European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00014.21H.0315.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung:
[1] Die Minderjährigen sind die Kinder des am 18. 1. 2019 verstorbenen H***** und seiner Ehegattin M*****. Der Verstorbene hinterlässt neben den beiden Minderjährigen und seiner Witwe auch den volljährigen Sohn A*****.
[2] Im Verlassenschaftsverfahren ***** des Bezirksgerichts ***** wurde mit rechtskräftigem Beschluss vom 18. 3. 2019 DI Dr. W***** zum Kollisionskurator der Minderjährigen bestellt.
[3] Am 15. 4. 2019 wurde zwischen dem Nachlass, verteten durch die erbantrittserklärten Erben, das sind die Minderjährigen, vertreten durch den Kollisionskurator, der volljährige Sohn und die Witwe des Verstorbenen auf der einen Seite, und dem volljährigen Sohn auf der anderen Seite eine Vereinbarung getroffen, nach der der Nachlass bestimmte näher bezeichnete Gesellschaftsanteile aus dem Vermögen des Verstorbenen entsprechend einem vom Verstorbenen errichteten Kodizill unentgeltlich dem volljährigen Sohn übertrage. Diese Vereinbarung wurde mit Beschluss vom 5. 6. 2019 verlassenschaftsgerichtlich genehmigt.
[4] Mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 1. 10. 2019 wurde der bisherige Kollisionskurator seines Amtes enthoben und an seiner Stelle Mag. Lukas Till zum neuen Kollisionskurator bestellt (künftig: der Kollisionskurator).
[5] Mit Schriftsatz vom 5. 2. 2020 beantragten die Minderjährigen, vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, sowie die Mutter als Drittantragstellerin, das Pflegschaftsgericht möge der Vereinbarung die Genehmigung versagen.
[6] Der Kollisionskurator sprach sich in der Stellungnahme vom 10. 3. 2020 namens der Kinder gegen die Vertretung durch die Mutter aus und brachte vor, eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Vereinbarung sei nicht erforderlich; hilfsweise möge die Vereinbarung dem Pflegschaftsgericht zur Genehmigung vorgelegt werden.
[7] Das Erstgericht erteilte der Vereinbarung die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.
[8] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der von der Mutter vertretenen Minderjährigen Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Den vom Kollisionskurator namens der Minderjährigen erhobenen Rekurs wies es zurück. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Vertretung Minderjähriger im Pflegschaftsverfahren durch den im Verlassenschaftsverfahren bestellten Kollisionskurator und zur Genehmigungsbedürftigkeit der Vereinbarung bei Vorliegen einer verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung vorliege.
[9] Rechtlich verneinte es eine über das Verlassenschaftsverfahren hinausgehende Vertretungsbefugnis des Kollisionskurators für die Minderjährigen.
[10] Gegen die Zurückweisung des Rekurses richtet sich der vom Kollisionskurator namens der Minderjährigen erhobene Revisionsrekurs, mit dem er die „Abweisung des Antrags auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung“ beantragt.
[11] Die Mutter beantragt in der namens der Minderjährigen eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] 1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die Frage der Vertretung der minderjährigen Kinder im vorliegenden Pflegschaftsverfahren.
[13] 2. In einem konkreten Außerstreitverfahren hat das Gericht selbst nach § 5 Abs 2 Z 1 lit a und b AußStrG (nur) einen Kollisionskurator oder einen Zustellkurator zu bestellen ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I 2 § 5 Rz 14/1). Die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts zur Bestellung eines Kollisionskurators im Verlassenschaftsverfahren ergibt sich auch aus § 156 Abs 1 AußStrG. Hingegen zählt § 5 Abs 2 Z 2 AußStrG jene Fälle auf, in denen das Gericht selbst im Anlassverfahren den Kurator nicht bestellen darf, sondern für die Bestellung des Kurators beim zuständigen Gericht im dafür vorgesehenen Pflegschaftsverfahren zu sorgen hat (RS0124759; vgl G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I 2 § 5 Rz 14).
[14] Der Vertretungsumfang der nach § 5 Abs 2 Z 1 AußStrG bestellten Kuratoren ergibt sich aus dem Bestellungsbeschluss, wobei ihnen aufgrund der vom Gesetz gezogenen äußeren Grenze Vertretungsbefugnisse nur in dem konkreten Verfahren zukommen, in dem sie bestellt wurden (10 Ob 9/15v [zum Zustellkurator]; 8 Ob 99/12k ErwGr 1; Verwejen , Handbuch Verlassenschaftsverfahren² [2018] 191 f; Rechberger in Rechberger/Klicka , AußStrG 3 § 5 Rz 5; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I 2 § 5 Rz 14/1; implizit anders, aber ohne Begründung, 4 Ob 189/06g).
[15] Im vorliegenden Fall wurde Mag. Till im Verlassenschaftsverfahren AZ ***** des Bezirksgerichts ***** gemäß § 156 Abs 1 AußStrG iVm § 5 Abs 2 Z 1 lit a AußStrG zum Kollisionskurator bestellt, ohne dass im Bestellungsbeschluss der Vertretungsumfang umschrieben ist. Seine Vertretungsbefugnis kann aber – wie ausgeführt – nicht über das konkrete Verfahren, in dem er bestellt wurde – das ist das Verlassenschaftsverfahren – hinaus gehen.
[16] 3. Wird eine Eingabe eines Einschreiters vom Gericht wegen fehlender Vollmacht zurückgewiesen und die Entscheidung von ihm mit einem von ihm (namens der Partei) eingebrachten Rechtsmittel bekämpft, ist er im Streit um die Vertretungsbefugnis als vertretungsbefugt zu behandeln. Wird die Vertreterstellung bejaht, ist das vom Bevollmächtigten namens der Partei eingebrachte Rechtsmittel sachlich zu erledigen; wird eine solche Stellung dagegen verneint, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (RS0108949 [T1]; RS0035925 [T1]; 3 Ob 221/11p; 6 Ob 160/19a; Zib in Fasching/Konecny 3 § 37 ZPO Rz 6).
[17] 4. Die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach dem im Verlassenschaftsverfahren bestellten Kollisionskurator im vorliegenden Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nach § 132 AußStrG keine Vertretungsbefugnis für die Minderjährigen zukommt, sodass der von ihm namens der Minderjährigen erhobene Rekurs zurückzuweisen war, steht mit der dargestellten Rechtsprechung und Lehre im Einklang.
[18] Mit dem Revisionsrekursvorbringen, der Bestellungsbeschluss sei dahin auszulegen, dass sich daraus die Vertretungsbefugnis des Verlassenschaftskurators auch im Pflegschaftsverfahren ergebe, wird schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil durch die angestrebte Auslegung die Begrenzung der Vertretungsbefugnisse des Kollisionskurators auf das konkrete Verfahren (vgl 10 Ob 9/15v) außer Acht gelassen würde.
[19] 5. Auch mit dem Vorbringen, die Vertretung der Minderjährigen durch die Mutter sei aufgrund einer Interessenkollision zwischen ihren Interessen und denen der Kinder unzulässig, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
[20] Nach § 277 Abs 2 ABGB (idF 2. ErwSchG, BGBl I 2017/59) ist ein Kurator unter anderem dann zu bestellen, wenn die Interessen einer minderjährigen Person dadurch gefährdet sind, dass in einer bestimmten Angelegenheit ihre Interessen jenen ihres gesetzlichen Vertreters widerstreiten (Kollision). Die Bestellung hat zu unterbleiben, wenn die Interessen des Vertretenen ausreichend vom Gericht wahrgenommen werden können (6 Ob 7/20b mwN).
[21] Wird ein erforderlicher Kollisionskurator nicht bestellt, so liegt ein Mangel der gesetzlichen Vertretung im Sinn des § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG vor ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 58 Rz 11).
[22] Das Rekursgericht trug dem Erstgericht – im Einklang mit der dargestellten Rechtslage – in seinem Aufhebungsbeschluss auf, angesichts der komplexen wirtschaftlichen Situation und allfälliger gegenläufiger Interessen der Mutter im fortgesetzten Verfahren die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators für die Minderjährigen auch für das vorliegende Pflegschaftsverfahren zu prüfen. Der Auffassung des Rekursgerichts, dass das Vorliegen einer Interessenkollision nach dem derzeitigen Aktenstand noch nicht beurteilt werden könne, hält der Revisionsrekurs nichts Konkretes entgegen.
[23] Da insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, ist das vom Kollisionskurator Mag. Till eingebrachte Rechtsmittel zurückzuweisen.
[24] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf § 139 Abs 2 AußStrG. Da nach dieser Bestimmung in den Rechtsfürsorgeverfahren des 10. Abschnitts des Außerstreitgesetzes ein Kostenersatz nicht stattfindet ( Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 139 Rz 5), kann auch aus § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 38 Abs 2 ZPO (vgl 7 Ob 9/08m) kein Ersatzanspruch abgeleitet werden. Denn der Verweis des § 6 Abs 4 AußStrG erfasst bereits nach seinem Wortlaut nur jene Fälle, für die nichts anderes angeordnet ist.
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