OGH 6Ob143/22f

OGH6Ob143/22f25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. T*, geboren * 2005, 2. E*, geboren * 2008, beide vertreten durch die Mutter M*, geboren * 1978, *, diese vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung eines Vertrags, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. April 2022, GZ 42 R 442/21t‑54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 22. September 2021, GZ 17 Pg 68/19p‑43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00143.22F.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Die Vereinbarung vom 15. 4. 2019 zwischen der Verlassenschaft des am 18. 1. 2019 verstorbenen H*, vertreten durch die erbantrittserklärten Erben a) E*, geboren am *, b) T*, geboren am *, beide vertreten durch den mit Beschluss des Bezirksgerichts *, AZ * bestellten Kollisionskurator K*, geboren am *, c) M*, geboren am * und d) A*, geboren am *, einerseits und A*, geboren am *, als Legatsempfänger andererseits über die Übertragung der jeweils 1 % Gesellschaftsanteile des am 18. 1. 2019 verstorbenen H* an der D* KG, FN *, und der A*-Handels GmbH & Co KG, FN *, wird pflegschaftsgerichtlich genehmigt.“

 

Begründung:

[1] Die Minderjährigen sind die Kinder des am 18. 1. 2019 verstorbenen H* und seiner Ehegattin M*. Der Verstorbene hinterlässt neben den beiden Minderjährigen und seiner Witwe auch den volljährigen Sohn A*. Er hinterließ kein Testament, jedoch ein Kodizill vom 16. 2. 2015. Im Verlassenschaftsverfahren * des Bezirksgerichts * gaben sämtliche Erben (die Ehegattin und die Kinder des Verstorben) bedingte Erbantrittserklärungen ab.

[2] Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung über den Antrag des Minderjährigen und dessen Mutter auf Versagung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der aus dem Spruch ersichtlichen Vereinbarung über die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an den volljährigen Sohn.

[3] Der Verstorbene war im Todeszeitpunkt an folgenden Gesellschaften beteiligt:

- mit einem Geschäftsanteil, der 90 % des Stammkapitals entspricht, an der A* Holding GmbH (FN *, vormals A*-Handels GmbH); die restlichen 10 % der Anteile hielt (seit dem Jahr 2014, zuvor bestand eine geringere Beteiligung) der volljährige Sohn;

- als Komplementär an der D* KG (FN *) mit 1 % der Anteile, die restlichen 99 % hielt die A* Holding GmbH als Kommanditistin. Der Gesellschafterstand war seit dem Jahr 2005 unverändert;

- als Komplementär an der A*-Handels GmbH & Co KG (FN *, seit 2. 8. 2019: A*‑Handels KG) mit 1 % der Anteile; die restlichen 99 % hielt die A* Holding GmbH als Kommanditistin. Der Gesellschafterstand war seit dem Jahr 2005 unverändert.

[4] Der Verstorbene hinterließ ein notarielles Kodizill vom 16. 2. 2015, das folgende Bestimmungen enthält:

„Ich bin zu folgenden Anteilen Gesellschafter folgender Gesellschaften:

- der A*-Handels GmbH mit dem Sitz in *, FN *, mit einem Geschäftsanteil, der einer übernommenen Stammeinlage von EUR 32.400,‑‑ von einem gesamten Stammkapital der Gesellschaft von EUR 36.000,‑‑ entspricht (es ist beabsichtigt, den Firmenwortlaut der A*‑Handels GmbH in A* Holding GmbH zu ändern und eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu beschließen und durchzuführen);

- der D* KG mit Sitz in *, FN *, und zwar als persönlich haftender Gesellschafter;

- der A* Handels GmbH und Co KG mit dem Sitz in *, FN *, und zwar als persönlich haftender Gesellschafter;

Ich vermache jeweils als Vorausvermächtnisse:

- meinem Sohn T* einen Teilgeschäftsanteil an der A*-Handels GmbH, der einer übernommenen Stammeinlage von EUR 4.500,‑‑ entspricht;

- meiner Tochter E* einen Teilgeschäftsanteil an der A*-Handels GmbH, der einer übernommenen Stammeinalge von EUR 4.500,‑‑ entspricht;

- meine restlichen Anteile an der A*-Handels GmbH sowie meine Geschäftsanteile an der D* KG und der A*-Handels GmbH & Co KG meinem Sohn A*…“

[5] Am 15. 4. 2019 wurde zwischen dem Nachlass nach H*, verteten durch die erbantrittserklärten Erben, das sind die beiden minderjährigen Kinder, vertreten durch den im Verlassenschaftsverfahren bestellten Kollisionskurator, der volljährige Sohn und die Witwe auf der einen Seite, und dem volljährigen Sohn als Legatsempfänger auf der anderen Seite eine Vereinbarung folgenden Inhalts geschlossen (auszugswseise):

„II. Gemäß Kodizill vom 16. 2. 2015, errichtet vor dem öffentlichen Notar Dr. Günther Fuchs, registriert zum zentralen Testamentsregister unter N118401-1/15/2015, soll Herr A*, geboren *, die jeweils 1 %-Geschäftsanteile des Verstorbenen an der D* KG, FN *, und der A*-Handels GmbH & Co KG, FN *, erhalten. Hiermit überträgt der Nachlass diese Geschäftsanteile unentgeltlich in Erfüllung des Kodizills des Erblassers die Geschäftsanteile (sic), welcher die Abtretung annimmt.

III. Herr A*, geboren *, wird hiermit ermächtigt, als Geschäftsführer der A* Holding GmbH […] die entsprechenden Anmeldungen zum Firmenbuch vorzunehmen.“

[6] Diese Vereinbarung wurde mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 5. 6. 2019 verlassenschaftsgerichtlich genehmigt. In weiterer Folge wurden die der Vereinbarung entsprechenden Eintragungen im Firmenbuch vorgenommen.

[7] Mit Schriftsatz vom 5. 2. 2020 beantragten die Minderjährigen, vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, sowie die Mutter als Drittantragstellerin, das Pflegschaftsgericht möge der Vereinbarung die Genehmigung versagen.

[8] Im ersten Rechtsgang erteilte das Erstgericht der Vereinbarung mit Beschluss vom 17. 4. 2020 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.

[9] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der von der Mutter vertretenen Minderjährigen mit Beschluss vom 21. 10. 2020 rechtskräftig (vgl 6 Ob 14/21h AnwBl 2021/197, 408 [Bahar]) Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es seien Feststellungen dazu zu treffen, ob es in den zum Todeszeitpunkt geltenden Gesellschaftsverträgen Regelungen für den Fall des Ablebens eines Gesellschafters gegeben habe. Bestünden solche Regelungen, fielen die Gesellschaftsanteile nicht in den Nachlass; eine der gesellschaftsvertraglichen Regelung entgegenstehende letztwillige Verfügung könne gesellschaftsrechtlich nicht wirksam getroffen werden. In diesem Fall wäre eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung „hinfällig“, weil es mangels Vermögensübergangs auf den Nachlass nicht möglich sei, eine der Rechtslage widersprechende Vereinbarung zu genehmigen. Sollte die Vereinbarung hingegen einen konkludenten Fortsetzungsbeschluss gemäß § 141 UGB darstellen, bedürfe diese Vereinbarung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung.

[10] Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht aus, die Vereinbarung bedürfe keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Es traf folgende weitere Feststellungen:

[11] Der Gesellschaftsvertrag der A*-Handels GmbH & Co KG in der geltenden Fassung legt in Punkt XIII. fest:

„XIII. Ableben eines Gesellschafters:

1) Im Falle des Ablebens eines Gesellschafters haben seine Erben keinen Anspruch auf Übernahme dessen Gesellschaftsanteiles und Eintritt in die Gesellschaft, sondern sind nach den Bestimmungen des Punktes XIV. dieses Vertrages abzufinden. Die Gesellschaft wird von den verbleibenden Gesellschaftern nach denselben Bestimmungen wie bei der Kündigung fortgeführt.

2) Falls nur ein Gesellschafter verbleibt, kann dieser gegen Abfindung der Erben des verstorbenen Gesellschafters wie im Falle einer Kündigung die Gesellschaft als Einzelfirma fortführen.“

[12] Der Gesellschaftsvertrag der D* KG in der geltenden Fassung vom 28. 9. 2005 legt fest:

„XIII. Ableben eines Gesellschafters:

1) Im Falle des Ablebens eines Gesellschafters, haben seine Erben keinen Anspruch auf Übernahme dessen Gesellschaftsanteils und Eintritt in die Gesellschaft, sondern sind nach den Bestimmungen des Punktes XIV. dieses Vertrages abzufinden. Die Gesellschaft wird von den verbleibenden Gesellschaftern nach denselben Bestimmungen wie bei der Kündigung fortgeführt.

2) Falls nur ein Gesellschafter verbleibt, kann dieser gegen Abfindung der Erben des verstorbenen Gesellschafters wie im Falle einer Kündigung die Gesellschaft als Einzelfirma fortführen.“

[13] Zu Lebzeiten von H* wurde in der Familie – so auch mit den minderjährigen Kindern E* und T* – immer offen über das Unternehmen geredet: Es sollte A* das Unternehmen weiterführen, und die minderjährigen Kinder sollten eine Beteiligung am Unternehmen erhalten. Noch zu Beginn des Verlassenschaftsverfahrens war es der Wunsch der minderjährigen Kinder, dementsprechend die Unternehmensanteile zu übernehmen, und sie wollten ursprünglich auch in dem Unternehmen, das ihr Vater aufgebaut hatte, einmal tätig sein.

[14] Im Laufe des Jahres 2020 änderte sich der Wunsch der beiden minderjährigen Kinder dahin, dass sie die Abfindung ihrer Gesellschaftsanteile wollen und die Beteiligungen nicht annehmen möchten.

[15] Rechtlich erörterte das Erstgericht, der Verstorbene habe mit dem Kodizill die Fortführung seiner Unternehmen nach seinem Tod regeln wollen. Er sei zum Errichtungszeitpunkt die einzige Person gewesen, der eine Änderung der Gesellschaftsverträge möglich gewesen sei. Es bestehe kein Zweifel, dass er mit dem Kodizill eine konkludente Änderung der Gesellschaftsverträge vorgenommen habe. Die Gesellschaftsanteile fielen „somit“ nicht in den Nachlass, weshalb die Vereinbarung keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe.

[16] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der durch die Mutter vertretenen Minderjährigen nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Erforderlichkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer im Zug des Verlassenschaftsverfahrens rechtskräftigen Vereinbarung wie der hier zu beurteilenden vorliege.

[17] Rechtlich ging es davon aus, dass hinsichtlich der Notwendigkeit und der Erteilung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Vereinbarung vom 15. 4. 2019 keine Anhaltspunkte für widersprechende Interessen zwischen den Minderjährigen und ihrer Mutter hervorgekommen seien, sodass die Mutter die Minderjährigen im Pflegschaftsverfahren vertreten könne.

[18] Rechtlich führte das Rekursgericht aus, Gesellschaftsverträge von Kommanditgesellschaften könnten konkludent geändert werden. Nach den schriftlichen Gesellschaftsverträgen seien die Anteile des Erblassers nicht vererblich gewesen; das Kodizill wäre dann zwecklos. Ausgehend davon, dass H* zu 90 % Anteilseigner an der Kommanditistin und selbst Komplementär der Kommanditgesellschaften gewesen sei, dass sein volljähriger Sohn zum Zeitpunkt der Errichtung des Kodzills bereits seit Jahren im Unternehmen mitgearbeitet habe und in der Familie besprochen worden sei, dass der volljährige Sohn das Unternehmen weiterführen und die minderjährigen Kinder eine Beteiligung erhalten sollten, habe das Erstgericht das Kodizill zutreffend dahin ausgelegt, dass damit auch eine Änderung der Gesellschaftsverträge der Kommanditgesellschaften vorgenommen worden sei. Daraus folge, dass die Gesellschaftsanteile des Verstorbenen in den Nachlass fielen und der Verstorbene wirksam über sie verfügt habe.

[19] Bei der zur Genehmigung vorgelegten Vereinbarung handle es sich daher nicht um einen Fortsetzungsbeschluss gemäß § 141 UGB. Vielmehr habe der Nachlass mit dem Vermächtnisnehmer eine mit dem Kodizill übereinstimmende Vereinbarung getroffen. Es liege im Wesen eines Vermächtnisses, dass es ohne Gegenleistung zu erfüllen sei. In der unentgeltlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile liege daher keine über das Kodizill hinausgehende Belastung des Nachlasses oder der Minderjährigen.

[20] Im Ergebnis bedürfe die Vereinbarung aber keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Mit dem Tod des Gesellschafter-Erblassers sei die Gesellschaft zunächst – gemäß der § 139 UGB nachgebildeten – gesellschaftsrechtlichen Regelung mit dem Nachlass fortgesetzt worden. Dieser werde durch die erbantrittserklärten Erben vertreten. Die Beteiligung minderjährigen Erben bedeute nicht, dass der Verwalter des Nachlasses bei Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs neben der verlassenschaftsgerichtlichen auch eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einholen müsste, sei doch der Nachlass, nicht der Minderjährige, Gesellschafter. Der Abschluss der dem Kodizill entsprechenden Vereinbarung habe nur den letzten Willen des Erblassers umgesetzt, es handle sich um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung. Die Vereinbarung führe zu keiner Schmälerung des Nachlasses, sie habe auch keine unmittelbare Auswirkung auf das Vermögen der Minderjährigen. Es handle sich um eine Maßnahme der Nachlassverwaltung, die keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe.

[21] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen, mit dem sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin beantragen, dass der Vereinbarung vom 15. 4. 2019 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung versagt werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

[22] Sie machen zusammengefasst geltend, es sei evident, dass die Beteiligungen des Erblassers an den Kommanditgesellschaften in den Nachlass fielen. Eine Änderung der Gesellschaftsverträge der Kommanditgesellschaften durch das Kodizill habe allerdings nicht stattgefunden. Die Gesellschaftsverträge würden eine Fortsetzung der Gesellschaft durch den letzten verbleibenden Gesellschafter vorsehen, dem der Gesellschaftsanteil des Verstorbenen anwachse. Das Kodizill sei dahin auszulegen, dass dem volljährigen Sohn (nur) die vom verbleibenden Gesellschafter zu leistende Abfindung, nicht der Gesellschaftsanteil und die Stellung als Komplementär zugewendet worden seien. Die Auslegung durch das Rekursgericht nehme den Minderjährigen die Möglichkeit, selbst Gesellschafter der Kommanditgesellschaften zu werden. Der volljährige Sohn habe zudem bei der Ausübung der Geschäftsführung in den Gesellschaften zahlreiche Pflichtverletzungen begangen. Die unentgeltliche Übertragung der Komplementärstellung an ihn widerspreche daher insgesamt dem Kindeswohl.

Rechtliche Beurteilung

[23] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Zur Vertretung der minderjährigen Kinder durch die Mutter

[24] Die minderjährigen Kinder sind im vorliegenden Pflegschaftsverfahren durch ihre Mutter vertreten, die die Übernahme der für die Vertretung durch den von ihr beauftragten Rechtsanwalt anfallenden Kosten erklärt hat. Im vorliegenden Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Vereinbarung vom 15. 4. 2019 können die Interessen der Minderjährigen ausreichend durch das Gericht wahrgenommen werden (vgl dazu Weitzenböck in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar5 [2018] § 277 ABGB Rz 16; Stefula in KBB6 [2020] § 277 ABGB Rz 7; 6 Ob 14/21h, AnwBl 2021, 408 [Bahar]), sodass eine Vertretung durch einen Kollisionskurator (§ 277 Abs 2 ABGB) im vorliegenden Pflegschaftsverfahren derzeit nicht erforderlich ist.

2. Zur Genehmigungspflicht der Vereinbarung vom 15. 4. 2019 durch das Pflegschaftsgericht

[25] 2.1. Gemäß § 810 Abs 1 ABGB kommt dem erbantrittserklärten Erben ex lege das Recht auf die Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft zu, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet (RS0008167 [T4, T5]). Mehreren Erben steht das Recht der Nachlassverwaltung grundsätzlich gemeinschaftlich zu (§ 810 Abs 1 Satz 2 ABGB; vgl RS0123139).

[26] 2.2. Die Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses nach § 810 Abs 1 ABGB setzt keine Geschäftsfähigkeit des Erben voraus. Bei nicht geschäftsfähigen Erben erfolgen Verwaltung und Vertretung unter Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters (Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 [2014] § 810 Rz 2; Welser, Erbrechts‑Kommentar [2019] § 810 Rz 2; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 810 [Stand 1. 1. 2017, rdb.at]; Nemeth in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar5 [2018] § 810 ABGB Rz 3; Schweda in Klang³ [2021] § 810 ABGB Rz 4). Der gesetzliche Vertreter hat allenfalls erforderliche Genehmigungen des Pflegschaftsgerichts gemäß § 167 Abs 3, § 258 Abs 4 ABGB einzuholen (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  32 [zum FamErbRÄG 2005]; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 [2014] § 810 Rz 2; Welser, Erbrechts‑Kommentar [2019] § 810 Rz 2; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 810 [Stand 1. 1. 2017, rdb.at]; Schweda in Klang³ [2021] § 810 ABGB Rz 4).

[27] 2.3. Die nach § 167 Abs 3, § 258 Abs 4 ABGB erforderlichen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungen sind demnach zusätzlich zu den Genehmigungen durch das Verlassenschaftsgericht einzuholen (Nemeth in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar5 [2018] § 810 ABGB Rz 3; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 810 [Stand 1. 1. 2017, rdb.at]).

[28] Hingegen wird in der Literatur zu § 139 UGB das Erfordernis der kumulativen Genehmigung durch das Verlassenschafts- und das Pflegschaftsgericht weitgehend abgelehnt.

[29] 2.4. Dazu ist zunächst auf die rechtlichen Folgen des Todes eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft einzugehen: Bei der Kommanditgesellschaft führt – außer in Fällen einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung – der Tod eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters zur Auflösung der Gesellschaft (§ 131 Z 4 iVm § 161 Abs 2 UGB), während der Tod eines Kommanditisten nicht die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat (§ 177 UGB).

[30] 2.5. § 139 UGB regelt den Fall, dass die Gesellschaft aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung mit den Erben des verstorbenen (unbeschränkt haftenden) Gesellschafters fortgesetzt werden soll. Eine solche gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklausel (zur Terminologie vgl Schauer, Rechtspobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personenhandelsgesellschaften [1999] 51 f), führt dazu, dass die Gesellschaft nach dem Tod des unbeschränkt haftenden Gesellschafters mit seiner Verlassenschaft, nach der Einantwortung mit seinen Erben fortbesteht (§ 139 Abs 1 UGB). Ist die Fortsetzung mit dem Erben im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, wird zunächst der ruhende Nachlass Gesellschafter (RS0061855; 8 Ob 534/91). Ist über einen Anteil mittels eines Vermächtnisses verfügt worden, so wird zunächst der Erbe Gesellschafter. Er ist verpflichtet, den Anteil an den Legatar zu übertragen (zu einem Kommanditanteil 6 Ob 258/08x GesRZ 2009, 288 [Schörghofer] = RS0061855 [T2]).

[31] 2.6. Auch während der Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Nachlass – also vor der Einantwortung – richtet sich die Verwaltung und Vertretung des Verlassenschaftsvermögens nach § 810 ABGB, steht also den Erben gemeinschaftlich zu. Sind minderjährige Erben vorhanden, gelten demnach keine Besonderheiten (Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB³ [2019] § 139 Rz 15; Zollner/Hartlieb in Zib/Dellinger, UGB [2017] § 139 Rz 47). Hinsichtlich des Erfordernisses pflegschaftsgerichtlicher Genehmigungen wird vertreten, der Vertreter der Verlassenschaft bedürfe auch für nicht in den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb fallenden Maßnahmen keiner zusätzlichen „vormundschaftsgerichtlichen“ Genehmigungen, weil ohnehin nicht der Minderjährige, sondern die Verlassenschaft Gesellschafter sei (Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/ Rauter, WK UGB4 [2020] § 139 Rz 16; Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB³ [2019] § 139 Rz 15; Zollner/Hartlieb in Zib/Dellinger, UGB [2017] § 139 Rz 47 – alle unter Berufung auf 5 Ob 157/70). Dies gelte für verwaltungsbefugte Erben ebenso wie für verwaltungsbefugte Dritte (Zollner/Hartlieb in Zib/Dellinger, UGB [2017] § 139 Rz 47). Lediglich Leupold bezeichnet die herrschende Ansicht, dass der gesetzliche Vertreter minderjähriger Erben keiner zusätzlichen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe, als „im Einzelfall zweifelhaft“ (Leupold in U. Torggler, UGB³ § 139 Rz 9).

[32] 2.7. Die Entscheidung 5 Ob 157/70 (5 Ob 158/70, 5 Ob 159/70) behandelt die Frage, ob die Aufnahme eines Bankkredits zugunsten einer mit dem ruhenden Nachlass fortgesetzten OHG zusätzlich zu einer bereits erteilten Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts einer pflegschaftsgerichtlichen (damals: vormundschaftsgerichtlichen) Genehmigung bedurfte, weil von der Kreditaufnahme auch eine damals noch minderjährige Erbin betroffen war. Der Oberste Gerichtshof ließ die Frage, ob die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung deshalb entbehrlich sei, weil die Gesellschaft nicht mit den Erben, sondern mit der Verlassenschaft fortzusetzen sei, ausdrücklich offen. Die Entscheidung 5 Ob 157/70 ist daher nicht geeignet, die Schlussfolgerung zu tragen, dass während der Fortsetzung der Gesellschaft mit dem ruhenden Nachlass schlechthin keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung für Vertretungs-handlungen der – ihrerseits durch einen gesetzlichen Vertreter handelnden – minderjährigen Erben für den Nachlass erforderlich seien. In der Entscheidung 5 Ob 157/70 wurde das Erfordernis einer pflegschaftsgerichtlichen zusätzlich zur verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung vielmehr, gestützt auf den bis 31. 12. 2004 geltenden § 27 Satz 2 AußStrG 1854, verneint. Diese Bestimmung sah vor, dass das Abhandlungsgericht – mit im konkreten Fall nicht relevanten Ausnahmen – „über alle bei der Erbverhandlung entstehenden Fragen auch dann zu entscheiden [hat], wenn Mündel oder Pflegebefohlene als Erben eintreten“. Die Bestimmung führte zu einer Teilung der Genehmigungskompetenz zwischen „einfachen Fällen“, in denen das Verlassenschaftsgericht die Genehmigung selbst vornehmen konnte, und anderen Fällen, die stets vom Pflegschaftsgericht zu genehmigen waren (vgl nur den Hinweis auf die Änderung dieser Rechtslage in 5 Ob 254/07z sowie in ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  113 f).

[33] 2.8. Eine dem § 27 Satz 2 AußStrG 1854 entsprechende Regelung ist seit 1. 1. 2005 weder im AußStrG noch im ABGB enthalten. Bereits im Zug der Einführung des AußStrG BGBl I 2003/111 verfolgte der Gesetzgeber vielmehr – in ausdrücklicher Abkehr vom Konzept des § 27 AußStrG 1854 – die Intention, auch im Verlassenschaftsverfahren die Aufgabe der Wahrung von Rechten Pflegebefohlener ausschließlich beim Pflegschaftsgericht anzusiedeln und das Abhandlungsverfahren auf seine „ureigenen Wesensaufgaben“ zu beschränken (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  113 f). Diese Intention wird in den Materialien zum FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58) durch den Hinweis auf die Notwendigkeit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Vertretungshandlungen minderjähriger Erben für den Nachlass (§ 810 Abs 1 ABGB) bestätigt (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  32).

[34] 2.9. Zusammengefasst kann die Frage, ob ein für minderjährige Erben handelnder gesetzlicher Vertreter für Verwaltungs- und Vertretungshandlungen, die den Nachlass betreffen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 167 Abs 3 ABGB einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, nicht mit Hilfe der Entscheidung 5 Ob 157/70 beantwortet werden, weil sich die dieser Entscheidung zugrunde liegende Rechtslage geändert hat. Sie ist vielmehr aufgrund der allgemeinen Regeln für rechtsgeschäftliches Handeln Minderjähriger, also nach § 167 Abs 3 ABGB, zu entscheiden. Der Umstand, dass der Minderjährige nur als Vertreter (nämlich für den ruhenden Nachlass) und nicht für sich selbst auftritt, ändert nichts daran, dass die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Handlungen einer geschäftsunfähigen Person zu beurteilen ist. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den noch nicht eingeantworteten Erben, die die Verwaltung gemäß § 810 Abs 1 ABGB ausüben, präsumtiv um die zukünftigen materiell berechtigten Personen handelt.

[35] 2.10. Bei Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (§ 167 Abs 3 ABGB; im hier vorliegenden Fall des Handelns durch einen Kollisionskurator verweist § 281 Abs 3 iVm § 258 Abs 4 ABGB auf § 167 Abs 3 ABGB) bedürfen Vertretungshandlungen minderjähriger Erben für den ruhenden Nachlass daher unabhängig von der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht.

[36] 2.11. Die Notwendigkeit einer gesonderten pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ergibt sich auch daraus, dass der vom Pflegschaftsgericht zu beachtende materielle Prüfungsmaßstab des § 167 Abs 3 ABGB nicht mit dem Prüfungsmaßstab des § 810 Abs 2 ABGB ident ist (vgl [zur Genehmigung von Rechtshandlungen des Verlassenschaftskurators] 2 Ob 158/21f EF‑Z 2022/121, 276 [Dollenz] – AnwBl 2022/214, 406 [Bahar]; 2 Ob 45/15d EF‑Z 2016/18, 49 [A. Tschugguel] = EvBl 2016/44, 308 [Verweijen] = iFamZ 2016/37, 40 [Mondel]): Während § 810 Abs 2 ABGB für die Erteilung der Genehmigung nur verlangt, dass Verwaltungs- und Vertretungshandlungen durch die Erben, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, für die Verlassenschaft nicht „offenbar nachteilig“ ist, verlangt die Genehmigung nach § 167 Abs 3 ABGB, dass die Maßnahme „im Interesse“ der Verlassenschaft liegt (2 Ob 158/21f EF‑Z 2022/121, 276 [Dollenz] = AnwBl 2022/214, 406 [Bahar]; 2 Ob 45/15d EF‑Z 2016/18, 49 [A. Tschugguel] = EvBl 2016/44, 308 [Verweijen] = iFamZ 2016/37, 40 [Mondel]; allgemein Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² [2019] § 132 Rz 53, 58 ff; vgl RS0048176).

3. Zur Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung vom 15. 4. 2019

[37] 3.1. Nach § 132 Abs 1 AußStrG hat das Gericht bei seiner Entscheidung über die Genehmigung von Rechtshandlungen in der Vermögenssorge drei Möglichkeiten: die Genehmigung der Rechtshandlung, die Versagung der Genehmigung im Sinn der Abweisung eines Genehmigungsantrags und den Ausspruch, dass die Rechtshandlung keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf (Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² [2019] § 132 Rz 73). Der Ausspruch, dass eine Rechtshandlung keiner gerichtlichen Genehmigung bedarf, dient der Beseitigung der Unsicherheit, ob das geplante Handeln des gesetzlichen Vertreters dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb iSd § 167 Abs 3 ABGB (im vorliegenden Fall iVm § 281 Abs 3 und § 258 Abs 4 ABGB) zugehört (Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² [2019] § 132 Rz 76).

[38] 3.2. Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob das Rechtsgeschäft dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzuordnen ist oder nicht.

[39] 3.3. Angelegenheiten des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs sind (nur) solche, die nach Art und Umfang in die laufende oder gewöhnliche Vermögensverwaltung fallen, wobei als Kriterien insbesondere die Üblichkeit und das Risiko der zu beurteilenden Rechtshandlung für den Pflegebefohlenen (vgl RS0048207 [T17, T18]; 1 Ob 44/17b) sowie die Vorläufigkeit oder Endgültigkeit einer bestimmten Maßnahme (RS0048151 [T6]; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² [2019] § 132 Rz 9 mwN) eine entscheidende Rolle spielen.

[40] 3.4. Die Vereinbarung vom 15. 4. 2019 zwischen dem Nachlass und dem volljährigen Sohn des Verstorbenen entfaltet Auswirkungen auf das Vermögen der zwei minderjährigen Kinder, weil es sich bei den erbantrittserklärten Erben um die voraussichtlichen Gesamtrechtsnachfolger des ruhenden Nachlasses handelt. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile ist keine vorübergehende Maßnahme, sondern zielt darauf ab, die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse an den betroffenen Kommanditgesellschaften über den Zeitpunkt der Einantwortung hinaus zu gestalten. Schon aufgrund der Endgültigkeit einer derartigen Anteilsübertragung handelt es sich bei der Vertretungshandlung der beiden Minderjährigen um eine Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs im Sinn des § 167 Abs 3 ABGB.

[41] 3.5. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass es für die Qualifikation als Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Beteiligungen in den Nachlass fallen oder nicht. Denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde die abgeschlossene Vereinbarung im vorliegenden Fall nicht die Qualität als Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs verlieren. Denn auch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, die nicht nachlasszugehörig sind, durch den Nachlass liegt außerhalb des gewöhnlichen Wirtschaftsbetriebs und könnte je nach Lage des Falls Schadenersatzansprüche gegen die für den ruhenden Nachlass handelnden Personen nach sich ziehen.

[42] Die Frage, ob die betroffenen Gesellschaftsanteile in den ruhenden Nachlass fallen, ist daher für die Qualifikation der Vertretungshandlung der Minderjährigen als Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs nicht entscheidend.

[43] 3.6. Die Frage, ob die betroffenen Gesellschaftsanteile in den Nachlass fallen, ist aber für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme relevant, also für die Beurteilung, ob der Anteilsübertragung die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen oder zu versagen ist.

[44] 3.7. Während § 177 UGB für den Fall des Todes eines Kommanditisten den Weiterbestand der Kommanditgesellschaft normiert, wird die Kommanditgesellschaft gemäß § 131 Z 4 iVm § 161 Abs 2 UGB durch den Tod eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters aufgelöst, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt (vgl nur 8 Ob 534/91). Der Gesellschaftsvertrag kann also vorsehen, dass die Gesellschaft im Fall des Todes eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters fortgesetzt werden kann, sei es dass die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben angeordnet wird (diesen Fall regelt § 139 UGB), sei es dass der Gesellschaftsvertrag einem oder mehreren Erben, aber auch Nichterben das Recht einräumt, in die Gesellschaft einzutreten (Eintrittsklausel, vgl Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, WK UGB4 [2020] § 139 Rz 2, 4). Ist die Fortsetzung mit den Erben vorgesehen, wird zunächst der ruhende Nachlass Gesellschafter, mit der Einantwortung die Erben (6 Ob 55/18h; 8 Ob 534/91; RS0061855).

[45] 3.8. Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft die Fortsetzung der Gesellschaft nicht mit den Erben, sondern mit einem Vermächtnisnehmer vor, so muss der Gesellschaftsvertrag dahin verstanden werden, dass zunächst der Nachlass bzw die Erben Gesellschafter werden sollen. Das ergibt sich daraus, dass der Legatar als Einzelrechtsnachfolger den Gesellschaftsanteil erst durch ein zwischen ihm und dem Nachlass oder den Erben geschlossenes Verfügungsgeschäft erwirbt (6 Ob 258/08x GesRZ 2009, 288 [Schörghofer] = RS0061855 [T2]).

[46] 3.9. Die im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters vorgesehenen Regelungen können durch letztwillige Verfügungen nicht einseitig geändert werden. Letztwillige Verfügungen entfalten gegenüber der Gesellschaft nur insoweit Wirkungen, als sie der gesellschaftsrechtlichen Regelung nicht widersprechen; sie dürfen sie nur ergänzen (RS0012616; 6 Ob 55/18h; 2 Ob 202/05b; 8 Ob 534/91).

[47] 3.10. Der Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft kann nach allgemeinen Grundsätzen gemäß §§ 861 ff ABGB auch mündlich oder konkludent abgeschlossen oder geändert werden (6 Ob 5/18f ecolex 2018/360, 837 [Foglar/Deinhardstein]; vgl RS0014301).

[48] 3.11. Im vorliegenden Fall sehen die schriftlichen Gesellschaftsverträge der betroffenen Kommanditgesellschaften für den Fall des Ablebens eines Gesellschafters jeweils Regelungen vor, nach denen die Erben keinen Anspruch auf den Eintritt in die Gesellschaft haben, die Gesellschaft von den verbliebenen Gesellschaftern fortgeführt wird und im Fall des Verbleibens nur eines einzigen Gesellschafters dieser „die Gesellschaft“ – gegen Abfindung der Erben – „als Einzelfirma“ fortführen kann.

[49] Eine Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben im Sinn des § 139 UGB ist in den schriftlichen Gesellschaftsverträgen also nicht vorgesehen. Aus diesen ergibt sich für den hier vorliegenden Fall, dass nur ein einziger Gesellschafter übrig bleibt, vielmehr die Anordnung der Anwachsung des Gesellschaftsvermögens an den verbleibenden Gesellschafter sowie ein Anspruch der Erben auf Abfindung.

[50] 3.12. Das Rekursgericht ist aber zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Regelung der Gesellschaftsverträge für das Ableben eines Gesellschafters wirksam dahin abgeändert wurde, dass die Gesellschaft mit dem ruhenden Nachlass bzw den Erben fortgesetzt werden soll. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

[51] 3.13. Mit letztwilliger Verfügung vom 16. 2. 2015 vermachte H* seine Beteiligungen an den beiden Kommanditgesellschaften als Vorausvermächtnis seinem volljährigen Sohn. Bereits zum damaligen Zeitpunkt hatten die Kommanditgesellschaften neben ihm selbst nur einen weiteren Gesellschafter. Aus dem Wortlaut und der Verfügung in ihrem Gesamtzusammenhang leuchtet der Wille des (in der Folge) Verstorbenen hervor (zur Auslegung letztwilliger Verfügungen vgl RS0012370, zur Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen unter Lebenden RS0017915), die Geschicke des von ihm aufgebauten Unternehmens und der Gesellschaften zu regeln. Für die Kommanditgesellschaften ist der letztwilligen Verfügung vom 16. 2. 2015 eindeutig der Wille zu entnehmen, dass seine Gesellschafterstellung nach seinem Tod auf seinen volljährigen Sohn übergehen soll.

[52] 3.14. Die im Revisionsrekurs behauptete Intention des Verstorbenen, eine rechtlich unmögliche Verfügung zu treffen, um den volljährigen Sohn zu beruhigen, findet keine Deckung im Sachverhalt. Sie steht auch mit der Feststellung im Widerspruch, dass zu Lebzeiten H*s in der ganzen Familie offen besprochen wurde, dass der volljährige Sohn das Unternehmen nach dem Tod des Vaters weiterführen solle.

[53] 3.15. Aus dem Willen, die Gesellschafterstellung in den Kommanditgesellschaften nach seinem Tod dem volljährigen Sohn zukommen zu lassen, ergibt sich vielmehr unzweifelhaft (§ 863 ABGB), dass der (später) Verstorbene auch die rechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Gesellschaftsanteile durch den Sohn schaffen wollte, dies auch insoweit, als die Schaffung dieser rechtlichen Voraussetzungen einer Mitwirkung der A* Holding GmbH bedurfte.

[54] Die rechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Gesellschaftsanteile des Verstorbenen an den Kommanditgesellschaften durch den volljährigen Sohn als Vermächtnisnehmer bestehen in der Änderung der Gesellschaftsverträge der Kommanditgesellschaften dahin, dass diese zunächst mit dem ruhenden Nachlass bzw – nach Einantwortung – mit den Erben fortgesetzt werden. Da der (später) Verstorbene in der A* Holding GmbH zum Zeitpunkt der Abfassung der letztwilligen Verfügung selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer war, konnte er diese GmbH auch wirksam bei der schlüssigen Änderung des Gesellschaftsvertrags vertreten. Soweit darin ein In-sich-Geschäft des (später) Verstorbenen mit der von ihm vertretenen GmbH liegt, kann ein solches durch eine auch schlüssige Zustimmung aller Gesellschafter saniert werden (RS0028072 [T10, T11]). Die GmbH hatte stets nur einen zweiten Gesellschafter, nämlich den volljährigen Sohn. Dessen Zustimmung zur vorgenommenen Änderung der Gesellschaftsverträge der Kommanditgesellschaften ergibt sich in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise schon daraus, dass er nach dem Tod seines Vaters die unbeschränkte Haftung als Komplementär der beiden Kommanditgesellschaften übernahm (vgl auch den Schriftsatz vom 3. 6. 2020, S 4 f).

[55] 3.16. Aus der sohin im Jahr 2015 gemäß § 863 ABGB wirksam vorgenommenen Änderung der Gesellschaftsverträge der beiden Kommanditgesellschaften dahin, dass diese nach dem Tod H*s mit dem ruhenden Nachlass bzw den Erben fortgeführt werden sollten, ergibt sich auch – wie das Rekursgericht bereits ausführte – dass die Gesellschaftsanteile des Verstorbenen in dessen Nachlass fielen.

[56] Mit der Vereinbarung vom 15. 4. 2019 verfügte der durch die erbantrittserklärten Erben vertretene Nachlass daher nicht über fremde Sachen, sondern über die in den Nachlass fallenden Gesellschaftsanteile des Verstorbenen an den Kommanditgesellschaften.

[57] 3.17. Wie bereits ausgeführt, ist die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nach § 167 Abs 3 ABGB dann zu erteilen, wenn die Maßnahme „im Interesse“ der pflegebefohlenen Person liegt, sohin ihrem Wohl entspricht (RS0048176 [T1]; 7 Ob 30/21v; Hopf/Höllwerth in KBB6 [2020] § 167 ABGB Rz 10; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² [2019] § 132 Rz 53, 58 ff). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird, jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Verminderung des Vermögens nicht ausgeschlossen werden kann (3 Ob 61/17t; 4 Ob 52/17a; 9 Ob 272/99m). Es sind alle wirtschaftlichen Vor- und Nachteile sowie die Risiken des Rechtsgeschäfts abzuwägen (Hopf/Höllwerth in KBB6 [2020] § 167 ABGB Rz 10).

[58] 3.18. Der Vermächtnisnehmer erwirbt den ihm hinterlassenen Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft durch ein zwischen ihm und dem Nachlass oder den Erben geschlossenes Verfügungsgeschäft (6 Ob 258/08x; vgl § 684 Abs 2 ABGB). Er kann seinen Anspruch vor der Einantwortung gegen den ruhenden Nachlass geltend machen (§ 649 Abs 1 ABGB; RS0006600).

[59] Der Anspruch des Legatars fällt in der Regel mit dem Tod des Erblassers an (§ 684 Abs 1 ABGB; RS0006600); er ist im Zweifel sogleich mit dem Tod des Vermächtnisgebers zu erfüllen (§ 685 ABGB). Ein Vermächtnis, das nach § 685 Satz 2 ABGB erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Vermächtnisgebers geltend gemacht werden kann – das sind Geldvermächtnisse oder Vermächtnisse von Sachen, die sich nicht im Nachlass befinden – ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

[60] Der mit dem Vermächtnis Belastete gerät mit Ablauf des Fälligkeitstags in Verzug (Welser, Erbrechts‑Kommentar [2019] § 685 Rz 6 mwN).

[61] 3.19. Im vorliegenden Fall wird mit der Vereinbarung vom 15. 4. 2019 zwischen dem ruhenden Nachlass und dem volljährigen Sohn die letztwillige Verfügung des Verstorbenen vom 16. 2. 2015 betreffend die Beteiligungen des Verstorbenen an den Kommanditgesellschaften erfüllt. Aus der Vereinbarung ergeben sich keine Verpflichtungen des ruhenden Nachlasses, die über die Erfüllung des Vermächtnisses hinausgehen. Anhaltspunkte für eine allfällige Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung haben sich nicht ergeben. Es sind auch keine Umstände aktenkundig, aus denen folgen würde, dass der Anspruch des Vermächtnisnehmers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 15. 4. 2019 noch nicht fällig gewesen wäre.

[62] Die Erfüllung einer rechtswirksam begründeten, fälligen Verpflichtung durch den ruhenden Nachlass entspricht dem Wohl der erbantrittserklärten minderjährigen Erben. Im Fall der Nichterfüllung träfen den Nachlass Verzugsfolgen. Der Vermächtnisnehmer könnte seinen fälligen Anspruch zudem gerichtlich – und damit mit Kostenfolgen für den ruhenden Nachlass – geltend machen. Der Umstand, dass die beiden Minderjährigen mit der Geschäftsführung des volljährigen Sohnes in den Kommanditgesellschaften und in der A* Holding GmbH nicht zufrieden sind, ändert nichts an der Verpflichtung des Nachlasses zur Erfüllung des Vermächtnisses, sodass es zu den behaupteten Umständen auch keiner ergänzenden Feststellungen bedarf.

[63] Dass die Abtretung der Gesellschaftsanteile unentgeltlich erfolgte, ergibt sich aus der Natur der letztwilligen Zuwendung, die keine Gegenleistung vorsieht. Der im Revisionsrekurs der minderjährigen Kinder behauptete Verstoß gegen ihre Interessen ergibt sich aus der ohne Gegenleistung erfolgten Übertragung der vermachten Beteiligungen an den Vermächtnisnehmer daher nicht.

[64] Der Abschluss der Vereinbarung, mit der der Anspruch des volljährigen Sohnes als Vermächtnisnehmer durch den Nachlass erfüllt wurde, entspricht vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände dem Wohl der minderjährigen Erben.

[65] 3.20. Da es sich beim vorliegenden Genehmigungsverfahren um ein Verfahren handelt, das auch von Amts wegen eingeleitet werden könnte (vgl 6 Ob 286/05k [ErwGr 4.]; 3 Ob 23/16b; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 8 Rz 9; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, AußStrG3 § 8 Rz 2; Mokrejs‑Weinhappel in Lukas/Geroldinger, § 167 ABGB Rz 66; aA Mondel in Rechberger/Klicka, AußStrG3 § 132 Rz 7), ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 55 Abs 2 Satz 2 iVm § 71 Abs 4 AußStrG nicht an den Revisionsrekursantrag auf Versagung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung gebunden, sondern kann den angefochtenen Beschluss auch zu Ungunsten der anfechtenden Partei abändern.

[66] 3.21. Schließlich ist klarzustellen, dass der Umstand, dass das Rekursgericht die im Rekurs der minderjährigen Kinder unter der Bezeichnung als Verfahrensmängel, unrichtige Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und Aktenwidrigkeit erhobenen Rügen nicht ausdrücklich behandelte, einer Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs im vorliegenden Fall nicht entgegensteht:

[67] Mit der Nachlasszugehörigkeit der Gesellschaftsanteile setzte sich das Rekursgericht ohnehin – unabhängig von der Bezeichnung der Rechtsmittelgründe (RS0041851) – im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung auseinander. Sekundäre Feststellungsmängel (wie sie zur Geschäftsführung des volljährigen Sohnes geltend gemacht werden) betreffen die rechtliche Beurteilung, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz), wird damit nicht aufgezeigt (vgl RS0043304). Ein allfälliger Verstoß gegen die aus der materiellen Rechtskraft des verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigungsbeschlusses erfließende Einmaligkeitswirkung wäre auch im außerstreitigen Verfahren in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (vgl RS0007477) und daher vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen. Die Erteilung der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung entfaltet allerdings schon wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs keine Einmaligkeitswirkung im Hinblick auf die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung; ebenso wenig kann die für die verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung beurteilte Vorfrage der Nachlasszugehörigkeit der Gesellschaftsanteile in Rechtskraft erwachsen (vgl RS0041180 [T2]). Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung im Hinblick auf den daraus hervorleuchteten Zweck der Verfügung ist kein Akt der Beweiswürdigung, sondern der rechtlichen Beurteilung. Die beanstandeten beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts können nicht als dislozierte Feststellungen qualifiziert werden, die einer Beweisrüge zugänglich wären, weil darin bloß auf den Wortlaut des Kodizills („erklärter Wille“) Bezug genommen, aber keine Feststellung zur inneren Willensrichtung des Verstorbenen getroffen wird. Ob die Mutter oder der im Verlassenschaftsverfahren bestellte Kollisionskurator mit den minderjährigen Kindern die Vereinbarung vom 14. 5. 2019 besprochen haben, ist nicht entscheidungswesentlich.

4. Ergebnis

[68] Da die am 15. 4. 2019 getroffene Vereinbarung unter Abwägung aller Umstände dem Wohl der minderjährigen Kinder entspricht, ist ihr die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen.

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