glosse zu 1 Ob 36/92]). Lediglich Kaan/Braumüller (Wasserrecht [2000] E 36, 37 bei § 31 WRG) merken zu den als „Abw noch“ bzw „Ebenso noch“ qualifizierten Entscheidungen 1 Ob 34/87 und 1 Ob 9/89 an, dass nach der WRG‑Novelle 1990 gemäß § 31 Abs 5 WRG die „rechtliche Möglichkeit“ bestehe, Maßnahmen nach § 31 Abs 2 WRG außerhalb des eigenen Verfügungsbereichs zu setzen.

Die Rechtsprechung, nach der ein Werkunternehmer nur bis zur Erstellung und Übergabe des Werks Verpflichteter im Sinn des § 31 Abs 2 WRG sei und ab diesem Zeitpunkt nur noch der über die Liegenschaft Verfügungsberechtigte Abwehrmaßnahmen setzen könne, hebt hervor, dass der Werkunternehmer ab diesem Zeitpunkt rechtlich keine Möglichkeit mehr habe, Maßnahmen im Sinn des § 31 Abs 2 WRG zu treffen. Dies trifft aber seit Inkrafttreten der WRG‑Novelle 1990, BGBl 1990/252, nicht mehr zu. Nach dem damit neu eingeführten § 31 Abs 5 WRG wird für gemäß § 31 Abs 3 und 4 WRG aufgetragene Maßnahmen, durch die Rechte Dritter berührt werden, die Anwendung des § 72 WRG normiert. Die Materialien (ErläutRV 1152 BlgNR XVII. GP 27) halten dazu fest, dass die Durchführung von Maßnahmen zur Abwehr von Gewässerverunreinigungen manchmal auch Eingriffe in fremde Rechte erfordert, wie zB Grabungen auf fremdem Grund, Untersuchung der Brunnen Dritter und dergleichen. Abs 5 stelle unter anderem klar, dass die Betroffenen gemäß § 72 WRG die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zu dulden haben.

Gemäß § 72 Abs 1 lit e WRG haben die Eigentümer von Grundstücken und die Wasserberechtigten zur Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung einer Gewässerverunreinigung das Betreten und Benutzen ihrer Grundstücke in näher beschriebener Art insoweit zu dulden, als sich dies als unbedingt notwendig erweist. Somit trifft auch den Liegenschaftseigentümer eine Verpflichtung zur Duldung von gemäß § 31 Abs 3 WRG angeordneten Maßnahmen. Sollten bei Durchführung der von der Wasserrechtsbehörde aufgetragenen Maßnahmen auf fremdem Grund Behinderungen durch den Grundeigentümer auftreten, so ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (91/07/0033; 91/07/0070, 0071; 93/07/0163 ua) der gemäß § 31 Abs 1 WRG Verpflichtete gehalten, bei der Wasserrechtsbehörde entsprechende Abhilfe zu begehren. Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 44/92 = SZ 66/12; kritisch Bumberger/Hinterwirth aaO § 72 K 2; Oberleitner/Berger aaO § 72 Rz 1) ist dagegen das durch § 72 Abs 1 WRG eingeräumte Recht zum Betreten und Benützen fremder Grundstücke eine Eigentumsbeschränkung (Legalservitut), die im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden kann. Damit besteht aber ‑ unabhängig von der unterschiedlich beantworteten Frage der Rechtsdurchsetzung ‑ für einen Werkunternehmer, der ein mangelhaftes Werk abliefert, kein rechtliches Hindernis mehr, die von ihm mitverursachte Gewässerverunreinigung zu beseitigen. Dass die Anlagenbetreiberin (Werkbestellerin), die von der Wasserrechtsbehörde ebenfalls als Verpflichtete in Anspruch genommen wurde, Maßnahmen zur Behebung der Gewässerverunreinigung durch die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin verhindert hätte, wird im Übrigen nicht behauptet (vgl Windisch, Die Haftung nach § 31 WRG, RdU 1996, 171 [178], der aus teleologischen Gründen die Duldungspflicht nach § 72 WRG auch auf sonstige dinglich oder obligatorisch Berechtigte erstrecken will).

Schon angesichts der dargestellten Gesetzesänderung ist die Präzisierung bzw Differenzierung der Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats angezeigt.

§ 31 Abs 2 WRG richtet sich an den nach Abs 1 leg cit Verpflichteten, also jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine schädliche Einwirkung auf ein Gewässer herbeiführen können. Die Haftung für Anlagen umfasst deren Herstellung, Instandhaltung und Betrieb. Unter Maßnahmen im Sinn des § 31 Abs 1 WRG ist ein positives Tun zu verstehen, das auch im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit gesetzt werden kann (vgl Windisch aaO 172). Demnach sind auch Werkunternehmer, die solche Maßnahmen gesetzt haben (hier die Antragstellerin, wie noch ausgeführt wird), von der Verpflichtung erfasst.

Die uneingeschränkte Haftungsfreistellung des Werkunternehmers, der eine Anlage errichtete oder auf fremden Grund eine Maßnahme setzte, ab der Übergabe nach den Entscheidungen 1 Ob 34/87 und 1 Ob 9/89 lässt sich nicht länger aufrecht erhalten. Nun wurde durch die WRG‑Novelle 1990 zwar nur dem Argument, dem Unternehmer fehle die rechtliche Möglichkeit, Maßnahmen im Sinn des § 31 Abs 2 WRG zu treffen, die Grundlage entzogen. Nach wie vor wird aber dem Werkunternehmer nach Übergabe des Werks in der Regel die Wahrnehmung von potentiell für Gewässer schädlichen Eigenschaften des Werks faktisch nicht mehr möglich sein, weshalb unter diesem Aspekt von ihm eine Abhilfe regelmäßig nicht erwartet werden kann.

Zu 1 Ob 96/01a wurde allerdings (ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zum Werkunternehmer) schon ausgesprochen, dass der Begriff des Verpflichteten in den ersten drei Absätzen des § 31 WRG nicht unterschiedlich gesehen werden könne; dieser könne sich nicht durch rechtsgeschäftliche Verfügung, wie zB den Verkauf der betroffenen Liegenschaft, von der die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ausgeht, seiner öffentlich‑rechtlichen Verpflichtung [nach § 31 Abs 3 WRG] entziehen. Dasselbe gilt nach 1 Ob 85/02k für einen enteigneten Eigentümer (oder Nutzungsberechtigten) einer Liegenschaft. In diesen Entscheidungen wurde somit der Frage der faktischen Gefahrenbeherrschung keine Bedeutung zuerkannt.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann die frühere Rechtsprechung für Fälle, in denen der Werkunternehmer (zumindest) objektiv diesen Maßstäben zuwiderhandelt, nicht fortgeschrieben werden. Die in § 31 Abs 1 genannten §§ 1297 und 1299 ABGB legen einerseits den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab (dessen Nichteinhaltung Fahrlässigkeit begründet: Karner in KBB³ § 1297 ABGB Rz 1 mwN), andererseits den Haftungsmaßstab für Sachverständige wie Gewerbetreibende (aaO § 1299 Rz 5 mwN der Rsp) fest. Ein Werkunternehmer, der insofern objektiv gegen § 31 Abs 1 WRG verstößt, soll sich aber ebenso wenig wie der (in der Regel nicht dem erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB verpflichtete) Eigentümer einer Liegenschaft durch ihre Veräußerung seiner Pflichten nach § 31 Abs 2 und 3 WRG durch die Übergabe des die Gefahr einer Gewässerverunreinigung zumindest mitverursachenden Werks an den Besteller entledigen können.

Nach den Feststellungen baute die Schuldnerin am 30. 3. 1993 einen Dieseltank auf unbefestigtem Boden wieder auf, obwohl eine Betonwanne erforderlich gewesen wäre. Ihre Monteure brachten ein für den Fall eines Ölaustritts erforderliches Schnellschlussventil (Magnetventil) nicht an. Eine Druckprüfung wurde nicht durchgeführt. Ebenso wurde das vorhandene Saugventil, das letztlich versagte, nicht überprüft. Knapp vier Wochen nach Übergabe der Tankanlage an die Anlagenbetreiberin löste sich nach einem Druckanstieg im Inneren des Tanks aufgrund der Sonneneinwirkung die nur mit einer Schelle befestigte Schlauchverbindung zwischen Tank und Zapfsäule, wodurch eine große Menge Diesel auf den unbefestigten Boden ausfloss und zu einer erheblichen Verunreinigung des Erdreichs und des Grundwassers im Trinkwasserschongebiet einer Versorgungsanlage führte. Die Schuldnerin hat demnach objektiv sorgfaltswidrige Maßnahmen vorgenommen, die die Gefahr einer Gewässerverunreinigung begründeten und auch schon knapp vier Wochen nach Übergabe zu einer solchen führten. Sie ist daher als Verpflichtete im Sinn des § 31 Abs 1 und 2 WRG gemäß § 31 Abs 3 WRG zum Ersatz der dadurch entstandenen Kosten dem Grunde nach verpflichtet.

Über die Höhe des Kostenersatzes wird das Erstgericht, welches das Verfahren auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt hatte, zu entscheiden haben.

5. Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist daher Folge zu geben und im Grundsätzlichen die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Zu beachten ist aber einerseits, dass über den Feststellungsantrag der Gemeinschuldnerin, ihre Haftung für die Folgen des Ölaustritts vom 25. 4. 1993 sei nicht gegeben, abzusprechen ist. Andererseits ist der Spruch des erstinstanzlichen Beschlusses zu präzisieren. Infolge Konkurseröffnung über das Vermögen der Antragstellerin ist zu berücksichtigen, dass mangels Parteienantrags das Leistungsbegehren (der Antragsgegnerin) auch noch im Rechtsmittelverfahren amtswegig in ein Feststellungsbegehren geändert werden kann (8 ObA 146/01f ua; RIS‑Justiz RS0065967). Dem Revisionsrekursbegehren der Antragsgegnerin, die Haftung der Schuldnerin für die Kosten zur ungeteilten Hand mit einer Firma „Andreas U***** GmbH“ auszusprechen, kann nicht entsprochen werden, weil eine solche juristische Person ‑ wie der Antragsgegnerin aus dem Verfahren gegen ein solches Unternehmen bekannt ist ‑ gar nicht existiert.

Der Kostenausspruch fußt, weil die gerichtliche Entscheidung am 30. 1. 1996 beantragt wurde, auf § 117 Abs 6 WRG idF vor dem Agrarrechtsänderungsgesetz 2005 (BGBl I 2005/87) iVm § 44 EisbEG 1954 (vgl § 145 Abs 10 WRG). Der Bund als Antragsgegner ist danach im Verfahren nach § 31 WRG in der Rolle des nicht kostenersatzberechtigten Eisenbahnunternehmens (1 Ob 72/97p = SZ 70/159 mwN), sodass die von der Antragsgegnerin im Rekursverfahren verzeichneten Kosten für die Rekursbeantwortung von ihr selbst zu tragen sind. Im Revisionsrekursverfahren verzeichnete sie zutreffend keine Kosten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte