OGH 5Ob88/21h

OGH5Ob88/21h4.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. R*, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien, gegen die beklagte Partei Mag.H*, vertreten durch die Frieders Tassul & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, wegen 4.891,53 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert: 58.698,36 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2021, GZ 33 R 123/20f‑26, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 25. September 2020, GZ 11 Cg 6/19b‑22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133460

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird behoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die am 9. 11. 2016 verstorbene DI E* (in der Folge: Erblasserin oder auch Verstorbene) war Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Mehrparteienhaus. Der Kläger ist als nach ihr eingeantworteter Erbe zu 5/16 Anteilen Miteigentümer dieser Liegenschaft.

[2] Die Erblasserin hatte die Liegenschaft von ihrem am 4. 7. 2007 verstorbenen Ehemann geerbt. In den Jahren 2007 bis 2014 machte sie für das auf der Liegenschaft errichtete Gebäude keine Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 16 Abs 1 Z 8 iVm §§ 7 und 8 EStG 1988 geltend, weder bemessen nach dem gesamten Einheitswert der Liegenschaft noch auf Grundlage der fiktiven Anschaffungskosten. Ihre damalige Steuerberaterin war die Beklagte. In den Jahren 2015 bis 2016 hatdie Erblasserin, vertreten durch einen anderen Steuerberater, die AfA basierend auf dem Einheitswert der Liegenschaft geltend gemacht.

[3] Die Rechtsnachfolger nach der Erblasserin, darunter der Kläger, begehrten von der Beklagten zu 4 Cg 51/18t des Erstgerichtsden Ersatz von insgesamt 154.110,80 EUR sA, aufgeteilt nach den Erbquoten, weil die Erblasserin in den Veranlagungsjahren 2007 bis einschließlich 2014 überhaupt keine AfA geltend gemacht habe und aus rechtlichen Gründen in den Jahren 2015 und 2016 keinen Antrag auf Bemessung der AfA anhand der (höheren) fiktiven Anschaffungskosten mehr stellen habe können. Die Beklagte habe diese Einkommenssteuermehrbelastung durch einen Beratungsfehler verursacht. Das Erstgericht bejahte zu 4 Cg 51/18t einen schadenskausalen Beratungsfehler der Beklagten und verpflichtete sie mit Urteil vom 3. 10. 2018 zur Zahlung von 154.110,80 EUR sA an die Erben. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft. Entsprechend seiner Erbquote entfielen davon auf den Kläger 48.159,62 EUR.

[4] In diesem Verfahren begehrt der Kläger die Zahlung von 4.891,53 EUR sA als Ersatz für den ihm aus der Einkommenssteuermehrbelastung für das Veranlagungsjahr 2017 entstandenen Schaden. Aufgrund der unterbliebenen Antragstellung für die Erblasserin, die AfA anhand der fiktiven Anschaffungskosten zu bemessen, könne auch er die Abschreibung nur auf Grundlage des Einheitswerts geltend machen. Da er wie die Erblasserin dem Spitzensteuersatz unterliege, entspreche sein Schaden 5/16 von deren Einkommenssteuermehrbelastung in den Veranlagungsjahren 2015 und 2016. Die Beklagte habe die Erblasserin schuldhaft falsch beraten; die Entscheidung des Erstgerichts zu 4 Cg 51/18t entfalte insofern eine Bindungswirkung. Die unterbliebene Geltendmachung der höheren AfA wirke wegen § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG bei ihm fort, sodass auch er eine Einkommenssteuermehrbelastung zu tragen habe. Insoweit liege ein Fall bloßer Schadensverlagerung vor, für die die Drittschadensliquidation anerkannt sei. Der Vertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten entfalte darüber hinaus Schutzwirkungen auch zu seinen Gunsten. Die Beklagte hafte ihm auch für künftige Schäden, die ihm aus der unterbliebenen Geltendmachung der AfA auf der Grundlage der fiktiven Anschaffungskosten entstünden.

[5] Die Beklagte wendete ein, sie habe die Erblasserin ordnungsgemäß beraten und keinen Beratungsfehler zu verantworten. Die Vorentscheidung sei insofern nicht bindend. Der Kläger sei auch nicht anspruchsberechtigt: Weder liege eine bloße Schadensverlagerung vor, die eine Drittschadensliquidation rechtfertigen könnte, noch entfalte der zwischen der Erblasserin und ihr geschlossene Vertrag Schutzwirkungen zugunsten des Klägers.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte einen Anspruch des Klägers, weil keine bloße Schadensverlagerung vorliege und der Vertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten auch keine Schutzwirkungen zu dessen Gunsten entfalte. Die unterlassene Geltendmachung der höheren AfA sei daher zwar kausal für die Einkommenssteuermehrbelastung des Klägers gewesen. Die Beklagte habe auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt; es mangle dem Kläger aber an der Legitimation zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber der Beklagten.

[7] Das Berufungsgericht verneinte wie das Erstgericht eine Bindungswirkung der Entscheidung zu 4 Cg 51/18t des Erstgerichts, gab der Berufung des Klägers aber im übrigen Folge und hob das Ersturteil auf. Der Erblasserin wäre es nach der damals geltenden Rechtslage freigestanden, für das von ihrem am 4. 7. 2007 verstorbenen Ehemann geerbte Gebäude eine AfA auf Basis der fiktiven Anschaffungskosten geltend zu machen. Demgegenüber habe der Kläger als zu 5/16 rechtskräftig eingeantworteter Erbe nach der derzeitigen Rechtslage keine Möglichkeit mehr, eine Abschreibung auf Basis einer solchen Bemessungsgrundlage vorzunehmen, was er aber könnte, hätte seine Rechtsvorgängerin nach der damals geltenden Rechtslage eine solche Wahl getroffen. Vermögensrechte und Verbindlichkeiten seien grundsätzlich vererblich. Darunter seien jene Rechtspositionen des Erblassers zu verstehen, aus denen künftig Rechte und Rechtsverhältnisse entstehen, untergehen oder sich ändern können. Die Rechtsprechung bejahe die aktive Vererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen, weil es sich um ein Vermögensrecht ohne höchstpersönlichen Charakter handle. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Vererblichkeit sonstiger Schadenersatzansprüche, wenn die schädigende Handlung vor dem Tod des Erblassers gesetzt worden sei, der Schaden aber erst danach – im Vermögen des Erben – eintrete, sei nicht ersichtlich. Der Kläger sei aber zu 5/16 Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin und wäre damit – sollte sein Vorbringen zutreffen – in diesem Ausmaß kein Dritter, sondern unmittelbar Geschädigter. Dass die schädigende Handlung nach dem Klagevorbringen vor deren Ableben gesetzt worden, der hier zu beurteilende Erfolg – die Einkommenssteuermehrbelastung ab 2017 – aber erst danach eingetreten sei, sei für die anteilige Anspruchsberechtigung des Klägers als Gesamtrechtsnachfolger unerheblich. Die von den Parteien und vom Erstgericht ausführlich diskutierte bloße Schadensverlagerung, die eine Drittschadensliquidation rechtfertigen könnte, oder nach allfälligen Schutzwirkungen des Vertrags zwischen der Erblasserin und der Beklagten zugunsten des Klägers seien damit nicht von Relevanz. Eine abweichende Ansicht würde das Ausmaß einer allfälligen Haftung der Beklagten von einem Zufall (dem Zeitpunkt des Ablebens ihrer Vertragspartnerin) abhängig machen. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht daher die beantragten Beweise zum Grund und zur Höhe der Klageansprüche aufzunehmen haben.

[8] Zwar habe der Oberste Gerichtshof bereits geklärt, dass Verbindlichkeiten aus Schadenersatzansprüchen auch vererblich seien, wenn die schädigende Handlung vor dem Tod des Erblassers gesetzt worden sei, der Erfolg aber erst danach eintrete. Für die aktive Vererblichkeit sonstiger Schadenersatzansprüche fehle aber eine ausdrückliche Rechtsprechung, sodass vor dem Hintergrund des allgemeinen Grundsatzes der Vererblichkeit von Vermögensrechten und der jüngeren Rechtsprechung zur uneingeschränkten Vererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen eine Klarstellung der Rechtslage angezeigt sei. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei daher zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der vom Kläger beantwortete Rekurs der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.

[10] 1. Zur Abschreibung für Aufwendungen:

[11] 1.1 Nach § 16 Abs 1 Z 8 EStG sind steuerlich abzugsfähige Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerungen (§§ 7 und 8 EStG).

[12] 1.2 Für die unentgeltliche Übertragung von Gebäuden bis 31. 7. 2008 galt § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG 1988 idF vor dem Schenkungsmeldegesetz, BGBl I 2008/85. Danach war bei unentgeltlichem Erwerb eines Gebäudes für die Bemessung der AfA der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb zugrunde zu legen. Auf Antrag warenaber die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs anzusetzen.

[13] 1.3 Mit dem Schenkungsmeldegesetz 2008 wurde diese Bestimmung für Übertragungen nach dem 31. 7. 2008 (§ 124b Z 146 lit c EStG 1988) novelliert und angeordnet, dass bei unentgeltlichem Erwerb eines Gebäudes die Absetzung für Abnutzung des Rechtsvorgängers fortzusetzen ist. Die Möglichkeit, die Bemessung der AfA anhand der fiktiven Anschaffungskosten zu beantragen, entfiel. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl I 2012/112, wurde die Bestimmung von Gebäuden auf sämtliche Wirtschaftsgüter ausgedehnt, die nach dem 31. 12. 2012 erstmalig zur Erzielung von Einkünften verwendet werden (§ 124b Z 227 EStG 1988). Seither lautet§ 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG 1988:

„Wird ein Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben, ist die Absetzung für Abnutzung des Rechtsvorgängers fortzusetzen.“

[14] 1.4 Die Möglichkeit, bei unentgeltlichem Erwerb eines Gebäudes die Bemessung der AfA auf Grundlage der fiktiven Anschaffungskosten anstelle des Einheitswerts zu beantragen, bestand damit nur bis 31. 7. 2008.

[15] 2. Dem Begehren des Klägers liegt zugrunde, dass die Erblasserin für das von ihrem am 4. 7. 2007 verstorbenen Ehemann geerbte Gebäude die Bemessung der AfA auf Basis der fiktiven Anschaffungskosten beantragt hätte, wäre sie von der Beklagten pflichtgemäß beraten worden. Als deren rechtskräftig eingeantworteter Erbe könnte er die von ihr auf dieser Grundlage begonnene Abschreibung fortsetzen. Da es ihm nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht mehr möglich sei, die Abschreibung auf Basis der für ihn günstigeren fiktiven Anschaffungskosten geltend zu machen, erleide er einen Schaden in Form einer Einkommenssteuermehrbelastung, für den die Beklagte einzutreten habe.

[16] Ausgehend von der dargestellten Rechtslage hätte der Kläger die Abschreibung auf Basis der fiktiven Anschaffungskosten fortsetzen können, hätte seine Rechtsvorgängerin (die Erblasserin) von dieser Möglichkeit vor dem 31. 7. 2008 Gebrauch gemacht.

[17] 3. Zur Frage der Vererblichkeit eines solchen Anspruchs:

[18] 3.1 Durch den Tod erlöschen nur solche Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt sind oder die bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen (§ 1448 ABGB).

[19] 3.2 Die Verlassenschaft eines Verstorbenen ist der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten, sofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen begründet sind (§ 531 ABGB). Sie umfasst die Summe der erblichen Vermögenswerte, Rechte und Pflichten des Erblassers (5 Ob 64/17y; RIS‑Justiz RS0012206 [T1, T3]).

[20] 3.3 Der Erbe erwirbt durch Einantwortung den gesamten Nachlass und wird Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Er tritt in dessen Rechte und Pflichten ein und erlangt die volle Herrschaft über den Nachlass. Besitz, Eigentum, Forderungen und sonstige Rechte gehen auf ihn über (RS0013002 [T4]; zu den vererblichen Rechten und Pflichten vgl etwa Schauer in Klang³ § 531 ABGB Rz 44 ff, 57; ders in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge² 540 ff; Werkusch‑Christ in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON1.08 § 531 Rz 2 ff). Er folgt dem Verstorbenen daher sowohl als Gläubiger als auch als Schuldner in allen vertraglichen Rechtspositionen (Schauer in Gruber/Kalss/Müller/Schauer aaO 558).

[21] 3.4 Auch gesetzliche Schuldverhältnisse sind in der Regel vererblich (Schauer in Gruber/Kalss/Müller/Schauer aaO567). Seit der Entscheidung zu 6 Ob 2068/96b wird auch die Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruchs ungeachtet der Wortfolge „auf Verlangen“ in § 1325 ABGB uneingeschränkt bejaht (RS0105270).

[22] 3.5 Das Schmerzengeld ist nach seiner Zweckbestimmung jene materielle Entschädigung, auf die ein Verletzter zum Ausgleich der durch die Beschädigung insgesamt entstandenen körperlichen und seelischen Schmerzen, der entgangenen Lebensfreude und aller mit den Unfallverletzungen und ihren Folgen verbundenen Unbillen Anspruch hat. Seine Ausgleichsfunktion endet spätestens mit seinem Tod (RS0119843). Vererblich ist damit der Anspruch auf Ausgleich für denjenigen (ideelle) Schaden (die Schmerzen), der (die) bereits vor dem Ableben des Verletzten eingetreten ist (sind). Sowohl die schädigende Handlung als auch der Erfolg haben sich in einem solchen Fall vor dem Ableben des (ursprünglich) Anspruchsberechtigten verwirklicht. Für den hier zu entscheidenden Fall, in dem die nach den Behauptungen des Klägers schädigende Handlung (die pflichtwidrige steuerliche Beratung) vor dem Tod der Erblasserin gesetzt wurde, der Schaden als Einkommenssteuermehrbelastung aber erst im Vermögen des Erben eingetreten ist, lassen sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus der zur Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruchs ergangenen Judikatur keine Rückschlüsse ziehen.

[23] 3.6 Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung Verbindlichkeiten aus Schadenersatzansprüchen auch dann auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen, wenn die schädigende Handlung vor dem Tod gesetzt wurde, der Erfolg aber erst danach eingetreten ist. Die vom Berufungsgericht dazu zitierten Entscheidungen zu 9 ObA 8/15i und 3 Ob 149/18k betrafen aber ebenso wie die Entscheidungen zu 2 Ob 281/00p und zu 6 Ob 263/03z Fälle der passiven Vererblichkeit. Also die Vererblichkeit einer Verbindlichkeit (dazu Schauer in Gruber/Kalss/Müller/Schauer aaO 557).

[24] 4.1 Ob sich ein Gesamtrechtsnachfolger auf einen vom Erblasser abgeleiteten Schadenersatzanspruch berufen kann, wenn die schadensbegründende Handlung oder Unterlassung zu Lebzeiten des Verstorbenen stattfand, der Schaden sich aber nicht im Nachlass des Erblassers verwirklichte, sondern erst im Vermögen der Erben eintritt, wurde in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht beurteilt.

[25] 4.2 In der Literatur finden sich dazu keine abschließenden Stellungnahmen. Den vom Berufungsgericht genannten Belegstellen (Danzl in KBB6 § 1337 ABGB Rz 1; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek 4 § 1337 ABGB Rz 1) liegt zugrunde, dass die schädigende Handlung des Verstorbenen – naturgemäß – vor dem Todeszeitpunkt stattgefunden haben muss, und beziehen sich damit auf vererbbare Schadenersatzpflichten des Verstorbenen. Darauf und auf die hierzu ergangene Judikatur (9 ObA 8/15i; vgl auch 2 Ob 281/00p) nimmt auch Reischauer (in Rummel ABGB3 § 1337 Rz 1) Bezug. Werkusch‑Christ (in ABGB‑ON1.08 § 547 Rz 1) führt aus, der Erbe könne Schadenersatzansprüche verfolgen, die bereits vor dem Erbfall oder bis zur Einantwortung entstanden seien, und legt damit erkennbar zugrunde, dass der Schaden im Vermögen des Erblassers (seines Nachlasses) eingetreten ist. Schauer (in Klang³ § 531 ABGB Rz 57) betont ebenfalls die Vererblichkeit von Schadenersatzansprüchen und zwar auch dann, wenn zu Lebzeiten des Erblassers nur der Haftungsgrund verwirklicht wurde, aber der Schadenersatzanspruch noch nicht vollständig entstanden ist. Deshalb hafte ein Erbe, wenn eine sorgfaltswidrige Handlung des Erblassers erst nach seinem Tod zum Eintritt eines Schadens führe oder der Erblasser zu Lebzeiten ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht habe, wodurch dritte Personen später einen Schaden erleiden. Seine Ausführungen zielen damit ebenfalls auf die passive Vererblichkeit von Schadenersatzansprüchen ab.

[26] 4.3 In der deutschen Literatur befasst sich Leipold (MüKo‑BGB8 § 1922 BGB Rz 74 f) mit dieser Frage. Da auch schwebende Rechtslagen auf die Erben übergehen, sei es nicht ausgeschlossen, dass zwar die Rechts- oder Rechtsgutsverletzung zu Lebzeiten des Erblassers erfolge, ein dadurch verursachter Schaden aber erst nach dem Erbfall entstehe und dennoch für den Erben ein Ersatzanspruch erwachse. Es sei aber zu beachten, dass das Gesetz eine Haftung für Schäden Dritter in der Regel ausschließe. Daher sei jeweils zu fragen, ob der dem Erben entstandene Schaden ein (nicht zu ersetzender) Drittschaden oder im Sinn des Schadensersatzrechts wie ein dem Erblasser erwachsener Schaden zu bewerten ist. Von dieser Erwägung ausgehend, seien solche Schäden zu ersetzen, die auch beim Fortleben des Erblassers entstanden wären und dann vom Verursacher hätten ersetzt werden müssen. Unter Verweis auf diesen Autor judiziert der Bundesgerichtshof, dass ein Schadenersatzanspruch (aktiv) jedenfalls vererblich sei, sofern sich Haftungsgrund und Schaden noch zu Lebzeiten des Erblassers verwirklicht haben (BGH IX ZR 104/05 NJW 2008, 2647, zur Haftung wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung)

4.4 Stellungnahme:

[27] Das der Beklagten angelastete sorgfaltswidrige Verhalten liegt nach den Behauptungen des Klägers in einer steuerlichen Schlechtberatung der Erblasserin, weswegen diese bis zum 31. 7. 2008 die Bemessung der AfA nicht auf Grundlage der fiktiven Anschaffungskosten beantragt habe.

[28] Mit der Einantwortung sind die Rechte der Verstorbenen aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag auf die Erben übergegangen, sodass sie insoweit an deren Stelle getreten sind. Das betrifft jedenfalls diejenigen Schadenersatzansprüche, die die Erblasserin wegen einer Verletzung des steuerlichen Beratungsvertrags gegenüber der Beklagten geltend machen hätte können. Soweit bereits im Vermögen der Erblasserin (dem Nachlass) durch die Einkommenssteuermehrbelastung ein Nachteil eingetreten war, haben die Erben deren vertragliche Position übernommen und konnten als Gesamtrechtsnachfolger der Geschädigten Ansprüche gegenüber der Beklagten verfolgen. Diesen Schadenersatzanspruch haben sie bereits im Verfahren zu 4 Cg 51/18t des Erstgerichts erfolgreich geltend gemacht.

[29] Die Einkommenssteuer gehört zu den Personensteuern, auch wenn Besteuerungsgegenstand das Einkommen ist (Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG Vor § 1). Die Einkommenssteuerpflicht bezieht sich auf die einzelne natürliche Person und endet mit dem Tod des Steuerpflichtigen (Grabner/Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 1 Rz 2; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13 § 1 Rz 31). Mit dem Ableben der Rechtsvorgängerin des Klägers endete deren Steuerpflicht, sodass in ihrem Vermögen auch kein Nachteil mehr durch eine Einkommenssteuermehrbelastung entstehen konnte. Soweit der Kläger einen Schadenbehauptet, weil er für das Veranlagungsjahr 2017 zu viel Einkommenssteuer habe zahlen müssen, macht er keinen derivativ erworbenen Anspruch der Erblasserin geltend. Ein dem Anspruch auf Schmerzengeld vergleichbarer Schadenersatzanspruch, der auf den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger entsprechend seiner Erbquote übergehen hätte können, ist damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu beurteilen. Es liegt insoweit auch keine schwebende Rechtslage vor, weil sich der vom Kläger geltend gemachte Schaden wegen der Personengebundenheit der Einkommenssteuer auch bei Fortleben seiner Rechtsvorgängerin nicht in deren Vermögen gezeigt hätte, mag sein Nachteil der Höhe nach allenfalls auch gleich ausfallen wie eine hypothetische Steuermehrbelastung der Verstorbenen.

[30] Der Kläger stand mit der Beklagten in keiner vertraglichen Beziehung. Die einem Steuerberater obliegenden Pflichten hatte die Beklagte aufgrund desVertrags der Verstorbenen gegenüber zu erbringen. Für ihre Mandantin war sie über einen längeren Zeitraum tätig, weswegen sie dieser gegenüber Schutz-, Fürsorge- und Aufklärungspflichten zu erfüllen hatte (RS0037133). Soweit ein Steuerberater eine mangelhafte Geschäftsbesorgung zu vertreten hat, wird er gemäß §§ 1009, 1010, 1012 und 1299 ABGB schadenersatzpflichtig. Diese Schadenersatzpflicht besteht grundsätzlich gegenüber dem Mandanten als Vertragspartner (zur Haftung des Rechtsanwalts: RS0038663 [T19]).

[31] Als Gesamtrechtsnachfolger ist der Kläger in die Rechte der Verstorbenen aus dem Vertrag mit der Beklagten eingetreten. Als Erbe erlangte er aber nur jene Position, die der Rechtsstellung der Verstorbenen als Vertragspartnerin der Beklagten entsprach. Nur in diesem Umfang trifft es zu, dass seine Rechtsstellung (anteilig) der der unmittelbar Geschädigten entspricht. Diese Stellung berechtigt ihn aber nur jene Nachteile geltend zu machen, die auch die Erblasserin gegenüber der Beklagten geltend zu machen berechtigt gewesen wäre. Sein Nachteil aus der Einkommenssteuermehrbelastung für das Veranlagungsjahr 2017 resultiert aus seiner persönlichen Steuerpflicht und zählt nicht dazu, sodass er entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts insoweit auch nicht als unmittelbar Geschädigter betrachtet werden kann. Dass dabei das Ausmaß einer allfälligen Haftung der Beklagten von einem Zufall (dem Zeitpunkt des Ablebens von deren Vertragspartnerin) begrenzt ist, wie das Berufungsgericht meint, vermag in der vorliegenden Konstellation ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen, weil die Einkommenssteuerpflicht und damit die potentielle Schadensbildung im Vermögen der Geschädigten aus einer möglichen Pflichtverletzung der Beklagten mit deren Tod endete. Demgegenüber zeigen sich der Umstand, dass der Kläger überhaupt zur Einkommenssteuerminderung durch die Geltendmachung der AfA berechtigt ist, ebenso wie sein möglicher Nachteil, weil er die Abschreibung nicht auf der Bemessungsgrundlage von fiktiven Anschaffungskosten des Jahres 2007 geltend machen kann, als Folge des unentgeltlichen Erwerbs eines Gebäudes im Erbweg und ist damit nicht unmittelbar auf einen allfälligen Beratungsfehler der Beklagten zurückzuführen.

[32] 5. Da der Kläger den von ihm begehrten Ersatz für Nachteile in seinem Vermögen, die er auf die Verletzung von Pflichten gegenüber der Erblasserin zurückführt, nicht unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis zur Beklagten ableiten kann, bedarf es der vom Berufungsgericht unterlassenen Auseinandersetzung mit den von ihm geltend gemachten Anspruchsgrundlagen:

[33] 5.1 Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:

[34] Eine Haftung für Vermögensschäden Dritter besteht grundsätzlich nicht. Es wurde daher bereits ausgesprochen, dass der den Jahresabschluss erstellende Steuerberater für fahrlässig verursachte Vermögensschäden Dritter nicht haftet (RS0120309). Sorgfalts- und Schutzpflichten zugunsten dritter am Vertrag nicht beteiligter Personen werden nur dann angenommen, wenn die objektive Auslegung des Vertrags ergibt, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RS0017195). Begünstigte Personen sind Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluss voraussehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat, oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (RS0034594; RS0037785 [T5, T39, T45]; RS0017195 [T6]). Der Kreis der in den Schutzbereich einbezogenen Dritten ist dabei grundsätzlich eng zu ziehen (10 Ob 57/03k mwN).

[35] Der Beklagten als Sachverständiger (§ 1299 ABGB) hätte, um die Annahme zu rechtfertigen, ihr Steuerberatungsvertrag mit der Verstorbenen entfalte Schutzwirkungen auch zugunsten des Klägers als späteren Erben, jedenfalls klar erkennbar sein müssen, dass ihre Tätigkeit auch im Interesse der Erben erfolgen sollte (RS0017178; RS0026552). Anhaltspunkte dafür, dass etwa eine Steueroptimierung für die Gesamtrechtsnachfolger der Verstorbenen oder sonst Angelegenheiten, die die Vermögenssphäre potentieller Erben berühren hätten können, Gegenstand des mit der Beklagten bestehenden Vertragsverhältnisses gewesen wären, fehlen und werden auch nicht behauptet. Vielmehr geht aus den erstgerichtlichen Feststellungen deutlich hervor, dass Auftragsgegenstand die Steuerangelegenheiten der Verstorbenen waren, deren Einkommenssteuerpflicht mit dem Tod endete. Damit fehlt es aber an einer tragfähigen Grundlage, den Kläger in den Schutzbereich des Vertrags zur (allenfalls fehlerhaften) Erstellung der Einkommenssteuererklärung der Verstorbenen für das Jahr 2007 einzubeziehen. Ihm stehen keine Ansprüche aus dem Titel eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu.

[36] 5.2 Grundsätzlich kann nur ein unmittelbar durch die rechtswidrige Handlung Verletzter Schadenersatz begehren. Für einen Drittschaden haftet der Schädiger daher im Allgemeinen nicht (RS0022638 [T5, T6]). Nur dann, wenn den Schaden, der normalerweise beim Verletzten eintritt, ausnahmsweise wirtschaftlich ein Dritter zu tragen hat, liegt eine Schadensverlagerung vor, die den Schädiger nicht befreien soll (RS0022612).

[37] Voraussetzung einer Drittschadensliquidation ist, dass genau der Schaden geltend gemacht wird, der auch im Vermögen des unmittelbar Geschädigten eingetreten ist, es sich also um eine bloße Schadensverlagerung handelt. Das ist der Fall, wenn der Schaden, der typischerweise bei einer ersatzberechtigten Person eintritt, aufgrund eines hinzutretenden Sachverhaltselements atypischerweise bei einer anderen, prinzipiell nicht ersatzberechtigten Person schlagend wird, ohne dass es zu einer Veränderung des Schadensausmaßes kommt (RS0022638 [T7, T9]). Der unmittelbar in seinen Rechten Verletzte erleidet nur deshalb keinen Vermögensnachteil, weil ein Dritter aufgrund einer besonderen Rechtsbeziehungen das wirtschaftliche Risiko der Rechtsgutverletzung zu tragen hat (RS0022608 [T7]; RS0022578 [T4]).

[38] Der vom Kläger geltend gemachte Schaden ist nicht im Vermögen der Verstorbenen eingetreten, sondern als Folge der Personenbezogenheit der Einkommenssteuer ausschließlich seiner eigenen Sphäre zuzurechnen. Damit fehlt es schon an der für die Annahme einer Drittschadensliquidation erforderlichen Voraussetzung einer Schadensverlagerung.

[39] 6. Zusammengefasst folgt, dass die Beklagte für die im Vermögen des Klägers eintretenden Nachteile in Form einer Einkommenssteuermehrbelastung nicht einzustehen hat, sodass seinem Leistungsbegehren und dem Feststellungsbegehren keine Berechtigung zukommt. Damit ist das die Klage abweisende Ersturteil wiederherzustellen.

[40] 7. Das Erstgericht hat die Entscheidung über die Kosten gemäß § 52 Abs 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten, was auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren erfasst.

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