OGH 4Ob254/14b

OGH4Ob254/14b11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** P*****, vertreten durch Dr. Günther Riess, Dr. Erwin Köll, Mag. Christine Schneider, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Hauska & Matzunski Rechtsanwälte OG in Innsbruck, wegen (eingeschränkt) 125.242,26 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2014, GZ 10 R 71/14p ‑ 17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 8. Juli 2014, GZ 5 Cg 84/13a ‑ 13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.201,76 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 366,96 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Am 1. 8. 2012 bestellte sie diese Liegenschaft zur Sicherstellung aller Forderungen und Ansprüche aus Haupt‑ und Nebenverbindlichkeiten, welche der Beklagten gegen den Neffen der Klägerin, G***** M*****, insbesondere aus Darlehens‑ und Kreditverträgen erwachsen, zum Pfand; dies korrespondierend zum Abschluss zweier Kreditverträge zwischen der Beklagten und G***** M*****.

G***** M***** hat im Jahr 2007 das Bauunternehmen seines Vaters übernommen und arbeitete seit diesem Zeitpunkt als selbstständiger Unternehmer. Am 8. 10. 2012, also nur etwas mehr als zwei Monate nach der Kreditvergabe durch die Beklagte, wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Zwischen dem 1. 8. 2012 und dem 8. 10. 2012 gab es kein außergewöhnlich negatives Ereignis, das die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des G***** M***** bewirkt hätte. Vielmehr hat G***** M***** sein Unternehmen wie bisher geführt, und im Oktober 2012 konnte er die laufenden Zahlungen nicht mehr leisten.

Die Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens von G***** M*****, die die Beklagte zum Zeitpunkt der Kreditvergabe hatte, beruhten auf dessen Bilanzen aus den Jahren 2010 und 2011 und seinen Angaben. Darüber hinaus gab es lediglich ein Gespräch mit dem Steuerberater des Unternehmers, in dem dieser bestätigte, dass im Jahr 2011 aufgrund der Krankheit des G***** M***** keine Buchführung erfolgt sei. Die Beklagte wusste, dass mehrere Exekutionsverfahren gegen G***** M***** anhängig waren und dass seit der Eröffnung des Girokontos von G***** M***** bei der Beklagten am 5. 7. 2012 bis zum Abschluss des Kreditvertrags am 1. 8. 2012 keine Zahlungseingänge, sondern ausschließlich Zahlungsausgänge erfolgten. Eine KSV‑Abfrage hat die Beklagte entweder nicht durchgeführt oder deren negatives Ergebnis ignoriert. Auch eine Analyse der vorgelegten Bilanzen hat die Beklagte entweder gar nicht vorgenommen oder deren negatives Ergebnis ignoriert. Der ausschließlich entscheidende Punkt für die Kreditvergabe der Beklagten an G***** M***** war, dass er eine werthaltige Sicherheit von dritter Seite beibrachte. Allen Beteiligten, also insbesondere auch der Klägerin, war bekannt und klar, dass Zweck der Kreditvergabe die Bezahlung von „Altschulden“ des G***** M***** war. Die Klägerin stellte dem G***** M***** im Zuge der Kreditvergabe ‑ unter Einbindung der Beklagten und gegen Rückzahlung im Zuge der Auszahlung des Kreditbetrags ‑ zur Zwischenfinanzierung der Zahlung der dringendsten Steuerschulden auch den Betrag von 40.000 EUR zur Verfügung.

Zum Zeitpunkt der Kreditvergabe wusste die Beklagte zwar nicht, dass G***** M***** mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sein wird; sie hat es aber ernstlich für möglich gehalten und sich damit im Hinblick auf die von der Klägerin übernommene Sachhaftung abgefunden. Die Beklagte hatte auch keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kreditnehmers, sie hat es jedoch ernstlich für möglich gehalten, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch des G***** M***** unmittelbar bevorsteht und hat sich damit im Hinblick auf die von der Klägerin übernommene Sachhaftung abgefunden. Die Beklagte wusste damals auch, dass die Klägerin über die geschäftliche Gebarung des G***** M***** nicht Bescheid wusste und die Klägerin sich aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse keinen näheren Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens von G***** M***** verschaffen konnte, sodass die Beklagte damit rechnen musste, dass der Klägerin nicht bewusst war, dass G***** M***** mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sein wird. Wenn die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen hätte, dass G***** M***** mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sein wird, hätte die Klägerin ihre Liegenschaft nicht als Sicherheit begeben.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beglich die Klägerin den bei der Beklagten zu den Kreditkonten des G***** M***** per 16. 11. 2012 aushaftenden Gesamtsaldo von 136.845,87 EUR, um die Zwangsversteigerung ihrer Liegenschaft zu vermeiden. Nachdem die Klägerin diesen Betrag bezahlt hatte, übermittelte die Beklagte ihr mit Schreiben vom 14. 12. 2012 die entsprechende Löschungserklärung. Die Klägerin meldete die an die Beklagte geleistete Zahlung als Konkursforderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des G***** M***** an. Auf die Gläubiger entfiel eine Quote von 8,48 %, sodass die Klägerin aus dieser Forderung 11.604,61 EUR ausbezahlt erhielt.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten (zuletzt) die Zahlung von 125.242,26 EUR sA. Da die Klägerin irrtümlich davon ausgegangen sei, Bürgin oder Mithaftende zu sein, habe sie nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen ihres Neffen der Beklagten den gesamten ihr bekannt gegebenen Saldo bezahlt. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie als Realschuldnerin nur mit dem Wert der Liegenschaft von damals ca 80.000 EUR hafte. Die Beklagte habe die Klägerin bewusst im Irrglauben gelassen, sie müsse die gesamte Kreditverbindlichkeit bezahlen. Der über den Verkehrswert der Liegenschaft hinausgehende Betrag werde als Zahlung einer Nichtschuld kondiziert, weil die Beklagte die Klägerin diesbezüglich arglistig in Irrtum geführt habe. In diesem Umfang sei die Klägerin faktisch auch als Bürgin in Anspruch genommen worden, sodass die §§ 25c und 25d KSchG anzuwenden seien. Die Klägerin habe aber Anspruch auf Rückzahlung des gesamten (um die im Insolvenzverfahren lukrierte Zahlung von 11.604,61 EUR verminderten) Betrags, weil die Beklagte ihre Aufklärungs‑ und Warnpflichten verletzt habe. Die Beklagte habe Kenntnis von der schlechten wirtschaftlichen Situation des G***** M***** gehabt und gewusst, dass dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Kredit nicht zurückzahlen werde können. Die positive Kenntnis dieser Umstände sei einer bewusst in Kauf genommenen Unkenntnis gleichzusetzen. Auf Pfandbestellungen im fremden Interesse sei überdies § 25c KSchG analog anzuwenden.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Sie habe dem Neffen der Klägerin, G***** M*****, für Betriebsinvestitionen Kredite über 135.000 EUR gewährt und dafür Sicherheiten gefordert. G***** M***** habe daraufhin die Klägerin als Realschuldnerin angeboten. Die Besicherung mit deren, intern mit rund 95.000 EUR bewerteten Liegenschaft sei als ausreichend erachtet worden. Die Zahlungsunfähigkeit des G***** M***** oder dessen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenbruch habe die Beklagte aus den vorliegenden Informationen nicht ableiten können. Hingegen habe die Klägerin eine Nahebeziehung zu G***** M***** gehabt. Die Beklagte habe die Klägerin nicht in die Irre geführt. Die Klägerin habe gewusst, dass sie nur als Realschuldnerin hafte, die Übernahme einer Haftung als Bürgin sei nie im Gespräch gewesen. Da sie es nicht zu einer Versteigerung der Liegenschaft habe kommen lassen wollen, habe die Klägerin die Verbindlichkeit ‑ gut überlegt ‑ zur Gänze abgedeckt. Die §§ 25c und 25d KSchG seien auch nicht analog anwendbar. Der Kreditgeber sei nur in Ausnahmefällen verpflichtet, schlichte Pfandbesteller über die finanzielle Situation des Hauptschuldners aufzuklären. Diese Voraussetzungen seien nicht vorgelegen.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt. Nach ständiger Rechtsprechung komme die analoge Anwendung der §§ 25c und 25d KSchG auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung nicht in Betracht. Eine Bank sei aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 25c KSchG ausnahmsweise zur Warnung eines Interzedenten verpflichtet, wenn sie wisse, dass der Hauptschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sein werde, und wenn sie zudem damit rechnen müsse, dass dem Interzedenten dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst sei. Der Umstand, dass die Beklagte es hier zwar nicht gewusst, aber ernstlich für möglich gehalten habe, dass der Kredit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zurückgezahlt werden könne oder der wirtschaftliche Zusammenbruch unmittelbar bevorstehe, sei aber dem von der Rechtsprechung geforderten positiven Wissen gleichzuhalten. Es könne nicht sein, dass eine Bank ihre Sorgfalts‑ und Aufklärungspflicht gegenüber einem Pfandbesteller damit unterlaufe, dass sie die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers im Hinblick auf das Vorhandensein einer Pfandsache überhaupt nicht oder nur unzulänglich prüfe und sich dann darauf berufe, keine positive Kenntnis von der schlechten wirtschaftlichen Lage des Schuldners gehabt zu haben. Die Beklagte habe auch positive Kenntnis vom Irrtum der Klägerin bei der Pfandbestellung gehabt, da sie erkannt habe, dass diese keinen Einblick in die wirtschaftliche Situation des Unternehmens des G***** M***** gehabt habe. Bei entsprechender Warnung hätte die Klägerin die Pfandbestellung nicht vorgenommen. Da die Beklagte ihre Warn‑ und Aufklärungspflicht verletzt und die Klägerin (listig) in die Irre geführt habe, seien die Pfandbestellungsverträge unwirksam und die Klägerin habe Anspruch auf Rückzahlung der von ihr an die Beklagte geleisteten Zahlung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Richtig sei, dass nach der bisherigen Judikatur eine Warnpflicht der kreditgewährenden Bank außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG nur bei positiver Kenntnis der ruinösen Wirtschaftslage des Kreditnehmers bejaht worden sei. Die Argumentation des Erstgerichts, wonach die bedingt vorsätzlich in Kauf genommene Unkenntnis einer positiven Kenntnis gleichzusetzen sei, überzeuge jedoch. Einer Bank dürfe es nicht möglich sein, sich durch eine nur unzulängliche Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers gegenüber dem Interzedenten darauf berufen zu können, keine positive Kenntnis von der negativen wirtschaftlichen Lage gehabt zu haben. Anhaltspunkte in diese Richtung fänden sich etwa zu 8 Ob 5/11k, wo festgehalten worden sei, dass die genannte Warnpflicht dann bestehe, wenn „für die Bank erkennbar ist“, dass der wirtschaftliche Ruin des Hauptschuldners unmittelbar bevorsteht oder dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird. Diese Formulierung lasse offen, dass in krassen Einzelfällen ‑ wie hier ‑ die bloße „Erkennbarkeit“ genügen könne, um die Warnpflicht der Bank auszulösen. Die Anforderungen an die Bank dürften zwar nicht überspannt werden, im Besonderen dann nicht, wenn zwischen Hauptschuldner und dem Bürgen oder Pfandbesteller eine (besondere) Nahebeziehung bestehe. Eine Überspannung der Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank liege hier aber nicht vor. Den Feststellungen zufolge sei die Klägerin (aufgrund ihres Alters) nicht in der Lage gewesen, sich die entsprechenden Auskünfte über die wirtschaftliche Lage ihres Neffen zu verschaffen und der Beklagten sei dies auch bewusst gewesen. Das Verhältnis Tante/Neffe sei keinesfalls so eng, dass damit zwangsläufig ein Einblick in die wirtschaftliche Gebarung einhergehe. In konsequenter Fortschreibung der bisherigen Judikatur sei daher davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Aufklärungs‑ und Warnpflicht durch die kreditgewährende Bank gegenüber der Interzedentin gegeben gewesen seien.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsmeinung eine „Fortschreibung“ der bisher existierenden Judikatur zur Aufklärungs‑ und Warnpflicht der Bank gegenüber dem Pfandbesteller bedeute und der damit aufgeworfenen Frage eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise beantragt sie deren Aufhebung und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht.

Die Klägerin bestreitet in ihrer Revisionsbeantwortung die Zulässigkeit der Revision und beantragt, dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel wurde

geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Das Verbot der Überraschungsentscheidung bedeutet nicht, dass Gerichte ihre Rechtsansicht kundtun müssten; anderes würde nur gelten, wenn rechtserhebliche Tatsachen nicht vorgebracht worden wären (RIS‑Justiz RS0122749).

2.1 Zur Frage der vorvertraglichen Aufklärungspflichten einer Bank gegenüber Interzedenten (auch) außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG besteht eine umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung. Danach sind Banken nur in Ausnahmefällen verpflichtet, Interzedenten vor der Haftungsübernahme über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären (RIS‑Justiz RS0026779). Solche Personen haben vielmehr die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst einzuholen und auf deren Grundlage ihr finanzielles Risiko einzuschätzen (

10 Ob 91/11x;

7 Ob 260/06w; 8 Ob 81/03z ua).

2.2 Eine Warn‑ und Aufklärungspflicht besteht ausnahmsweise dann, wenn die Bank bereits vor Vertragsabschluss Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners hat und diesem gerade wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem noch einen Kredit gewährt (RIS‑Justiz RS0026805; RS0042562), oder wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Interzedenten allein ‑ abweichend von der (banküblichen) üblichen Funktion einer Interzession ‑ wird in Anspruch nehmen müssen (RIS‑Justiz RS0026488; RS0026805; RS0042562). In diesen Fällen besteht eine Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank (nur) dann, wenn die Bank zudem damit rechnen muss, dass dem Interzedenten dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst ist (RIS‑Justiz RS0026805 [T5], RS0026488 [T3]). Diese Grundsätze gelten insbesondere auch für die Pfandbestellung (7 Ob 260/06w; 8 Ob 81/03z; 1 Ob 93/02m ua).

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat die Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank (außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG) demnach zur Voraussetzung, dass die Bank von der kritischen wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners positive Kenntnis hat (6 Ob 158/12x; 6 Ob 249/10a; 4 Ob 14/09a; 1 Ob 83/08z; 9 Ob 85/02v; 8 Ob 302/01x; 2 Ob 104/01k uva). Deren bloße Voraussehbarkeit löst die Aufklärungspflicht eines Kreditgebers (noch) nicht aus (1 Ob 83/08z = RIS‑Justiz RS0026805 [T10]; RS0026488 [T13]).

3.2 Das Berufungsgericht zeigt zwar an sich zutreffend auf, dass die Entscheidung 8 Ob 5/11k nicht auf die (positive) Kenntnis oder das Wissen abstellt, sondern dem Wortlaut nach schon die Erkennbarkeit des unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Ruins des Hauptschuldners oder seiner Unfähigkeit zur Kreditrückzahlung genügen lässt, um eine entsprechende vorvertragliche Aufklärungs‑ und Warnpflicht zu bejahen. In dieser Entscheidung hatte die Differenzierung zwischen positiver Kenntnis und bloßer Erkennbarkeit aber keine Relevanz, weil im konkreten Fall Schutz‑ und Sorgfaltspflichten schon aus einem anderen Grund, namentlich dem Eigeninteresse des Mithaftenden an der Kreditgewährung, ausgeschlossen waren. Mangels Relevanz einer solchen Differenzierung ist der in dieser Entscheidung zur Darstellung der Judikatur gewählten Formulierung kein besonderer Aussagewert zu unterstellen. Ein inhaltliches Abgehen von der durch Verweis auf die entsprechenden Rechtssatzketten zitierten ständigen Rechtsprechung ergibt sich daraus daher jedenfalls nicht.

3.3 Gleiches gilt auch für ältere Entscheidungen, in welchen sich ebenfalls entsprechende auf die Erkennbarkeit Bezug nehmende Darstellungen der ständigen Rechtsprechung finden. Auch diese Entscheidungen setzen sich mit der Differenzierung zwischen positiver Kenntnis und bloße Erkennbarkeit inhaltlich nicht auseinander, weil solches für die jeweilige Entscheidung letztlich nicht ausschlaggebend war; sei es, weil ohnedies nicht einmal Erkennbarkeit zu bejahen war (1 Ob 93/02m; 8 Ob 253/99k; 8 Ob 2315/96s; 4 Ob 1687/95; 8 Ob 1016/93) oder eine Warn‑ und Aufklärungspflicht schon aus anderen Gründen jedenfalls zu verneinen war (8 Ob 81/03z; 8 Ob 11/92, vgl auch 4 Ob 1/99x). Lediglich in der Entscheidung 7 Ob 735/87 nahm der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob es für den Eintritt der Rechtsfolgen der Verletzung der Aufklärungspflicht genügt, dass die Bank entsprechende Kenntnis hätte haben müssen, ausdrücklich Stellung. Dies erscheine sehr fraglich, sei aber nicht zu entscheiden, weil die Bank im konkreten Fall nicht einmal erkennen hätte müssen, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch des Kreditnehmers unmittelbar bevorgestanden oder dass der Kredit notleidend sei. Andere Entscheidungen verwenden (positive) Kenntnis und Erkennbarkeit offenbar synonym (6 Ob 32/04f; 6 Ob 145/00t; 3 Ob 506/88; 3 Ob 554/86).

3.4 Auch 7 Ob 260/06w fasst die Rechtsprechung zur Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Interzedenten dahingehend zusammen, dass die Bank im Rahmen der vorvertraglichen Beziehung eine solche nur dann zu erfüllen hat, wenn für sie erkennbar ist, dass der wirtschaftliche Ruin des Hauptschuldners unmittelbar bevorsteht oder dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird. In dem dort zugrunde liegenden Fall hielt der Oberste Gerichtshof ‑ ausdrücklich ausgehend davon, dass die Beurteilung von Ausmaß und Inhalt der Beratungs‑ und Aufklärungspflicht einer Bank grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls sei ‑ die Verbreiterung der Tatsachengrundlage im Zusammenhang mit der Absehbarkeit des Scheiterns eines Projekts und damit der Nichtbedienung des dieses finanzierenden Kredits für erforderlich, um die Rechtssache abschließend entscheiden zu können.

Lege eine Bank bei der Prüfung der Ausfinanzierung des Projekts alle Förderungen zugrunde, obwohl noch keine verbindlichen Förderzusagen vorgelegen seien, also nicht einmal die Ausfinanzierung des Projekts und damit der künftige Bestand des Unternehmens vor Aufnahme des Betriebs gesichert gewesen sei, hätte eine Aufklärungs‑ und Warnpflicht der Bank dahin bestanden, dass die Förderungen zwar mündlich zugesagt, aber noch nicht bewilligt worden seien und daher zur Zeit nicht einmal die Ausfinanzierung des Projekts gesichert sei, bevor sie mit den wirtschaftlich an dem Projekt nicht Beteiligten Hypothekarverträge abgeschlossen habe. Könne ein Projekt nicht ausfinanziert werden, so sei dessen Scheitern im Hinblick auf die fehlenden Eigenmittel, die dies ausgleichen könnten, absehbar und im Sinne der Judikatur auch unmittelbar bevorstehend. In einem solchen Fall treffe die Bank Aufklärungs‑ und Warnpflichten, auch wenn sie im Allgemeinen zu keiner tiefgreifenden Prüfung der Realisierbarkeit des vom Hauptschuldner geplanten Projekts verpflichtet sei. Das von den Pfandbestellern übernommene Risiko gehe nämlich weit über die hier zu erwartende Pfandhaftung hinaus und umfasse auch das unternehmerische Risiko, dass ein ausfinanziertes Projekt wirtschaftlich nicht erfolgreich sei. Diese Aufklärungs‑ und Warnpflicht bestehe umso mehr, als die Bank selbst in die Förderungsverfahren eingebunden gewesen sei und über deren Stand besser Bescheid gewusst habe als die anderen Beteiligten.

Vor diesem spezifischen, den besonderen

Einzelfall prägenden Hintergrund sind die Ausführungen

zu 7 Ob 260/06w nicht verallgemeinerungsfähig, insbesondere ist die Entscheidung aufgrund der dargestellten besonderen einzelfallbezogenen

Umstände nicht als grundsätzliche Abkehr von dem Erfordernis der positiven Kenntnis zu sehen. Diese Entscheidung ist nach dem Verständnis des erkennenden Senats vielmehr Beispiel dafür, dass nach der Rechtsprechung Warn‑ und Aufklärungspflichten in besonderen Einzelfällen (abgesehen von den schon dargestellten Ausnahmefällen) auch immer dann zu bejahen sind, wenn die Bank eine für den Bürgen besonders gefährliche Situation erkennen musste (3 Ob 554/86; 4 Ob 524/85 ua; RIS‑Justiz RS0042562; P. Bydlinski in KBB 4 § 1346 Rz 19; Gamerith in Rummel , ABGB 3 Vor § 1360 ABGB Rz 2; Böhler in

Apathy/

Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht 2 VIII Rz 1/100).

3.5 Auch die Lehre versteht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fast ausnahmslos ‑ als ständige Rechtsprechung ‑ dahin, dass Aufklärungs‑ und Informationspflichten nur bei positiver Kenntnis der Bank von der entsprechend krass negativen wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners bestehen ( P. Bydlinski in KBB 4 § 1346 Rz 19; Gamerith in Rummel , ABGB 3 Vor § 1360 ABGB Rz 2; Schacherreiter in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 1299 ABGB Rz 67/2, 68; Karner in Kodek/

Schwimann 4 § 1300 ABGB Rz 88; Ofner in

Schwimann , ABGB-

TaKomm² § 1346 ABGB Rz 20; Böhler in

Apathy/

Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht 2 VIII Rz 1/100; Bollenberger , Drittpfandbestellung und Verbraucherschutz nach §§ 25c und 25d KSchG, ÖBA 2009, 654; ders , Vorvertragliche Aufklärungspflichten des Kreditgebers gegenüber dem Kreditnehmer ‑ eine Skizze, FS Koziol, 989; hingegen auf die Erkennbarkeit abstellend:

Mader/W.

Faber in Schwimann , ABGB 4 § 1364 Rz 5). Diese so verstandene Rechtsprechung stieß dabei auch auf keinerlei Kritik.

4.1 Als

Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach ‑ nach wie vor einheitlicher (vgl RIS‑Justiz RS0042690 [T1]; RS0042668) ‑ höchstgerichtlicher Rechtsprechung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG die bloße Erkennbarkeit der entsprechend kritischen wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners zur Begründung einer Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank nicht genügt; die Bank muss vielmehr positiv Kenntnis davon haben, dass der Hauptschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird, oder dessen Zahlungsunfähigkeit oder wirtschaftlicher Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht.

4.2 Die Argumentation der Vorinstanzen bietet keinen

Anlass, von dieser Rechtsprechung

abzugehen. Deren Einwand, einer Bank dürfe es nicht möglich sein, sich durch eine nur unzulängliche Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers gegenüber dem Interzedenten darauf berufen zu können, keine positive Kenntnis von der negativen wirtschaftlichen Lage gehabt zu haben, basiert auf der Annahme einer entsprechenden Nachforschungspflicht der Bank, zumal erst diese die Erkennbarkeit mit dem Vorwurf der fahrlässigen Unkenntnis verknüpft. Eine solche Nachforschungspflicht besteht jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG gerade nicht, insbesondere kommt eine analoge Anwendung der §§ 25c ff KSchG auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung (auch bei Verbraucherverträgen) nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0116829).

Im Allgemeinen ist die Anerkennung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den in einem beweglichen System zusammenspielenden Kriterien Informationsbedarf, Möglichkeit der Information und Funktionsverteilung zu beurteilen (vgl Böhler in

Apathy/

Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht 2 VIII Rz 1/97; Bollenberger , Drittpfandbestellung und Verbraucherschutz nach §§ 25c und 25d KSchG, ÖBA 2009, 654). Die Anforderungen an die kreditgebende Bank dürfen dabei nicht überspannt werden, Interzedenten haben die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst einzuholen und auf deren Grundlage ihr finanzielles Risiko einzuschätzen (

10 Ob 91/11x;

7 Ob 260/06w; 8 Ob 81/03z).

Gerade der Pfandbesteller darf nicht damit rechnen, die Bank werde in seinem Interesse eine tiefgehende Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners vornehmen und ihn über deren Ergebnis aufklären, sollte eine Pfandbestellung nicht risikolos möglich sein (RIS‑Justiz RS0026488 [T7]; RS0026779 [T8]). Die Annahme einer solchen der Warnpflicht vorgeschalteten Nachforschungspflicht würde von der Bank verlangen, gegen ihr Geschäfts‑ und Sicherungsinteresse zu agieren, hat doch die Übernahme einer Pfandhaftung durch einen Dritten geradezu den Zweck, auch eine nach der derzeitigen Einkommens‑ und Vermögenslage des Hauptschuldners nicht (vollständig) gesicherte und daher riskante Kreditgewährung zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0026779 [T9]). Eine Warnpflicht der Bank ist daher nur im Falle positiver Kenntnis zu bejahen, weil die Weitergabe präsenten Wissens diese, anders als es eine Aufklärungspflicht mit der Vorschaltung einer Nachforschungspflicht täte, nur in relativ geringer Weise belastet (vgl Bollenberger , Drittpfandbestellung und Verbraucherschutz nach §§ 25c und 25d KSchG, ÖBA 2009, 654 f).

5.1 Im Ergebnis ist für die Revisionswerberin damit allerdings nichts gewonnen.

5.2 Die Beratungspflichten und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0106373; RS0111165 [T3]; vgl auch RS0116208). Der Oberste Gerichtshof hat ‑ wie bereits aufgezeigt ‑ Warn‑ und Aufklärungspflichten in besonderen Einzelfällen wiederholt dann bejaht, wenn die Bank eine für den Interzedenten besonders gefährliche Situation erkennen musste (7 Ob 260/06w; 3 Ob 554/86; 4 Ob 524/85 ua; RIS‑Justiz RS0042562; P. Bydlinski in KBB 4 § 1346 Rz 19; Gamerith in Rummel , ABGB 3 Vor § 1360 ABGB Rz 2; Böhler in

Apathy/

Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht 2 VIII Rz 1/100). Offensichtlich in diesem Sinne qualifizierte das Berufungsgericht den vorliegenden Sachverhalt als einen „krassen Einzelfall“, in dem bloße „Erkennbarkeit“ genügen könne, um die Warnpflicht der Bank auszulösen. Diese Beurteilung ist angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

5.3 Nach den Feststellungen verzichtete die Beklagte offensichtlich nicht nur auf eine mit der notwendigen kaufmännischen Sorgfalt durchgeführte Bonitätsprüfung (oder ignorierte deren Ergebnisse), sie hat es vielmehr „ernstlich für möglich“ gehalten, dass der Hauptschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sein wird, sowie dass dessen Zahlungsunfähigkeit eintritt oder dessen wirtschaftlicher Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht. Das Erstgericht, das sich erkennbar an der strafrechtlichen Terminologie des § 5 StGB orientierte, schloss dabei eine positive Kenntnis zwar ausdrücklich aus, sodass die Beklagte (im Sinne der Wissentlichkeit des § 5 Abs 3 StGB) nicht wirklich Gewissheit hatte. Die Beklagte hielt es aber „ernstlich für möglich“ (bedingter Vorsatz iSd § 5 Abs 1 StGB), schätzte das Risiko also so hoch ein, dass sie die Möglichkeit des wirtschaftlichen Zusammenbruchs als naheliegend ansah (vgl 12 Os 153/12k). Dieses Erkennen einer für die Klägerin besonders gefährlichen Situation ist ein präsentes Wissen um ein besonderes Risiko und nicht mehr nur bloße Erkennbarkeit. Die entsprechende Aufklärung und Warnung war der Beklagten daher nicht nur zumutbar, sie war angesichts dessen, dass sie wusste, dass die Klägerin ungeachtet ihrer (in diesem Sinne formalen) Nahebeziehung zum Hauptschuldner keinen Einblick in dessen wirtschaftliche Lage hatte und sich diesen auch nicht selbst verschaffen konnte, auch geboten.

6. Die Richtigkeit der von den Vorinstanzen aus der Verletzung der (im Ergebnis zu Recht) bejahten Aufklärungs‑ und Warnpflicht abgeleiteten Rechtsfolgen war schon im Berufungsverfahren nicht (mehr) strittig (vgl RIS‑Justiz RS0043352, insbesondere [T27, T33]). Damit erweist sich die Revision als unbegründet. Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Klägerin zu der ihrer Ansicht nach entgegen der aktuellen Judikatur gebotenen analogen Anwendbarkeit der §§ 25c und 25d KSchG erübrigt sich damit. Einer beschlussmäßigen Zurückweisung der diesbezüglichen (ausdrücklich als solche bezeichneten)

Anregung der Klägerin auf eine

Gesetzesprüfung beim

Verfassungsgerichtshof bedarf es nicht (RIS‑Justiz RS0058452 [T8]).

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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