OGH 4Ob149/10f

OGH4Ob149/10f5.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Dr. G***** E*****, und 2. mj J***** E*****, vertreten durch die Mutter B***** E*****, alle vertreten durch Dr. Georg Ganner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner R***** B*****, vertreten durch Dr. P. Sellemond und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Annahme an Kindesstatt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Juni 2010, GZ 53 R 52/10a-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. April 2010, GZ 33 P 139/08d-S26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob eine Adoption dem Wohl des Kindes dient und die verweigerte Zustimmung gemäß § 181 Abs 3 ABGB zu ersetzen ist, weil kein gerechtfertigter Grund für die Verweigerung vorliegt, hat das Gericht aufgrund der Verfahrensergebnisse nach freiem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (RIS-Justiz RS0086536). Welche konkreten tatsächlichen Umstände im Einzelfall die Ersetzung der verweigerten Zustimmung durch das Gericht rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt (RIS-Justiz RS0087003). Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage, was unter dem Begriff „gerechtfertigte Gründe“ zu verstehen ist, lassen sich dahin zusammenfassen, dass die gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen sollen, dass keine Adoption gegen die wohlbegründete Meinung der Person zustande kommt, die durch die Adoption in ihren Rechten tiefgreifend betroffen wird. Dem Kindeswohl entsprechende, in der Familie des Annehmenden bestehende bessere, der Entwicklung des Kindes förderliche Lebensverhältnisse sind nicht der alleinige oder auch nur überwiegende Gesichtspunkt, die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt anzusehen. Im Zweifel ist die Weigerung als gerechtfertigt zu betrachten. Der Wunsch des Elternteils um Kontakte und Bindung zu seinem Kind ist zwar kein absolut rechtfertigender Weigerungsgrund, die Adoption muss aber für das Kind geradezu notwendig sein (2 Ob 239/09z; 9 Ob 208/98y uva); die Interessen des Kindes müssen eindeutig dominieren (8 Ob 525/92 = JBl 1993, 453).

Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm - hier bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der „gerechtfertigten Gründe“ - korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0086536 [T2]).

Die Revisionsrekurswerber vermögen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

In der Übernahme von Feststellungen des Erstgerichts durch das Rekursgericht kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (RIS-Justiz RS0043240).

Der behauptete Widerspruch zu jenen vom Obersten Gerichtshof beurteilten Fällen, in denen die Verweigerung der Zustimmung zur Adoption als nicht gerechtfertigt angesehen wurde, besteht nicht. Der laufende Kontakt des Sohnes zu seinem leiblichen Vater bestand bis etwa ein halbes Jahr vor dem Antrag auf Genehmigung der Adoption. Der Abbruch des Kontakts wurde nach den vom Obersten Gerichtshof zugrunde zu legenden Feststellungen von der Kindesmutter angestrebt und vom Kindesvater lediglich im Interesse des Minderjährigen akzeptiert. In der Folge bemühte er sich um die Wiederherstellung des Kontakts dadurch, dass er eine gerichtliche Besuchsrechtsregelung anstrebte; die Kindesmutter und der die Adoption anstrebende nunmehrige Ehemann der Kindesmutter stehen der Kontaktaufnahme ablehnend gegenüber. Dass die Vorinstanzen in der zunächst abwartenden Haltung des Kindesvaters nach Abbruch des regelmäßigen Besuchskontakts durch die Mutter ebenso wenig eine gravierende Pflichtverletzung des Kindesvaters sahen, die die Verweigerung der Zustimmung ungerechtfertigt erscheinen ließe, wie in der (allfälligen) Verletzung der Unterhaltspflicht, zumal die Kindesmutter gegenüber dem Kindesvater nach Einstellen der Unterhaltszahlungen gar nicht Unterhaltsbeiträge einforderte, lässt eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall nicht erkennen. Dass der Kindesvater sein Besuchsrecht in alkoholisiertem Zustand ausgeübt hätte, haben die Vorinstanzen ebenso wenig festgestellt wie eine Verweigerung von Unterhaltsleistungen ungeachtet entsprechender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.

Von einer Gefährdung des Kindeswohls im Falle des Unterbleibens der Adoption kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, zumal der Erstantragsteller (Ehemann der Mutter) nicht daran gehindert ist, auch ohne Adoption eine liebevolle Beziehung zu dem in seinem Familienverband integrierten und seinen Familiennamen tragenden Kind zu unterhalten (2 Ob 239/09z).

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