OGH 4Ob67/12z

OGH4Ob67/12z2.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** G*****, vertreten durch Mag. Ernst Michael Lang, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei P***** K*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, wegen 10.000 EUR sA, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2012, GZ 2 R 7/12p‑38, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 22. Juni 2011, GZ 4 C 2299/09m‑30, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

A. Der Revision des Beklagten wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Verfahrens über die Revision des Beklagten sind weitere Verfahrenskosten.

B. Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 62,28 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger wollte im Sommer 2008 10.000 EUR anlegen. Zu diesem Zweck wandte er sich an den beklagten Vermögensberater, den er von früher kannte. Er suchte nach einer „lukrativeren Anlagemöglichkeit als auf einem Sparbuch“ und war bereit, „ein höheres Risiko als bei einem Sparbuch“ auf sich zu nehmen.

Bei einem ersten Gespräch Mitte Juli 2008 erörterten der Kläger und der Beklagte zwei Anlagemöglichkeiten. Der Beklagte schlug zunächst eine Immobilienbeteiligung vor, deren Behaltedauer dem Kläger aber zu lang war. Als Alternative besprachen die Parteien einen „von Computerprogrammen gesteuerten“ Handel mit Devisen, den eine Schweizer GmbH anbot. Der Beklagte stellte die Anlage als äußerst interessant, lukrativ und auch „sicher“ dar. Er legte dem Kläger Charts vor, die über einen Zeitraum von fünf Jahren ausschließlich Gewinne auswiesen. Der Kläger war begeistert.

Am 31. Juli 2008 sprachen die Parteien nochmals über die geplante Veranlagung. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass er sich zwölf Monate binden müsse, aber in dringenden Fällen einen Teil der Anlage auch vorzeitig beheben könne. In diesem Fall werde er die weiteren Schritte gegenüber der Schweizer GmbH setzen. Weiters legte er dem Kläger einen einseitigen „Darlehensvertrag“ vor, der weder eine bestimmte Verzinsung noch eine „garantierte“ Rückzahlung des Kapitals vorsah. In Punkt „4. Sicherstellung“ hieß es:

„Es sind von beiden Vertragsteilen ausdrücklich keine weiteren Sicherstellungen irgendwelcher Art und Form vereinbart. Dem Darlehengeber ist somit bekannt, dass dadurch auch der Totalverlust der gesamten Darlehenssumme inkl. möglichen Ertrag eintreten kann. Der Darlehengeber verzichtet bei Teil- oder Totalverlust ausdrücklich auf eine Anfechtung auf dem Rechtsweg, oder in irgendwelcher anderen Art und Form.“

Aufgrund dieser Klausel sprachen die Parteien auch über die Möglichkeit eines Totalverlusts. Der Kläger ließ sich aber durch die in Aussicht gestellte Möglichkeit der vorzeitigen Behebung und die sonstigen Erläuterungen des Beklagten beruhigen. Er unterzeichnete den Darlehensvertrag und übergab dem Beklagten 10.000 EUR. Dieser leitete das Geld an den Geschäftsführer einer Vertriebspartnerin der Schweizer GmbH weiter, der auch den Vertrag unterfertigte und mit dem Firmenstempel der GmbH versah. Der Kläger erhielt die „Zugangsdaten“ zu seinem „Konto“, auf dem er im Internet die „monatlichen Gewinnzuwächse“ überprüfen konnte. Bis Juni 2009 wies das Konto monatliche „Gewinne“ in unterschiedlicher Höhe auf.

Im Juni 2009 wollte der Kläger seine Veranlagung ausgezahlt haben. Der Beklagte kündigte daher dessen „Konto“ bei der GmbH zum 1. Oktober 2009. Der Kläger rechnete aufgrund seines „Kontostands“ mit der Auszahlung von 11.951,32 EUR. Als er etwa zwei Monate später sein „Konto“ im Internet nicht mehr einsehen konnte, kontaktierte er telefonisch den Beklagten, der ihm mitteilte, dass etwas faul sei. Sein Geld erhielt der Kläger nicht mehr zurück.

Tatsächlich hatte die Schweizer GmbH das Geld nie in Devisen investiert. Die Website, über die die Gewinne der Investitionen eingesehen werden konnten, diente dazu, den Anlegern eine solche Veranlagung vorzutäuschen; die dort angezeigten Beträge waren rein fiktiv. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass von der GmbH nichts mehr zu bekommen ist.

Der Beklagte war durch einen anderen Vermögensberater auf die Schweizer GmbH aufmerksam geworden und hatte sich an ihren Sitz begeben, um sich über sie zu informieren. Dort hatte er den Geschäftsführer der Vertriebspartnerin getroffen, der sich ihm gegenüber (unrichtig) als Geschäftsführer der GmbH ausgab. Er hatte dem Beklagten erklärt, dass die GmbH teils mit Devisen handle und teils in Immobilien veranlage; das Vermögen der GmbH werde von einem im selben Haus sitzenden Wirtschaftstreuhänder verwaltet. In weiterer Folge war der Beklagte zur Präsentation eines Hotelprojekts eingeladen worden und hatte auch den tatsächlichen Geschäftsführer der Schweizer GmbH getroffen. Er hatte keine eigene Bonitätsprüfung durchgeführt, sondern sich auf die Angaben seiner Gesprächspartner sowie auf Informationen „von Anlageberaterkollegen“ verlassen. Insbesondere hatte er die Bilanzen der GmbH nicht geprüft. Auf die „Bonität“ der GmbH schloss er aus dem Umfang des vorgestellten Hotelprojekts und aus der „Internationalität“ der Besucher der Projektpräsentation. Der Beklagte hätte für die Veranlagung eine Provision von 0,5 % erhalten sollen; tatsächlich erhielt er sie aber (aus nicht festgestellten Gründen) nicht.

Der Kläger hätte bei einer „ordentlich erfolgten Aufklärung“ anders veranlagt. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, für welche Anlageform er sich entschieden hätte und ob er damit einen Gewinn oder einen Verlust gemacht hätte.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 10.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. August 2008 und 4 % Zinsen aus 174,86 EUR seit 30. Oktober 2009. Der Beklagte hafte auf Schadenersatz, weil er den Kläger falsch beraten und in die Irre geführt habe. Der Beklagte habe ihm eine Veranlagung bei der Schweizer GmbH empfohlen und diese Anlageform als absolut sicher bezeichnet. Tatsächlich habe sich herausgestellt, dass die Veranlagung verloren sei. Der Beklagte habe weder die Bonität der GmbH geprüft noch sich sonst über deren Geschäftstätigkeit und Gebarung erkundigt. Der Totalverlust sei auf die unzureichende Aufklärung durch den Beklagten, auf dessen Zusicherungen und auf die mangelhaften Nachforschungen zurückzuführen. Der Beklagte hafte für den Vertrauensschaden des Klägers, sodass er ihm das investierte Kapital samt den Zinsen ab Übergabe des Geldes zu ersetzen habe.

Der Beklagte wendet ein, er habe die Veranlagung nie als risikoarm dargestellt. Der Kläger habe gewusst, dass es sich um ein hochspekulatives Devisengeschäft gehandelt habe. Es sei schriftlich festgehalten worden, dass ein Totalverlust möglich wäre. Der Beklagte habe alle Erkundigungen eingezogen, die erforderlich und möglich gewesen seien; diese hätten keine Hinweise auf Schwierigkeiten der GmbH ergeben. Letztlich seien sowohl der Kläger als auch der Beklagte Opfer eines Anlagebetrugs geworden. Auf dieses Malversationsrisiko habe er den Kläger nicht hinweisen müssen. Jedenfalls treffe den Kläger aber ein überwiegendes Mitverschulden, weil bereits aus dem von ihm unterschriebenen Vertrag hervorgehe, dass ein Totalverlust der Veranlagung möglich sei. Er habe dieses Risiko in Erwartung einer möglichen Jahresrendite von bis zu 175 % in Kauf genommen. Der Kläger habe auch gewusst, dass bei jeder Veranlagungsart ein Insolvenzrisiko bestehe. Hätte der Kläger nicht in das Devisengeschäft investiert, hätte er eine gleich risikoreiche Veranlagung gewählt, die ebenfalls zu einem Totalverlust geführt hätte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Der Beklagte habe Pflichten verletzt, die sich aus diesem Vertrag ergeben hätten. Er habe sich keine aktuellen und objektiven Informationen über die Schweizer GmbH beschafft und auch keine eigene Bonitätsprüfung durchgeführt. Über diese Informationslücken habe er den Kläger nicht informiert. Die Ursache für den Schaden des Klägers liege aber nicht in der mangelnden Bonität zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Denn nach den Ergebnissen eines Strafverfahrens habe die Schweizer GmbH von 2006 bis 2009 Anlagegelder im Ausmaß von etwa 3 Mio EUR lukriert. Vielmehr sei der Schadenseintritt auf die Verwirklichung eines Malversationsrisikos zurückzuführen. Die Haftung scheitere daher am Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs.

Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 6.666,67 EUR samt 4 % Zinsen ab Zustellung der Klage; im Übrigen bestätigte es die abweisende Entscheidung des Erstgerichts. Die ordentliche Revision ließ es zu.

Der Anleger könne darauf vertrauen, dass sein Berater den notwendigen Einblick in die angebotene Veranlagung habe. Verfüge er ‑ wie hier ‑ über keine objektiven Daten, müsse er das offen legen. Statt dessen habe der Beklagte die im Darlehensvertrag angeführte Möglichkeit eines „Totalverlusts“ relativiert und ausgeführt, dass die Devisengeschäfte sicher seien. Damit habe er die Veranlagung als sicherer dargestellt, als sie tatsächlich war, und zwar ohne sich zuvor objektive Informationen über die Stärke, die Stabilität und die Finanz- und Ertragskraft der GmbH zu beschaffen. Darin liege ein Beratungsfehler. Dieser sei kausal für den Investitionsentschluss des Klägers gewesen. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang sei nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu bejahen. Die Angaben des Beklagten zur „Sicherheit“ der Veranlagung hätten das Vorhandensein besonderer Informationen impliziert. Sie hätten für den Kläger die Gefahr erhöht, eine Anlage zu wählen, die nicht seinen Risikovorstellungen entsprochen habe. Zu diesem Risikobündel habe auch die hier (angeblich) verwirklichte Gefahr eines strafbaren Verhaltens der Organe gehört. Damit sei das Zahlungsbegehren des Klägers dem Grunde nach berechtigt. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Kläger bei korrekter Beratung eine Anlage gewählt hätte, die ebenfalls zu einem (zumindest teilweisen) Verlust des Kapitals geführt hätte. Dafür gebe es aber keinen Anhaltspunkt. Vielmehr habe das Erstgericht diesen Umstand nicht als erwiesen angenommen. Den Kläger treffe aber ein Mitverschulden. Er sei bereit gewesen, ein höheres Risiko als bei einem Sparbuch auf sich zu nehmen, und habe einen Vertrag unterfertigt, der auf die Möglichkeit eines Totalverlusts hingewiesen habe. Diese Vertragsbestimmung und die überdurchschnittlichen Renditen hätten auch einem unerfahrenen Kunden mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass er sich auf ein riskantes Geschäft einlasse. Dies begründe ein Mitverschulden von einem Drittel. Verzugszinsen gebührten erst ab der Fälligkeit des Zahlungsbegehrens, hier also ab Zustellung der Klage. Für Zinsen ab dem Veranlagungszeitpunkt müsste der Kläger behaupten und beweisen, dass er das Kapital zu diesem Zinssatz veranlagt hätte. Die Negativfeststellung zur alternativen Veranlagung gehe hier zu Lasten des Klägers.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Rechtswidrigkeitszusammenhang auch dann bestehe, wenn der Verlust letztlich auf strafbares Verhalten Dritter zurückzuführen sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich Revisionen beider Parteien. Der Kläger bekämpft die Annahme eines Mitverschuldens und strebt auf dieser Grundlage eine zur Gänze stattgebende Entscheidung an. Der Beklagte beantragt die Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts. Er stützt sich in erster Linie darauf, dass der Kläger aufgrund der Negativfeststellung zum Erfolg einer Alternativveranlagung nicht bewiesen habe, dass er überhaupt einen Schaden erlitten habe. Weiters fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang, und das Mitverschulden sei höher zu bewerten.

Rechtliche Beurteilung

A. Die Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der mangelhaften Beratung und einem allfälligen Schaden des Klägers zutreffend bejaht.

1.1. Hat sich ein Anlagerisiko verwirklicht, vor dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste, so ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer aus anderen Gründen mangelhaften Beratung dennoch zu bejahen, wenn diese Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöhte (4 Ob 62/11p = ecolex 2011, 805 [Graf] = EvBl 2011/146 [Völkl] = ÖBA 2011, 892 [Ramharter] = wbl 2012, 44 [van Husen]; RIS-Justiz RS0127012). Das gilt insbesondere dann, wenn eine Zusicherung völliger Risikolosigkeit, die ohne Vorliegen entsprechender Informationen abgegeben wird, für den Anleger die Gefahr erhöht, eine Anlage zu wählen, die nicht seinen Risikovorstellungen entspricht (4 Ob 70/11i = ZIK 2012, 40 = ecolex 2012, 206 [Wilhelm]; vgl auch 4 Ob 137/10s = EvBl 2011/11).

1.2. Im konkreten Fall stellte der Beklagte die Anlage als „sicher“ dar und verwies auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Behebung. Damit erweckte er den (unzutreffenden) Eindruck, er verfüge über besondere Informationen über das Anlageunternehmen und die dort handelnden Personen. Welche Informationen das konkret waren, legte er zwar nicht dar. Dennoch entstand durch die Beratung beim Kläger ein unrichtiger Eindruck über das mit der Anlage verbundene Risiko. Dazu gehörte auch das ‑ hier schlagend gewordene ‑ Veruntreuungsrisiko. Denn das Unternehmen, dem er sein Vermögen anvertraute, unterlag anders als eine Bank oder ein Versicherungsunternehmen keiner besonderen Aufsicht; es waren auch sonst keine Kontrollmechanismen erkennbar, die dieses Risiko beschränkt hätten. Die vom Beklagten versprochene „Sicherheit“ hing daher in hohem Maße von der Seriosität der für das Anlageunternehmen handelnden Personen ab. Der Kläger durfte auf dieser Grundlage annehmen, dass der Beklagte nur dann von einer „sicheren“ Anlage sprechen würde, wenn er auch insofern über objektive Informationen verfügte. Damit durfte er aber ‑ gerade wegen der Beratung - das Veruntreuungsrisiko geringer einschätzen, als es tatsächlich war. Jedenfalls unter diesen Umständen ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang ‑ wie schon in 4 Ob 70/11i ‑ auch dann zu bejahen, wenn sich gerade dieses Risiko verwirklichte.

2. Auch die Annahme eines Mitverschuldens von (nur) einem Drittel ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0078931) nicht zu beanstanden. Zwar hat sich auch der Kläger sorglos verhalten, weil er den Zusicherungen des Beklagten vertraute und trotz des „Darlehensvertrags“, der das versprochene Anlagemodell nicht abbildete, nicht nach weiteren Informationen fragte. Dem steht jedoch das Fehlverhalten des Beklagten gegenüber, der im eigenen Interesse (Provision) das Vertrauen des Klägers in Anspruch nahm und, ohne sich ausreichend informiert zu haben, Angaben zur „Sicherheit“ der Anlage machte. Dieses Verhalten wiegt jedenfalls schwerer als die Sorglosigkeit des Klägers (vgl 4 Ob 137/10s = EvBl 2011/11: Mitverschulden von einem Viertel).

3. Der Kläger begehrt Geldersatz.

3.1. Dieses Begehren setzt zwar im Allgemeinen voraus, dass er das aufgrund der mangelhaften Beratung erworbene Anlageprodukt ‑ hier den Anspruch gegen das Schweizer Unternehmen ‑ verkauft hat und dann den Differenzschaden geltend macht (8 Ob 123/05d = SZ 2006/28 ua; RIS-Justiz RS0120784). Im konkreten Fall ist zwischen den Parteien aber nicht strittig, dass die Veranlagung des Klägers wegen der Veruntreuung durch die Verantwortlichen des Schweizer Unternehmens (endgültig) wertlos ist. In einem solchen Fall ist ein Verkauf weder möglich noch erforderlich (vgl 4 Ob 28/10m = wbl 2010, 643 [Trenker 618]; Leupold/Ramharter, Anlegerschaden bei risikoträchtiger Alternativanlage, ÖBA 2010, 718 [719]); der Subtrahend der Differenzrechnung ist vielmehr mit Null anzusetzen. Über die Höhe des Anspruchs entscheidet daher allein der Minuend.

3.2. Damit ist der Kern des Problems erreicht. Der Kläger und das Berufungsgericht nehmen an, dass insofern (nur) der seinerzeit veranlagte Betrag maßgebend sei. Dieser steht mit 10.000 EUR fest. Hingegen kommt es nach Auffassung des Beklagten darauf an, wie sich jene (hypothetische) Veranlagung entwickelt hätte, die der Kläger bei einer ordnungsgemäßen Beratung getätigt hätte; insofern sei der Kläger beweispflichtig. Da das Erstgericht dazu eine Negativfeststellung getroffen habe, sei die Klage abzuweisen.

4. Die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützt die Auffassung des Beklagten.

4.1. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist eine Entscheidung des auch hier erkennenden Senats (4 Ob 28/10m = wbl 2010, 643). Aufgrund eines Beratungsfehlers war der Verkauf einer bestimmten Anlage durch den beklagten Vermögensverwalter unterblieben; bei zutreffender Aufklärung hätte der Kläger einen Verkaufsauftrag erteilt, die Veranlagung des Erlöses aber dem Beklagten überlassen. Der Senat führte dazu aus, dass der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen nur verlangen könne, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Beklagte pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig aufgeklärt hätte. Für diese Differenzrechnung sei der hypothetische Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der tatsächliche Vermögensstand abzuziehen. Da der Kläger bei zutreffender Aufklärung die Veranlagung des Erlöses dem Beklagten überlassen hätte, sei auf die hypothetische Entwicklung dieser Anlage abzustellen; es könne nicht angenommen werden, dass der Kläger den Verkaufserlös als Bargeld gehalten hätte. Es sei daher festzustellen, welche Papiere der Beklagte unter Bedachtnahme auf die vereinbarten Anlageziele bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt für den Kläger gekauft hätte.

4.2. Dieser Entscheidung lag die Wertung zugrunde, dass eine alternative Veranlagung jedenfalls dann nicht ausgeblendet werden dürfe, wenn sie vom Beklagten als Vermögensverwalter vorgenommen worden wäre. Der 6. Senat übernahm dies in 6 Ob 231/10d (= wbl 2011, 390 [Trenker]) für alle Fälle einer mangelhaften Anlageberatung, und zwar unter Hinweis auf weitere Entscheidungen, die zwar nicht zur Alternativveranlagung nach einem Beratungsfehler ergangen waren, aber ebenfalls den hypothetischen Kausalverlauf betrafen (1 Ob 187/08v = RdW 2009, 339 [AMIS]; 6 Ob 104/06x = JBl 2008, 450 [Beratung über Herbizid]; 9 Ob 85/09d = ÖBA 2010, 533 [Nichterfüllungsschaden bei Vermögensverwaltung]). Davon abweichende Rechtsprechung sei überholt. Die in 4 Ob 28/10m noch unerörtert gebliebene Behauptungs- und Beweislast für die Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage wies der 6. Senat unter Hinweis auf Rechtsprechung zu anderen Fallgruppen der Beraterhaftung (3 Ob 304/02f = JBl 2004, 114; 1 Ob 233/07g; 6 Ob 104/06x = JBl 2008, 450; vgl auch RIS-Justiz RS0106890, RS0022686) dem Geschädigten zu. Lediglich die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung seien in diesem Zusammenhang geringer. Ebenso entschied der 6. Senat kurz darauf in 6 Ob 8/11m (= ÖBA 2011, 515 = ecolex 2011, 515 [Wilhelm]).

4.3. Der 7. Senat schloss sich dieser Auffassung in 7 Ob 77/10i (= GesRZ 2011, 251 [Diregger] = ÖBA 2011, 501 [Karollus 450] = wbl 2011, 500 [Völkl 474] = ZFR 2011, 238 [Gruber] = ecolex 2011, 609 [Wilhelm]) mit ausführlicher Begründung an. Auch im Rahmen der Naturalrestitution sei nur dann der gesamte Kaufpreis (die gesamte Anlage) zurückzuerstatten, wenn der Anleger „ausnahmsweise“ bei korrekter Information keine Wertpapiere erworben, sondern das Geld auf ein Sparbuch gelegt und jedenfalls keine Kursverluste erlitten hätte. Es sei im Zuge der Kausalitätsprüfung zu klären, wie der ordnungsgemäß informierte Anleger disponiert und wie sich diese Anlage entwickelt hätte. Die Behauptungs- und Beweislast treffe dabei nach allgemeinen Grundsätzen den Kläger, wobei jedoch das Beweismaß herabgesetzt sei.

4.4. In weiterer Folge konnten mehrere Entscheidungen die Frage der Beweislast zur hypothetischen Alternativanlage ‑ teilweise ausdrücklich ‑ offen lassen, weil dazu entweder Feststellungen vorlagen oder offenkundig war, dass der Kläger den strittigen Betrag in einer zumindest das Kapital erhaltenden Weise angelegt hätte (4 Ob 62/11p; 4 Ob 70/11i; 1 Ob 208/11m = ecolex 2012, 304 [Graf]; 8 Ob 129/10v = ÖBA 2012, 477). Andere Entscheidungen verwiesen auf 7 Ob 77/10i, bezogen deren Aussagen zur Beweislast aber nur auf den im konkreten Fall jeweils misslungenen Beweis, dass der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung überhaupt anders disponiert hätte; auf die Wahl und Entwicklung einer Alternativanlage kam es daher nicht an (3 Ob 225/11a = ÖBA 2012, 402; 10 Ob 61/11k = ÖBA 2012, 404). Erheblich war die diesbezügliche Behauptungs- und Beweislast demgegenüber in 6 Ob 91/10s (= JBl 2011, 439) und 6 Ob 28/12d (= GES 2012, 230); dort hielt der 6. Senat an seiner Rechtsprechung fest.

5. Der hier erkennende Senat sieht keinen ausreichenden Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

5.1. Die Lehre ist nicht einheitlich.

(a) Mehrere Autoren verweisen auf jene Entscheidungen, die als „realen“ Schaden des Anlegers schon den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts sehen (zuletzt etwa 6 Ob 9/11h = ecolex 2012, 209 [Wilhelm] = ZIK 2012, 77; 8 Ob 135/10a = ÖBA 2012, 323; 8 Ob 129/10v = ÖBA 2012, 477, alle mwN). Daraus folge ein Anspruch auf Naturalrestitution, dh auf Rückzahlung des angelegten Betrags abzüglich inzwischen erzielter Erträge (Zinsen, Dividenden) Zug um Zug gegen Herausgabe des Finanzprodukts (8 Ob 123/05d = SZ 2006/28; RIS-Justiz RS0120784 [T3]; RS0108267 [T5]). Entscheidend sei daher der Eingriff in die Willensfreiheit, der auch bei Geltendmachen des „rechnerischen“ Schadens ‑ durch Rückabwicklung ‑ rückgängig zu machen sei; auf die hypothetische Entwicklung des Vermögens bei richtiger Beratung komme es dabei nicht an (Wilhelm, Der „unbekannte objektive Schaden“, ecolex 2011, 891; Graf, Was ist der Schaden des Anlegers? ecolex 2011, 391 ff). Zumindest obliege aber die Behauptung und der Beweis einer (ebenfalls) negativen Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage dem Beklagten (Dullinger, Aktuelle Fragen der Haftung wegen Beratungsfehlern bei der Vermögensanlage, JBl 2011, 693 [696 f]; Graf, OGH verteidigt Prospekthaftung, ecolex 2011, 599 [600]; im Ergebnis auch M. Bydlinski, Zum Schadenersatz bei volatilen Vermögenswerten, JBl 2011, 681 [686 FN 33]; offen gelassen bei Karollus, Anmerkung zu 7 Ob 77/10i, ÖBA 2011, 450 [457]).

(b) Für die Behauptungs- und Beweislast des Klägers sprechen sich demgegenüber vor allem Leupold/Ramharter (Anlegerschaden und Kausalitätsbeweis bei risikoträchtiger hypothetischer Alternativanlage, ÖBA 2010, 718 [729 f]) und G. Kodek (Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11 [22 ff]) aus (vgl weiters Ramharter, Entscheidungsanmerkung, ÖBA 2011, 889 [890]; Völkl, Anlegerschutz: OGH macht's einfach(er), wbl 2011, 474 [478]). Nicht die durch eine Falschberatung beeinträchtigte Entscheidungsfreiheit des Anlegers sei für den Schadenersatz maßgebend, sondern deren wirtschaftliche Folgen. Diese Folgen ergäben sich aber aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem hypothetischen Vermögensstand. Damit liege ein ‑ mit der Ermittlung der Schadenshöhe verbundenes ‑ Kausalitätsproblem vor, das nach allgemeinen Grundsätzen zu lösen sei. Gründe für eine Beweislastumkehr gebe es nicht; Beweisschwierigkeiten des Anlegers sei mit einer Beweiserleichterung zu begegnen. Insbesondere sei § 273 ZPO anzuwenden.

(c) Eine vom Ansatz her andere Lösung schlägt P. Bydlinski vor (Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159 [168 ff]): Zwar hält er die Entwicklung einer hypothetischen Alternativanlage für durchaus erheblich. In einer Non-liquet-Situation sei aber eine Alles-oder-Nichts-Lösung zu Lasten der beweispflichtigen Partei abzulehnen. Sachgerechter sei die „anteilige Verteilung des (Entscheidungs-)Risikos zwischen den Parteien“. Dabei seien alle Anlageformen zu berücksichtigen, die nach dem Beweisverfahren bei korrekter Beratung mit zumindest ähnlicher Wahrscheinlichkeit gewählt worden wären.

5.2. Die gegen die Behauptungs- und Beweislast des Klägers aufgezeigten Gründe wiegen nach Auffassung des erkennenden Senats nicht so schwer, dass sie eine (neuerliche) Änderung der Rechtsprechung rechtfertigen könnten.

(a) Die Rechtsprechung zum „realen Schaden“, der durch Naturalrestitution rückgängig zu machen sei, hat sich zu Sachverhalten entwickelt, in denen der Anleger bei richtiger Beratung eine risikolose Anlage gewählt hätte (G. Kodek, ÖBA 2012, 22). Dort war sie im Ergebnis unproblematisch, weil der Anleger auch im hypothetischen Szenario ‑ jedenfalls bei gewöhnlichem Lauf der Dinge ‑ zumindest das eingesetzte Kapital behalten hätte. Trifft das nicht zu, ist es eine Wertungsfrage, ob der Erwerb von Papieren mit einem vom Anleger nicht gewünschten Risikoprofil isoliert betrachtet und auf dieser Grundlage als „realer Schaden“ verstanden werden kann, oder ob nicht vielmehr schon bei der Definition dieses „realen Schadens“ die Alternativanlage einzubeziehen ist. In diesem Fall läge der Schaden im Erwerb von Papieren mit einem falschen Risikoprofil anstatt jener, die der Anleger bei richtiger Beratung erworben hätte. Dass es zu einer solchen Alternativanlage gekommen wäre, ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich der Anleger mit einem vorgefassten Anlageentschluss an den Berater gewendet hat. Da die Ersatzpflicht des Beraters in erster Linie dem Schadensausgleich und damit dem Schutz von Vermögensinteressen des Anlegers dient (G. Kodek aaO), ist das umfassendere Verständnis (schon) des realen Schadens nach Auffassung des Senats vorzuziehen.

(b) Auf dieser Grundlage kann aber auch der Anspruch auf Naturalrestitution ‑ außer bei einer zumindest den Erhalt des Kapitals sichernden Alternativanlage oder wenn der Anleger bei entsprechender Beratung überhaupt keine Veranlagung vorgenommen hätte ‑ nur auf das Zurverfügungstellen jener Papiere (allgemein: auf Vermittlung jener Anlage) gerichtet sein, die der Anleger bei richtiger Beratung erworben hätte (G. Kodek aaO; ebenso schon P. Bydlinski, ÖBA 2008, 162; Koziol, Zum Ersatzanspruch unzulänglich aufgeklärter Anleger, FS Picker [2010] 523 [537]; Trenker, wbl 2011, 390; Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeits­zusammenhang, ÖBA 2010, 562 [566]). Damit laufen aber der Ersatz des rechnerischen Schadens und die Naturalrestitution wieder parallel; auch wenn der Kläger Naturalrestitution begehrt, erhält er letztlich (nur) das, was er bei richtiger Beratung ohnehin hätte. Dass damit die Naturalrestitution schwieriger wird (M. Bydlinski, JBl 2011, 686 f), mag zutreffen. Diesen Schwierigkeiten kann der Kläger aber ‑ soweit er nicht ohnehin nach Verkauf oder Wertlosigkeit der tatsächlich erworbenen Anlage den rechnerischen Schaden verlangt ‑ durch Erheben einer Feststellungsklage ausweichen. Eine solche Klage ist nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger auch einen Anspruch auf Naturalrestitution hätte (1 Ob 251/11k = JBl 2012, 378; anders noch 8 Ob 129/10v = ÖBA 2012, 477; vgl dazu Kainz, Es muss nicht immer der Schaden des Anlegers sein - oder doch? ecolex 2012, 462).

(c) Die Annahme von Dullinger (JBl 2011, 696 f) und Graf (ecolex 2011, 600), das hier erörterte Problem sei nach der Rechtsprechung zum rechtmäßigen Alternativverhalten zu lösen, beruht auf der Prämisse, dass ein ersatzfähiger Schaden schon im Erwerb einer Anlage mit einem vom Kläger nicht gewollten Risikoprofil liegt. Dann müsste es tatsächlich unerheblich sein, ob der Kläger Naturalrestitution im Sinn der bisherigen Rechtsprechung (also Ersatz des angelegten Betrags gegen Herausgabe der Anlage) oder ‑ nach einem Verkauf oder bei Wertlosigkeit ‑ einen rechnerischen Schaden begehrt, der ausgehend vom ursprünglich veranlagten Betrag ermittelt wird; dass dieser Schaden ganz oder teilweise auch bei einer korrekten Aufklärung eingetreten wäre, müsste jeweils (in einem zweiten Schritt) der Beklagte beweisen. Die Prämisse dieser Auffassung trifft aber nicht zu, wenn man ‑ parallel zum umfassender verstandenen „realen“ Schaden (oben [a]) ‑ als rechnerischen Schaden (erst) den zu einem bestimmten Termin (Verkauf der Papiere; Schluss der Verhandlung bei Wertlosigkeit der Anlage) bestehenden Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem hypothetischen Vermögensstand ansieht. Dann ist die Kausalität in Bezug auf diesen Schaden zu prüfen; die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens stellt sich daher nicht. Sieht man den primären Zweck des Schadenersatzes im Ausgleich des tatsächlich eingetretenen Schadens und damit im Schutz von Vermögensinteressen (oben [a]), liegt die Auffassung der jüngeren Rechtsprechung näher.

(d) Dagegen könnte zwar eingewendet werden, dass derjenige das Risiko der Unaufklärbarkeit eines hypothetischen Willensentschlusses tragen müsse, der durch sein Fehlverhalten einen sachlich fundierten Entschluss verhindert hatte (Koziol, FS Picker [2010] 523 [541 f] mwN); umso mehr müsste das für die Folgen eines solchen Entschlusses (also für die Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage) gelten. Eine solche Beweislastumkehr wird aber für andere Fälle einer Haftung wegen mangelhafter Beratung in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (RIS-Justiz RS0106890, RS0022686; zuletzt für mangelhafte Anlageberatung 3 Ob 225/11a = ÖBA 2012, 402 mwN).

Anderes gilt zwar bei der Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht (RIS-Justiz RS0108185). Das kann aber, wie der Oberste Gerichtshof zuletzt in 3 Ob 225/11a dargelegt hat, nicht unbesehen für die Beraterhaftung ieS übernommen werden: Die Beweislastverteilung im Arzthaftungsrecht beruht nach einhelliger jüngerer Rechtsprechung (2 Ob 197/97b = RdM 1998, 124; 1 Ob 254/99f = SZ 72/183 = JBl 2000, 657 [Jabornegg]; 4 Ob 137/07m = SZ 2007/122; 1 Ob 9/11x = iFamZ 2011, 205) auf der Erwägung, dass auch eine lege artis durchgeführte Heilbehandlung in die körperliche Integrität des Patienten und damit in ein absolut geschütztes Rechtsgut eingreift; sie ist daher ohne Einwilligung rechtswidrig. Für dadurch verursachte Schäden (Schmerzen, Verdienstausfall) bleibt aber der Patient beweispflichtig (4 Ob 137/07m = SZ 2007/122; 5 Ob 186/11f = RdM-LS 2012/4 mwN; RIS‑Justiz RS0026209 [insb T8]). Die wirksame Einwilligung ist demgegenüber als Rechtfertigungsgrund vom Arzt zu beweisen. Da sie einen aufgeklärten Patienten voraussetzt, trifft den Arzt auch die Beweislast für die Aufklärung. Konsequenterweise muss das dann auch für den insofern erhobenen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (Einwilligung des Patienten auch bei ordnungsgemäßer Risikoaufklärung) gelten (zuletzt etwa 4 Ob 137/07m = SZ 2007/122; 4 Ob 155/08k = ecolex 2009, 229; 6 Ob 71/09y; 5 Ob 186/11f).

Einen vergleichbaren Eingriff in ein absolut geschütztes Recht oder Rechtsgut gibt es in (anderen) Fällen einer mangelhaften Aufklärung oder Beratung (hier Anlageberatung) nicht. Vielmehr ist hier ausschließlich die Kausalität der mangelhaften Beratung für den Vermögensnachteil des Beratenen zu prüfen. Damit muss es bei der Beweislast des Klägers bleiben.

(e) Einen zwingenden Grund, die Beweislast für die Wahl und Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage anders zu behandeln als jene für das - nur eines von mehrere Elementen in der Kausalkette bildende - Unterbleiben des tatsächlichen Anlageentschlusses, kann der Senat nicht erkennen.

5.3. Aus diesen Gründen hält der Senat an der jüngeren Rechtsprechung fest, wonach die Behauptungs- und Beweislast für die Wahl und die Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage ‑ also des Minuenden bei der Ermittlung des rechnerischen Schadens ‑ den Anleger trifft. Dies gilt selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass der Kläger bei korrekter Beratung überhaupt veranlagt hätte, was bei einem vorgefassten Anlageentschluss ‑ anders als bei der beabsichtigten Veräußerung einer Anlage, die dann aufgrund einer mangelhaften Beratung unterbleibt ‑ im Regelfall anzunehmen ist. An die Behauptungslast werden dabei aber keine zu strengen Anforderungen zu richten sein: Im Begehren auf Zahlung des veranlagten Betrags Zug um Zug gegen Rückgabe der Papiere oder im Ansatz dieses Betrags als Minuend bei der Ermittlung des rechnerischen Schadens wird regelmäßig die Behauptung enthalten sein, dass eine Alternativanlage (zumindest) das Kapital erhalten hätte. Wird das vom Beklagten nicht konkret bestritten, wird im Regelfall ein insofern unstrittiger Sachverhalt vorliegen.

6. Im vorliegenden Fall gab es allerdings eine Bestreitung durch den Beklagten, die zu einer Negativfeststellung des Erstgerichts führte. Dies würde angesichts der oben erörterten Beweislast an sich den Kläger treffen. Eine abschließende Sachentscheidung ist allerdings nicht möglich, weil das Erstgericht offenkundig von einem falschen Beweismaß ausgegangen ist.

6.1. Die Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs sind bei einer (angeblichen) Schädigung durch Unterlassen geringer als jene an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat (RIS-Justiz RS0022900 [T14]; zuletzt etwa 2 Ob 176/10m = immolex 2011, 280 [Prader] und 4 Ob 145/11v = EvBl 2012, 669 [Rassi] mwN). Es genügt daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist (2 Ob 266/08v = RdW 2009, 715 mwN; RIS-Justiz RS0022700 [T5 und T7]; RS0022900 [insb T8]; vgl auch die Nachweise in 2 Ob 97/11w). Dieses Kriterium liegt unter dem Regelbeweismaß der ZPO, wonach für eine (Positiv-)Feststellung eine „hohe“ Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (RIS-Justiz RS0110701; Rechberger in Fasching/Konecny 2 Vor § 266 ZPO Rz 11, 13; 4 Ob 145/11v).

6.2. Auf diese Rechtsprechung haben sich im vorliegenden Zusammenhang insbesondere die Entscheidungen 6 Ob 231/10d, 6 Ob 8/11m und 7 Ob 77/10i gestützt. Der Anleger habe den Eintritt eines Schadens nur „plausibel“ zu machen, dem Berater stehe dann der Nachweis offen, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei (vgl auch 10 Ob 61/11k = ÖBA 2012, 404). Auch in der Lehre wird eine solche Beweiserleichterung ‑ soweit nicht ohnehin eine Beweislastumkehr vertreten wird ‑ einhellig anerkannt (G. Kodek, ÖBA 2012, 23; Leupold/Ramharter, ÖBA 2010, 728 ff; Völkl, wbl 2011, 474 [478]; pointiert, allerdings in seiner Bildhaftigkeit nicht ganz nachvollziehbar, Wilhelm, ecolex 2012, 453: die Gerichte seien aufgerufen, die Beweislast des Anlegers „als ein wahrhaft süßes Joch zu satteln“).

6.3. Es liegt auf der Hand, dass konkrete Angaben und (daher) Feststellungen zur alternativen Veranlagung gerade dann nur schwer möglich sind, wenn ‑ wie offenkundig hier ‑ eine höhere Risikobereitschaft bestand, sodass die Annahme einer „sicheren“ Veranlagung, etwa auf einem Sparbuch, ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall wird festzustellen sein, für welche Anlageart sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung ‑ die auch auf die Unvereinbarkeit von hohem Ertrag und geringem Risiko hinweisen müsste ‑ mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte. Maßgebend ist in weiterer Folge die typische ‑ etwa durch Indizes belegte ‑ Entwicklung solcher Anlagen (der „gewöhnliche Lauf der Dinge“ iSv § 1293 ABGB); mögliche Ausreißer nach oben oder unten, etwa durch Verwirklichung eines atypischen Risikos (Insolvenz, Veruntreuung), wären unbeachtlich. Gegebenenfalls könnte auf § 273 ZPO zurückgegriffen werden.

6.4. Die Negativfeststellungen des Erstgerichts beruhen offenkundig auf dem Regelbeweismaß der ZPO. Sie können daher eine abweisende Entscheidung nicht tragen. Dies führt ‑ im Umfang der Anfechtung durch den Beklagten ‑ zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit den Parteien die Behauptungs- und Beweislast sowie das Beweismaß zu erörtern und, allenfalls nach ergänzender Beweisaufnahme, neuerlich zu entscheiden haben. Das Verfahren hat sich auf die Kausalität und (damit verbunden) die Schadenshöhe zu beschränken; alle anderen Fragen sind abschließend erledigt.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

B. Die Revision des Klägers ist unzulässig.

1. Inwieweit sich ein Anleger ein Mitverschulden am Scheitern seiner Veranlagung anrechnen lassen muss, kann nur im Einzelfall entschieden werden (RIS-Justiz RS0078931). Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Fehlbeurteilung liegt nicht vor: Angesichts des kurzen, im Ausschluss jeder Sicherheit eindeutigen und die zugesagte Anlageform nicht widerspiegelnden Darlehensvertrags begründet das praktisch blinde Vertrauen des Klägers in die Angaben des Beklagten eine erhebliche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten. Ob sein Mitverschulden mit einem Viertel (vgl 4 Ob 137/10s = EvBl 2011/11) oder einem Drittel anzusetzen ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz können in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden. Die (im Zweifel rechtzeitige) Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

2. Die Verpflichtung des Klägers zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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