European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00246.23Z.0423.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
II. Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
III. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 882,18 EUR (darin enthalten 147,03 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
EntscheidungsgründeundBegründung:
[1] Der 2021 kinderlos verstorbene Erblasser erhielt von seinem Vater mit Betriebs- und Hofübergabevertrag in den Jahren 1994/1995 mehrere Liegenschaften in der Absicht übergeben, diese ungeteilt auf die folgende Generation zu übertragen. Die Parteien vereinbarten (daher) auch, dass der Erblasser unwiderruflich testamentarisch sicherzustellen habe, dass im – tatsächlich eingetretenen – Fall der Kinderlosigkeit seine Schwester, die Beklagte, die von ihm übernommenen Liegenschaften erben solle. Es war der Wunsch des Vaters, das B*gut mit seinem damaligen Gutsbestand weiterhin ungeteilt im Familienbesitz zu erhalten.
[2] Im Jahr 1997 kaufte der Erblasser mit finanziellen Mitteln seines Vaters eine weitere Liegenschaft, um einen Jagdeinschluss mit den übrigen Flächen zu verbinden.
[3] Mit im Jahr 2021 errichtetem Testament setzte der Erblasser die Beklagte als Allein‑(ersatz‑)erbin ein und zu Gunsten des Klägers ein Legat über die mit Betriebs- und Hofübergabevertrag überlassenen sowie die 1997 erworbenen Liegenschaften aus.
[4] Die Verlassenschaft wurde der Beklagten aufgrund des Testaments als Allein‑(ersatz‑)erbin rechtskräftig eingeantwortet.
[5] Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Legatsklage von der Beklagten, in die Einverleibung des Eigentumsrechts an den Liegenschaften einzuwilligen und sie samt Zubehör herauszugeben. Er bringt – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – vor, es liege ein wirksames Legat zu seinen Gunsten vor. Der Erblasser habe über die Liegenschaften frei verfügen können. Der Betriebs- und Hofübergabevertrag enthalte einen bloßen Wunsch des Vaters und kein wirksames Besitznachfolgerecht der Beklagten. Es liege kein (echter) Vertrag zu ihren Gunsten vor. Selbst wenn sie einen Anspruch als aus dem Vertrag begünstigte Dritte haben sollte, sei dieser aufgrund der mit der Einantwortung eingetretenen Konfusion gemäß § 1445 ABGB erloschen. Es verbleibe nur der Legatsanspruch. Auch liege kein unwirksames Vermächtnis einer fremden Sache im Sinn des § 662 ABGB vor, weil die Beklagte aufgrund der Einantwortung Eigentümerin der Liegenschaften geworden sei und sie ihr auch aufgrund eines allfälligen Besitznachfolgerechts zuzuordnen seien. Die erst 1997 angekaufte Liegenschaft sei mangels Einbeziehung in den Betriebs- und Hofübergabevertrag keinesfalls von einem allfälligen Besitznachfolgerecht mitumfasst.
[6] Die Beklagte wendet zusammengefasst ein, der Betriebs- und Hofübergabevertrag enthalte ein Besitznachfolgerecht zu ihren Gunsten. Sie habe aus der vertraglichen Regelung einen unmittelbaren Anspruch als Begünstigte auf (letztwillige) Übertragung der Liegenschaften, der durch die Einantwortung nicht erloschen, sondern erfüllt worden sei. Dies gelte auch für die erst 1997 erworbene Liegenschaft, die zur Arrondierung des Jagdgebiets mit Mitteln des Erblassers erworben worden sei. Der Kläger habe daher aufgrund der Besitznachfolgevereinbarung zu ihren Gunsten keinen Vermächtnisanspruch.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Vereinbarung im Betriebs- und Hofübergabevertrag begründe ein Besitznachfolgerecht im Sinn eines echten, aufgrund erfolgter Kenntnisnahme durch die Beklagte nicht mehr widerrufbaren Vertrags zu ihren Gunsten. Ausgehend vom Vertragszweck umfasse dieser auch die später erworbene Liegenschaft. Der Erblasser habe daher bei Testamentserrichtung aufgrund der von ihm eingegangenen Verpflichtung nicht wirksam über die Liegenschaften verfügen können.
[8] Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren in Bezug auf die 1997 erworbene Liegenschaft stattgab. Es ging davon aus, dass der Parteiwille auf die Nachbildung einer Nacherbschaft gerichtet gewesen sei. Es liege daher kein (echter) Vertrag zu Gunsten der Beklagten, sondern ein dem Erblasser nur bis zu seinem Tod zeitlich befristet überlassenes Eigentum vor. Die Liegenschaften seien daher auch nicht Bestandteil seines Nachlasses geworden, sodass er über diese nicht mit Legat frei verfügen habe können. Dies gelte aber mangels Bezugnahme auf ein Besitznachfolgerecht nicht für die 1997 erworbene Liegenschaft. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur „konkreten Fallgestaltung“ fehle, insbesondere zur Frage, ob eine derartige Vereinbarung als vertragliche Nachbildung der Nacherbschaft oder bloß schuldrechtlich wirkende „Nachfolgeregelung“ zu werten sei und welche Auswirkungen damit auf ein von einer solchen Vereinbarung abweichendes Vermächtnis verbunden seien.
[9] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien, jene des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, der Klage vollinhaltlich stattzugeben; jene der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Abänderungsantrag, die Klage zur Gänze abzuweisen.
[10] Beide Parteien stellen hilfsweise Aufhebungsanträge und beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
[11] Die Revision des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision der Beklagten ist hingegen entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
I. Revision des Klägers
[13] Dieser argumentiert, es liege keine sachenrechtlich wirksame Besitznachfolgeregelung vor. Die Aufsandungserklärung enthalte keine Befristung. Vielmehr habe lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch der Beklagten zu ihren Gunsten aus dem Betriebs- und Hofübergabevertrag bestanden. Der Erblasser habe daher mangels zeitlich befristeten Eigentums wirksam über die Liegenschaften verfügen können. Dem stehe auch § 662 ABGB nicht entgegen, weil die Liegenschaften für die legatsbelastete Beklagte – sei es aufgrund eines sachenrechtlichen Anwartschaftsrechts oder eines schuldrechtlichen Anspruchs – nicht fremd seien. Ein allfälliger vertraglicher Anspruch aus dem Vertrag zu Gunsten der Beklagten sei durch Konfusion aufgrund der Einantwortung überdies erloschen.
[14] 1. In der Rechtsprechung ist die vertragliche Begründung von Besitznachfolgerechten in Anlehnung an die erbrechtliche Nacherbschaft anerkannt. Dabei vereinbaren alter und neuer Eigentümer im Zusammenhang mit der Übereignung der Sache, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist an einen anderen, nämlich den Besitznachfolger, fällt oder aber, dass zumindest die Verpflichtung besteht, das Eigentum zu übertragen, wobei der Besitznachfolger entweder der alte Eigentümer oder ein Dritter sein kann (6 Ob 20/20i Pkt 4.3.; 2 Ob 87/20p Rz 24).
[15] 2. Es werden daher verschiedene Fallgruppen unterschieden:
[16] 2.1 Die erste Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass vereinbart wird, dass das Eigentumsrecht des Erwerbers durch sein Vorableben auflösend bedingt ist und die Liegenschaft an den alten Eigentümer oder auch einen Dritten fällt (6 Ob 20/20i Pkt 4.4. mwN; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 10 GBG Rz 32).
[17] 2.2 Die zweite Fallgruppe ist hingegen davon geprägt, dass der Erwerber (nur) verpflichtet ist, die Liegenschaft einer oder mehreren bestimmten oder bestimmbaren Personen bei Lebzeiten zu übergeben oder von Todes wegen zu überlassen (Rassi aaO). Diese Fallgruppe wird in der Judikatur als „echter“ Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert, in dem der Übernehmer die Verpflichtung eingeht, die Übergabsliegenschaft seinerzeit einem Dritten zu hinterlassen. In diesem Fall wurzelt das vom Dritten erworbene Besitznachfolgerecht in dem zwischen dem Übergeber als Versprechensempfänger und dem Übernehmer als dem Versprechenden geschlossenen Vertrag. Dabei ist es eine Frage der Auslegung des konkreten Veräußerungsvertrags, ob ein aus einer Besitznachfolgevereinbarung begünstigter Dritter unmittelbar daraus ein Forderungsrecht erwirbt sowie bejahendenfalls zu welchem Zeitpunkt dies der Fall ist (5 Ob 68/19i Pkt 5.; 6 Ob 20/20i Pkt 4.5. mwN).
[18] Kommt die Anordnung oder Vereinbarung eines Besitznachfolgerechts nach dem Inhalt des Vertrags der letztwilligen Anordnung einer Nacherbschaft iSd § 608 ABGB nahe, wird eine unmittelbare Berechtigung der begünstigten Person bereits ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Berechtigten eher zu verneinen sein. Wird im Vertrag hingegen die Verpflichtung zur Weiterüberlassung an eine ganz bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret vereinbart, wird eher von einer unmittelbaren Berechtigung der dritten Person auszugehen sein (5 Ob 68/19i Pkt 5. = RS0017044 [T6]; 2 Ob 87/20p Rz 24 mwN). Mangels abweichender Vereinbarung oder Indizien aus dem Vertragszweck wird dann dem Begünstigten ab Kenntnisnahme ein eigener, einseitig nicht mehr widerruflicher schuldrechtlicher Anspruch eingeräumt (RS0017044 [T4, T5]).
[19] 2.3 Je näher die Vereinbarung typischen Anliegen einer Nacherbschaft Rechnung trägt, umso eher ist eine analoge Anwendung der Regelungen über die Nacherbschaft geboten (RS0012539 [T3]).
[20] Die Rechtsprechung geht daher in solchen Fällen beispielsweise davon aus, dass die vertragsmäßig übernommene Verpflichtung, eine Liegenschaft einem Dritten zu übergeben oder zu hinterlassen, die Rechte des (Vor‑)Eigentümers auf die eines Nutznießers beschränkt (RS0010791 [iZm Verpfändung]; zuletzt 5 Ob 36/18g Pkt 1. f; 2 Ob 210/18y Pkt 1.), eine (mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot vergleichbare) Verfügungsbeschränkung des (Vor)Eigentümers bewirkt (2 Ob 210/23f Rz 13 mwN), Vor- und Nachbegünstigte über das Besitznachfolgerecht nur gemeinsam bestimmen (5 Ob 196/20i Rz 17) und vertragliche Besitznachfolgerechte beider Fallgruppen, die einer Nacherbschaft ähneln, iSd § 20 lit a GBG im Grundbuch angemerkt werden können (5 Ob 130/19g Pkt 2.; 5 Ob 68/19i Pkt 3.; RS0083800; RS0012539 [T2, T4]; RS0000858 [T3]; 5 Ob 148/19d Pkt 3.3.; vgl auch RS0007955; RS0012578).
[21] Diese Grundsätze ziehen die Parteien nicht in Zweifel.
[22] 3. Ausgehend davon liegt entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts keine der Fallgruppe 1 zuzuordnende Vereinbarung vor, weil die Parteien des Betriebs- und Hofübergabevertrags nach dem klaren Wortlaut gerade nicht vereinbart haben, dass das Eigentum an den übergebenen Liegenschaften durch das Ableben des Erblassers auflösend bedingt ist und eo ipso an die Beklagte fallen soll. Vielmehr war der Erblasser (nur) verpflichtet, sicherzustellen, dass diese im Fall der – eingetretenen – Kinderlosigkeit die Beklagte erbt. Diese Vereinbarung begründet daher schon deshalb kein unmittelbar „sachenrechtlich wirkendes“ Besitznachfolgerecht (vgl 5 Ob 148/19d Pkt 3.3.), sondern stellt nach ständiger Rechtsprechung einen Vertrag zu Gunsten der Beklagten dar (Fallgruppe 2). Das von der Beklagten erworbene Recht wurzelt in dem zwischen dem Erblasser und seinem Vater abgeschlossenen Betriebs- und Hofübergabevertrag (RS0017098).
[23] 4. Ob die Beklagte daraus ein unmittelbares Forderungsrecht erwirbt und bejahendenfalls zu welchem Zeitpunkt, richtet sich nach der Auslegung des Veräußerungsvertrags.
[24] Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass die vom Beschenkten übernommene Verpflichtung, die geschenkte Liegenschaft niemandem anderen als einem bestimmten Dritten zu hinterlassen, einen Vertrag zugunsten dieses Dritten begründet, der daraus auch einen unmittelbaren Anspruch erwirbt (RS0017044; 6 Ob 143/71 [Auflage, die geschenkte Sache einer bestimmten Person zu hinterlassen]; 7 Ob 111/99w [vom Übernehmer übernommene Verpflichtung, den Liegenschaftsanteil entweder zu Lebzeiten oder letztwillig zu hinterlassen]; vgl auch 5 Ob 272/99g; 2 Ob 220/14p; 1 Ob 177/17m).
[25] Im vorliegenden Fall ist daher von einem unmittelbaren Anspruch der Beklagten aus dem Besitznachfolgevertrag bei Eintritt der vereinbarten aufschiebenden Bedingung (kinderloser Tod des Erblassers) auszugehen.
[26] Für diese Auslegung des Betriebs- und Hofübergabevertrags spricht auch die hier schon aufgrund der festgestellten Absicht, die Erbfolgeregelung vorwegzunehmen und den Familienbesitz ungeteilt zu erhalten, anzunehmende Nähe der Besitznachfolgevereinbarung zur Nacherbschaft iSd § 608 ABGB (vgl 4 Ob 194/98b; 5 Ob 68/19i Pkt 6.; 5 Ob 148/19d). Auch dem Nacherben fällt mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung die Erbschaft an (RS0012568 [T2]). Er erwirbt damit zwar noch kein unmittelbares Recht an Nachlassgegenständen, aber das im Nachlassverfahren auszuübende, subjektive und absolut wirkende Recht, die Verlassenschaft zu erwerben (Werkusch‑Christ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.10 § 532 Rz 1; Welser, Erbrechts-Kommentar § 532 ABGB Rz 1, 5). Das Substitutionsgut wird dann im Rahmen des fortzusetzenden Verlassenschaftsverfahrens nach dem Erblasser, der die Nacherbschaft verfügt hat, kraft Einantwortung erworben (RS0012564 [T1, T2]; 2 Ob 132/21g Rz 17).
[27] Soweit die Rechtsprechung auch ausführt, bei Nähe zur Nacherbschaft sei ein unmittelbares Forderungsrecht des Begünstigten „eher“ zu verneinen (vgl RS0017098 [T3]), ist damit der Zeitraum vor dem vereinbarten Bedingungs- bzw Termineintritt gemeint (vgl 5 Ob 130/19g Pkt 3.3. [„Vertragsbestimmungen sprechen … dagegen, dass nach dem Willen der Parteien mit der Schenkung bereits die Einräumung (unwiderruflicher) Rechte an Dritte verbunden sein sollte.“]). Die Nähe einer Besitznachfolgeregelung zur Nacherbschaft spricht nämlich (nur) gegen ein unmittelbares Forderungsrecht des Begünstigten schon mit Kenntnisnahme, weil dieses dann nicht mehr ohne dessen Zustimmung widerrufen werden könnte (RS0017044 [T4, T5]), aber auch Nacherbschaften durch den sie anordnenden Erblasser ohne Zustimmung des Nacherben widerrufen werden können.
[28] Im Ergebnis hat daher die Beklagte aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung, die die Hinterlassung der Liegenschaften an sie für den Fall des (eingetretenen) kinderlosen Ablebens ihres Bruders vorsieht, mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung ein unmittelbares Forderungsrecht gegen den Nachlass des Erblassers erworben („quasifideikommissarische“ Besitznachfolgeregelung).
[29] 5. Wirksamkeit des Legats über das Besitznachfolgegut
[30] 5.1 Eine legatarische Verfügung über eine Liegenschaft, die unter eine Nacherbschaft (auch nur auf den Überrest) fällt, ist nach der Rechtsprechung wirkungslos, weil der Vorerbe insoweit von Todes wegen nicht wirksam verfügen kann (2 Ob 508/96 = RS0108326; 4 Ob 194/98b; 6 Ob 136/07d Pkt 7.; schon P. Bydlinski, Offene Fragen der Substitution auf den Überrest, NZ 1988, 241 [244]; Sailer in Klang³ § 613 ABGB Rz 93). Maßgeblich dafür ist die Rechtsnatur der Nacherbschaft, die eine „funktionale Teilung“ des Eigentumsrechts zwischen Vor- und Nacherben bedeutet (RS0012536; RS0116351). Dem Vorerben kommt allein kein freies Verfügungsrecht über die Substitutionsmasse zu (RS0012549 [T4]).
[31] 5.2 Dies gilt aufgrund der Nähe zur Nacherbschaft analog (RS0012539 [T3]) auch im Zusammenhang mit der hier vorliegenden „quasifideikommissarischen“ Besitznachfolge.
[32] 5.3 Aus § 662 ABGB ist nichts Gegenteiliges abzuleiten, weil die Norm für die vorliegende Konstellation nicht einschlägig ist.
[33] 5.3.1 § 662 Abs 1 ABGB lautet:
„Das Vermächtnis einer fremden Sache, die weder dem Vermächtnisgeber noch dem Erben noch dem Vermächtnisnehmer, der sie einem Dritten leisten soll, gehört, ist unwirksam. Gebührt diesen Personen ein Anteil oder Recht an der Sache, so umfasst das Vermächtnis nur diesen Anteil oder dieses Recht.“
[34] 5.3.2. Nach RS0108326 ist eine legatarische Verfügung über eine Liegenschaft, die unter eine fideikommissarische Substitution auf den Überrest fällt, als Vermächtnis einer fremden Sache wirkungslos. In der diesem Rechtssatz alleine zu Grunde liegenden Entscheidung 2 Ob 508/96 hatte der Senat einen Fall zu beurteilen, in dem die Erblasserin ihren Sohn zum Alleinerben einsetzte und für den Fall von dessen kinderlosem Versterben eine fideikommissarische Substitution auf den Überrest zu Gunsten eines Dritten anordnete. In der Folge setzte der kinderlos verstorbene Sohn (= Vorerbe) dem Beklagten ein Vermächtnis an einer substitutionsgebundenen Liegenschaft aus. Der Senat sprach vor diesem Hintergrund aus, dass der Sohn (= Vorerbe) über das Substitutionsgut nicht von Todes wegen habe verfügen können und das Vermächtnis an den Beklagten daher wirkungslos sei. Eine unmittelbare und direkte Bezugnahme auf die Bestimmung des § 662 Abs 1 ABGB lässt sich dem Volltext der Entscheidung in diesem Zusammenhang – anders als dem daraus gebildeten Rechtssatz – nicht entnehmen.
[35] In weiterer Folge nahm der Oberste Gerichtshof im hier interessierenden Zusammenhang nur mehr ein Mal – nämlich in der Entscheidung 6 Ob 136/07d – auf die Entscheidung 2 Ob 508/96 Bezug, indem er hervorhob, der Vorerbe könne über das Substitutionsgut zwar unter Lebenden, nicht aber von Todes wegen frei – also ohne Zustimmung der Nacherben bzw eines Substitutionskurators oder substitutionsbehördliche Genehmigung – verfügen.
[36] Die Aussage dieser Entscheidungen lässt sich im Kern dahin zusammenfassen, dass der Vorerbe über das substitutionsgebundene Gut nicht letztwillig verfügen kann. Der dargestellten Rechtsprechung lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass die Wirkungslosigkeit des Vermächtnisses über eine substitutionsgebundene Sache aus § 662 ABGB abzuleiten wäre. Mit dem hier zu beurteilenden Fall, in dem die fehlende „Fremdheit“ der Sache iSd § 662 Abs 1 ABGB nur daraus resultieren könnte, dass dem Erben (nicht aber dem Erblasser) ein Recht an der vermachten Sache zukommt, dessen Ausübung nicht von der Zustimmung eines Dritten abhängt, befassten sich die dargestellten Entscheidungen nicht.
[37] 5.3.3 Nach Ansicht des Senats leitet sich die vom Obersten Gerichtshof in den dargestellten Entscheidungen bejahte Unwirksamkeit des Vermächtnisses vielmehr aus der eingeschränkten Rechtsstellung des Vorerben (vgl § 613 ABGB) ab. § 662 ABGB kommt hingegen in diesen Fällen nicht zur Anwendung.
[38] Dies zeigt sich gerade an der hier zu beurteilenden Fallkonstellation. Wäre § 662 Abs 1 ABGB auch in Fällen der Verfügung über ein substitutionsgebundenes Gut durch Vermächtnis einschlägig, wäre eine Umgehung der Nacherbschaft dadurch möglich, dass der Vorerbe den Nacherben zu seinem Erben einsetzt und unter einem das substitutionsgebundene Gut einem Dritten als Vermächtnis aussetzt. Dass der Gesetzgeber bei der Anordnung des § 662 Abs 1 ABGB ein solches Unterlaufen der Nacherbschaft vor Augen hatte, kann ihm nicht unterstellt werden. Diese Grundsätze müssen auch für das von der Rechtsprechung anerkannte vertragliche Besitznachfolgerecht gelten (vgl oben Punkt 5.2).
[39] 5.4 Ob der Anspruch der Beklagten aus dem Besitznachfolgevertrag aufgrund (später erfolgter) Einantwortung kraft Konfusion (§ 1445 ABGB) erloschen ist, ist für die Unwirksamkeit des Legats ohne Bedeutung.
[40] 6. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher im Ergebnis zu bestätigen und der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
II. Revision der Beklagten
[41] 1. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann für sich allein im Allgemeinen nicht das Gewicht einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechts haben, weil er zum Tatsachenbereich gehört (RS0042762). Allerdings kann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit unterläuft, die zugleich einen Verstoß gegen § 498 Abs 1 ZPO erfüllt (RS0042155).
[42] 2. Entgegen der Revision ist das Berufungsgericht aber nicht ohne Beweiswiederholung von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt abgewichen, sondern hat lediglich die getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit dem Liegenschaftserwerb 1997 rechtlich anders gewürdigt. Einen dem Tatsachenbereich zuzuordnenden natürlichen Konsens (vgl RS0017741) im Sinn einer Einbeziehung auch dieser Liegenschaft hat das Erstgericht nicht festgestellt. Es ist lediglich – anders als das Berufungsgericht – im Rahmen der der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden ergänzenden Vertragsauslegung zu einer (hypothetisch) gewollten Einbeziehung auch dieser Liegenschaft gelangt. Mangels Abweichung vom festgestellten Sachverhalt liegen weder der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit noch jener der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens oder ein Verstoß gegen § 498 Abs 1 ZPO vor.
[43] 3. Hinsichtlich der 1997 von einem Dritten erworbenen Liegenschaft scheidet eine Analogie zur Nacherbschaft überdies – auch bei gewollter Vereinbarung einer Besitznachfolge zu Gunsten der Beklagten – schon mangels Identität der Sache aus, weil seinerzeit Geld und nicht die Liegenschaft übergeben wurde. Eine dingliche Surrogation aufgrund bloßer Vereinbarung ist dem österreichischen Recht jedoch – außerhalb gesetzlicher Sonderregeln (vgl etwa § 613 ABGB, § 100 VersVG, § 10 BauRG) – ebenso fremd wie eine allgemeine, ex lege eintretende Surrogation mit dinglicher Wirkung (6 Ob 20/20i Pkt 4.14.).
[44] III. Die Kostenentscheidung gründet sich jeweils auf §§ 41, 50 ZPO. Beide Parteien drangen mit ihren Revisionen nicht durch, sodass ihnen jeweils nur der Ersatz ihrer Revisionsbeantwortungskosten gebührt. Nach der gebotenen Saldierung der wechselseitigen Kostenersatzansprüche (2 Ob 241/22p Rz 51 mwN) errechnet sich der aus dem Spruch ersichtliche Kostenersatzanspruch.
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