European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00130.19G.1022.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:
Urkunden
Löschungserklärung vom 27. 6. 2018
Bewilligt wird:
in EZ ***** KG *****
die Löschung B‑LNr 5b
5 Anteil 1/1
M*****
GEB *****, ADR: *****
b 476/2016 Beschränkung durch Besitznachfolgerecht
gemäß Pkt IX Schenkungsvertrag 2015‑12‑28 für
C*****
M***** und
M*****
Verständigt werden:
1. Dr. Sonja Tades, öffentliche Notarin,
1090 Wien, Türkenstraße 5
2. M*****
3. J*****
4. F*****
5. C*****
6. M*****
7. M***** als gesetzliche
Vertreterin für M*****
Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Begründung:
Die Antragstellerin (Geschenknehmerin) ist aufgrund des Schenkungsvertrags vom 28. 12. 2015 Alleineigentümerin einer Liegenschaft. In Punkt IX. dieses Schenkungsvertrags ordneten die Geschenkgeber an, dass für den Fall, dass die Geschenknehmerin vor den Geschenkgebern versterben sollte, der Vertragsgegenstand im Sinn eines Besitznachfolgerechts nach den §§ 608 ff und 613 ff ABGB ihren bereits geborenen und namentlich genannten Enkelkindern zukommen solle. Diese Beschränkung des Eigentums durch das Besitznachfolgerecht gemäß Punkt IX. des Schenkungsvertrags vom 28. 12. 2015 ist ob der Liegenschaft grundbücherlich angemerkt.
Unter Vorlage der von ihr und den Geschenkgebern beglaubigt unterfertigten Löschungserklärung vom 27. 6. 2018 begehrte die Antragstellerin die Löschung der Anmerkung dieser Beschränkung durch das Besitznachfolgerecht.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Besitznachfolgerecht sei ein auflösend bedingtes bzw zeitlich beschränktes Eigentum. Zum Verzicht auf dieses Anwartschaftsrecht bedürfe es auch einer Einwilligung der daraus Berechtigten.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Aus der Bezugnahme auf die §§ 608 und 613 ABGB (in der zum Zeitpunkt der Errichtung des Schenkungsvertrags gültigen Fassung) gehe hervor, dass sich die Geschenkgeber und die Geschenknehmerin bei der Regelung der Besitznachfolge an der fideikommissarischen Substitution (Nacherbschaft) orientieren hätten wollen. Darüber, ob die Besitznachfolgeregelung in Punkt IX. des Schenkungsvertrags unwiderruflich sein sollte, sage der Vertragsinhalt nichts aus. Zufolge demonstrativer Aufzählung der Auflösungsgründe in § 615 ABGB aF könne eine fideikommissarische Substitution auch durch das Einverständnis des Vorerben mit den Nacherben aufgelöst werden. Da Vor- und Nacherbe zusammen die Rechte eines Vollerben hätten, könnten sie gemeinsam die Substitutionsbindung aufheben, einschränken oder auf eine andere Sache übertragen. Eine derartige gemeinschaftliche Einverständniserklärung der Geschenknehmerin als Vorerbin und den im Schenkungsvertrag berufenen Nacherben liege hier jedoch nicht vor. Das Einverständnis zwischen den Geschenkgebern als Voreigentümer und der Geschenknehmerin genüge nicht, um die im Grundbuch eingetragene Besitznachfolge zum Erlöschen zu bringen. Der vorliegende Schenkungsvertrag sei nämlich als echter Vertrag zugunsten Dritter nach § 881 ABGB anzusehen. Mit der vereinbarten Unwiderruflichkeit des Schenkungsvertrags und der daraufhin erfolgten grundbücherlichen Eintragung der Besitznachfolgeregelung gehe einher, dass die Drittbegünstigten einen unmittelbaren Anspruch erworben hätten. Daraus resultiere, dass eine Zustimmung der Begünstigten notwendig sei, wenn die Geschenkgeber die Besitznachfolgevereinbarung in Punkt IX. des Schenkungsvertrags nicht mehr aufrecht erhalten wollten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und die Löschung der Anmerkung der Beschränkung durch das Besitznachfolgerecht zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Mit einem vertraglich angeordneten Besitznachfolgerecht vereinbaren der alte und der neue Eigentümer in Anlehnung an die erbrechtliche Nacherbschaft, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist an einen anderen, nämlich den Besitznachfolger, fällt oder aber, dass zumindest die Verpflichtung besteht, das Eigentum zu übertragen, wobei der Besitznachfolger entweder der alte Eigentümer oder ein Dritter sein kann (5 Ob 68/19i).
2. Vertragliche Besitznachfolgerechte, die einer fideikommissarischen Substitution (nun Nacherbschaft) ähneln, können nach der Rechtsprechung iSd § 20 lit a GBG im Grundbuch angemerkt werden (5 Ob 68/19i mwN; RS0083800; RS0012539 [T2, T4]). Die Beschränkung des Eigentumsrechts durch ein Besitznachfolgerecht wird wegen der bestehenden Rechtsähnlichkeit regelmäßig wie eine echte Nacherbschaft behandelt. Je näher eine solche Vereinbarung an die Regelung typischer Anliegen der Nacherbschaft herankommt, umso zwingender ist nach der Rechtsprechung die Analogie (5 Ob 68/19i mwN; RS0012539 [T3]).
3.1. Zur Frage der Widerruflichkeit eines Besitznachfolgerechts, das einer Nacherbschaft ähnelt und im Grundbuch angemerkt ist, hat der Fachsenat in seiner rezenten (zeitlich erst nach der Entscheidung des Rekursgerichts ergangenen) Entscheidung 5 Ob 68/19i Stellung genommen. Nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit der unmittelbar einschlägigen Vorjudikatur (5 Ob 11/91; 4 Ob 194/98b) und der in (nur) scheinbarem Widerspruch dazu stehenden Rechtsprechung zum Besitznachfolgerecht als „echten“ Vertrag zugunsten Dritter (RS0017044; RS0017098; insbesondere 6 Ob 143/71; 2 Ob 220/14p und 1 Ob 177/17m) kam der Fachsenat zu dem Ergebnis, dass es letztlich eine Frage der Auslegung des konkreten Veräußerungsvertrags ist, ob ein aus einer Besitznachfolgevereinbarung begünstigter Dritter unmittelbar daraus ein Forderungsrecht erwirbt, bejahendenfalls zu welchem Zeitpunkt. Die Vertragsgestaltung im Einzelfall ist daher auch Richtschnur dafür, ob ein Widerruf durch die Vertragsparteien ohne Einbeziehung des begünstigten Dritten noch zulässig ist oder nicht. Kommt die Anordnung oder Vereinbarung eines Besitznachfolgerechts nach dem Inhalt des Vertrags der letztwilligen Anordnung einer Nacherbschaft iSd § 608 ABGB nahe, wird eine unmittelbare Berechtigung der begünstigten Personen daraus im Zweifel zu verneinen sein. Wird im Vertrag hingegen die Verpflichtung zur Weiterüberlassung an eine ganz bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret vereinbart, wird im Zweifel von einer unmittelbaren Berechtigung der dritten Person auszugehen sein (5 Ob 68/19i).
3.2. An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Ausgehend von diesen war in dem zu 5 Ob 68/19i entschiedenen Fall im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen nicht von einem echten Vertrag zugunsten Dritter auszugehen. Die Antragstellerin hatte als Geschenknehmerin keine Verpflichtung übernommen, die Geschenkgeber hatten vielmehr – vergleichbar letztwillig Verfügenden – ein Besitznachfolgerecht zugunsten ihrer drei Enkel unter ausdrücklichem Hinweis auf §§ 608 ff und §§ 613 ff ABGB angeordnet. Dass es den Geschenkgebern damit um eine vorweggenommene Erbfolgeregelung und den Erhalt des Schenkungsobjekts im Familienbesitz gegangen war, war zwar im Schenkungsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings hatten sich die Geschenkgeber nicht nur ein umfassendes Fruchtgenussrecht vorbehalten, sondern auch das Recht, jederzeit eine Veräußerung des Vertragsgegenstands erwirken zu können, wozu die Geschenknehmerin vorweg ihre Zustimmung zu erklären hatte. Eine Wertsteigerung des Vertragsgegenstands sollten die Geschenkgeber lukrieren, eine Wertminderung sollten sie der Geschenknehmerin hingegen ersetzen. Diese Vertragsbestimmungen sprachen nach Auffassung des Fachsenats eindeutig dagegen, dass nach dem Willen der Parteien mit der Schenkung bereits die Einräumung (unwiderruflicher) Rechte an Dritte verbunden sein sollte, die einer Veräußerung dann ja ebenfalls hätten zustimmen müssen. Die Rechte der Antragstellerin am Schenkungsobjekt waren vielmehr auf die einer „leeren Eigentümerin“ beschränkt. Vergleichbar dem zu 5 Ob 11/91 entschiedenen Fall war daher aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung von einer Möglichkeit des Widerrufs des vertraglichen Besitznachfolgerechts auch ohne Beiziehung der begünstigten Dritten auszugehen. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass im Gegensatz zu 5 Ob 11/91 die Namen der Begünstigten bereits feststanden und im Grundbuch angemerkt wurden. Für die Frage der Widerruflichkeit eines vertraglichen Besitznachfolgerechts ist nämlich nicht ausschlaggebend, ob der begünstigte Dritte zum Zeitpunkt der Einräumung dieses Rechts bereits geboren war oder nicht. Abzustellen ist nur darauf, ob die freie Widerruflichkeit des ihnen eingeräumten Rechts aus der zugrunde liegenden Vertragsgestaltung abzuleiten ist. Die Anmerkung im Grundbuch ist zwar gemäß § 94 Abs 1 Z 1 GBG grundbuchsrechtlich unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie zulässigerweise erfolgte oder nicht. Die Anmerkung der Namen der Begünstigten im Grundbuch für sich allein ist aber nicht rechtsbegründend, weil Anmerkungen gemäß § 20 lit a GBG grundsätzlich nur deklaratorische Wirkung haben. Derartige Anmerkungen stellen zwar Tatsachen von rechtlicher Bedeutung fest, können aber keine dinglichen Rechte begründen, umändern oder aufheben. Dass in der Anmerkung des Besitznachfolgerechts die Berechtigten genannt sind, ist daher für sich allein nicht rechtsbegründend (5 Ob 68/19i).
3.3. Die gleichen Erwägungen führen auch im hier zu beurteilenden Fall zu dem Ergebnis, dass aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung von der Möglichkeit des Widerrufs des vertraglichen Besitznachfolgerechts auch ohne Beiziehung der begünstigten Dritten auszugehen ist. Es sind nicht nur die selben Personen beteiligt, auch die – freilich eine andere Liegenschaft betreffende – Vertragsgestaltung ist offensichtlich die Gleiche. Die Geschenkgeber, die ein Besitznachfolgerecht zugunsten ihrer drei Enkel unter ausdrücklichem Hinweis auf §§ 608 ff und §§ 613 ff ABGB anordneten, behielten sich im Schenkungsvertrag nicht nur ein unwiderrufliches höchstpersönliches und unentgeltliches Fruchtgenussrecht nach §§ 509 bis 520 ABGB zurück. Die Parteien vereinbarten zudem ein Vorverkaufsrecht der Geschenkgeber mit dem Recht, dass die Geschenkgeber jederzeit eine Veräußerung des Vertragsgegenstands erwirken können und diesfalls eine Wertsteigerung lukrieren können oder der Geschenknehmerin eine Wertminderung zu ersetzen haben. Die Geschenknehmerin verpflichtete sich, über Aufforderung der Fruchtgenussberechtigten einer Veräußerung des Vertragsgegenstands zuzustimmen (Punkt VII. des Schenkungsvertrags). Diese Vertragsbestimmungen sprechen (auch hier) eindeutig dagegen, dass nach dem Willen der Parteien mit der Schenkung bereits die Einräumung (unwiderruflicher) Rechte an Dritte verbunden sein sollte.
4. Das von den Vorinstanzen angenommene Eintragungshindernis liegt nicht vor; andere sind nicht ersichtlich. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war das Grundbuchsgesuch daher antragsgemäß zu bewilligen.
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