European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131864
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben.
Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Begründung:
[1] Als Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG * waren zum Zeitpunkt der Antragstellung H* K* (Hälfteanteil B-LNr 1 und Viertelanteil B-LNr 2) und die Antragstellerin (Viertelanteil B-LNr 3) im Grundbuch eingetragen. H* K* ist am 8. 10. 2019 verstorben.
[2] Unter Berufung auf die in einem gerichtlichen Vergleich vom 8. 11. 1993 vereinbarte Schenkung auf den Todesfall beantragte die Antragstellerin ob des Anteils B‑LNr 2 des Verstorbenen die Vormerkung des Eigentumsrechts zu ihren Gunsten. Neben einer Ausfertigung des Vergleichs und anderen Urkunden legte die Antragstellerin auch die Sterbeurkunde des H* K*vor.
[3] Das Erstgericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 10. 7. 2020 statt. Davon verständigte es (offenbar als den Vertreter der Verlassenschaft nach dem verstorbenen H* K*) „Mag. A* P*, Rechtsanwalt, als Vertreter der erbantrittserklärten Erbin E* H*“.
[4] E* H* erhob am 7. 8. 2020 „als Erbin nach dem verstorbenen H* K*“ Rekurs. Die Einschreiterin verwies darin auf den mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen Einantwortungsbeschluss vom 13. 7. 2020. In der Sache selbst bestritt sie wegen desFehlens eines Notariatsakts die Gültigkeit der Schenkung auf den Todesfall.
[5] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Einschreiterin mangels Rekurslegitimation als unzulässig zurück. Voraussetzung für die aus der materiellen Parteistellung abgeleitete Rekurslegitimation sei, dass jemand in seinen bücherlichen Rechten verletzt sein könne, dass diese also durch die bekämpfte Entscheidung belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden. Dabei sei der aktuelle Grundbuchstand zum Zeitpunkt der Fällung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich; der erst nachträgliche Eintritt in den Kreis der Buchberechtigten verleihe kein Rekursrecht. Ein Rechtsmittelwerber in Grundbuchsachen könne nur eine Verletzung eigener bücherlicher Rechte geltend machen. Interessen oder Rechten, die noch nicht Gegenstand einer bücherlichen Eintragung geworden sind, fehle der Rechtsmittelschutz. Demjenigen, der (nur) einen bloß schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechts habe, stehe noch kein Rekursrecht zu.
[6] Die Rekurswerberin führe in ihrem Rekurs zwar aus, dass der Einantwortungsbeschluss vom 13. 7. 2020 zwischenzeitig in Rechtskraft erwachsen sei. Eine außerbücherliche Rechtsnachfolge, aus der die Rechtsmittellegitimation bzw Beschwer abgeleitet werde, müsse aber urkundlich nachgewiesen werden. Zwar ließe sich unter Umständen dem Geschäftsregister (VJ) entnehmen, ob der Einantwortungsbeschluss erlassen worden und in Rechtskraft erwachsen sei. Der Umstand, dass ein Register wie das Firmenbuch und das Grundbuch öffentlich sei, bedeute aber nicht, dass die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig seien. Die Gerichtskundigkeit erfordere, dass der Richter die Tatsache kenne, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen. Es reiche auch nicht aus, wenn Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen seien. Hier sei aus der Aktenlage weder ein urkundlicher Nachweis zu entnehmen, dass die Rekurswerberin erbantrittserklärte Erbin sei, noch der urkundliche Nachweis, dass ihr der Nachlass mittlerweile rechtskräftig eingeantwortet worden sei.
[7] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[8] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiterin. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag auf Vormerkung abzuweisen; in eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil dem Rekursgericht eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Rekurslegitimation der Einschreiterin unterlaufen ist.
[10] 1.1. Im Fall des Ablebens des Eigentümers der Liegenschaft setzt dessen Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort (§ 546 ABGB idF ErbRÄG 2015); sie ist daher parteifähig und allein aktiv und passiv legitimiert (2 Ob 171/20s mwN). Das gilt insbesondere auch für die Anfechtung eines vom Verstorbenen zu Lebzeiten geschlossenen Schenkungsvertrags auf den Todesfall (RIS‑Justiz RS0123441, RS0008114 [T4]).
[11] 1.2. Das Recht auf die Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft kommt ex lege dem erbantrittserklärten Erben zu, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet (§ 810 Abs 1 erster Satz ABGB; 2 Ob 27/17k; RS0008167 [T4, T5]). Wird ein Verlassenschaftskurator bestellt und mit der Verwaltung und Vertretung des Nachlasses betraut, endet gemäß § 173 Abs 1 Satz 2 AußStrG die Vertretungsbefugnis des Erben (2 Ob 27/17k; RS0008167 [T4, T5]). Diese Vertretungsbefugnis gilt auch im Grundbuchsverfahren, in diesem muss die Abgabe der Erbserklärung urkundlich nachgewiesen werden (vgl 5 Ob 226/99t = RS0060716 [T1]).
[12] 1.3. Die Verlassenschaft besteht, solange sie nicht durch Einantwortung rechtskräftig beendet ist (2 Ob 171/20s; RS0012206 [T7]; RS0008131 [T3]). Ein gegen die Verlassenschaft geführter Rechtsstreit ist nach der Einantwortung mit dem Erben fortzusetzen. Die Bezeichnung der Partei ist auf den Erben umzustellen (RS0012288 [T2]; vgl RS0012287).
[13] 1.4. Mit der Rechtskraft der Einantwortung tritt die Universalsukzession des Erben nach dem Verstorbenen ein. Der Erbe erwirbt (auch) das Eigentum an Nachlassgrundstücken schon mit Rechtskraft der Einantwortung (RS0011263, RS0013002). Die Einverleibung im Grundbuch hat also nur mehr deklarativen Charakter (RS0011263 [T9]).
[14] 2.1. Im Grundbuchsverfahren ist im Regelfall (neben dem mit seinem Rechtsschutzbegehren gescheiterten Antragsteller) derjenige zum Rekurs legitimiert, der geltend machen kann, durch die bekämpfte Entscheidung in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein; sei es, dass diese Rechte belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (RS0006710, RS0006677 [T8]). Die Verletzung von Interessen oder Rechten, die noch nicht Gegenstand einer bücherlichen Eintragung geworden sind, verschafft daher keine Rekurslegitimation (RS0006710 [T10, T34]).
[15] 2.2. Maßgeblich für die Rekurslegitimation ist der aktuelle Grundbuchstand zum Zeitpunkt der Fällung der angefochtenen Entscheidung; der erst nachträgliche Eintritt in den Kreis der Buchberechtigten verleiht kein Rekursrecht (RS0006784; 5 Ob 230/06v; 5 Ob 51/94; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 122 GBG Rz 15 mwN).
[16] 2.3. Zum Zeitpunkt der Fällung der angefochtenen Entscheidung des Erstgerichts am 10. 7. 2020 war die Einschreiterin nach ihren Behauptungen (noch) erbantrittserklärte Erbin. Die vom Erstgericht verfügte Zustellung seines Beschlusses an sie erfolgte offenbar in ihrer daraus resultierenden Eigenschaft als Vertreterin der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Eigentümer des betroffenen Liegenschaftsanteils. Ein Rekurs der Einschreiterin wäre zu diesem Zeitpunkt (nur) im Namen der von ihr vertretenen Verlassenschaft als Rechtsnachfolgerin des Eigentümers, nicht aber im eigenen Namen zulässig gewesen. Ein Rechtsmittelwerber in Grundbuchsachen kann nur eine Verletzung eigener bücherlicher Rechte geltend machen (5 Ob 2232/96p = RS0105994).
[17] 2.4. Zum Zeitpunkt der Erhebung des Rekurses war die Einschreiterin nach ihren Behauptungen (bereits) rechtskräftig eingeantwortete Erbin und damit außerbücherliche Eigentümerin des betroffenen Liegenschaftsanteils. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich die Rechtsposition des rechtskräftig eingeantworteten Erben nicht von jener des verbücherten Eigentümers unterscheidet (5 Ob 62/15a mwN) und der Erbe daher zum Personenkreis der bücherlich Berechtigten und damit rekursberechtigten Personen gemäß § 9 AußStrG iVm § 122 GBG zählt (5 Ob 122/20g mwN). Dessen Beschwer ergibt sich daraus, dass er in seinen (bücherlichen) Rechten beeinträchtigt worden sein könnte. Wäre etwa hier der Schenkungsvertrag auf den Todesfall, den die Antragstellerin als Eintragungsgrundlage für sich in Anspruch nimmt, keine taugliche Eintragungsgrundlage, würde durch die Bewilligung unzulässig in das Eigentumsrecht der Einschreiterin eingegriffen. Zur Klärung dieser – die meritorische Berechtigung des Rechtsmittels betreffenden – Frage ist die Erbin daher rechtsmittellegitimiert (5 Ob 122/20g mwN). Das (außerbücherliche) Eigentumsrecht ist dabei urkundlich, etwa durch Vorlage der rechtskräftigen Einantwortungsurkunde nachzuweisen (vgl 5 Ob 62/15a).
[18] 3.1. Mit ihrem Rekurs legte die Einschreiterin das im Verlassenschaftsverfahren von der Gerichtskommissärin aufgenommene Protokoll der Verlassenschaftsabhandlung vom 30. 6. 2020 vor, aus dem ihre Erbantrittserklärung hervorgeht. Ein urkundlicher Nachweis für die im Rekurs behauptete rechtskräftige Einantwortung der Einschreiterin war diesem nicht angeschlossen; die Einschreiterin verwies dazu lediglich auf die Aktenzahl des beim Erstgericht geführten Verlassenschaftsverfahrens.
[19] 3.2. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, nach der dafür allein maßgeblichen Aktenlage habe die Einschreiterin damit weder urkundlich nachgewiesen, dass sie erbantrittserklärte Erbin sei, noch dass ihr der Nachlass mittlerweile rechtskräftig eingeantwortet worden sei. In ihrem Revisionsrekurs rügt die Einschreiterin, das Rekursgericht hätte, wenn es schon den urkundlichen Nachweis ihrer Rechtsmittellegitimation nicht als erbracht ansehe, sie aufzufordern gehabt, ihre Rechtsmittellegitimation durch Vorlage des Einantwortungsbeschlusses nachzuweisen. Diesen Einantwortungsbeschluss schloss die Klägerin ihrem Revisionsrekurs an.
[20] 3.3.1. Für das Grundbuchsverfahren eröffnete erstmals die Grundbuchs‑Novelle 2008 durch die Einführung des § 82a GBG die Möglichkeit einer Verbesserung. Weist ein Antrag ein Formgebrechen auf, das die ordnungsgemäße Behandlung zu hindern geeignet ist, so ist dem Antragsteller der Auftrag zu erteilen, das Formgebrechen längstens binnen einer Woche zu beseitigen (§ 82a Abs 1 erster Satz GBG). Als ein verbesserbares Formgebrechen ist es insbesondere anzusehen, wenn dem Antrag eine für die Erledigung erforderliche Urkunde nicht oder, falls dies vorgeschrieben ist, nicht in Urschrift angeschlossen ist (§ 82a Abs 2 erster Satz GBG). Wird in einem Rekurs gegen die Abweisung eines Antrags geltend gemacht, dass dem Antragsteller ein Auftrag iSd § 82a Abs 1 GBG zu erteilen gewesen wäre, so ist mit dem Rekurs auch das Formgebrechen zu beseitigen (§ 82a Abs 5 GBG).
[21] 3.3.2. Die Bestimmung des § 82a GBG bezieht sich nur auf den Antrag in erster Instanz. Die darin normierte Verbesserungsmöglichkeit schlägt aber wertungsmäßig auch auf das Rekursverfahren und auf Formmängel von Rechtsmitteln durch (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 123 GBG Rz 31; Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht2 Rz 280).
[22] 3.3.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgesprochen, dass sich die Bestimmungen des § 82a Abs 1 bis 3 GBG über die Beseitigung von Formgebrechen von Anträgen ausschließlich an das Grundbuchsgericht erster Instanz richten und das Rekursgericht deshalb kein Verbesserungsverfahren über den verfahrenseinleitenden Antrag durchführen darf (5 Ob 162/13d = RS0127162 [T1]). Dies mit der Begründung, dass dem Antragsteller die Abweisung seines Antrags wegen eines Formgebrechens zum Zeitpunkt der Rekurserhebung ohnehin bekannt ist und er daher weder eine Belehrung noch einen Auftrag zur Behebung des Formgebrechens benötigt. Dieses Argument überzeugt aber schon im Fall der Bewilligung des Antrags in erster Instanz nicht (5 Ob 50/15m). In der Literatur wird daher eine Verbesserungspflicht im Rekursverfahren bejaht, wenn das Rekursgericht den vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgrund verneint, aber (erstmals) erkennt, dass ein vom Erstgericht nicht erkanntes oder nicht offengelegtes Formgebrechen vorliegt, das nach § 82a GBG verbessert werden kann (Koller/Streller, Grenzen der Verbesserung nach § 82a GBG, NZ 2013, 242 [247]; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 82a GBG Rz 9). Das hat umso mehr zu gelten, wenn der Formmangel nicht den Antrag, sondern – wie hier – das Rechtsmittel, insbesondere das Rechtsmittel eines am Verfahren bisher nicht beteiligten Buchberechtigten betrifft. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung schon vor der GB‑Nov 2008 die Verbesserung durch Nachbringen der fehlenden Unterschrift auf einemRekurs oder Revisionsrekurs für zulässig angesehen (RS0111175). Einem Verbesserungsauftrag zur Behebung von Formmängeln eines Rekurses im Sinn des § 82a GBG und der allgemeinen Regel des § 10 Abs 4 AußStrG steht also nichts im Weg (Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht2 Rz 280).
[23] 3.4. Das vom Rekursgericht beanstandete Fehlen eines ausreichenden urkundlichen Nachweises der Eigenschaft der Einschreiterin als erbantrittserklärte oder als rechtskräftig eingeantwortete Erbin wäre daher Anlass für einen Verbesserungsauftrag gewesen. Der Nachweis ihrer Eigenschaft (wenigstens) als erbantrittserklärte Erbin hätte die Zulässigkeit des Rekurses zur Folge, wenn er als im Namen der Verlassenschaft erhoben anzusehen wäre. Dermit dem Revisionsrekurs vorgelegte Einantwortungsbeschluss kann daher iSd § 82a Abs 5 GBG noch in dritter Instanz berücksichtigt werden (vgl 5 Ob 82/15t).
[24] 4. Dem Revisionsrekurs ist demnach Folge zu geben. Da es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, nach Aufhebung eines Zurückweisungsbeschlusses des Rekursgerichts eine Sachentscheidung über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss zu fassen (RS0007037; zum Grundbuchsverfahren RS0007030), ist dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.
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