OGH 1Ob612/95; 1Ob45/94; 1Ob546/94; 6Ob1506/96; 2Ob2070/96t; 9ObA2096/96t; 7Ob1/96 (RS0074219)

OGH1Ob612/95; 1Ob45/94; 1Ob546/94; 6Ob1506/96; 2Ob2070/96t; 9ObA2096/96t; 7Ob1/9615.2.2024

Rechtssatz

Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, dass der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muss, und wirkt dieses für den Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist.

Normen

ZPO §411 Aa
ZPO §411 Ba

1 Ob 612/95OGH17.10.1995

Verstärkter Senat; Veröff: SZ 68/195

1 Ob 45/94OGH17.10.1995

Auch

1 Ob 546/94OGH17.10.1995
6 Ob 1506/96OGH25.01.1996
2 Ob 2070/96tOGH30.05.1996

Beisatz: Die Bindungswirkung des Strafurteils erstreckt sich nicht auf den Haftpflichtversicherer, der im Strafprozess kein rechtliches Gehör hatte. (T1) <br/>Veröff: SZ 69/131

9 ObA 2096/96tOGH12.06.1996

Auch

7 Ob 1/96OGH28.02.1996

Auch

9 ObA 2094/96yOGH04.09.1996

Auch

10 Ob 2009/96fOGH23.04.1996
2 Ob 2287/96dOGH05.09.1996

Vgl auch; Beis wie T1

9 ObA 2233/96iOGH30.10.1996

Auch; Beisatz: Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung schon bei Klagseinbringung oder erst bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorlag. (T2)

5 Ob 2339/96yOGH12.11.1996

Vgl auch; Veröff: SZ 69/251

2 Ob 41/94OGH30.01.1997

Vgl auch

4 Ob 9/97wOGH14.01.1997

Vgl auch; Beisatz: Es besteht aber keine Bindung an jede einzelne Tatsachenfeststellung des Strafurteiles. (T3)

2 Ob 79/95OGH20.03.1997
2 Ob 72/97wOGH20.03.1997

Beis wie T1; Beisatz: Eine Strafverfügung entfaltet im Schadenersatzprozess keine Bindungswirkung. (T4) <br/>Veröff: SZ 70/49

5 Ob 105/97wOGH24.06.1997

Vgl; Beisatz: Die Bindung erstreckt sich nur auf die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen. Vom Strafgericht festgestellte Tatsachen, die über den Straftatbestand hinausreichen, binden den Zivilrichter nicht. Umstände, die nicht die Schuldfrage, sondern nur die Strafbemessung betreffen oder gar ohne jede Relevanz für die Entscheidung des Strafgerichtes sind, unterliegen der freien Kognition des Zivilrichters. (T5)

2 Ob 203/97kOGH09.10.1997

Vgl auch

7 Ob 163/97iOGH22.10.1997

Vgl auch

4 Ob 311/97gOGH09.12.1997

Auch

9 ObA 416/97kOGH29.04.1998

Beisatz: Von der Bindungswirkung ist die Feststellung, dass der Angeklagte (Beschuldigte) eine bestimmte strafbare Handlung begangen hat, umfasst. Der Schuldspruch wird in allen seinen Teilen der Rechtskraft teilhaft, also nicht bloß in der Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch in der Feststellung der konkreten Sachverhaltselemente und umfasst auch die rechtliche Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand. (T6)

2 Ob 257/97aOGH02.04.1998

Vgl aber; Beis wie T1; Beisatz: In einem gegen den Versicherten und den Versicherer gemeinsam geführten Rechtsstreit ist darauf Bedacht zu nehmen, dass über den eingeklagten Anspruch grundsätzlich einheitlich entschieden wird. Selbst dann, wenn (zunächst) nur der Versicherte geklagt wird, muss - schon im Hinblick auf die bloße Möglichkeit der Abweisung einer späteren Klage gegen den Versicherer - der Gefahr von Entscheidungsdivergenzen begegnet werden. Dies bedeutet, dass für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung eine Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung des versicherten Lenkers im allgemeinen unabhängig davon nicht besteht, wen der Geschädigte klageweise in Anspruch nimmt und wann dies geschieht. Nur wenn auszuschließen ist, dass es noch zu einem das Klagebegehren abweisenden Urteil zugunsten des Versicherers kommen kann, wäre dem versicherten Lenker der Einwand, er habe die Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen, verwehrt. (T7) <br/>Veröff: SZ 71/66

3 Ob 64/98bOGH06.05.1998
2 Ob 2075/96bOGH25.06.1998

Vgl auch; Beis wie T7

9 ObA 254/98pOGH24.02.1999

Beis wie T3; Beis wie T5; Beis wie T6; Beisatz: Für Vermögensdelikte gilt daher, dass wenn die strafgerichtliche Verurteilung wegen eines strafbaren Tatbestandes erging, zu dessen Verwirklichung zwar der Eintritt (irgend)eines Vermögensschadens gehörte, für dessen Verwirklichung aber eine bestimmte Mindesthöhe dieses Schadens nicht Voraussetzung ist, so sind die im Strafurteil allenfalls über die Schadenshöhe getroffenen Feststellungen für den Zivilrichter gleichfalls nicht bindend; eine Ausnahme, das heißt eine Bindung des Zivilrichters an die strafgerichtliche Feststellung der Schadenshöhe, besteht nur dann, wenn das Strafgericht die Überschreitung der höhere Strafsätze bedingenden Schadensgrenzen von S 25.000 oder S 500.000 feststellte, und zwar hinsichtlich der Beträge von S 25.000 oder S 500.000. Der diese Wertgrenzen übersteigende Schaden gehört hingegen nicht zu den den Schuldausspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen. (T8)

1 Ob 21/99sOGH23.02.1999

nur: Der Verurteilte muss das Urteil gegen sich gelten lassen. Niemand kann sich im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe. (T9)

1 Ob 330/98fOGH25.05.1999

Vgl; Veröff: SZ 72/89

9 ObA 101/99iOGH01.09.1999

nur T9; Beis wie T8

2 Ob 206/99dOGH26.08.1999

Auch; Beisatz: Die Rechtskraftwirkung der strafgerichtlichen Verurteilung erstreckt sich gleichermaßen gegenüber jeder "anderen Partei", mag diese dem Verurteilten im nachfolgenden Rechtsstreit als (geschädigter) Kläger oder Beklagter gegenüberstehen. (T10)

7 Ob 307/98tOGH13.10.1999

Auch; Beis wie T2; Beis wie T6

2 Ob 250/99zOGH05.10.1999

Vgl auch; Beisatz: Unter dem genannten "Rechtskreis" können vom Verurteilten verschiedene, am Strafverfahren unbeteiligte Personen nicht verstanden werden. (T11)

9 ObA 147/99dOGH03.11.1999

Beis wie T3; Beis wie T5; Beis wie T6; Beis wie T8

7 Ob 310/99kOGH26.01.2000

Vgl; Beisatz: Das verurteilende Straferkenntnis hat hinsichtlich der vertraglichen Deckungspflicht eines Versicherers Tatbestandswirkung. (T12)

1 Ob 81/00vOGH28.04.2000

Auch; Beisatz: Der Zivilrichter darf keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen. Es besteht jedenfalls insoweit Bindung an das strafgerichtliche Erkenntnis, als davon auszugehen ist, dass die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich vom Verurteilten begangen wurde und dass dessen tatsächliche Handlungen für den Schadenserfolg kausal waren. (T13)

9 ObA 135/00vOGH12.07.2000

Vgl auch; Beis wie T5; Beis wie T6

10 ObS 240/00tOGH19.09.2000

Vgl auch; Beisatz: Im Verfahren über den Antrag auf Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB ist der Zivilrichter daran gebunden, dass der Untergebrachte eine bestimmte Anlasstat begangen hat. Keine Bindung des Zivilrichters besteht an die übrigen Voraussetzungen der Einweisung. (T14)

6 Ob 265/00iOGH23.11.2000

nur T9; Beis wie T6 nur: Der Schuldspruch wird in allen seinen Teilen der Rechtskraft teilhaft, also nicht bloß in der Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch in der Feststellung der konkreten Sachverhaltselemente und umfasst auch die rechtliche Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand. (T15)<br/>Beisatz: Es besteht auch Bindungswirkung an strafgerichtliche Erkenntnisse nach § 6 MedG. (T16)

7 Ob 253/00gOGH14.12.2000

Beis wie T2; Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T13; Beisatz: Das Zivilgericht ist im Rechtsstreit einer Kommanditgesellschaft, deren (alleiniger) Komplementär strafgerichtlich verurteilt wurde, an den Schuldspruch des Strafurteiles gebunden. (T17)<br/>Veröff: SZ 73/200

7 Ob 57/01kOGH30.03.2001

Beis wie T2; Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T13

6 Ob 14/01dOGH15.03.2001

Vgl auch; Beis ähnlich wie T15; Beis ähnlich wie T16; Beisatz: Die Bildungswirkung gilt auch für Urteile in Privatanklageverfahren. (T18)<br/>Beisatz: Eine rechtskräftige Verurteilung nach § 115 StGB bewirkt für das Zivilverfahren bindend die Qualifikation der Äußerungen als Beschimpfungen im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB. (T19)

9 Ob 104/00kOGH11.04.2001

Vgl auch

Ds 1/01OGH05.09.2001

Vgl auch

9 Ob 247/01sOGH19.09.2001

Vgl auch; Beisatz: Dass durch eine spätere Gesetzesänderung (- hier: des § 159 StGB -) der der Verurteilung zugrundeliegende Tatbestand wegfällt, bleibt ohne Einfluss. (T20)<br/>Beisatz: Aus dem Umstand, dass der Beklagte im Strafverfahren nicht durch einen Anwalt vertreten war und er sich offensichtlich für die persönliche Verteidigung entschieden hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, welche der Bindungswirkung entgegenstehen könnte, nicht erkannt werden. (T21)

3 Ob 149/01kOGH24.10.2001

Vgl auch

8 Ob 266/01bOGH29.11.2001
3 Ob 142/02gOGH26.06.2002

Vgl auch; Beis wie T20

7 Ob 183/02sOGH09.09.2002

Vgl auch; Beis wie T20

9 ObA 143/02yOGH04.09.2002

Vgl auch; Beis wie T8 nur: Eine Bindung des Zivilrichters an die strafgerichtliche Feststellung der Schadenshöhe, besteht nur dann, wenn das Strafgericht die Überschreitung der höhere Strafsätze bedingenden Schadensgrenzen von S 25.000 oder S 500.000 feststellte, und zwar hinsichtlich der Beträge von S 25.000 oder S 500.000. Der diese Wertgrenzen übersteigende Schaden gehört hingegen nicht zu den den Schuldausspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen. (T22)

7 Ob 180/02zOGH09.09.2002

Auch; Beis wie T13; Beisatz: Das Strafurteil bindet das Zivilgericht in dem in der Entscheidung des verstärkten Senats festgelegten Umfang. (T23)<br/>Beis wie T15

6 Ob 99/03gOGH26.06.2003

Vgl

9 ObA 80/03kOGH08.10.2003

Vgl auch; Beisatz: Die Bindungswirkung gilt nicht für verurteilende Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden und Erkenntnisse einer Disziplinarbehörde. (T24)

7 Ob 137/04dOGH06.07.2004

Vgl; Beis wie T1; Beis wie T13; Beis wie T15; Beisatz: Diese Bindung des Zivilgerichtes an verurteilende strafgerichtliche Erkenntnisse wird durch deren materielle Rechtskraft bewirkt und besteht solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist. (T25)

2 Ob 186/04yOGH23.09.2004

Vgl auch; Beisatz: Keine Bindungswirkung der diversionellen Erledigung des Strafverfahrens für einen nachfolgenden Zivilprozess. (T26)

3 Ob 20/05wOGH16.02.2005

nur T9; Beis wie T13 nur: Der Zivilrichter darf keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen. (T27)

9 ObA 60/07zOGH09.05.2007
9 Ob 13/07pOGH22.10.2007

Auch; Beis wie T13

1 Ob 134/07yOGH22.10.2007

Auch; Beis wie T15; Veröff: SZ 2007/162

2 Ob 89/08iOGH28.04.2008

Vgl; Beis wie T26

8 Ob 69/08tOGH10.07.2008

Vgl; Beisatz: Solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist, hat das Zivilgericht bindend davon auszugehen, dass der Verurteilte die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich begangen hat. (T28)

6 Ob 6/09iOGH26.03.2009

Vgl

8 ObA 40/09dOGH30.07.2009

Auch; Beis ähnlich wie T6; Beis wie T15

10 ObS 149/09yOGH01.06.2010

Vgl

2 Ob 46/10vOGH11.11.2010
7 Ob 240/10kOGH19.01.2011

Auch; Beis wie T26; Veröff: SZ 2011/6

1 Ob 169/11aOGH29.09.2011

Vgl auch Beis wie T1; Vgl auch Beis wie T11; Vgl auch Beis wie T17; Beisatz: Keine Bindung des Geschäftsherrn an die strafrechtliche Verurteilung seines Erfüllungsgehilfen. (T29)

6 Ob 213/11hOGH13.10.2011

Auch; Beis wie T13

3 Ob 121/12hOGH17.10.2012

Vgl; Beisatz: Hier: Strafgerichtliches Verfallserkenntnis. (T30)<br/>Veröff: SZ 2012/102

2 Ob 101/12kOGH24.01.2013

Auch; Beis wie T10

6 Ob 21/13aOGH08.05.2013

Vgl; Beis wie T2; Beisatz: Die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs qualifiziert eine Missachtung der Bindungswirkung einer materiell rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung als einen von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund. Damit ist auch die erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz entstandene Bindung an das Strafurteil vom Obersten Gerichtshof zu berücksichtigen. (T31)

1 Ob 127/13bOGH29.08.2013

Vgl auch; Beis wie T24; Veröff: SZ 2013/78

6 Ob 83/14wOGH26.06.2014

Auch; Diese Grundsätze gelten auch für den Fall der Verhängung der Untersuchungshaft. Solange die Untersuchungshaft andauert, steht dem im Zivilverfahren erhobenen Schadenersatzbegehren die Bindungswirkung dieser Entscheidung entgegen. (T32)<br/>

7 Ob 8/15zOGH18.02.2015

Vgl auch; Beis wie T31

8 Ob 89/15vOGH29.09.2015
8 ObA 42/17kOGH24.08.2017
3 Ob 31/21mOGH24.03.2021

Vgl; Beis wie T5; Beis wie T6; Beis wie T13; Beis wie T27

8 ObA 78/23pOGH15.02.2024

Beisatz wie T3; Beisatz wie T5; Beisatz wie T6; Beisatz wie T13; Beisatz wie T27

Dokumentnummer

JJR_19951017_OGH0002_0010OB00612_9500000_001

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