OGH 5Ob47/09m

OGH5Ob47/09m12.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Andreas V*****, vertreten durch Dr. Gerhard Brandl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die Antragsgegnerin Ute Katharina V*****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Rückführung der minderjährigen Kinder Christopher V*****, geboren am 2. August 1996, Pascal V*****, geboren am 10. März 1999, und Marie V*****, geboren am 7. April 2001, nach dem HKÜ, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 28. Jänner 2009, GZ 4 R 23/09p-S93, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 3. Dezember 2008, GZ 3 P 139/07t-S81, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Die Rückführung der minderjährigen Kinder Christopher V*****, geboren am 2. August 1996, Pascal V*****, geboren am 10. März 1999, und Marie V*****, geboren am 7. April 2001, alle *****, in das Staatsgebiet von Deutschland wird angeordnet.“

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 1.638,39 EUR (darin 347,09 EUR USt und 3,60 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des am 31. 5. 1992 geborenen Christian, des am 2. 8. 1996 geborenen Christopher, des am 10. 3. 1999 geborenen Pascal sowie der am 7. 4. 2001 geborenen Marie V*****. Sie lebten mit ihren Kindern zuletzt gemeinsam in *****, in Deutschland.

Am 19. 5. 2007 verließ die Mutter mit ihren vier Kindern die Ehewohnung in Deutschland und zog zu ihrer Tante nach F***** in Österreich.

Beim Amtsgericht Tettnang in Deutschland wird zu 2 F 445/07 ein Verfahren wegen Trennungsunterhalt geführt.

Die Ehe der Eltern wurde mittlerweile geschieden.

Der Antragsgegnerin und den vier minderjährigen Kindern wurde mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Die Mutter verfügt nunmehr über eine eigene Wohnung in F*****.

Alle Kinder sind in Kärnten gut integriert und besuchen hier die Schule.

Der minderjährige Christian hat mittlerweile das 16. Lebensjahr erreicht, weshalb das Rückführungsverfahren gegen ihn eingestellt wurde.

Der zwölfjährige Christopher möchte nicht zu seinem Vater zurück nach Deutschland. Während er zur Person seiner Mutter gute Identifikationsbeschreibungen aufweist, zeigen sich zu seinem Vater keine solchen, sondern vielmehr deutliche Abgrenzungen.

Der minderjährige Pascal hat keinerlei Identifikationsbeschreibungen zur Person seines Vaters, er äußert konkrete Ängste vor ihm.

Die minderjährige Marie steht ihrem Vater äußerst ablehnend gegenüber.

Eine Rückgabe der Kinder an den Vater in Deutschland würde die schwerwiegende Gefahr eines seelischen Schadens für die Kinder bedeuten. Auch eine Trennung der drei jüngeren Kinder von ihrem älteren Bruder Christian würde ihr Wohl gefährden.

Alle vier Kinder wollen nicht zurück nach Deutschland. Würden sich die beiden älteren Kinder einer Rückführung widersetzen, käme es zu einer seelischen Belastung für die beiden jüngeren. Durch die derzeitige Situation sind die Kinder traumatisiert, würden sie nach Deutschland (zu ihrem Vater) zurückgebracht werden, käme es zu einer Retraumatisierung.

Der Vater befürwortet für den Fall der Rückführung der Kinder nach Deutschland, dass die Mutter die Betreuung der Kinder übernimmt. Er ist damit einverstanden, dass alle Maßnahmen, die eine Kindeswohlgefährdung hintanhalten, ergriffen werden und ist auch bereit mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten.

Eine Zustimmung zu einer dauernden Unterbringung der Kinder in Österreich hat der Vater nicht erteilt.

Am 17. 8. 2007 stellte der Vater beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Deutschland den Antrag auf Rückführung sämtlicher vier Kinder, für die das gemeinsame Sorgerecht der Eltern besteht. Ohne Absprache und Zustimmung habe die Mutter die Kinder nach Österreich verbracht. Er stützte sich dabei auf Art 8 des Haager Übereinkommens vom 25. 10. 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ).

Der Antrag wurde dem Erstgericht am 14. 9. 2007 übermittelt.

Die Antragsgegnerin hielt dem Rückführungsantrag des Vaters entgegen, dass er die Zustimmung dazu erteilt habe und im Weiteren, dass die Kinder nicht zum Vater zurückwollten, weil er sie misshandelt habe. Eine Rückführung der Kinder nach Deutschland sei mit einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohls der Kinder verbunden.

Nachdem im ersten Rechtsgang beide Vorinstanzen den Rückführungsantrag abgewiesen hatten, weil der Vater eine Zustimmung im Sinn des Art 13 Abs 1 lit a HKÜ erteilt habe, hob der erkennende Senat über Revisionsrekurs des Vaters am 1. 4. 2008, AZ 5 Ob 17/08y, diese Entscheidungen auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung hinsichtlich des behaupteten, aber bisher nicht geprüften Rückführungshindernisses des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ auf. Eine Zustimmung zur dauernden Entfernung der Kinder sei vom Vater nicht erteilt worden.

Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht die älteren beiden Kinder Christopher und Pascal (zwölf und neun Jahre alt) angehört, ebenso die Kindeseltern und das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Bereich der klinischen Psychologie und Gesundheitspsychologie sowie eine Stellungnahme des Jugendamts der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt/Außenstelle Ferlach eingeholt.

Auch im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht den Rückführungsantrag des Vaters ab.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen erachtete das Erstgericht das Rückführungshindernis des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ für gegeben. Die mj Christopher und Pascal, die bereits ein Alter und eine Reife erreicht hätten, angesichts derer es angebracht erscheine, ihre Meinung zu berücksichtigen, hätten sich einer Rückführung widersetzt. Auch das jüngste Kind, die mj Marie, die ihren Vater völlig ablehne, würde durch eine Rückführung in eine unzumutbare Lage gebracht werden, wenn sie allein nach Deutschland gebracht würde. Die Mutter und die älteren Kinder würden nämlich jedenfalls in Österreich bleiben wollen.

Zusammenfassend stehe fest, dass mit der Rückgabe der drei jüngeren Kinder die Gefahr eines seelischen Schadens verbunden sei. Dies insbesondere auch durch eine Trennung von ihrem älteren Bruder, hinsichtlich dessen das Rückführungsverfahren eingestellt sei.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Das Rekursgericht verneinte die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Einvernahme jener zehn vom Vater geführten Zeugen in Deutschland sei schon deshalb entbehrlich, weil es auf das konkrete Verhalten der Eltern während des gemeinsamen Haushalts in Deutschland nicht ankomme. Entscheidend sei die Frage einer allfälligen Kindeswohlgefährdung im Zeitpunkt der Rückführung der Minderjährigen.

Wenngleich auch in einem Kindesentführungsverfahren in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach der Rechtsprechung nicht angebracht sei, sei es doch Sache des Erstgerichts gewesen, neben der persönlichen Befragung der Betroffenen ein solches Gutachten zur verlässlichen Beantwortung der entscheidenden Frage einzuholen. Ein Zuviel an Beweisaufnahmen könne in einem von Amtswegigkeit dominierten Verfahren mit Fürsorgecharakter niemals einen Verfahrensmangel begründen.

Einem dadurch allenfalls bewirkten Verstoß gegen das in Art 11 HKÜ verankerte Beschleunigungsgebot komme im Rekursverfahren keine Relevanz mehr zu.

Nach Erledigung einer Beweis- und Tatsachenrüge im Rekurs legte das Gericht zweiter Instanz die erstgerichtlichen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde.

Im Übrigen teilte es die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass dem Rückführungsbegehren das Hindernis des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ entgegenstehe. Eine durch die Rückgabe der Kinder drohende schwerwiegende psychische Gefährdung sei auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst durch einen längeren Aufenthalt im Verbringungsland bedingt sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei, weil die Frage der Kindeswohlgefährdung immer eine solche des konkreten Einzelfalls sei. Darüber hinaus lägen keine erheblichen Rechtsfragen vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung seines Rückführungsantrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Darüber hinaus beantragt der Revisionsrekurswerber, der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten aller drei Instanzen aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat von der ihr eingeräumten Äußerungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und darin beantragt, den Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters erweist sich entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts als zulässig, weil den Vorinstanzen eine erhebliche rechtliche Fehlbeurteilung der Voraussetzungen des § 13 Abs 1 lit b HKÜ unterlaufen ist.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Zentrales Argument der Rechtsrüge des Revisionsrekurswerbers ist, dass die Vorinstanzen die Kindeswohlgefährdung unrichtigerweise unter dem Aspekt eine Rückführung der Minderjährigen zum Kindesvater beurteilt hätten, während es in Wahrheit ausschließlich um die Rückführung in den Herkunftsstaat gehe, damit der Antragsteller in Deutschland seine Obsorgerechte entsprechend ausüben könne.

Darüber hinaus sei aus einer ablehnenden Haltung der Kinder betreffend eine Rückführung keine schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls abzuleiten.

Im Weiteren komme es auf die Frage der Integration der Kinder in Österreich nicht an. Nur nach Art 12 Abs 2 HKÜ sei eine gelungene Integration maßgeblich, wofür allerdings Voraussetzung sei, dass der Rückführungsantrag erst nach Ablauf eines Jahres nach Verbringung des Kindes gestellt worden sei. Der Antragsteller habe aber seinen Antrag innerhalb des ersten Jahres gestellt, womit Art 12 Abs 1 HKÜ anwendbar sei. Die vom Rekursgericht zitierte, in RIS-Justiz RS0074565 veröffentlichte Rechtsprechung sei insofern nicht anzuwenden.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

Wie der Revisionsrekurswerber zutreffend aufzeigt, richtete sich sein auf Art 8 HKÜ gestützter Antrag nicht auf Rückgabe der minderjährigen Kinder in seine Obsorge, sondern auf Rückführung der Kinder nach Deutschland.

Die Ausführungen der Vorinstanzen, die sich überwiegend auf Vorbehalte der Kinder gegen ihren Vater und einen Widerspruch der älteren Kinder gegen eine Rückgabe an diesen stützen und daraus eine Kindeswohlgefährdung ableiten, gehen daher am Kern der Sache vorbei.

Die Frage der Kindeswohlgefährdung im Sinn des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ, der im Allgemeinen keine über den zu beurteilenden Fall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl RIS-Justiz RS0074568 [T2; T3]), ist hier aufzugreifen, weil sie die Vorinstanzen unter einem unrichtigen Aspekt, nämlich der Rückgabe der Kinder an den Vater beurteilt haben.

Ob und inwieweit das Kindeswohl einer Rückführung entgegensteht, ist nicht von Amts wegen, sondern nur über Vorbringen jener Person zu prüfen, die sich der Rückführung widersetzt. Eine Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des Sachverhalts besteht insofern nicht (vgl RIS-Justiz RS0074561). Eine über die Rückgabe des Kindes getroffene Entscheidung ist keine über das Sorgerecht (Art 19 des Übereinkommens), weshalb anders als in einem solchen Verfahren ein Sachverständigengutachten grundsätzlich nicht einzuholen ist. Das würde, worauf der Revisionsrekurswerber zutreffend hinweist, der Verpflichtung zur Beschleunigung des Verfahrens zuwiderlaufen (vgl RIS-Justiz RS0108469). Dass in Einzelfällen die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens als unerlässlich angesehen wurde (vgl etwa 9 Ob 102/03w), spricht nicht dagegen (vgl auch W. Vomberg, Rechtsfragen der internationalen Kindesentführung 70; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rz 09.18 und FN 54).

Auf das gegenständliche Verfahren hat die allenfalls unnötige Einholung eines Sachverständigengutachtens aber ohnedies keine Auswirkung, weil die darauf gegründeten Feststellungen sich im Rahmen des Vorbringens der Antragsgegnerin halten und schon daher nicht als überschießende Feststellungen unbeachtlich zu bleiben haben.

Im Übrigen kommt ihnen, worauf in der Folge noch einzugehen sein wird, ohnedies kaum rechtliche Relevanz zu.

Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot des Art 11 HKÜ kann im Rechtsmittelverfahren ohnedies nicht mehr ungeschehen gemacht werden.

Die Antragsgegnerin hat die vier gemeinsamen Kinder ohne Willen des Antragstellers der gemeinsamen elterlichen Obsorge (§ 1626 BGB) entzogen (Art 3 HKÜ).

Soweit nicht ein Ausnahmetatbestand des Übereinkommens erfüllt ist, besteht das erklärte Ziel des Übereinkommens nach Art 1 lit a HKÜ, die sofortige Rückgabe der widerrechtlich verbrachten Kinder in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen.

Das bedeutet entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht etwa eine „Rückgabe“ der Kinder an den anderen Elternteil, welche Entscheidung allein dem Pflegschaftsgericht im Obsorgeverfahren zukommt. Ziel des Übereinkommens ist es, sicherzustellen, dass das Kind in den Staat seines (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthalts zurückkehrt und dem durch die Entziehung verkürzten Elternteil das grundsätzliche Recht zum persönlichen Verkehr mit dem Kind bzw die Ausübung seines Sorgerechts gewährleistet wird.

Das Verbringen eines Kindes ist gemäß dem Haager Übereinkommen dann rechtswidrig, wenn dadurch das gemeinsame Sorgerecht einer Person nach der Rechtsordnung des zuvor gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes verletzt oder das Besuchsrecht eines Elternteils durch die Außerlandesschaffung des Kindes praktisch unmöglich gemacht wird (vgl Nademleinsky/Neumayr aaO Rz 09.05 und die in FN 13 und 14 wiedergegebene Rechtsprechung; zuletzt EGMR Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz vom 8. 1. 2009 Bsw. Nr 41.615/07, tw veröffentlicht in NL 2009/1).

Es geht also um die Rückführung, das heißt um die Wiederherstellung der ursprünglichen Tatsachenverhältnisse in einem entformalisierten Schnellverfahren unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen. Als Entscheidung über das Sorgerecht ist diese Rückführungsentscheidung nicht anzusehen (Art 19 HKÜ).

Mit einer solchen Rückführungsanordnung muss aber nicht notwendigerweise die Trennung des Kindes vom „Entführer“ oder von anderen Geschwistern, die aufgrund Erreichung des 16. Lebensjahres nicht mehr von den Bestimmungen des HKÜ erfasst sind, verbunden sein. Durch die Rückgabe soll der Antragsteller nur wieder in die Lage versetzt werden, auch seinerseits die elterliche Sorge zum Wohl der Kinder mitausüben zu können (vgl 1 Ob 51/02k).

Ganz in diesem Sinn hat der Vater auch angeboten, dass die Mutter nach Rückkehr der Kinder nach Deutschland diese weiterhin wie bisher betreuen solle. Die Rechtsprechung geht überwiegend davon aus, dass es unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls dem entführenden Elternteil zumutbar ist, gemeinsam mit dem Kind in den Herkunftsstaat zurückzukehren, weil es dann nicht zur Trennung kommen muss (vgl Vomberg aaO 41 mit Hinweisen auf deutsche Rechtsprechung; Nademleinsky/Neumayr aaO Rz 09.10; 4 Ob 298/97w; 1 Ob /02k).

Dass eine solche Lösung ausgeschlossen oder für die Kinder im Sinn der Ausnahmebestimmung des Art 13 Abs 1 lit b des Übereinkommens unzumutbar oder gefährdend wäre, kann aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht abgeleitet werden.

Dem entführenden Elternteil ist es zuzumuten, eigene Nachteile der Rückkehr in Kauf zu nehmen, weil es auf sein Wohl dabei nicht ankommt (vgl Nademleinsky/Neumayr aaO Rz 09.10).

Gemäß Art 13 Abs 1 lit b HKÜ ist die Rückführung ausgeschlossen, wenn sie mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist, oder das Kind sonst in eine unzumutbare Lage bringt. Dieser Ausnahmetatbestand ist nach der Rechtsprechung eng auszulegen und deshalb auf besondere Sachverhalte zu beschränken (vgl 2 Ob 291/00h = ZfRV 2001, 194). Berücksichtigungswürdige drohende Nachteile müssen über die zwangsläufigen Folgen eines erneuten Aufenthaltswechsels hinausgehen, weil sonst das Ziel des HKÜ nicht greifen würde (vgl 9 Ob 102/03w = ZfRV-LS 2004/21; Kropholler IPR6 § 48 III/2 mwN; Nademleinksy/Neumayr aaO).

In diesem Sinn ist auch richtig, worauf der Revisionsrekurswerber verweist, dass eine gelungene Integrierung eines Kindes in seine neue Umgebung nach Art 12 Abs 2 des Abkommens eine Rückführung nur dann jedenfalls ausschließt, wenn der Rückführungsantrag mehr als ein Jahr nach dem Verbringen des Kindes gestellt wurde. Wenn aber wie hier, der Rückführungsantrag bereits innerhalb von einigen Monaten nach der Verbringung der Kinder gestellt wird und auch beim zuständigen Gericht einlangt, „ordnet das zuständige Gericht die sofortige Rückgabe des Kindes an“ (Art 12 Abs 1 HKÜ).

Es wird nicht übersehen, dass das maßgebliche Kriterium nach Art 13 Abs 1 lit b HKÜ das Kindeswohl ist. Dem Übereinkommen liegt allerdings der Gedanke zugrunde, dass die Rückführung von Kindern deren Wohl dient, weil sie die wirklichen Opfer der Entführung sind und Kindesentführungen durch dieses Übereinkommen grundsätzlich verhindert werden sollen (vgl RIS-Justiz RS0106455).

Der von der Antragsgegnerin in den Vordergrund gestellte Wunsch der Kinder, miteinander und mit der Mutter zusammenzubleiben, wird durch eine Rückführung im oben aufgezeigten Sinn nicht behindert. Der bloße Wunsch, in der bisherigen Umgebung zu bleiben, ist, wie oben ausgeführt, nicht derart gravierend, dass bei Nichterfüllung eine Kindeswohlgefährdung im Sinn des Übereinkommens zu bejahen wäre.

Nach Art 13 Abs 2 HKÜ ist die Rückgabe auch abzulehnen, wenn sich das Kind ihr widersetzt und die Meinung des Kindes aufgrund dessen Alter und Reife beachtlich ist. Von Lehre und österreichischer Rechtsprechung wird dazu allerdings ein deutliches Ergebnis verlangt (vgl Nademleinsky/Neumayr aaO Rz 09.13 und FN 39).

Hiezu ergibt sich aus den maßgeblichen Feststellungen, dass die negative Äußerung der älteren Minderjährigen, soweit sie festgestellt sind, dahingehen, dass der mj Christopher nicht zurück zu seinem Vater nach Deutschland möchte und der minderjährige Pascal konkrete Ängste vor dem Vater äußert.

Diese Äußerungen reichen in Anbetracht des Gegenstands des Rückführungsantrags nicht hin, die begehrte Rückführung zu verweigern.

Die Vorinstanzen haben sich ausschließlich auf nicht maßgebliche Umstände gestützt, soweit sie die schwerwiegende Gefahr für die Kinder bejaht haben, nämlich einerseits auf eine Rückgabe der Kinder an den Vater und andererseits auf eine Trennung der Kinder. Ersteres wird, wie schon ausgeführt, nicht angestrebt, eine Trennung der Kinder zu vermeiden obliegt der Mutter im Rahmen ihrer Obsorgepflicht.

Zusammenfassend ist daher zugrundezulegen, dass die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Umstände einer strengen Prüfung der Voraussetzungen des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ nicht standhalten.

Die Regelung des Art 13 Abs 2 HKÜ gebietet es nicht, die Ablehnung der mj Christopher und Pascal als Grund für die Abweisung des Rückführungsantrags zu werten, kamen diese Äußerungen doch unter der falschen Prämisse, es stehe eine Rückgabe an den Vater in Aussicht, zu Stande.

Es war daher in Entsprechung des Zwecks und der Bestimmungen des Haager Kindesentführungsübereinkommens die Rückführung der minderjährigen Kinder Christopher, Pascal und Marie anzuordnen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf Art 26 Abs 4 HKÜ.

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