OGH 4Ob88/98i (RS0109515)

OGH4Ob88/98i2.2.2023

Rechtssatz

Zweck des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung BGBl 1988/512 ist es, die ursprünglichen tatsächlichen Verhältnisse wiederherzustellen, um zu gewährleisten, "dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird" (Art 1 HKÜ). Das Übereinkommen soll verhindern, dass für das Kind im Zufluchtsland eine Aufenthaltszuständigkeit begründet wird, die eine Abänderung der Obsorgeregelung im Herkunftsland ermöglicht. Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht werden, wenn sich das Kind längere Zeit im Zufluchtsland aufhält und sozial integriert ist. In diesem Fall ist das Herkunftsland nicht mehr international zuständig, sondern die internationale Zuständigkeit ist auf das Zufluchtsland übergegangen.

Normen

EuGVVO Art5 Nr2
Übk über die zivilrechtlichen Aspekte int Kindesentführung - HKÜ Art1
Übk über die zivilrechtlichen Aspekte int Kindesentführung - HKÜ Art3
Übk über die zivilrechtlichen Aspekte int Kindesentführung - HKÜ Art16

4 Ob 88/98iOGH31.03.1998

Veröff: SZ 71/61

3 Ob 165/99gOGH28.06.1999

Vgl auch; nur: Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht werden, wenn sich das Kind längere Zeit im Zufluchtsland aufhält und sozial integriert ist. In diesem Fall ist das Herkunftsland nicht mehr international zuständig, sondern die internationale Zuständigkeit ist auf das Zufluchtsland übergegangen. (T1)

1 Ob 51/02kOGH22.03.2002

Vgl; Beisatz: Erklärtes Ziel des Übereinkommens (Art 1 lit a) ist, die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter Kinder sicherzustellen. Nicht etwa eine "Rückgabe" des Kindes an den anderen Elternteil hat stattzufinden - dies ist einer Regelung durch das zuständige Gericht vorbehalten -, es ist sondern lediglich festzustellen, dass das Kind in den Staat seines (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthalts zurückkehrt und dem durch die Entziehung verkürzten Elternteil das grundsätzliche Recht zum persönlichen Verkehr mit dem Kind gewährleistet wird. Damit muss nicht notwendigerweise die Trennung des Kindes vom "Entführer" verbunden sein. (T2)

1 Ob 220/02pOGH25.10.2002

Auch; Beisatz: Das Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts darf nicht mehr verneint werden, wenn der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum gewährt hat und das Kind sozial integriert ist. (T3)<br/>Beisatz: Hier: Art 3 HKÜ. (T4)<br/>Beisatz: Wenngleich es erklärtes Ziel des HKÜ ist, die sofortige Rückgabe widerrechtlich verbrachter Kinder sicherzustellen, darf nicht übersehen werden, dass das konkrete Kindeswohl den Vorzug vor dem vom HKÜ angestrebten Ziel hat. (T5)

2 Ob 80/03hOGH24.04.2003

Vgl auch; Beis wie T2 nur: Erklärtes Ziel des Übereinkommens (Art 1 lit a) ist, die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter Kinder sicherzustellen. (T6)<br/>Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T5

8 Ob 121/03gOGH30.10.2003

Vgl; Beis wie T6; Beisatz: Ein widerrechtlich verbrachtes oder zurückgehaltenes Kind ist an den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts zurückzugeben. (T7)<br/>Beisatz: Das Kind, das sich an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort befindet, kann dorthin weder verbracht noch im Sinn des Art 3 HKÜ dort zurückgehalten werden. (T8)

3 Ob 89/05tOGH11.05.2005

Vgl auch; nur: Zweck des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung BGBl 1988/512 ist es, die ursprünglichen tatsächlichen Verhältnisse wiederherzustellen, um zu gewährleisten, "dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird" (Art 1 HKÜ). Das Übereinkommen soll verhindern, dass für das Kind im Zufluchtsland eine Aufenthaltszuständigkeit begründet wird, die eine Abänderung der Obsorgeregelung im Herkunftsland ermöglicht. (T9)<br/>Beisatz: Der entgegen stehende Wille des durch die „Entführung" des Kindes verletzten Elternteils wirkt sich rein faktisch dahingehend aus, dass der Aufenthalt des Kindes im Entführungsstaat noch nicht von vornherein als auf Dauer angelegt betrachtet werden kann, solange die Möglichkeit besteht, dass der (Mit-)Sorgeberechtigte die Rückführung des Minderjährigen durchsetzt, ehe die soziale Einbindung in das (neue) örtliche Umfeld stattgefunden hat. (T10)

5 Ob 47/09mOGH12.05.2009

Vgl; Beisatz: Das erklärte Ziel des Übereinkommens besteht nach Art 1 lit a HKÜ darin, die sofortige Rückgabe des widerrechtlich verbrachten Kindes in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen. Dies bedeutet nicht etwa eine „Rückgabe" der Kinder an den anderen Elternteil, welche Entscheidung allein dem Pflegschaftsgericht im Obsorgeverfahren zukommt. Ziel des Übereinkommens ist es, sicherzustellen, dass das Kind in den Staat seines (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthalts zurückkehrt und dem durch die Entziehung verkürzten Elternteil das grundsätzliche Recht zum persönlichen Verkehr mit dem Kind bzw die Ausübung seines Sorgerechts gewährleistet wird. (T11)<br/>Beisatz: Es geht um die Rückführung, das heißt um die Wiederherstellung der ursprünglichen Tatsachenverhältnisse in einem entformalisierten Schnellverfahren unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen. (T12)<br/>Beisatz: Mit einer solchen Rückführungsanordnung muss aber nicht notwendigerweise die Trennung des Kindes vom „Entführer" oder von anderen Geschwistern, die aufgrund Erreichung des 16. Lebensjahres nicht mehr von den Bestimmungen des HKÜ erfasst sind, verbunden sein. Durch die Rückgabe soll der Antragsteller nur wieder in die Lage versetzt werden, auch seinerseits die elterliche Sorge zum Wohl des Kindes mitausüben zu können. (T13)<br/>Beisatz: Die Rechtsprechung geht überwiegend davon aus, dass es unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls dem entführenden Elternteil zumutbar ist, gemeinsam mit dem Kind in den Herkunftsstaat zurückzukehren, weil es dann nicht zur Trennung kommen muss. (T14)<br/>Beisatz: Dem entführenden Elternteil ist es zuzumuten, eigene Nachteile der Rückkehr in Kauf zu nehmen, weil es auf sein Wohl dabei nicht ankommt. (T15)<br/>Veröff: SZ 2009/64

2 Ob 78/09yOGH20.05.2009

Auch; nur: Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht werden, wenn sich das Kind längere Zeit im Zufluchtsland aufhält und sozial integriert ist. (T16)<br/>Beis wie T3

2 Ob 103/09zOGH16.07.2009

Auch; nur: Zweck des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung BGBl 1988/512 ist es, die ursprünglichen tatsächlichen Verhältnisse wiederherzustellen, um zu gewährleisten, "dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird". (T17)<br/> Beisatz: Zielsetzung des HKÜ, Elternteile von einem widerrechtlichen Verbringen abzuhalten und die Sorgerechtsentscheidung am früheren gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes sicherzustellen. (T18)<br/>Auch Beis wie T2; Auch Beis wie T11; Beisatz: Hier: Anordnung der Rückgabe des Kindes nach Griechenland, nicht aber auch an seinen vorigen Aufenthaltsort auf der (kleinen) Insel Santorin. (T19)

9 Ob 59/09fOGH26.08.2009

Vgl; Beis ähnlich wie T7; Beisatz: Ein Kind, das sich an seinem gewöhnlichen Aufenthalt befindet, kann weder dorthin verbracht noch dort im Sinn des Art 3 HKÜ zurückgehalten werden. (T20)

1 Ob 176/09bOGH13.10.2009

Auch; nur T9; Beis wie T14; Beis wie T15

2 Ob 90/10iOGH08.07.2010

Auch; nur T17; Beis wie T18; Auch Beis wie T2; Auch Beis wie T11; Vgl Beis wie T19; Beisatz: Hier: Anordnung der Rückführung in das Staatsgebiet von Spanien. (T21)

6 Ob 12/11zOGH28.01.2011

Auch; Beisatz: Hier: Keine rechtswidrige Besuchs‑ und Obsorgesituation. (T22)

1 Ob 219/10bOGH25.01.2011

nur T17; Beis wie T3; Beis wie T6

6 Ob 230/11hOGH24.11.2011

Vgl; Beis wie T14; Beis wie T15

6 Ob 26/12kOGH16.02.2012

Vgl; Beis ähnlich wie T6; Beis wie T8

6 Ob 122/12bOGH22.06.2012

Besi wie T14; Beis wie T15

6 Ob 150/12wOGH13.09.2012

Vgl; Beis wie T14; Beis wie T15

6 Ob 230/12kOGH19.12.2012

nur T9

1 Ob 91/13hOGH27.06.2013

Vgl auch; Beis wie T3

6 Ob 171/13kOGH30.09.2013

Vgl auch; Ähnlich Beis wie T2; Beis wie T11; Beis wie T14; Beis wie T15

6 Ob 180/13hOGH24.10.2013

Vgl; nur T1; Beis wie T3; Beis wie T8; Beisatz: Hier: Mit seiner Vereinbarung, mit einem Umzug und Verbleib der Kinder für einen Zeitraum von etwas über einem Jahr einverstanden zu sein, nahm der Kindesvater zwangsläufig in Kauf, dass sich die Minderjährigen in der Zwischenzeit in Österreich integrieren. (T23)

6 Ob 109/14vOGH09.07.2014

Vgl auch; Beisatz: Die Jahresfrist des Art 12 Abs 1 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) beginnt jedenfalls auch dann mit dem Zeitpunkt der widerrechtlichen Verbringung des Kindes, wenn der antragstellende Elternteil zwar von der Tatsache der Verbringung, nicht jedoch vom tatsächlichen Aufenthalt des Kindes Kenntnis hat. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Regelungskonzept des Art 10 Brüssel IIa-VO betreffend den Übergang der internationalen Zuständigkeit vom Ursprungsstaat auf den Zufluchtsstaat. (T24)

6 Ob 126/14vOGH28.08.2014

Auch; Beisatz: Das Rückführungsverfahren nach dem HKÜ dient nicht der zwangsweisen Durchsetzung von Obsorgeentscheidungen. (T25)<br/>

6 Ob 196/16sOGH24.10.2016

Auch; Beis wie T11

6 Ob 94/17tOGH29.05.2017

Auch; Beis T6; Beis wie T14

6 Ob 152/17xOGH29.08.2017

Vgl; Beis wie T7; Beis wie T8; Beisatz: Hier: Die Mutter hat eine Wohnung und einen Arbeitsplatz in Österreich, die Kinder gehen hier zur Schule, allerdings verbringen sie die Wochenenden zum größten Teil in Ungarn und übernachten auch zumindest die Hälfte der Schulwochen in Ungarn, womit sie sich hauptsächlich in Ungarn aufhalten. Bei diesem Sachverhalt ist die Auffassung, die Kinder verfügten (jedenfalls auch) über einen gewöhnlichen Aufenthalt in Ungarn, durchaus vertretbar (Abweisung des Antrags auf Rückgabe der Kinder nach Ungarn). (T26)

6 Ob 240/18iOGH24.01.2019

Vgl auch; Beis wie T6

6 Ob 89/19kOGH23.05.2019

Auch

6 Ob 83/21fOGH12.05.2021

Beis wie T14; Beis wie T15

6 Ob 204/21zOGH15.11.2021

Vgl; Beis wie T8; Beis wie T20

6 Ob 13/23iOGH02.02.2023

Vgl; Beisatz: Das Verfahren über die Rückführung von Kindern nach dem HKÜ ist aus diesem Grund ein der einstweiligen Verfügung angenähertes Eilverfahren bzw entformalisiertes Schnellverfahren unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen, also ein Eil- oder Schnellverfahren unter weitgehender Ausblendung von Formalismen. Hier: Verfehlte Zurückweisung des Rekurses mangels Beschwer. (T27)

Dokumentnummer

JJR_19980331_OGH0002_0040OB00088_98I0000_003

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