OGH 8Ob2/24p

OGH8Ob2/24p26.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. M*, geboren * 1982, als Wahlvater und 2. mj L*, geboren * 2011, als Wahlkind, dieser vertreten durch die Mutter N*, geboren * 1988, beide Antragsteller vertreten durch Dr. Martina Withoff, Rechtsanwältin in Zwettl, leiblicher Vater des Wahlkindes Y*, geboren * 1986, wegen Ersetzung der Einwilligung in die Annahme an Kindesstatt, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 9. November 2023, GZ 2 R 69/23v‑26, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gmünd vom 2. Mai 2023, GZ 8 P 117/22a‑19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00002.24P.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

 

Begründung:

[1] Der bald 13 Jahre alte Zweitantragsteller stammt aus einer außerehelichen Beziehung der damals in der Schweiz lebenden Mutter mit dem ebenfalls in der Schweiz lebenden leiblichen Vater.

[2] Die Mutter und der Erstantragsteller sind seit März 2014 Lebensgefährten und leben seit 2019 in Österreich im gemeinsamen Familienverband mit dem Zweitantragsteller sowie inzwischen zwei, 2014 und 2017 geborenen, gemeinsamen Töchtern; sie wohnen seit 2020 im Sprengel des Erstgerichts. Der Zweitantragsteller steht (und stand immer) unter der alleinigen Obsorge der Mutter (vgl schon 6 Ob 1/21x).

[3] Beide Antragsteller und der leibliche Vater sind Schweizer Staatsbürger, die Mutter ist tschechische Staatsbürgerin.

[4] Der leibliche Vater war gegen die Mutter wiederholt gewalttätig und wurde dafür in der Schweiz auch strafgerichtlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt; er hat keinen Unterhalt für den Zweitantragsteller bezahlt und auch keinen Kontakt mit ihm. Der leibliche Vater ist dem Zweitantragsteller unbekannt und entfremdet, dieser kann sich an jenen nicht erinnern und hat ihn nur einmal auf einem Foto gesehen. Der Zweitantragsteller nennt den Erstantragsteller „Papi“, betrachtet ihn als Vater und möchte, dass er sein „richtiger“ Vater werde; der Erstantragsteller hat zum Zweitantragsteller ein sehr enges Verhältnis und betrachtet ihn wie seinen eigenen Sohn. Die beiden unternehmen gemeinsam zahlreiche Freizeitaktivitäten.

[5] Die Antragsteller – der Zweitantragsteller vertreten durch die dem Vertrag auch im eigenen Namen zustimmende Mutter – haben am 28. 10. 2022 einen Adoptionsvertrag geschlossen; sie beantragen die Genehmigung dieser Annahme an Kindesstatt. Es sei schweizerisches Sachrecht anzuwenden, das die – gleichzeitig beantragte – Ersetzung der Zustimmung des leiblichen Vaters vorsehe, wenn die Bekanntgabe der Adoption den leiblichen Vater zu Verfolgungsmaßnahmen der Mutter verleiten würde.

[6] Der (im Rechtshilfeweg vom Bezirksgericht Winterthur vernommene) leibliche Vater stimmte der Adoption nicht zu. Er habe mit der Mutter 2013 einen „Konflikt“ und seither keinen Kontakt mit ihr und seinem Sohn gehabt, und „die beiden dann aus den Augen verloren“. Er habe erst später erfahren, dass die Mutter mit seinem Sohn nach Österreich ausgewandert sei. Er habe sich um Kontakt zum Zweitantragsteller bemüht, aber nie eine Antwort erhalten. Im Jahr 2021 hätten der Erstantragsteller und der Stiefvater der Mutter mit ihm wegen eines Kontaktaufbaues zum Zweitantragsteller Kontakt aufgenommen; dazu sei es aber in der Folge nicht gekommen. Er wolle nicht, dass ein Dritter Vater seines Sohnes werde. Er würde gerne einen Antrag auf Besuchsrecht zu seinem Sohn stellen und diesbezüglich ein Verfahren einleiten.

[7] Seinen im vorliegenden Verfahren gestellten Rekurs gegen den seine Zustimmung zur Adoption ersetzenden Beschluss des Erstgerichts verband der leibliche Vater mit einem Antrag vom 20. 5. 2023 auf Gewährung eines „per sofort umzusetzenden, praxisüblichen“ Kontaktrechts zum Zweitantragsteller. Dieser Antrag wurde zwischenzeitig am 24. 4. 2024 vom Erstgericht, GZ 8 Ps 93/20b‑33, abgewiesen, was in Rechtskraft erwachsen ist.

[8] Das Erstgericht fasste einen Beschluss, mit dem es die Zustimmung des leiblichen Vaters zur Bewilligung der Adoption ersetzte. Es wandte ohne nähere Begründung österreichisches Sachrecht an und folgerte, dass nach dem Sachverhalt die Voraussetzungen des § 195 Abs 3 ABGB vorlägen. Der leibliche Vater habe keine sittlich gerechtfertigten Gründe für die Verweigerung der Zustimmung; die Adoption liege im Interesse des Zweitantragstellers und diene dessen Wohl.

[9] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, zu dem die Antragsteller keine Gegenschrift erstatteten, Folge und wies den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption ab. Nach § 26 Abs 1 IPRG seien die Personalstatuten des oder der Annehmenden und des Kindes maßgeblich. Das schweizerische IPRG kenne keine Rückverweisungen und das schweizerische ZGB sehe keinen Verzicht auf die Zustimmung des leiblichen Elternteils zur Adoption vor.

[10] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob das schweizerische Kollisionsrecht eine (versteckte) Rückverweisung auf österreichisches Sachrecht enthalte.

[11] In ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung; hilfsweise wird die Aufhebung beantragt.

[12] Der leibliche Vater erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[14] 1.1. Österreich ist nicht Vertragspartei von internationalen Übereinkommen mit Zuständigkeits- oder Kollisionsregelungen für Adoptionen; auch unionsrechtliche Reglungen für diesen Bereich bestehen nicht (vgl Nademleinsky/Neumayr , IFR3 [2022] 7. Kapitel, Rz 7.1 f).

[15] 1.2. Die internationale Zuständigkeit für Adoptionen richtet sich daher nach § 113b JN. Nach dessen Abs 2 Z 1 ist für die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt die inländische Gerichtsbarkeit außer den Fällen des Abs 1 (welche hier mangels österreichischer Staatsbürgerschaft oder Staatenlosigkeit der Beteiligten nicht vorliegen) nur gegeben, wenn der Annehmende, im Falle der Annahme durch Ehegatten einer von ihnen, und das Wahlkind ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

[16] 1.3. Dieser Fall liegt hier vor, da Annehmender und Wahlkind sich ständig in Österreich aufhalten; es ist daher die internationale Zuständigkeit Österreichs gegeben.

[17] 2.1. Das (Haager) Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, BGBl III 1999/145 (HAÜ), dessen Vertragsparteien sowohl Österreich als auch die Schweiz sind (BGBl III 2002/262), ist nach seinem Art 2 Abs 1 anzuwenden, wenn ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat („Heimatstaat“) in einen anderen Vertragsstaat („Aufnahmestaat“) gebracht worden ist, wird oder werden soll, entweder nach seiner Adoption im Heimatstaat durch Ehegatten oder eine Person mit gewöhnlichem Aufenthalt im Aufnahmestaat oder im Hinblick auf eine solche Adoption im Aufnahme- oder Heimatstaat.

[18] 2.2. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, zumal der Zweitantragsteller, das Wahlkind, nicht nach einer Adoption oder „im Hinblick“ auf eine solche nach Österreich gebracht wurde. Vielmehr war die Mutter gemeinsam mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten (der nunmehr das Kind adoptieren möchte) bereits vor längerer Zeit nach Österreich übersiedelt, weshalb der Aufenthaltswechsel in keinem Zusammenhang mit der nunmehr Jahre später begehrten Adoption steht; es fehlt an einem im Zuge der Adoption erfolgten grenzüberschreitenden Aufenthaltswechsel als Anwendungsvoraussetzung des HAÜ (10 Ob 83/05m = RS0104987; vgl Nademleinsky/Neumayr , IFR3 [2022] 7. Kapitel, Rz 7.7).

[19] 3.1. Die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt und der Beendigung der Wahlkindschaft sind nach § 26 Abs 1 IPRG (in der Fassung der UbG‑IPRG‑Nov 2022, BGBl I 2022/147) nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Hat das Kind im Zeitpunkt, zu dem der Vertrag über die Annahme an Kindesstatt geschlossen wurde, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist sein Personalstatut nur hinsichtlich der Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, maßgebend.

[20] 3.2. Das Personalstatut einer natürlichen Person ist nach § 9 Abs 1 IPRG das Recht des Staats, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend.

[21] 3.3. Da Annehmender und Wahlkind, die beiden Antragsteller, Schweizer und nicht österreichische Staatsbürger sind, verweist das österreichische IPRG für die hier ausschließlich zu beurteilende Frage der Zustimmung eines Dritten (des leiblichen Vaters des Wahlkindes) zur Adoption auf das schweizerische Recht als Personalstatut beider Antragsteller.

[22] 3.4. Nach § 5 Abs 1 IPRG umfasst eine Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung auch deren Verweisungsnormen. Verweist die fremde Rechtsordnung zurück, so sind die österreichischen Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen) anzuwenden (§ 5 Abs 2 erster Satz IPRG); im Fall der Weiterverweisung sind unter Beachtung weiterer Verweisungen die Sachnormen der Rechtsordnung maßgebend, die ihrerseits nicht mehr verweist bzw auf die erstmals zurückverwiesen wird (§ 5 Abs 2 zweiter Satz IPRG; vgl Nademleinsky/Neumayr, IFR3 [2022] 1. Kapitel, Rz 1.12).

[23] 3.5. Dass § 5 Abs 1 IPRG Gesamtverweisungen vorsieht und daher Rück- bzw Weiterverweisungen zu beachten sind, gilt auch für § 26 Abs 1 IPRG (hA: 4 Ob 133/00p; 10 Ob 7/04h; Neumayr in KBB7 [2023] § 26 IPRG Rz 2; Nitsch in Laimer, IPR Praxiskommentar [2023] § 26 IPRG Rz 5; Nademleinsky/Neumayr , IFR3 [2022] 7. Kapitel, Rz 7.16; Rudolf in Deixler‑Hübner, Handbuch Familienrecht2 [2020] VIII. Internationale Adoption 382; Nademleinsky, EF‑Z 2009/70, 95 [Glosse zu 2 Ob 279/08f]; offenlassend 3 Ob 285/06t und 2 Ob 279/08f [jeweils zur Erwachsenenadoption]; zweifelnd und eine „korrigierende Auslegung“ erwägend auch Verschraegen in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 [2023] § 26 IPRG Rz 8; vgl zur auch in der BRD nicht unumstrittenen Frage, ob der dem § 26 Abs 1 IPRG nicht gänzlich vergleichbare Art 23 EGBGB eine – einen Renvoi ausschließende – bloße Sachnormverweisung sei: Helms in MünchKomm BGB9 Art 23 EGBGB [2024] Rn 4; Heiderhoff in Hau/Poseck, BeckOK BGB70 Art 23 EGBGB [2023] Rn 20; jeweils mwN).

[24] 4.1. Das zufolge § 5 Abs 1 IPRG zu beachtende schweizerische Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. 12. 1987 (SR 291, in der Folge: „chIPRG“) lautet auszugsweise wie folgt (zitiert nach https://fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1988/1776_1776_1776 [19. 7. 2024]:

1. Kapitel: Gemeinsame Bestimmungen

...

5. Abschnitt: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen

I. Anerkennung

1. Grundsatz

Art. 25

Eine ausländische Entscheidung wird in der Schweiz anerkannt:

a. wenn die Zuständigkeit der Gerichte oder Behörden des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, begründet war;

b. wenn gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder wenn sie endgültig ist, und

c. wenn kein Verweigerungsgrund im Sinne von Artikel 27 vorliegt.

2. Zuständigkeit ausländischer Behörden

Art. 26

Die Zuständigkeit ausländischer Behörden ist begründet:

a. wenn eine Bestimmung dieses Gesetzes sie vorsieht oder, falls eine solche fehlt, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Urteilsstaat hatte;

b. wenn in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Parteien sich durch eine nach diesem Gesetz gültige Vereinbarung der Zuständigkeit der Behörde unterworfen haben, welche die Entscheidung getroffen hat;

c. wenn sich der Beklagte in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hat;

d. wenn im Falle einer Widerklage die Behörde, die die Entscheidung getroffen hat, für die Hauptklage zuständig war und zwischen Haupt- und Widerklage ein sachlicher Zusammenhang besteht.

3. Verweigerungsgründe

Art. 27

1 Eine im Ausland ergangene Entscheidung wird in der Schweiz nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre.

2 Eine im Ausland ergangene Entscheidung wird ebenfalls nicht anerkannt, wenn eine Partei nachweist:

a. dass sie weder nach dem Recht an ihrem Wohnsitz noch nach dem am gewöhnlichen Aufenthalt gehörig geladen wurde, es sei denn, sie habe sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen;

b. dass die Entscheidung unter Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts zustande gekommen ist, insbesondere dass ihr das rechtliche Gehör verweigert worden ist;

c. dass ein Rechtsstreit zwischen denselben Parteien und über denselben Gegenstand zuerst in der Schweiz eingeleitet oder in der Schweiz entschieden worden ist oder dass er in einem Drittstaat früher entschieden worden ist und dieser Entscheid in der Schweiz anerkannt werden kann.

3 Im Übrigen darf die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden.

II. …

...

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit

Art. 31

Die Artikel 25–29 gelten sinngemäss für die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung oder einer Urkunde der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

VI. Eintragung in die Zivilstandsregister

Art. 32

1 Eine ausländische Entscheidung oder Urkunde über den Zivilstand wird aufgrund einer Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde in die Zivilstandsregister eingetragen.

2 Die Eintragung wird bewilligt, wenn die Voraussetzungen der Artikel 25–27 erfüllt sind.

3 Die betroffenen Personen sind vor der Eintragung anzuhören, wenn nicht feststeht, dass im ausländischen Urteilsstaat die verfahrensmässigen Rechte der Parteien hinreichend gewahrt worden sind.

4. Kapitel: Kindesrecht

...

3. Abschnitt: Adoption

I. Zuständigkeit

1. Grundsatz

Art. 75

1 Die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Wohnsitz der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten sind zuständig, die Adoption auszusprechen.

2 Für die Anfechtung der Adoption sind die gleichen Gerichte zuständig wie für die Feststellung oder die Anfechtung des Kindesverhältnisses (Art. 66 und 67).

2. Heimatzuständigkeit

Art. 76

Haben die adoptierende Person oder die adoptierenden Ehegatten keinen Wohnsitz in der Schweiz und ist einer von ihnen Schweizer Bürger, so sind die Gerichte oder Behörden am Heimatort für die Adoption zuständig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Adoption an ihrem Wohnsitz durchzuführen.

II. Anwendbares Recht

Art. 77

1 Die Voraussetzungen der Adoption in der Schweiz unterstehen schweizerischem Recht.

2 Zeigt sich, dass eine Adoption im Wohnsitz- oder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten nicht anerkannt und dem Kind daraus ein schwerwiegender Nachteil erwachsen würde, so berücksichtigt die Behörde auch die Voraussetzungen des Rechts des betreffenden Staates. Erscheint die Anerkennung auch dann nicht als gesichert, so darf die Adoption nicht ausgesprochen werden.

3 Die Anfechtung einer in der Schweiz ausgesprochenen Adoption untersteht schweizerischem Recht. Eine im Ausland ausgesprochene Adoption kann in der Schweiz nur angefochten werden, wenn auch ein Anfechtungsgrund nach schweizerischem Recht vorliegt.

III. Ausländische Adoptionen und ähnliche Akte

Art. 78

1 Ausländische Adoptionen werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen worden sind.

2 Ausländische Adoptionen oder ähnliche Akte, die von einem Kindesverhältnis im Sinne des schweizerischen Rechts wesentlich abweichende Wirkungen haben, werden in der Schweiz nur mit den Wirkungen anerkannt, die ihnen im Staat der Begründung zukommen.

…“

[25] 4.2. Das schweizerische Recht, auf welches verwiesen wird, hält somit keine ausdrückliche Kollisionsnorm für den Fall bereit, dass Schweizer Staatsbürger im (nicht-schweizerischen) Ausland in eine Adoption involviert sind. Es sieht in Art 77 Abs 1 chIPRG vor, dass für Adoptionen in der Schweiz auch schweizerisches Recht, also die lex fori anzuwenden ist (Siehr, Das IPR der Schweiz [2002] 98; Kren Kostkiewicz, Grundriss des schweizerischen IPR [2012] Rn 1327 f; Siehr/Markus in Müller‑Chen/Widmer Lüchinger, Zürcher Komm IPRG3 [2018] Art 77 Rn 6; Kren Kostkiewicz, OFK IPRG/LugÜ2 [2019] Art 77 Anm 1 und 4).

[26] 4.3. Andererseits nimmt das chIPRG in mehrfacher Weise auf Fallkonstellationen Bezug, in welchen eine Adoption Auslandsbezug aufweist:

‑ Wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, an einem ausländischen Wohnsitz eine Adoption durchzuführen, so erklärt Art 76 chIPRG Gerichte oder Behörden am (schweizerischen) Heimatort für zuständig;

‑ Wenn eine in der Schweiz auszusprechende Adoption nach dem Recht des Wohnsitz- oder Heimatstaats der adoptierenden Person nicht anerkannt würde und dem Kind daraus ein schwerwiegender Nachteil erwüchse, so hat die schweizerische Behörde nach Art 77 Abs 2 chIPRG auch (kumulativ: vgl Siehr/Markus in Müller‑Chen/Widmer Lüchinger, Zürcher Komm IPRG3 [2018] Art 77 Rn 7; Schickel‑Küng/Hauser in Grolimund/Loacker/Schnyder, Basler Komm IPR4 [2013] Art 77 Rn 4) die Voraussetzungen des Rechts des betreffenden Staats zu beachten (und, falls auch dies die Anerkennung der Adoption nicht sichern würde, die Adoption sogar zu versagen);

‑ Eine ausländische Adoption wird nach Art 78 Abs 1 chIPRG anerkannt (und nach Art 32 chIPRG ohne besondere Anerkennungsentscheidung in das Zivilstandsregister eingetragen [vgl Siehr/Tejura, Anerkennung ausländischer Adoptionen in der Schweiz, SJZ 1993, 277]), wenn sie – zusätzlich zu den in Art 25 bis 27 chIPRG vorgesehenen allgemeinen Bedingungen – im Heimat- oder Wohnsitzstaat des Adoptierenden ausgesprochen worden ist; nach Art 78 Abs 2 chIPRG werden aber ausländische Adoptionen, die andere Wirkungen für das Kindesverhältnis als das schweizerische Recht haben, nur mit den – eingeschränkten – Wirkungen anerkannt, die ihnen im Staat der Begründung zukommen, um zu vermeiden, dass eine ausländische Adoption in der Schweiz potenziell stärker wirkt als im Ausland (Siehr/Tejura, Anerkennung ausländischer Adoptionen in der Schweiz, SJZ 1993, 277).

[27] 5. Das österreichische Sachrecht kommt – analog zu § 5 Abs 2 IPRG – auch dann zum Zug, wenn eine sogenannte „versteckte Rückverweisung“ vorliegt, in der eine Sachnormrückverweisung erblickt wird; sie setzt voraus, dass das fremde Kollisionsrecht bei Jurisdiktion seiner Gerichte einseitig sein eigenes Sachrecht beruft und im konkreten Fall der fremde Staat seine Jurisdiktion verneint (6 Ob 228/01z = RS0115788; vgl auch RS0076915; vgl Jayme, Zur „versteckten“ Rück- und Weiterverweisung im internationalen Privatrecht, ZfRV 1970, 253; Schwimann, Zur versteckten Rückverweisung im österreichischen IPR, ZfRV 1976, 29; Schwimann, Internationales Privatrecht3 [2001] 40; Neumayr in KBB7 [2023] § 5 IPRG Rz 2; allgemein und eingehend v. Hein in MünchKomm BGB9 Art 4 EGBGB [2024] Rn 54 ff [insb Rn 62 ff]). Weitere Voraussetzungen sind nach einhelliger Auffassung, dass aus Sicht des ausländischen Gerichts die Zuständigkeit des österreichischen Gerichts zur Sachentscheidung (hypothetisch) akzeptiert wird bzw bei spiegelbildlicher Anwendung des ausländischen Zuständigkeitsrechts das österreichische Gericht zuständig wäre, sowie, dass das ausländische Recht die fremde (hier: die österreichische) Entscheidung anerkennt (vgl Nademleinsky/Neumayr , IFR3 [2022] 1. Kapitel, Rz 1.14; Verschraegen in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 [2023] § 5 IPRG Rz 9 mwN; Nademleinsky in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKomm6 [2023] § 5 IPRG Rz 4; Weber in Laimer, IPR Praxiskommentar [2023] § 5 IPRG Rz 7; v. Hein in MünchKomm BGB9 Art 4 EGBGB [2024] Rn 65 ff).

[28] 6. Prüft man das chIPRG anhand dieser Kriterien, so zeigt sich, dass – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts – vom Vorliegen einer solchen versteckten Rückverweisung auszugehen ist:

[29] 6.1. Das chIPRG beruft das schweizerische Recht als lex fori.

[30] 6.2. Es sieht – außer für den Fall der Notzuständigkeit des Gerichts am Heimatort eines im Ausland lebenden Schweizers bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Adoption am Wohnsitz – keine Zuständigkeit schweizerischer Gerichte vor.

[31] 6.3. Läge man spiegelbildlich die schweizerischen Zuständigkeitsvorschriften zugrunde, so ergäbe sich eine Zuständigkeit österreichischer Gerichte.

[32] 6.4. Das chIPRG anerkennt ausländische Adoptionen, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden Person (nicht des Wahlkindes) ausgesprochen worden sind.

[33] 6.5. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass das chIPRG davon ausgeht, dass im (aus der Schweiz gesehen) Ausland ausgesprochene Adoptionen anderem materiellen Recht unterliegen, das von der lex fori der Schweiz abweichende Wirkungen haben und daher nur zu eingeschränkter Anerkennung in der Schweiz führen kann („einfache“ oder „schwache“ Adoptionen; vgl etwa §§ 198 f ABGB gegenüber der „Volladoption“ nach Art 267 ZGB [Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. 12. 1907, SR 210; zitiert nach https://fedlex.data.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233 ; {19. 7. 2024}]; Bundesgericht 27. 8. 1991, BGE 117 II 340; 13. 1. 1994, BGE 120 II 87; Siehr/Tejura, Anerkennung ausländischer Adoptionen in der Schweiz, SJZ 1993, 277 [279]; vgl zur Volladoption auch Siehr, Das IPR der Schweiz [2002] 100 f; Schickel‑Küng/Hauser in Grolimund/Loacker/Schnyder, Basler Komm IPR4 [2013] Art 78 IPRG Rn 33 ff; Siehr/Markus in Müller‑Chen/Widmer Lüchinger, Zürcher Komm IPRG3 [2018] Art 78 Rn 26 f).

[34] 6.6. Insgesamt ist somit als Ergebnis festzuhalten, dass das chIPRG hinsichtlich des anzuwendenden materiellen Rechts die Verweisung nach § 26 Abs 1 in Verbindung mit § 9 Abs 1 IPRG nicht annimmt, sondern eine Rückverweisung auf das am Ort des Wohnsitzes oder Aufenthalts geltende Recht vornimmt, welches die zuständigen ausländischen (hier österreichischen) Behörden anzuwenden haben.

[35] Konkret verweist das chIPRG damit hier auf das österreichische Recht zurück, was zufolge § 5 Abs 2 erster Satz IPRG als Sachnormverweisung anzusehen ist und zur Anwendung österreichischen Adoptionsrechts führt.

[36] 6.7. Dieses Ergebnis entspricht auch der vom Erstgericht mit Anfrage vom 12. 12. 2022, ON 3, eingeholten Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz vom 20. 12. 2022, AZ *, ON 4, welche sich das Erstgericht inhaltlich ersichtlich zu eigen gemacht hat (Mitteilung [nur] an die Antragsteller vom 3. 1. 2023, ON 8; nach der Aktenlage jedoch ohne die Stellungnahme selbst den Parteien übermittelt zu haben).

[37] 6.8. Soweit aus der in diesem Punkt die schweizerische IPR‑Rechtslage nicht vertieft analysierenden, auch eine andere Sachverhaltskonstellation (und eine inzwischen nicht mehr geltende schweizerische materielle Rechtslage) behandelnden Entscheidung 1 Ob 253/06x Anderes ableitbar sein sollte, teilt der Senat diese Auffassung (und die dieser Entscheidung folgende Meinung von Nademleinsky/Neumayr ,IFR3 [2022] 1. Kapitel, Rz 1.12) nicht.

[38] 6.9. Zusammengefasst ist im Ergebnis die Auffassung des Erstgerichts zutreffend, dass auf die Frage der Zustimmung des leiblichen Vaters österreichisches Sachrecht anzuwenden ist.

[39] 7.1. Die Annahme an Kindesstatt kommt nach § 192 Abs 1 ABGB durch zwei Akte zustande, die streng auseinanderzuhalten sind, nämlich den Abschluss eines schriftlichen Vertrags und die gerichtliche Bewilligung der Annahme (RS0048726). Ist der leibliche Elternteil nicht gesetzlicher Vertreter, bedarf es seiner Zustimmung nach § 195 Abs 1 ABGB, die bei Verweigerung über Antrag eines Vertragsteils nach § 195 Abs 3 ABGB zu ersetzen ist, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. Die Zustimmung des Elternteils nach § 195 Abs 1 ABGB ist nicht für das Zustandekommen des Adoptionsvertrags erforderlich, sondern lediglich materiell‑rechtliche Voraussetzung für die Bewilligung der Annahme (RS0048726 [T7]; 7 Ob 7/03k; 8 Ob 553/83).

[40] 7.2. Ob eine Adoption dem Wohl des Kindes dient und ob die verweigerte Zustimmung gemäß § 195 Abs 3 ABGB zu ersetzen ist, weil kein gerechtfertigter Grund für die Verweigerung vorliegt, hat das Gericht aufgrund der Verfahrensergebnisse nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (RS0086536). Welche konkreten tatsächlichen Umstände im Einzelfall die Ersetzung der verweigerten Zustimmung durch das Gericht rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt (RS0087003).

[41] 7.3. Die verfassungsrechtlich (Art 8 EMRK) zwar grundsätzlich unbedenkliche, jedoch außerordentliche Maßnahme der Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur Adoption durch das Gericht ist nach herrschender Ansicht nur in ganz speziell gelagerten Fällen zulässig und restriktiv zu handhaben (vgl Höllwerth in Schwimann/Kodek 5 [2018] § 195 ABGB Rz 16 mwN).

[42] Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage, was unter dem Ausdruck „gerechtfertigte Gründe“ in § 195 Abs 3 ABGB zu verstehen ist, lassen sich dahin zusammenfassen, dass die gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen sollen, dass keine Adoption gegen die wohlbegründete Meinung der Person zustande kommt, die durch die Adoption in ihren Rechten tiefgreifend betroffen wird. Dem Kindeswohl entsprechende, in der Familie des Annehmenden bestehende bessere, der Entwicklung des Kindes förderliche Lebensverhältnisse (das Kindeswohl hat mehrere Dimensionen und umfasst das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes, für dessen Verwirklichung Elternliebe, Fürsorge und Vermittlung von Geborgenheit in einem intakten und beständigen Familienumfeld Grundlagen sind – vgl 1 Ob 628/86; RS0048779; RS0048835) sind nicht der alleinige oder auch nur überwiegende Gesichtspunkt, die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt anzusehen (RS0048798 [T4]). Beruft sich etwa ein leiblicher Elternteil auf die natürliche Bindung zum Kind, verweigert er die Zustimmung regelmäßig nicht grundlos (vgl RS0008581 [T1]). Eine sittlich einwandfreie Weigerung liegt etwa dann vor, wenn sie auf dem (glaubhaften) Bekenntnis des Elternteils zur menschlichen Verbundenheit mit dem Kind beruht (8 Ob 525/92 mwN). Im Zweifel ist die Weigerung nämlich als gerechtfertigt zu betrachten (RS0008581 [T5]). Nicht gerechtfertigt ist eine Weigerung jedoch dann, wenn sich der die Zustimmung verweigernde Elternteil gegenüber dem Kind eines beharrlichen und im höchsten Maße familienwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat und durch diese schuldhaften Pflichtverletzungen gegenüber dem Kind (bei der Pflege und Erziehung oder der Unterhaltsgewährung) das Kindeswohl gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre. Die Pflichtvergessenheit oder Gleichgültigkeit des Elternteils kann die Verweigerung der Zustimmung zur Adoption als missbräuchlich erscheinen lassen; derartige Pflichtverletzungen machen es schwer, gerechtfertigte Weigerungsgründe vorzubringen (vgl RS0008586; 2 Ob 239/09z mwN; RS0048679 [insb T2]; 6 Ob 723/87; 8 Ob 525/92).

[43] Wenn man zum Ergebnis gelangt, dass die Verweigerung der Zustimmung eindeutig sittlich gerechtfertigt ist, könnten Günstigkeitskriterien für den Adoptionsvertrag an sich außer Betracht bleiben (vgl 1 Ob 513/90). Andererseits bedarf es auch dann, wenn dem Elternteil kein schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, dennoch einer nach pflichtgemäßen Ermessen vorzunehmenden Abwägung der Interessen des leiblichen Elternteils mit denen des Kindes (RS0048903 [T1]; RS0008586 [T1]). Der bloße Wunsch des leiblichen Elternteils nach Kontakt und Bindung zu seinem Kind ist zwar kein absolut gerechtfertigter Weigerungsgrund, die Adoption muss aber für das Kind geradezu notwendig sein (2 Ob 239/09z mwN; RS0048903 [T2, T3]). Dabei ist auch zu bedenken, ob die bereits bestehende Beziehung zum Wahlelternteil auch ohne Adoption möglich bleibt (4 Ob 149/10f; ähnlich 2 Ob 239/09z). Bei der Willensäußerung des Kindes sind zudem dessen Unmündigkeit und allenfalls eine Einflussnahme durch den der Adoption zustimmenden Elternteil zu berücksichtigen (vgl 1 Ob 513/90). Insgesamt müssen die Interessen des Kindes an der Adoption eindeutig dominieren (1 Ob 255/20z; 4 Ob 149/10f; 8 Ob 525/92).

[44] 8.1. Die Feststellungen des Erstgerichts reichen jedoch weder für die Beurteilung der Rechtfertigung der Weigerung des Vaters noch für die umfassende Gesamtabwägung der gegenseitigen Interessen (Deixler‑Hübner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.07 § 195 [2023] Rz 7mwN) und die Beurteilung der Dominanz der Interessen des Kindes hin:

[45] Insbesondere hat das Erstgericht – soweit sich seine äußerst knappen begründenden Ausführungen als hinreichend konkrete und beweiswürdigend begründete Tatsachenfeststellungen erkennen ließen – zwar seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der leibliche Vater – unstrittig – keinen Kontakt zu seinem Sohn hatte und keinen Unterhalt für ihn bezahlte. Tatsächliche Umstände, warum dies alles unterblieben ist, aus denen sich auch ableiten ließe, ob es sich dabei um schuldhafte Pflichtverletzungen des Vaters handelte, durch welche zudem auch das Kindeswohl gefährdet worden oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, hat es jedoch nicht festgestellt; dennoch wirft es dem Vater ersichtlich vor, den Kontakt zu seinem Sohn nicht „nachhaltig versucht“ zu haben, ohne, dass etwa ein Tatsachensubstrat insbesondere dahin erkennbar ist, dass ihm solches möglich gewesen wäre und er dies schuldhaft unterlassen hätte.

[46] Andererseits hat sich das Erstgericht mit einer Wiedergabe der Angaben des Wahlkindes und des leiblichen Vaters begnügt, jedoch ebenfalls keinerlei Feststellungen getroffen, aus denen die Notwendigkeit der Adoption für den Zweitantragsteller und das eindeutige Dominieren seiner diesbezüglichen Interessen abgeleitet werden könnten.

[47] 8.2. Das Erstgericht wird somit seine Tatsachengrundlage im Hinblick auf die oben dargelegten rechtlichen Voraussetzungen für die Ersetzung der Zustimmung zur Adoption nach § 195 Abs 3 ABGB zu vertiefen und zu verbreitern haben: Es wird konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen und beweiswürdigende Überlegungen hierfür anzugeben haben, wobei zuvor genau darauf zu achten sein wird, das rechtliche Gehör aller Beteiligten – und somit auch des leiblichen Vaters – zu wahren und ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, zu äußern (vgl RS0005915; RS0074920).

[48] Erst auf Grundlage eines solchen Verfahrens und solcher konkreten und überprüfbaren Feststellungen wird das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht die Frage beantworten können, ob im vorliegenden Fall die Weigerung des Vaters, der Adoption zuzustimmen, gerechtfertigt sei oder nicht, und weiters ob die Interessen der Antragsteller an der Adoption die des leiblichen Vaters so deutlich überwiegen, dass seine Zustimmung nach § 195 Abs 3 ABGB gerichtlich zu ersetzen wäre.

[49] 8.3. Hinzuweisen ist darauf, dass ein Beschluss auf Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur Adoption als materiell‑rechtliche Voraussetzung der Bewilligung der Adoption (vgl oben Pkt 7.1.) gleichzeitig mit dem Beschluss über die Adoptionsbewilligung erfolgen kann (vgl RS0006681 [T1]), jedoch nicht muss; die Zweckmäßigkeit einer solchen Vorgangsweise im Hinblick auf die zum Teil deckungsgleichen Voraussetzungen der beiden Fragen wird vom Erstgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen sein.

[50] Entgegen der älteren Rechtsprechung, wonach die Ersetzung der Zustimmung nicht in einem förmlichen Ausspruch erfolgen müsse, sondern in einem gesonderten Begründungsteil ausgedrückt werden könne (5 Ob 543/77 = RS0006681), hätte aber in Anbetracht von § 39 Abs 2 AußStrG (und § 114 Abs 2 Geo) auch im Fall der Verbindung beider Entscheidungen ein förmlicher Entscheidungsspruch über die Ersetzung der Bewilligung zu ergehen (vgl Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 89 [2019] Rz 6).

[51] 9. Somit waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, ohne, dass auf die im Revisionsrekurs weiters ins Treffen geführten Rechtsmittelgründe (Verfahrensmangel zufolge Überraschungsentscheidung; unrichtige Anwendung des ZGB) eingegangen werden musste.

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