OGH 1Ob93/02m

OGH1Ob93/02m11.6.2002

Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Johannes Marchtrenker, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wider die beklagten Parteien 1) Philipp S*****, 2) Maria S*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2 Mio S (= 145.345,67 EUR) sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2002, GZ 11 R 197/01y-25, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 6. Juni 2001, GZ 6 Cg 98/00t-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 10.313,21 EUR (darin 940,25 EUR Umsatzsteuer und 4.671,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei stand zumindest seit 1993 durch die Gewährung von Krediten in Geschäftsbeziehung mit einer GmbH, die ein Transportunternehmen betrieb. Deren Geschäftsführer war der Schwiegersohn der Beklagten. Aufgrund der Verträge vom 8. 8. 1995 räumte die klagende Partei der Gesellschaft für den Ankauf von Lastkraftwagen Kredite von 1,171.200 S und 918.000 S ein. Kraft Vertrags vom 8. 1. 1996 gewährte die klagende Partei der Gesellschaft einen weiteren Kredit von 5,5 Mio S für den Kauf eines Grundstücks, eines Bürogebäudes und eines Lastkraftwagens samt Aufbau. Die Gesellschaft übernahm nach den Kreditverträgen die Verpflichtung, zur Besicherung ihrer Verbindlichkeiten Bürgen zu stellen und Liegenschaften "zum Pfand zu bestellen". Aufgrund der notariellen Pfandbestellungsurkunde vom 2. 8./8. 8. 1995 verpfändeten die Beklagten der Klägerin die ihnen je zur Hälfte gehörende Liegenschaft zur Sicherstellung aller Forderungen an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten bis zum Höchstbetrag von 2 Mio S, die der klagenden Partei gegen die Gesellschaft "aus bereits gewährten und zukünftig zu gewährenden Darlehen, Geld-, Haftungs- oder Garantiekrediten erwachsen sind und in Hinkunft erwachsen werden". Auf der Pfandliegenschaft steht das von den Beklagten bewohnte Einfamilienhaus. Die Beklagten waren bei Unterfertigung der Pfandbestellungsurkunde Pensionisten und hatten einen Pensionsbezug von zusammen 15.000 S (monatlich) netto. Die Gesellschaft leistete zumindest bis 1997 Kreditrückzahlungen "aus den Erlösen des laufenden Betriebs". Die klagende Partei kannte die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft bei Kreditgewährung "nur aus Saldenlisten" sowie den Angaben deren Geschäftsführers und dessen "in der Buchhaltung tätigen Gattin, nicht aber aus Bilanzen". Der Geschäftsführer und dessen Gattin sicherten der klagenden Partei noch 1997 zu, "der Betrieb habe sich konsolidiert und die Auftragslage sei mehr als zufriedenstellend". Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 10. 1. 2000 wurde über das Gesellschaftsvermögen der Konkurs eröffnet. Zum Stichtag 30. 1. 2001 hafteten aus Kreditverbindlichkeiten der Gesellschaft zumindest 10 Mio S (= 726.728,34 EUR) unberichtigt aus.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 2 Mio S (= 145.345,67 EUR) bei Exekution in die verpfändete Liegenschaft. Sie brachte vor, die gewährten Kredite seien fällig gestellt worden. Es hafteten insgesamt 10 Mio S (= 726.728,34 EUR) unberichtigt aus. Die im Konkurs befindliche Gesellschaft als Kreditschuldnerin sei vermögenslos. Die Beklagten seien aufgrund ihrer Haftung als Pfandschuldner erfolglos zur Zahlung aufgefordert worden. Ihr Sittenwidrigkeitseinwand sei schon deshalb unzutreffend, weil es an einem Missverhältnis zwischen der übernommenen Haftung und deren Vermögen mangle. Die klagende Partei habe versucht, laufend Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu erhalten. Diese sei von deren Geschäftsführer und dessen Ehegattin als "sehr zufriedenstellend" bezeichnet worden. Die Bilanz über das Geschäftsjahr 1995 sei trotz mehrmaliger Aufforderung erst im Dezember 1997 vorgelegt worden. Die Beklagten seien über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft durch ihren Schwiegersohn, den Geschäftsführer der Gesellschaft, und ihre Tochter, die "sämtliche Bürotätigkeiten" der Gesellschaft besorgt habe, laufend informiert worden.

Die Beklagten wendeten ein, die Gesellschaft sei schon bei Kreditgewährung 1995 "hoffnungslos" überschuldet, aber auch zahlungsunfähig gewesen. Sie sei "nur mehr durch die Kredite" der klagenden Partei "am Leben erhalten" worden. Die klagende Partei habe diese wirtschaftliche Lage gekannt. Zumindest sei ihr aber grob fahrlässige Unkenntnis anzulasten. Die klagende Partei habe offenkundig versucht, das wirtschaftliche Risiko einer Kreditgewährung auf sie - die Beklagten - abzuwälzen. Sie seien in geschäftlichen Angelegenheiten unerfahren, mit dem Geschäftsführer der Gesellschaft verschwägert und daher "gefühlsmäßig an ihn gebunden". Auf der verpfändeten Liegenschaft sei ihr schon "langjährig" bewohntes Einfamilienhaus errichtet. Ihr monatliches Einkommen belaufe sich auf insgesamt etwa 15.000 S (= 1.090,09 EUR). Der Pfandbestellungsvertrag sei zufolge Sittenwidrigkeit nichtig.

Abgesehen vom eingangs wiedergegebenen, für diese Entscheidung maßgebenden Sachverhalt traf das Erstgericht noch die im Berufungsverfahren gerügte, von der zweiten Instanz jedoch nicht überprüfte Feststellung, die Gesellschaft sei im Zeitpunkt der Unterfertigung der Pfandbestellungsurkunde durch die Beklagten "nicht allein durch die (von der klagenden Partei) gewährten Kredite 'am Leben gehalten' worden".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach dessen Ansicht war "die Annahme des Pfandes" durch die klagende Partei nicht sittenwidrig. Da die Gesellschaft bei Kreditgewährung nicht insolvent gewesen sei, habe die klagende Partei keine Aufklärungspflicht verletzt. Der Gläubiger müsse den Pfandbesteller über das Risiko einer Verpfändung überdies nur dann aufklären, wenn der wirtschaftliche Zusammenbruch des Hauptschuldners schon eingetreten sei oder unmittelbar bevorstehe. Diese Voraussetzung sei bei einer Konkurseröffnung fünf Jahre nach Kreditgewährung nicht erfüllt. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft seien auf die reine Sachhaftung nicht übertragbar. Der Pfandschuldner hafte nicht unbeschränkt, sondern nur bis zur Höhe des Werts der Pfandsache. § 25c KSchG sei noch nicht anwendbar. Außerdem betreffe diese Regelung nur die persönliche Haftung eines Bürgen oder Mitschuldners, nicht dagegen die Realhaftung eines Pfandschuldners.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, und sprach ferner aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach dessen Ansicht ist die Pfandbestellung ein Fall der Interzession. Eine Bank sei nur dann zur Warnung bzw Aufklärung eines Bürgen oder Pfandbestellers vor Vertragsabschluss verpflichtet, wenn ihr die Zahlungsunfähigkeit oder der unmittelbar bevorstehende wirtschaftliche Zusammenbruch des Hauptschuldners bekannt sei. Eine Aufklärungspflicht bestehe auch dann, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners von vornherein wisse, dass letzterer einen Kredit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht werde zurückzahlen können. Eine solche Warn- bzw Aufklärungspflicht habe die klagende Partei nicht verletzt, könne ihr doch nach den getroffenen Feststellungen die positive Kenntnis des drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Gesellschaft als Kreditnehmerin nicht unterstellt werden. Der Pfandbestellungsvertrag sei noch vor Inkrafttreten des § 25c KSchG geschlossen worden, weshalb diese Bestimmung nicht anwendbar sei. Rechtsgeschäftliche Haftungserklärungen volljähriger Familienmitglieder seien jedoch nach gefestigter Rechtsprechung dann sittenwidrig, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen der Vermögenssituation des Interzedenten und dem Umfang der eingegangenen Schuld bestehe, das Zustandekommen des Geschäfts infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten zu missbilligen und dem Gläubiger die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dieser Umstände anzulasten sei. Wenngleich für die Pfandhaftung in der Regel auch zutreffen möge, dass der Pfandschuldner seine Zukunft durch die Pfandbestellung nicht "massiv" belaste, so lehre der Anlassfall denkbare Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die Beklagten hätten bei Abschluss des Pfandbestellungsvertrags nur eine Nettopension von insgesamt 15.000 S bezogen, auf der verpfändeten Liegenschaft befinde sich das von ihnen bewohnte Einfamilienhaus. Anhaltspunkte für weiteres Vermögen der Pfandschuldner fehlten. Hätten die über 70-jährigen Beklagten keine Möglichkeit zur Abwehr der von der klagenden Partei in Anspruch genommenen Sachhaftung, würden sie nach dem wirtschaftlichen Ergebnis einer Klagestattgebung "ihrer Wohnmöglichkeit beraubt", weil sie angesichts ihres derzeitigen Pensionseinkommens von 1.215,67 EUR monatlich mit der Finanzierung einer anderen Wohnmöglichkeit hoffnungslos überfordert wären. Es bestünden daher keine grundsätzlichen Bedenken, die zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft entwickelten Krtierien auch auf die Pfandhaftung zu übertragen. Die "Sinnlosigkeit" einer Interzession nach der Interessenlage des Gläubigers sei nicht Voraussetzung eines Sittenwidrigkeitsurteils. Ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten läge dann vor, wenn der Wert der verpfändeten Liegenschaft den Haftungsbetrag nicht wesentlich überstiege. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ein solches Missverhältnis herausstellen, werde die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft als Hauptschuldnerin bei Abschluss des Pfandbestellungsvertrags zu prüfen sein. Sollte diese schon damals überschuldet bzw zahlungsunfähig gewesen sein, sei vor dem Hintergrund einer allenfalls "verdünnten Willensfreiheit" der Beklagten zu prüfen, "auf wessen Initiative es zum Abschluss des Pfandbestellungsvertrags" gekommen sei "und aus welchen Gründen sich die Beklagten zur Übernahme der Sachhaftung bereit erklärt" hätten. Schließlich komme es für die Beurteilung der Berechtigung der Sittenwidrigkeitseinrede noch darauf an, ob der klagenden Partei "zumindest (eine) fahrlässige Unkenntnis des krassen Missverhältnisses und der 'verdünnten Entscheidungsfreiheit' anzulasten" sei. Das hänge davon ab, welche Informationen die klagende Partei zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft eingeholt habe, welche Erklärungen dabei abgegeben worden seien und ob der klagenden Partei die "persönliche Beziehung" der Beklagten zum Geschäftsführer der Gesellschaft bekannt gewesen sei. Sollte die klagende Partei von einer allfälligen schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft bei Abschluss des Pfandbestellungsvertrags nichts gewusst haben, so könnte sie das von einem Fahrlässigkeitsvorwurf nicht entlasten, wenn die Behauptungen der Beklagten über Bilanzverluste und die mangelnde Ausstattung der Hauptschuldnerin mit Eigenkapital zuträfen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob die "Grundsätze der (Teil-)sittenwidrigkeit von 'Angehörigenbürgschaften'" auch auf Pfandbestellungsverträge anzuwenden seien.

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Sittenwidrigkeit von Interzessionen

Der erkennende Senat setzte sich in der Entscheidung 1 Ob 87/98w (= SZ 71/117) mit der im Schrifttum an Begründungsdetails der Leitentscheidung 1 Ob 544/95 (= SZ 68/64) zur Sittenwidrigkeit von Interzessionen durch Familienangehörige geübten Kritik auseinander und gelangte dort auch unter Berufung auf die Entscheidung 2 Ob 156/97y (= JBl 1998, 36) zum Ergebnis, das die weitere Inhaltskontrolle der Interzession auslösende Element sei - offenkundig in Anlehnung an den Wuchertatbestand des § 879 Abs 1 Z 4 ABGB - immer ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Interzedenten (so etwa auch 9 Ob 48/97t). Erst wenn ein solches Missverhältnis feststehe, bildeten die für die Inhaltskontrolle sonst rechtserheblichen, in der Entscheidung 1 Ob 544/95 demonstrativ aufgezählten und im Schrifttum abstrahierend in Gruppen geordneten Gesichtspunkte ein bewegliches Beurteilungssystem, dessen Anwendung ein Sittenwidrigkeitsurteil dann erlaube, wenn entsprechende Indikatoren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in allen drei Systemelementen verwirklicht gewesen seien und diesen in der Gesamtschau - je nach den Umständen des Einzelfalls - erhebliches Gewicht beizumessen sei. Dass das Vorliegen des erörterten Missverhältnisses die Grundvoraussetzung jeder weiteren Inhaltskontrolle der Interzession nach den in der Leitentscheidung 1 Ob 544/95 behandelten Sittenwidrigkeitskriterien sei, wurde schließlich auch in der Entscheidung 8 Ob 253/99k (ÖBA 2001, 170) hervorgehoben. Dieser - von den Beklagten in seiner Bedeutung für die Auslösung der Sittenwidrigkeitskontrolle missverstandene - Gesichtspunkt, an dem festzuhalten ist, steht mit der Entwicklung der deutschen Rechtsprechung (NJW 2002, 744; NJW 2001, 815; NJW 1999, 2584; Tiedtke, Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Bürgschaftsrechts seit 1997, NJW 2001, 1015, 1022 f), deren Erwägungen schon für die Leitentscheidung 1 Ob 544/95 ausschlaggebend waren, nach wie vor im Einklang.

2. Pfandbestellung als Interzession

Interzedenten sind Personen, die eine Haftung in fremdem Interesse übernehmen (1 Ob 132/01w; Apathy in Schwimann, ABGB² VI § 25c KSchG Rz 1; P. Bydlinski, Die Sittenwidrigkeit von Haftungsverpflichtungen, ZIK 1995, 135, 139) und daher für eine materiell fremde Schuld einzustehen haben (Apathy aaO; RV 311 BlgNR 20. GP, 25 [zur Novellierung des KSchG durch BGBl I 1997/6]). Danach fällt auch der Pfandbestellungsvertrag in die Kategorie der Interzessionsgeschäfte. Die reine Sachhaftung aufgrund eines solchen Vertrags unterscheidet sich jedoch von anderen Interzessionstypen von vornherein dadurch, dass sie immer durch den Wert des verpfändeten Vermögens begrenzt ist und sich der Pfandgläubiger im Verhältnis zum Pfandschuldner nur aus dem Pfanderlös befriedigen kann. Deshalb ist ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pfandschuldners als Interzedenten sowohl im Zeitpunkt der Pfandbestellung als auch später ausgeschlossen, muss doch der Pfandschuldner für eine materiell fremde Schuld nur mit einem im Zeitpunkt der Verpfändung schon vorhandenen Vermögenswert einstehen. Durch eine derartige Interzession kann daher gar keine krasse Überforderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Interzedenten eintreten, ein Umstand, auf den bereits P. Bydlinski (ZIK 1995, 136 FN 14) hinwies. Im Anlassfall mangelt es daher - im Lichte der Erläuterungen unter 1. - schon an einem krassem Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten als Ausgangspunkt jeder Sittenwidrigkeitskontrolle. Schon deshalb ist die behauptete Sittenwidrigkeit des konkreten Pfandbestellungsvertrags zu verneinen. Somit ist es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Pfandbestellungsvertrags - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht von Bedeutung, ob der Pfandschuldner nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in der Lage sein werde, einen dem verwerteten Pfand gleichwertigen Vermögenswert wiederzubeschaffen. Die Beklagten hatten vielmehr bei der Willensbildung über das Pfandbestellungsverlangen eigenverantwortlich zu beurteilen, ob sie im Falle einer schlagend gewordenen Pfandhaftung auch eine fühlbare Einschränkung ihres Lebensstandards in Kauf nehmen wollen, weil es ihnen an Mitteln fehle, eine im Interesse der Gläubigerbefriedigung verwertete Pfandsache durch einen gleichwertigen Vermögenswert zu ersetzen. Ob der durch die Novelle BGBl I 1997/6 eingefügte § 25c KSchG - der Ansicht Apathys (aaO) folgend - analog auch auf die Interzession durch Pfandbestellung anzuwenden sei, obgleich der Gesetzgeber damit keine allgemein gefasste Verbraucherschutzbestimmung schuf, sondern nur bestimmte Schuldrechtstypen anführte und in den Gesetzesmaterialien ferner hervorhob, die Reform des Verbraucherschutzes solle "die Interessen der Wirtschaft nicht über Gebühr" beeinträchtigen (RV 311 BlgNR 20. GP, 8, 10), muss hier nicht beurteilt werden, weil jene gesetzliche Bestimmung gemäß § 41a Abs 4 Z 2 KSchG nur auf Interzessionsverträge anwendbar ist, die vor dem 1. 1. 1997 geschlossen wurden.

3. Interzession und Aufklärungspflichten

3. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die fortzuschreiben ist, sind Banken nur in Ausnahmefällen verpflichtet, etwa Bürgen vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären. Solche Personen haben vielmehr die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst einzuholen und auf deren Grundlage ihr finanzielles Risiko einzuschätzen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Bürge in einer Nahebeziehung zum Schuldner steht und von diesem selbst alle näheren Auskünfte fordern und erlangen kann. Diesfalls darf die Bank annehmen, dass der Bürge gerade wegen seiner Nahebeziehung zum Schuldner für dessen Verbindlichkeiten einstehen wolle, um von diesem allenfalls schwerwiegende Nachteile abzuwenden. Lediglich wenn für die Bank erkennbar ist, dass der wirtschaftliche Ruin des Hauptschuldners unmittelbar bevorstehe oder dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein werde, und die Bank damit rechnen muss, dass diese Umstände dem nahen Angehörigen nicht ebenfalls bekannt seien, hat sie im Rahmen der vorvertraglichen Beziehung eine entsprechende Aufklärungs- und Warnpflicht zu erfüllen (ÖBA 2001, 170; 8 Ob 2315/96s; 4 Ob 1687/95 je mwN; siehe ferner 8 Ob 4/01y; SZ 70/182 - je ohne den Aspekt eines Naheverhältnisses zwischen Hauptschuldner und Bürgen). Diese Grundsätze gelten auch für die Pfandbestellung (6 Ob 145/00t; 10 Ob 427/97k; siehe ferner SZ 57/70; SZ 56/81 - je ohne den Gesichtspunkt eines Naheverhältnisses zwischen Hauptschuldner und Pfandbesteller). Der Pfandbesteller darf vor allem auch nicht damit rechnen, die Bank werde in seinem Interesse eine tiefgehende Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners vornehmen und ihn über deren Ergebnis aufklären, sollte eine Pfandbestellung nicht risikolos möglich sein (SZ 57/70; SZ 56/81). Die Annahme einer solchen Warnpflicht würde von der Bank verlangen, gegen ihr Geschäfts- und Sicherungsinteresse zu agieren, hat doch die Übernahme einer Pfandhaftung durch einen Dritten geradezu den Zweck, auch eine nach der derzeitigen Einkommens- und Vermögenslage des Hauptschuldners nicht (vollständig) gesicherte und daher riskante Kreditgewährung zu ermöglichen. Im Übrigen ist anzumerken, dass hier nicht zu beurteilen ist, ob der Umfang der erörterten Aufklärungspflicht des Gläubigers durch § 25c KSchG für die von dessen Tatbestand erfassten Interzessionsgeschäfte verschärft wurde (siehe zu den Voraussetzungen und zum Umfang der Nachforschungs- und Informationspflicht nach dieser Regelung 1 Ob 132/01w; 1 Ob 29/01y).

3. 2. Vom Berufungsgericht wurde zutreffend erkannt, dass die klagende Partei die zuvor erörterte Aufklärungspflicht einer kreditgewährenden Bank nicht verletzte. Es steht fest, dass die Hauptschuldnerin bis 1997 Kreditrückzahlungen aus den Erlösen des laufenden Betriebs ihres Unternehmens leistete, die klagende Partei deren wirtschaftliche Lage nur aus "Saldenlisten" und den Erläuterungen ihres Geschäftsführers und seiner Ehegattin kannte. Die klagende Partei hatte daher nach ihrem Kenntnisstand bei Begründung der Pfandhaftung keinen Grund zur Annahme, dass der wirtschaftliche Ruin der Hauptschuldnerin unmittelbar bevorstehe oder diese zur Kreditrückzahlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein werde. Gegen das Vorliegen eines ausreichenden Tatsachensubstrats für eine solche Annahme spricht ferner auch der Umstand, dass die Konkurseröffnung über das Gesellschaftsvermögen erst mehr als vier Jahre später erfolgte. Diesem Ergebnis treten auch die Beklagten nicht entgegen.

4. Ergebnis

Aufgrund aller bisherigen Erwägungen ist gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen. Das führt zur Wiederherstellung des Ersturteils, weil eine Sittenwidrigkeit des Pfandbestellungsvertrags zu verneinen ist und die klagende Partei nach bereits feststehenden Tatsachen auch eine vorvertragliche Aufklärungspflicht nicht verletzte.

5. Kosten

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Für die Berufungsbeantwortung stehen der klagenden Partei nach § 23 Abs 9 RATG nicht wie verzeichnet 200 %, sondern nur 150 % Einheitssatz zu, weil eine Berufungsverhandlung nicht stattfand. Die tarifliche Grundlage für die Berechnung des Rekurshonorars beträgt 1.138,41 EUR.

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