European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00156.21H.0331.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsteller haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller beantragten die Einverleibung ihres Eigentumsrechts je zur Hälfte. Sie berufen sich dazu auf den Leibrentenvertrag, den sie am 4. 7. 2019 mit dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer der Liegenschaft (als „Verkäufer“) abgeschlossen haben. In diesem Leibrentenvertrag, den die Vertragsparteien ausdrücklich als gemischte Schenkung deklarierten, verpflichtete sich der Verkäufer, die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft an die als „Käufer“ bezeichneten Antragsteller zu übergeben. Als Entgelt für die Übertragung der Liegenschaft verpflichteten sich die Antragsteller, dem Verkäufer eine monatliche Leibrente zu zahlen; außerdem räumten sie ihm ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an bestimmten Teilen der Liegenschaft ein. Der Verkäufer ist am 4. 9. 2019 gestorben.
[2] Das Erstgericht gab dem Antrag statt und bewilligte die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragsteller.
[3] Gegen diesen Beschluss richtete sich der Rekurs der Verlassenschaft nach dem Verkäufer. Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es denAntrag abwies.
[4] Die Verlassenschaft sei durch den angefochtenen Beschluss beschwert und daher zum Rekurs legitimiert, weil im Fall der Abweisung des Einverleibungsbegehrens die Liegenschaft im Nachlass bliebe. Die Verlassenschaft werde dabei durch jenen Verein vertreten, der die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben habe und mit einer Bestätigung des Gerichtskommissärs nach § 810 ABGB legitimiert sei.
[5] Für die Frage, ob eine Sache in das Inventar aufzunehmen sei, sei der Besitz des Erblassers am Todestag maßgeblich, nicht das Eigentum. Eine Liegenschaft, die der Erblasser nach der Verfassung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde dem Dritten tatsächlich übergeben habe, gehöre daher nicht zum Nachlass. Habe der Erwerber (Übernehmer, Beschenkte) einer Liegenschaft aufgrund eines Leibrentenvertrags vor dem Tod des Erblassers Sachbesitz erworben, sei die Liegenschaft nicht in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen.
[6] Entscheidend sei somit, ob die Liegenschaft zum Zeitpunkt des Todes des Verkäufers am 4. 9. 2019 bereits an die Antragsteller übergeben gewesen sei. Der Leibrentenvertrag halte dazu die Übergabe und Übernahme erst mit dem Monatsersten nach Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung fest, demnach nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung. Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung sei jedoch erst am 12. 9. 2019, also nach dem Tod des Erblassers erteilt worden. Damit könne aus den für die Eintragung maßgeblichen, vorgelegten Urkunden eindeutig abgeleitet werden, dass die Liegenschaft zum Zeitpunkt des Todes des Verkäufers noch nicht übergeben gewesen sei. Die Liegenschaft gehöre somit in dessen Verlassenschaft.
[7] An dem im Leibrentenvertrag festgelegten Übergabestichtag habe keine wirkliche Übergabe der Liegenschaft stattgefunden. Damit wäre der Leibrentenvertrag, bei dem es sich offensichtlich um eine Schenkung handle, nach § 1 lit d des Notariatsaktsgesetzes notariatsaktspflichtig gewesen. Das Erstgericht hätte somit das Gesuch um Einverleibung des Eigentumsrechts gemäß § 94 Abs 1 Z 3 und 4 GBG abweisen müssen, weil einerseits der Leibrentenvertrag nicht in der für eine gemischte Schenkung notwendigen Form abgeschlossen worden und andererseits die Liegenschaft noch Teil der Verlassenschaft gewesen sei.
[8] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu. Die Rechtsfrage der Rekurslegitimation des eingetragenen Vereins, der eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben habe und nach § 810 ABGB zur Vertretung befugt sei, sei ebenso erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG, wie jene der Gültigkeit des Leibrentenvertrags als Schenkung mangels Übergabe, insbesondere wenn der „Verkäufer“ des Leibrentenvertrags noch vor der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung und vor dem Übergabestichtag stirbt. Auch bedürfe es einer Verdeutlichung der Abgrenzung der Nachlasszugehörigkeit einer Liegenschaft von der Möglichkeit der grundbücherlichen Verfügung aufgrund eines Anspruchs aus einem Leibrentenvertrag.
[9] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller, in dem sie die Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen. Sie beantragen, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Einverleibung ihrer Eigentumsrechte zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens
[11] 1.1. Das Rekursgericht hat die in zweiter Instanz eingebrachte Rekursbeantwortung der Antragsteller zurückgewiesen. Die Antragssteller rügen dies als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens.
[12] 1.2. Eine Rekursbeantwortung ist gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 124 letzter Satz GBG im Grundbuchsverfahren nicht zulässig. Die von den Antragstellern behauptete Unvereinbarkeit der Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens in Grundbuchsachen mit Art 6 MRK hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt verneint (5 Ob 104/11x mwN; RIS‑Justiz RS0116902 [T4]). Das in diesem Stadium des Grundbuchsverfahrens nicht gewährte rechtliche Gehör wird durch andere Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeglichen. Der Eintragungsgegner kann sich nicht auf das nicht gewährte rechtliche Gehör berufen, weil ihm die Löschungsklage offen steht (RS0116902 [T2]; RS0043962 [T8]). Einem Antragsteller, dessen Einverleibungsgesuch – wie hier – wegen objektiv begründeter Bedenken gegen die Formgültigkeitdes die Eintragung angeblich stützenden Titels abgewiesen wurde, bleibt die Möglichkeit, seinen Anspruch auf Erfüllung eines seiner Auffassung nach dennoch gültigen Vertrags im streitigen Zivilverfahren durchzusetzen (5 Ob 49/15i).
[13] 1.3. Hegt das Gericht – wie hier – keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung, besteht kein Anlass zur Antragstellung gemäß Art 140 B‑VG.
2. Rekurslegitimation der Verlassenschaft
[14] 2.1. Die Verlassenschaft eines Verstorbenen ist die Summe seiner vererblichen vermögenswerten Rechte und Verbindlichkeiten im Todeszeitpunkt (§ 531 ABGB idF ErbRÄG 2015; 5 Ob 88/21h mwN). Im Fall des Ablebens des Eigentümers einer Liegenschaft setzt daher dessen Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort (§ 546 ABGB idF ErbRÄG 2015); sie ist daher parteifähig und allein aktiv und passiv legitimiert (5 Ob 217/20b mwN). Diese Rechts- und Parteifähigkeit der Verlassenschaft dauert bis zur Einantwortung der Erben (RS0012206 [T1, T3, T7]; vgl auch RS0013002). Zur Anfechtung eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags ist daher vor der Einantwortung die Verlassenschaft legitimiert; nach der Einantwortung obliegt die Anfechtung nach allgemeinen Grundsätzen den Erben (2 Ob 218/15w mwN; RS0008114; RS0013002).
[15] 2.2. Das Recht auf die Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft kommt dabei ex lege dem erbantrittserklärten Erben zu, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet (§ 810 Abs 1 erster Satz ABGB). Diese Vertretungsbefugnis gilt auch im Grundbuchsverfahren (5 Ob 217/20b mwN).
[16] 2.3. Im Grundbuchsverfahren ist im Regelfall (neben dem mit seinem Rechtsschutzbegehren gescheiterten Antragsteller) derjenige zum Rekurs legitimiert, der geltend machen kann, durch die bekämpfte Entscheidung in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein; sei es, dass diese Rechte belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (RS0006710, RS0006677 [T8]). Die Verletzung von Interessen oder Rechten, die noch nicht Gegenstand einer bücherlichen Eintragung geworden sind, verschafft daher keine Rekurslegitimation (RS0006710 [T10, T34]).
[17] Die hier einschreitende Verlassenschaft nach dem verstorbenen Liegenschaftseigentümer könnte durch die bekämpfte Entscheidung in ihren (bücherlichen) Rechten beeinträchtigt worden sein. Im Fall der Abweisung des Einverleibungsbegehrens bliebe die Liegenschaft nämlich in der Verlassenschaft (vgl 5 Ob 85/10a). Wäre der Leibrentenvertrag, den die Antragsteller als Eintragungsgrundlage für sich in Anspruch nehmen, rechtsunwirksam und damit keine taugliche Eintragungsgrundlage, griffe die Bewilligung des Grundbuchsgesuchs doch unzulässig in ihr Eigentumsrecht ein. Zur Klärung dieser – die meritorische Berechtigung des Rechtsmittels betreffenden – Frage war die Verlassenschaftrekurslegitimiert (vgl 5 Ob 217/20b mwN [Rekurslegitimation des Erben]).
[18] Den Rekurs hat (nur) die durch den nach § 810 ABGB verwaltenden Erben vertretene Verlassenschaft erhoben; die vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage der (eigenen) Rekurslegitimation eines zur Vertretung befugten erbantrittserklärten Erben stellt sich daher nicht.
[19] 2.4. Die Antragsteller bestreiten die Beschwer und Rekurslegitimation der Verlassenschaft mit dem Argument, dass es kein subjektives Recht der Verlassenschaft auf Errichtung eines Inventars gebe; die Verlassenschaft sei auch nicht berechtigt, einen Antrag auf Errichtung eines Inventars zu stellen. Außerdem sei der bekämpfte Beschluss des Erstgerichts der Verlassenschaft gar nicht zugestellt worden.
[20] Zur Verlassenschaft eines Verstorbenen gehören alle vermögenswerte Rechte, über die er zum Todeszeitpunkt verfügte, und nicht nur jene Vermögensbestandteile, die in das Verlassenschaftsverfahren einbezogen wurden oder einzubeziehen sind (vgl 1 Ob 231/02f [Einantwortung]). Das für die Frage der Rekurslegitimation ausschlaggebende (möglicherweise) beeinträchtigte Recht ist das Eigentum der Verlassenschaft an der Liegenschaft, nicht deren Recht auf Errichtung eines Inventars nach § 165 Abs 1 AußStrG. Ob die Liegenschaft in das Verlassenschaftsverfahren einzubeziehen ist oder – weil die Liegenschaft bereits vor Ableben des Erblassers übergeben wurde – nicht, ist für das Eigentumsrecht der Verlassenschaft und damit für deren Rekurslegitimation ohne Belang. Scheinbar gegenteilige Formulierungen der Rechtsprechung, wonach eine Liegenschaft, die der Erblasser nach der Verfassung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde dem Dritten tatsächlich übergeben hat, nicht in die Verlassenschaft gehöre (vgl RS0007860 [T2]), sind in ihrem jeweiligen Kontext zu verstehen. Gegenstand dieser Entscheidungen ist die Frage der Verlassenschaftszugehörigkeit iSd § 166 Abs 2 AußStrG, also aus dem Blickwinkel der Inventarisierung (RS0007860, RS0007816). Diese Aussagen beziehen sich daher darauf, dass Liegenschaften, die aufgrund einer verbücherungsfähigen Urkunde „naturaliter“ übergeben wurden, auch bei unterbliebener Durchführung im Grundbuch nicht in das Inventar aufzunehmen sind (RS0007872; vgl 2 Ob 43/17p), gerade auch wenn mangels Verbücherung das Eigentum der Verlassenschaft weiter besteht (4 Ob 166/14m).
[21] Die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses ist keine Voraussetzung für die Rekurslegitimation (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 [2019] § 2 Rz 11 mwN). Der Übergangene kann einen Antrag auf Zustellung der Entscheidung stellen und dann innerhalb der Rekursfrist Rekurs erheben, er kann aber auch ohne vorherige Zustellung sofort Rechtsmittel erheben (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 123 GBG Rz 18).
3. Notariatsaktspflichtige Schenkung
[22] 3.1. Das Grundbuchsgericht hat grundsätzlich zu prüfen, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG) und die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist (§ 94 Abs 1 Z 4 GBG). Das Grundbuchsgesuch kann daher nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt nicht nur in formeller Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch in materiell‑rechtlicher Hinsicht frei von Zweifel ist (RS0060878). Dem Grundbuchsgericht ist verwehrt, eine undeutliche und zu begründetem Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte, nicht restlos beseitigte Zweifel führen zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RS0060573).
[23] 3.2. Eine (gemischte) Schenkung ohne wirkliche Übergabe des Vertragsgegenstands bedarf zu ihrer Gültigkeit der Notariatsaktsform (RS0019375; § 1 Abs 1 lit d NotariatsaktsG); jedenfalls dann, wenn der unentgeltliche Teil des Geschäfts überwiegt (5 Ob 156/17b; RS0019374; RS0019139 [T1]). Wenn der Leibrentenvertrag, auf den die Antragsteller ihren Einverleibungsantrag stützen, als eine solche (gemischte) Schenkung zu beurteilen ist und der Vertragsgegenstand nicht wirklich übergeben wurde, bedarf er daher zu seiner Gültigkeit der Notariatsaktform. In einem gewissen Gegensatz zu ihrem sonstigen Vorbringen bestreiten die Antragsteller auch das Vorliegen einer Schenkung.
[24] 3.3. In welchem Ausmaß eine Liegenschaftsübergabe als entgeltliches oder als unentgeltliches Rechtsgeschäft zu werten ist, und allenfalls eine (gemischte) Schenkung vorliegt, richtet sich nach dem Wert der beiderseitigen Leistungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags (RS0012978; RS0012971). Im Grundbuchsverfahren als reinem Urkundenverfahren kann das bei einem (gemischten) Schenkungsvertrag unabdingbar notwendige Einverständnis der Vertragsparteien über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der beabsichtigten Vermögensverschiebung allerdings nur dann angenommen werden, wenn es sich aus den beigebrachten Urkunden ergibt (5 Ob 156/17b mwN). Die Auslegung eines Vertrags beschränkt sich auf den Wortlaut. Ein vom Urkundenwortlaut abweichender Parteiwille kann im Grundbuchsverfahren nicht ermittelt werden (5 Ob 113/21k).
[25] Im hier zu beurteilenden Leibrentenvertrag hielten die Vertragsparteien selbst ausdrücklich fest, dass sie eine gemischte Schenkung abschließen, sollte der Wert des Vertragsgegenstands doch erwartungsgemäß nicht durch die vereinbarten Gegenleistungen abgegolten sein (Punkt IV.). Diese dem „Verkäufer“ zu erbringenden Gegenleistungen sind Leibrentenzahlungen und ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein in einem Übergabevertrag vorbehaltenes Wohnungsgebrauchsrecht nicht als Gegenleistung, sondern als Wertminderung der übergebenen Sache zu veranschlagen (5 Ob 167/15t mwN). Dies gilt nach 8 Ob 55/13s jedenfalls im Zusammenhang mit der Ermittlung eines Schenkungspflichtteils auch für Leibrentenzahlungen (vgl RS0012978 [T11]). Nach dem Inhalt der Urkunde hat das Rekursgericht den Leibrentenvertrag daher im Sinn der Rechtsprechung zu § 94 Abs 1 Z 3 und Z 4 GBG zu Recht als (überwiegende) gemischte Schenkung behandelt. An diesem klaren Ergebnis kann auch der Verweis der Antragsteller auf die Inhalte und Formulierungen in dem Nebenvertrag, der die Rechte eines Pflegers auf Wohnung und Abfindung regelt, nichts ändern.
[26] 3.4. Nach § 1 Abs 1 lit d NotariatsaktsG bedürfen nur Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Das Erfordernis der wirklichen Übergabe dient dem Schutz des Geschenkgebers vor übereilten Schenkungen (5 Ob 167/15t). Eine „wirkliche Übergabe“ muss nach außen erkennbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RS0011383; RS0011295 [T16]). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RS0011383 [T6]; RS0011295 [T2]; RS0018908 [T1]). Bei Liegenschaften genügt die außerbücherliche Übergabe (RS0011383 [T4]; RS0011228).
[27] Im Hinblick auf dessen Charakter als reines Urkundenverfahren genügt im Grundbuchverfahren als „Nachweis“ der Übergabe ein Hinweis in der Vertragsurkunde darauf, dass die „wirkliche Übergabe“ – als kürzelhafte Wiedergabe eines von den Parteien so verstandenen faktischen Vorgangs – bereits erfolgt ist. Konkrete Übergabsakte müssen im urkundlichen Nachweis einer bereits erfolgten Übergabe nicht dargestellt werden; ein Notariatsakt ist dann entbehrlich (5 Ob 78/20m mwN; RS0011383 [T7]; RS0018923). Dies gilt grundsätzlich auch bei gleichzeitiger Einräumung eines lebenslangen, alleinigen Wohnungsrechts zugunsten des Geschenkgebers (5 Ob 78/20m).
[28] Um die Frage der Übertragung der Gewahrsame und damit der wirklichen Übergabe zu beantworten, ist daher auf den Wortlaut des Leibrentenvertrags abzustellen. Das Grundbuchsgericht kann aus diesem Wortlaut zwar unmittelbare logische Schlussfolgerungen ziehen, es darf sich aber nicht auf Spekulationen zu Fragen der Auslegung des Vertrags insbesondere nach der wahren oder hypothetischen Absicht der Parteien einlassen (RS0060573 [T16]; RS0060878 [T36]). Nach den im Leibrentenvertrag getroffenen Vereinbarungen ist hier eine zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits erfolgte wirkliche Übergabe nicht nur nicht im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausreichend urkundlich nachgewiesen; aus der Urkunde ergibt sich vielmehr das Gegenteil.
[29] Als Stichtag für die „Übergabe und Übernahme in den rechtlichen Besitz und Genuss der Käufer“ wurde der Tag der Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung vereinbart. Die „physische Übergabe in den Genuss der Käufer“ wurde mit dem auf die Vertragsunterfertigung folgenden Monatsersten nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung festgelegt (Punkt V.). Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung war daher nicht bloß aufschiebende Bedingung des Vertrags, sondern maßgebend für den von beiden Parteien schriftlich festgelegten Übergabezeitpunkt. Diese grundverkehrsbehördliche Genehmigung wurde erst nach dem Ableben des Erblassers erteilt. Die Liegenschaft war daher weder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch zum Zeitpunkt des Todes des Verkäufersschon übergeben. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der einschlägigen Übergaberegelung lässt sich auch in diesem Zusammenhang aus der erwähnten Nebenvereinbarung nichts gewinnen.
[30] 3.5. Der nicht in Notariatsaktsform errichtete, als Leibrentenvertrag bezeichnete Schenkungsvertrag ist demnach formungültig. Die von den Antragstellern behauptete Heilung durch Einverleibung der Rechte des Geschenkgebers scheitert schon daran, dass diese Einverleibung Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens und daher nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Der Oberste Gerichtshof hat außerdem bereits ausgesprochen, dass eine bücherliche Einverleibung nicht in allen Fällen die Heilung des formungültigen Schenkungsvertrags durch nachträgliche Erfüllung (§ 1432 ABGB) zur Folge hat. Eine Heilung bei einer Schenkung ohne Notariatsakt bzw Übergabe erfordert demnach grundsätzlich ein weiteres aktives Tun des unwirksam Verpflichteten. Durch eine vom Geschenknehmer bloß einseitig beantragte Verbücherung kann die Formungültigkeit nicht saniert werden (RS0011316 [T2, T3]).
4. Ergebnis
[31] Gemäß § 26 Abs 1 GBG können Einverleibungen und Vormerkungen nur auf Grund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind. Der notariatsaktspflichtige, aber nicht in Notariatsaktsform errichtete und daher formungültige Leibrentenvertrag bildet daher keine geeignete Eintragungsgrundlage.
[32] Die Abweisung des Grundbuchsgesuchs erfolgte daher zu Recht. Weitere Abweisungsgründe müssen nicht geprüft werden, weil das Grundbuchsgesuch mit der vorgelegten Urkunde nicht wiederholt werden kann (RS0060544).
[33] Der Revisionsrekurs ist damit nicht berechtigt.
5. Kostenentscheidung
[34] Da im Grundbuchsverfahren kein Kostenersatz stattfindet (RS0035961), haben die Antragsteller die Kosten ihres – ohnedies erfolglosen – Rechtsmittels selbst zu tragen.
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