BVwG L519 2210368-1

BVwGL519 2210368-124.6.2019

AsylG 2005 §10
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L519.2210368.1.00

 

Spruch:

L519 2210368-1/16E

schriftliche ausfertigung des am 02.01.2019 mündlich verkündeten erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 19.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird in allen Spruchpunkten mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes von 9 auf 10 Jahre hinaufgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als bP bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Türkei. Sie reiste am XXXX 2003 in das Bundesgebiet ein und verfügt seither über eine aufrechte Meldeadresse und Aufenthaltstitel in Österreich.

I.2. Am XXXX 2016 wurde sie wegen Körperverletzung gem. § 83 StGB zur Anzeige gebracht.

Am 06.04.2016 wurde das Ermittlungsverfahren gegen sie wegen § 83 StGB wegen Geringfügigkeit eingestellt.

I.3. Am 08.01.2018 wurde sie wegen Vergewaltigung gem. § 201 StGB zur Anzeige gebracht.

Am XXXX 2018 wurde die bP seitens des LG XXXX wegen des am XXXX 2017 begangenen Verbrechens der Vergewaltigung gem. § 201 StGB schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.

I.4. Am 01.08.2018 wurde der bP vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Schreiben übermittelt, in welchem sie über die Einleitung des gegenständlichen Verfahrens und die bis dahin erfolgte Beweisaufnahme informiert wurde. Zudem wurde ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen 14 Tagen hierzu eingeräumt und wurden ihr Länderfeststellungen übermittelt.

Am 29.08.2018 langte die Stellungnahme der bP vom 24.08.2018 bei der belangten Behörde nach Gewährung einer Fristerstreckung ein.

I.5. Am 12.09.2018 langte eine Verwaltungsvormerkung der bP bei der Stadt XXXX ein.

I.6. Mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt. Gemäß § 53 FPG wurde in Bezug auf die bP ein Einreiseverbot für die Dauer von 9 Jahren erlassen.

I.6.1. Die Behörde zog die folgenden Beweismittel, teils von der bP vorgelegt, heran:

* Stellungnahme vom 29.08.2018

* Vollmacht bezüglich der rechtlichen Vertretung

* Passkopie XXXX

* Kopie der Aufenthaltskarte: XXXX

* Haushaltsgemeinschaftsbestätigung

* GISA Auszug

* Zeugnis: Lehrgang zum geprüften Bauwerksabdichter

* Sachverständigengutachten vom 01.02.2016 betreffend Erkrankung des Vaters

* Strafregisteranfrage

* ZMR Anfrage

* Anfrage via Anfrageplattform des BMI

* Abschlussbericht der XXXX

Vernehmung des Täters

Vernehmung des Opfers

Zeugenvernehmung

Gekürzte Urteilsausfertigung des LG XXXX

* Abschlussbericht der PI XXXX

Vernehmungen des Täters und Opfers sowie ärztliches Gutachten betreffend Vorfall 2016 (Ohrfeige).

* Verwaltungsvormerkung der Stadt XXXX

I.6.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Verhalten der bP als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

I.6.3. Zur abschieberelevanten Lage in der Republik Türkei traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.

I.6.4. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein Einreiseverbot zu erlassen sei.

I.7. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP zwar bei der Verantwortung bleibe, es sei zu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr und nicht zu einer Vergewaltigung gekommen, sie stelle aber keine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Das Verfahren im Jahr 2016 (Ohrfeigen Freundin) sei wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Zwischen den beiden Vorfällen lägen 1 Jahr und 9 Monate. Nichtsdestotrotz habe die bP ihr Verhalten gegenüber Frauen überdacht. Der Strafaufschub sei zu berücksichtigen, da damit festgehalten sei, dass die bP nicht gefährlich ist. Die bP sei in Österreich fest verankert und lebe bei ihrer Familie. Sie unterstütze die Mutter bei Behördengängen und Bankangelegenheiten sowie der Pflege des an Parkinson erkrankten Vaters. Zu dem Kind und der Ex Gattin in der Türkei bestehe abgesehen von den regelmäßigen Unterhaltszahlungen kein Kontakt und hätte die bP keine Anknüpfungspunkte in der Türkei.

Vorgelegt wurde von der bP:

* Beschluss über den Strafaufschub

I.8. Die Beschwerdevorlage langte am 29.11.2018 beim BVwG ein.

I.9. Mit Beschluss des BVwG vom 03.12.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.10. Im Aktenvermerk vom 19.12.2018 hielt das BVwG fest, dass die bP die Strafe nach Strafaufschub nicht fristgerecht angetreten ist und die Zustellung der Ladung für die Verhandlung an der Ladungsadresse nicht möglich war.

I.11. Für den 02.01.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurde die bP - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurde die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 02.01.2019 wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerde wurde vollinhaltlich abgewiesen und das Einreiseverbot von 9 auf 10 Jahre hinaufgesetzt.

Die bP wurde iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.12. Mit Schreiben vom 16.01.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Bei der bP handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen, welcher zur Volksgruppe der Kurden gehört und sich zum Mehrheitsglauben des Islam bekennt.

Der bP ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Die bP hatte einen Bandscheibenvorfall, steht aktuell jedoch in keiner Behandlung.

Die bP lebt seit XXXX 2003 in Österreich. Am XXXX 2011 wurde ihr ein Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung unbeschränkt" erteilt, zuletzt erhielt sie eine Rot-Weiß-Rot Karte plus, gültig bis April 2021. Die bP hat in Österreich mit XXXX 2018 ein selbstständiges Gewerbe (Bauwerksabdichter) angemeldet. Sie hat einen Bauwerksabdichterkurs absolviert. Zuvor hat sie zuerst 5 Jahre in der Türkei und dann in Österreich die Schule bzw. den polytechnischen Lehrgang besucht und vereinzelt für verschiedene Arbeitgeber gearbeitet. Sie hat jeweils für unter ein Jahr bei den verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet und zwischenzeitlich Krankengeld und Arbeitslosengeld bezogen.

Familienangehörige (Großmutter und Schwester mit ihrer Familie sowie weitere Verwandte) leben nach wie vor in der Türkei, der Vater besitzt dort immer noch ein Haus, welches nur zeitweise vermietet ist. Die bP ist seit 2009 geschieden, die Ex-Ehegattin und das gemeinsame Kind leben nunmehr in der Türkei, nachdem das Kind in Österreich geboren wurde. Die bP ist nicht obsorgeberechtigt, aber unterhaltspflichtig gegenüber dem Kind. Die bP besucht die Türkei regelmäßig zu Urlaubszwecken.

In Österreich leben die Eltern der bP, zwei Brüder, mehrere Onkel und Tanten sowie Cousins. Sie ist in einer Wohnung mit einem Freund gemeldet, lebt aber zeitweise bei ihren Eltern und einem Bruder in deren Haushalt. Der Vater der bP leidet unter Parkinson und wird von der Mutter der bP gepflegt. Die bP ist vielfach unterwegs und unterstützt die Mutter bzw. den Vater lediglich bei Fahrten zu ärztlichen Terminen und macht vereinzelt Besorgungen.

Die bP hat eine Freundin in Österreich, lebt jedoch nicht mit ihr zusammen und verfügt über normale soziale Kontakte.

Die bP möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit 15 Jahren und damit die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet auf. Sie reiste legal im Wege der Familienzusammenführung in das Bundesgebiet ein. Sie spricht Türkisch und Deutsch.

Die Identität der bP steht fest. Sie verfügt über einen bis 2028 gültigen türkischen Personalausweis sowie einen bis 2022 gültigen türkischen Reisepass.

II.1.2. Die bP wurde am XXXX 2018 wegen Körperverletzung gem. § 83 StGB zur Anzeige gebracht. Die bP wurde von der damaligen Freundin zur Anzeige gebracht, da die bP die Freundin im Zuge eines Streites im Februar 2016 ins Gesicht geschlagen hat, was häufiger vorkam. Das Ermittlungsverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Am XXXX 2018 wurde die bP vom LG XXXX wegen des am XXXX 2017 begangenen Verbrechens der Vergewaltigung gem. § 201 StGB für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, Probezeit für 3 Jahre rechtskräftig verurteilt.

Die bP wurde mit diesem Urteil schuldig gesprochen, das Opfer K mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt zu haben, indem er sie gegen die Sitzbank eines Kleinbusses drückte, ihre Beine gewaltsam auseinander zwängte und ihre Hose und Unterhose bis zu den Knien hinunter zog, sich auf sie legte, sein Glied in ihre Scheide einführte und sie ungeachtet ihrer Gegenwehr vaginal penetrierte. Strafmindernd wurde die bisherige Unbescholtenheit bewertet, kein Umstand wurde als erschwerend festgestellt. Das Urteil wurde auf die Angaben des Opfers und einer Zeugin, den Chat-Verlauf und die SMS Nachrichten der bP sowie des Opfers gestützt. Festgehalten wurde im Urteil weiters, dass die Voraussetzungen für die Diversion nicht vorliegen, da ein hoher Gesinnungsunwert (Verwerflichkeit der inneren Einstellung des Angeklagten) und ein hoher Handlungsunwert (mit erheblicher Intensität ausgeführte Tatbegehungsweise) vorliegen und der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht und eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt hat.

Die bP befand sich im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung in Haft. Der bP wurde mit Beschluss des LG ein Strafaufschub bis 15.12.2018 gewährt. Sie ist vorerst nicht zum Termin erschienen, weshalb sie erst am 20.12.2018 selbst die Haft antrat.

II.1.3. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Türkei

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Als Reaktion auf den gescheiterten Putsch vom 15.7.2016 hat der türkische Präsident am 20.7.2016 den Notstand ausgerufen. Dieser berechtigt die Regierung, verschiedene Einschränkungen der Grundrechte wie der Versammlungs- oder der Pressefreiheit zu verfügen (EDA 24.1.2017). Auf der Basis des Ausnahmezustandes können u. a. Ausgangssperren kurzfristig verhängt, Durchsuchungen vorgenommen und allgemeine Personenkontrollen jederzeit durchgeführt werden. Personen, gegen die türkische Behörden strafrechtlich vorgehen (etwa im Nachgang des Putschversuchs oder bei Verdacht auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung), kann die Ausreise untersagt werden (AA 24.1.2017a).

Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Seit dem Sommer 2015 hat die Zahl der Anschläge zugenommen. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben die Attentate zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 24.1.2017).

Die Situation im Südosten, so die Europäische Kommission, blieb eine der schwierigsten Herausforderungen für das Land. Die Türkei sah sich mit einer weiterhin sehr ernsten Verschlechterung der Sicherheitslage konfrontiert, in der es zu schweren Verlusten an Menschenleben nach dem Zusammenbruch der Verhandlungen zur Lösung der Kurdenfrage im Juli 2015 kam. Das Land wurde von mehreren terroristischen Großangriffen seitens der PKK und dem sog. Islamischen Staat (auch Da'esh) betroffen. Die Behörden setzten ihre umfangreiche Anti-Terror-kampagnen gegen die kurdische Arbeiterpartei (PKK) fort.Das Ausmaß der Binnenflucht aus jenen Zonen, in denen eine Ausgangssperre herrschte, sowie der mangelnde Zugang zur Grundversorgung in diesen Gebieten gaben der EK ebenfalls Anlass zu großer Sorge. Die EK sah die dringliche Notwendigkeit des ungehinderten Zuganges von unabhängigen Ermittlern in die Region. Überdies zitierte die EK die Venediger Kommission des Europarates, wonach sich die Verhängung der Ausgangssperren weder im Einklang mit der türkischen Verfassung noch mit den internationalen Verpflichtungen des Landes befände (EC 9.11.2016).

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) wies auf die rechtliche Einschätzung der Venediger Kommission vom 13.6.2016 hin, wonach die seit August 2015 verhängten Ausgangssperren im Südosten des Landes gegen die türkische Verfassung und den Rechtsrahmen verstoßen haben. Denn Ausgangssperren können nur in Zusammenhang mit dem materiellen oder dem Notstandsrecht verhängt werden, wofür es aber eines parlamentarischen Beschlusses bedarf, welcher jedoch nie gefasst wurde. Die Versammlung zeigte sich auch besorgt, dass 21 demokratisch gewählte kurdische Bürgermeister verhaftet und 31 weitere wegen Unterstützung oder Begünstigung einer terroristischen Organisation entlassen wurden. Die Versammlung äußerte ihre Besorgnis ob der breiten Interpretation des Anti-Terror-Gesetzes, um gewaltfreie Äußerungen zu bestrafen und jede Botschaft zu kriminalisieren, wenn diese sich bloß vermeintlich mit den Interessen einer Terrororganisation deckten (PACE 22.6.2016).

Mehr als 80 Prozent der Provinzen im Südosten des Landes waren von Gewalt betroffen. Sieben von neun Provinzen Südostanatoliens sowie zwölf von 14 Provinzen Ostanatoliens waren von Attentaten der PKK, der TAK und des sog. IS, Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen. In den Provinzen Diyarbakir, Mardin und Sirnak kam es zu den meisten, in Hakkâri, Kilis, Sanliurfa und Van zu relativ vielen Vorfällen (SFH 25.8.2016).

Für den Menschenrechtskommissar des Europarates bestand kein Zweifel daran, dass weite Bevölkerungsteile von den Ausgangssperren und Antiterrormaßnahmen betroffen waren. Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates waren 1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren von den Sperrstunden betroffen, und mindestens 355.000 Personen wurden vertrieben. Zahlreichen glaubwürdigen Berichten zufolge, die durch dokumentarische Beweise und Videoaufnahmen gesichert wurden, haben die türkischen Sicherheitskräfte in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt, darunter auch Artillerie und Mörser sowie Panzer und schwere Maschinengewehre. Dies deckt sich mit den Zerstörungen, die der Menschenrechtskommissar angetroffen hat. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört. Der Gouverneur von Diyarbakir schätzte, dass 50% der Häuser von sechs Stadtvierteln in der Altstadt von Sur nun völlig unbewohnbar wurden, und dass weitere 25% beschädigt wurden (CoE-CommDH 2.12.2016).

Bereits im März 2016 wurde von schweren Verwüstungen der Stadt Cizre berichtet. Vom Cudi-Viertel auf der linken Seite des Tigris waren nur noch die Ruinen eingestürzter Häuser übrig; ein Hinweis darauf, dass die Panzer mit ihren Granaten systematisch auf die Stützpfeiler der Wohnhäuser zielten. 80 Prozent der Wohngebiete in Cizre sollen zerstört worden sein (LMD 7.7.2016). In Silopi wurden gemäß Regierungsberichten vom März 2016 6.694 Häuser und Wohnungen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-nahen Guerillakämpfern beschädigt, wobei 27 komplett zerstört wurden. Lokale Quellen setzten die Zahl der betroffenen Wohnstätten wesentlich höher an. 241 Wohnobjekte, die im Regierungsbericht nicht aufscheinen, seien völlig zerstört worden (Rudaw 15.3.2016).

Laut der Sicherheitsagentur "Verisk Maplecroft" wurden 2016 bei 269 Terroranschlägen 685 Menschen getötet und mehr als 2.000 verwundet (FT 4.1.2017). Das "Bipartisan Policy Center" zählte bis Dezember 2016 eine Verdoppelung der Opferzahlen im Vergleich zu 2015. Beinahe 300 Personen wurden 2016 bei den größeren Terroranschlägen der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) und des sog. Islamischen Staates getötet. 2015 waren es weniger als 150 (BI 21.12.2016).

Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet.

Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut Togrul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).

Die PKK hat am 12.3.2016 eine Dachorganisation linker militanter Gruppen gegründet, um ihre eigenen Fähigkeiten auszuweiten und ihre Unterstützungsbasis jenseits der kurdischen Gemeinschaft auszudehnen. Die neue Gruppe, bekannt als die "Revolutionäre Bewegung der Völker" (HBDH), wird vom Chef der radikalsten linken Fraktion innerhalb der PKK, Duran Kalkan, geleitet. Erklärte Absicht der Gruppe, die den türkischen Staat und im Speziellen die herrschende AKP ablehnt, ist es, die politische Agenda voranzutreiben, wozu auch Terroranschläge u.a. gegen Ausländer gehören. Die Gruppe unterstrich zudem das Scheitern der kurdischen Parteien in der Türkei, auch der legalen HDP (Stratfor 15.4.2016). Laut Berichten beabsichtigt die HBDH Propagandaaktionen durchzuführen, um auch die Unterstützung von türkischen Aleviten zu erhalten, und um "Selbstverteidigungsbüros" in den Vierteln der südlichen und südöstlichen Städte zu errichten. Die HBDH will auch Druck auf Dorfvorsteher und Beamte ausüben, die in Schulen und Gesundheitsdiensten arbeiten, damit diese entweder kündigen oder die Ortschaften verlassen (HDN 4.4.2016). Neun verbotene Gruppen trafen sich auf Einladung der PKK am 23.2.2016 zur ihrer ersten Sitzung im syrischen Latakia, darunter die Türkische kommunistische Partei/ Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) [siehe 3.4.], die Revolutionäre Kommunistische Partei (DKP), die Türkische Kommunistische Arbeiterpartei/ Leninistin (TKEP/L), die Kommunistische Partei der Vereinten Nationen (MKP), die türkische Revolutionäre Kommunistenvereinigung (TIKB), das Revolutionshauptquartier und die Türkische Befreiungspartei-Front (THKP-C) [siehe 3.5] (HDN 4.4.2016; vgl. ANF News 12.3.2016). Die HBDH sieht in der Türkei eine Ein-Parteien-Diktatur bzw. ein faschistisches Regime entstehen, dass u.a. auf der Feindschaft gegen die Kurden gründet (ANF News 12.3.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.2.2017a): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_28DF483ED70F2027DBF64AC902264C1D/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/TuerkeiSicherheit_node.html , Zugriff 6.2.2017

- ANF News (12.3.2016): Peoples' United Revolutionary Movement established for a joint struggle, http://anfenglish.com/news/peoples-united-revolutionary-movement-established-for-a-joint-struggle , Zugriff 25.1.2017

- BPC - Bipartisan Policy Center (21.12.2016): Terror Attacks in Turkey Mark Regional and Internal Conflicts, http://bipartisanpolicy.org/blog/turkey-regional-and-internal-conflicts/ , Zugriff 24.1.2017

- CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (2.12.2016): Memorandum on the Human Rights Implications of Anti-Terrorism Operations in South-Eastern [CommDH (2016)39], https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=2952745&SecMode=1&DocId=2393034&Usage=2 , Zugriff 24.1.2017

- Der Standard (22.8.2016): Anschlag auf Kurdenhochzeit: Ein Kind als Attentäter, http://derstandard.at/2000043149810/Anschlahgg-auf-Kurdenhohzeit-Ein-Kind-als-Attentaeter , Zugriff 24.1.2017

- Der Standard (30.6.2016): Istanbul-Anschlag: Spur nach Russland und Zentralasien, http://derstandard.at/2000040160430/Istanbul-Anschlag-Spur-nach-Russland-und-Zentralasien , Zugriff 24.1.2017

- Die Zeit (17.1.2017): Verdächtiger gesteht Attentat auf Nachtclub, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-01/anschlag-istanbul-nachtclub-verdaechtiger-gestaendnis , Zugriff 24.1.2017

- EC - European Commission (9.11.2016): Turkey 2016 Report [SWD (2016) 366 final], http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2016/20161109_report_turkey.pdf , Zugriff 24.1.2017

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (24.1.2017): Reisehinweise Türkei, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/tuerkei/reisehinweise-fuerdietuerkei.html , Zugriff 24.1.2017

- FT - Financial Times (4.1.2017): No sign of Turkish shift on Syria and Kurds after terror attacks, https://www.ft.com/content/9ac04d9c-d25f-11e6-b06b-680c49b4b4c0 , Zugriff 24.1.2017

- HDN - Hürriyet Daily News (4.4.2016): Newly-formed PKK initiative to target Turkish cities, conduct political propaganda: Report, http://www.hurriyetdailynews.com/newly-formed-pkk-initiative-to-target-turkish-cities-conduct-political-propaganda-report.aspx?pageID=238&nID=97276&NewsCatID=341 , Zugriff 25.1.2017

- LMD - Le Monde Diplomatique (7.7.2016): In den Ruinen von Cizre und Sûr, http://monde-diplomatique.de/artikel/!5317476 , 24.1.2017

- PACE - Council of Europe - Parliamentary Assembly (22.6.2016): The functioning of democratic institutions in Turkey [Resolution 2121 (2016), Provisional version], http://semantic-pace.net/tools/pdf.aspx?doc=aHR0cDovL2Fzc2VtYmx5LmNvZS5pbnQvbncveG1sL1hSZWYvWDJILURXLWV4dHIuYXNwP2ZpbGVpZD0yMjk1NyZsYW5nPUVO&xsl=aHR0cDovL3NlbWFudGljcGFjZS5uZXQvWHNsdC9QZGYvWFJlZi1XRC1BVC1YTUwyUERGLnhzbA==&xsltparams=ZmlsZWlkPTIyOTU3 , Zugriff 25.1.2017

- Rudaw (15.3.2016): Over 6,600 homes damaged by fighting in Kurdish Silopi, Ankara says, http://www.rudaw.net/english/middleeast/turkey/15032016 , Zugriff 24.1.2017

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.8.2016): Türkei: Situation im Südosten - Stand August 2016, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/tuerkei/160825-tur-sicherheitslage-suedosten.pdf , Zugriff 24.1.2017

- Stratfort (15.4.2016): Turkey's Militants Get More Organized, https://www.stratfor.com/sample/analysis/turkeys-militants-get-more-organized , Zugriff 25.1.2017

- tagesschau.de (21.8.2016): Zwischen Trauer und Wut, https://www.tagesschau.de/ausland/gaziantep-115.html , Zugriff 24.1.2017

- The Guardian (22.8.2016): Erdogan blames Isis for suspected suicide attack at wedding in Turkey, https://www.theguardian.com/world/2016/aug/20/several-dead-in-suspected-terrorist-blast-at-wedding-in-turkey , Zugriff 24.1.2017

Grundversorgung/Wirtschaft

Schätzungen besagten, dass sich das Wachstum des Bruttosozialprodukts 2016 auf unter 3% gemindert hat. Allerdings wird seitens der OECD ein Wiederanstieg auf 3,75% bis 2018 erwartet. Die türkische Wirtschaft ist weiterhin mit dem geopolitischen Gegenwind und ungelösten politischen Problemen konfrontiert. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2015 verschlechterte sich die Marktstimmung nur vorrübergehend. Allerdings kam es im Zuge der geopolitischen Unsicherheiten und der Verlängerung des Ausnahmezustandes zu einer Herabstufung der Ratings, was zu einer zusätzlichen Schwächung der Landeswährung und der Aktienmärkte führte. Das Vertrauen der privaten Haushalte und Unternehmen sank. Die Unsicherheiten sind zwar hoch, doch die Fiskal-, Aufsichts- und Geldpolitik wirken unterstützend und sollten den Privatkonsum wieder anregen (OECD 11.2016).

Die türkische Wirtschaft hat mit enormen Problemen zu kämpfen. Im dritten Quartal des Jahres 2016 fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,8% niedriger aus als im Vorjahresquartal, teilte die nationale Statistikbehörde mit. Es war das erste Mal seit 27 Quartalen, dass ein Minus verzeichnet wurde. Die BIP-Entwicklung im dritten Quartal ist bislang das deutlichste Zeichen, dass die schwierige politische Lage im Land sich auf die Wirtschaft auswirkt. Laut der Statistikbehörde gingen die privaten Konsumausgaben um 3,2% zurück. Die Exporte sanken demnach sogar um 7% (Zeit 12.12.2016).

Ein düsteres Bild ergibt ein Blick auf die Detailzahlen für 2016. Die Fertigungsindustrie als Rückgrat der türkischen Wirtschaft sank im dritten Quartal 2016 um fast 5%. Der wichtige Agrarsektor und der Dienstleistungsbereich schrumpften um 1% respektive 2% seit Anfang 2016. Turbulenzen im Privatsektor, Erschütterungen im Bankenbereich, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie schrumpfende Einkommen drohen für 2017. Der Hauptgrund liegt darin, dass sich die türkische Wirtschaft auf externe Fonds verlässt und sich eben diese angesichts eines gestiegenen Dollars aus dem Land zurückziehen (AM 4.1.2017).

Die Arbeitslosigkeit bleibt ein gravierendes Problem. Aus der jungen Bevölkerung drängen jährlich mehr als eine halbe Million Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt, können dort aber nicht vollständig absorbiert werden. Hinzu kommt das starke wirtschaftliche Gefälle zwischen strukturschwachen ländlichen Gebieten (etwa im Osten und Südosten) und den wirtschaftlich prosperierenden Metropolen. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag im Jahr 2015 bei knapp über 10%. Herausforderungen für den Arbeitsmarkt bleiben der weiterhin hohe Anteil der Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen. Dabei bezieht der überwiegende Teil der in Industrie, Landwirtschaft und Handwerk erwerbstätigen ArbeiterInnen weiterhin den offiziellen Mindestlohn. Er wurde für das Jahr 2016 auf 1.647 Türkische Lira brutto festgesetzt. Die Entwicklung der Realeinkommen hat mit der Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt halten können, sodass insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten am Rande des Existenzminimums leben (AA 10 .2016c, BS 2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (1.2017c): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_E9DC3FE4C4E50A1CDD48B99ED27D8701/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Wirtschaft_node.html , Zugriff 6.2.2017

- AM - Al Monitor (4.1.2017): Why 2017 doesn't bode well for Turkey's economy, http://fares.al-monitor.com/pulse/originals/2017/01/turkey-economy-black-winter-alarm.html , Zugriff 11.1.2017

- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Turkey Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Turkey.pdf , Zugriff 11.1.2017

- Die Zeit (12.12.2016): Türkische Wirtschaft schrumpft erstmals seit Jahren, http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-12/tuerkei-wirtschaft-politische-situation-unruhe-auswirkungen , Zugriff 11.1.2017

- OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development (11.2016): developments in individual oecd and selected non-member economies - Turkey, http://www.oecd.org/eco/outlook/economic-forecast-summary-turkey-oecd-economic-outlook-november-2016.pdf , Zugriff 11.1.2017

II.1.4. Die bP stellt aufgrund ihres strafbaren Verhaltens eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Gemeinschaft dar. Eine positive Zukunftsprognose (bzgl. des Verhaltens) konnte nicht erstellt werden. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung des bP in die Türkei zulässig und möglich ist und war die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot geboten.

2. Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel. Die Feststellungen zu den strafrechtlich relevanten Vorfällen ergeben sich aus den diesbezüglichen, polizeilichen Unterlagen über die Einvernahmen, dem Strafregisterauszug und der gekürzten Urteilsausfertigung.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

Die bP trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

II.2.4.1. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf und diese eine solche unterlässt (Erk. d. VwGH vom 12.9.2006, 2003/03/2006).

Auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist Bedacht zu nehmen (§ 15 AsylG 2005) und im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

Insgesamt gesehen wurde der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben, der immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die belangte Behörde hat auch die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und teilt das hier entscheidende Gericht auch die tragenden Erwägungen der Beweiswürdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

II.2.4.2. Die bP konnte auch im Beschwerdeverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung den Feststellungen der belangten Behörde nicht entsprechend entgegentreten. Vielmehr erhellte sich für das BVwG, dass die bP nunmehr mit der Beschwerdeschrift sowie ihren Behauptungen in der Verhandlung versuchte, sich in einem besseren Licht darzustellen, als es den wahren Begebenheiten entspricht.

Schon die Angaben der bP zum ersten körperlichen Übergriff gegen eine Frau waren nicht stringent. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung zum Vorfall am XXXX 2016 (Ohrfeige für Freundin) gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie und das damalige Opfer ein Liebespaar gewesen wären. Es sei zwischen ihnen öfters zum Streit gekommen. Im Kino hätten sie deshalb einen Streit angefangen, weil die Freundin schwanger gewesen wäre und das Baby gegen den Willen der beschwerdeführerenden Partei abtreiben hätte lassen. Der Streit sei verbal geblieben. Seine Freundin hätte dann einen jungen Mann begrüßt und hätte sich die beschwerdeführende Partei gedacht, dass sie wieder "verarscht" werden würde, die Freundin hätte sie nämlich schon öfter mit anderen Männern betrogen. Sie hätte der Freundin deshalb leicht mit der rechten Hand ins Gesicht geschlagen. Das Paar würde halt oft streiten. Danach hätte die Freundin die bP angezeigt. Letztlich zeigte sich die bP dennoch zumindest zu dieser Ohrfeige geständig.

Hierzu wird aus dem Verhandlungsprotokoll zitiert, um gleich vorweg darzustellen, dass die bP offensichtlich widersprüchliche Angaben in der Einvernahme sowie in der Verhandlung tätigte und damit schon aus diesem Grund an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln war.

RI: Laut KPA haben sie am XXXX 2016 in einem EKZ eine Körperverletzung begangen, indem sie einer Frau im Zuge eines Streites in das Gesicht geschlagen haben. Das Verfahren gem. § 83 StGB wurde von der StA wegen "Geringfügigkeit" eingestellt. Was sagen sie dazu?

P: Ich war nie bei der Staatsanwaltschaft diesbezüglich, in Wien habe ich mit meiner Freundin in einem Einkaufszentrum gestritten. Das war keine Körperverletzung. Wir haben uns versöhnt und sind dann zur Polizei gegangen.

RI: War das Kind, das diese Frau abtreiben ließ, von ihnen?

P: Welche Frau?

RI: Diejenige, mit der sie sich versöhnt haben.

P: War sie schwanger? Sie hat mir nichts dergleichen gesagt.

RI: Frau XXXX hat bei ihrer Zeugeneinvernahme angegeben, dass sie sehr eifersüchtig waren und sie ihr im Zuge von heftigen Streitereien des Öfteren Ohrfeigen gaben (AS 194). Was sagen sie dazu?

P: Es waren die Angaben von XXXX , aber ich wurde damals nicht vernommen und ich konnte mich nicht verteidigen, wir hatten uns schon versöhnt.

RI Vorhalt: Laut AS 3 wurden sie zu den Vorwürfen sehr wohl befragt!

P: Das war im Jahr 2006, jetzt sind wir im Jahr 2019.

RI: Das war im Jahr 2016!

P: Ja, also das mache ich nicht bewusst, ich kann mich nicht so genau an Daten erinnern.

RI Vorhalt: Sie haben bei dieser Befragung durch das SPK XXXX , selbst angegeben, dass es bei dem Streit darum ging, dass Frau XXXX schwanger war und das Baby gegen Ihren Willen abtreiben ließ.

P: Ich habe vorhin verstanden, dass durch die Schläge von mir sie das Kind verloren hat.

Zu den Ausführungen in der Beschwerde ist festzuhalten, dass selbst wenn dieses Verfahren gegen die bP eingestellt wurde, bereits damals die Haltung gegenüber Frauen an die Oberfläche kam und sich in einem an sich strafbaren Verhalten manifestierte. Hinzu kommt, dass die bP sich diesbezüglich auch teilweise uneinsichtig zeigte und immer wieder vor der Polizei versuchte, die Ohrfeige auf eine Provokation der Freundin zurückzuführen und damit seine Handlung zu entschuldigen.

Schon in diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von denen des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Es kam jedoch nicht nur zu diesem einen Vorfall 2016, sondern wurde die bP im Jahr 2018 wegen einer Tat aus 2017 schuldig gesprochen. So hat die bP das damalige Opfer K mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem sie das Opfer gegen die Sitzbank eines Kleinbusses drückte, ihre Beine gewaltsam auseinander zwängte und ihre Hose und Unterhose bis zu den Knien hinunterzog, sich auf sie legte, das Glied in ihre Scheide einführte und sie ungeachtet ihrer Gegenwehr vaginal penetrierte. Strafmindernd wurde die bisherige Unbescholtenheit, kein Umstand wurde als erschwerend festgestellt.

Aus der Zeugenvernehmung der K am 21.12.2010 geht hervor, dass sich die bP mit K, einer Facebook Bekanntschaft am XXXX 2017 getroffen hat. Ausführlich schildert das Opfer, wie es zur Vergewaltigung gekommen ist, und wie sie sich während und nach der Vergewaltigung gefühlt hat. Vorerst hat sie demnach gedacht, selbst an der Vergewaltigung schuldig zu sein. Im Zuge der Vergewaltigung im Firmenbus der beschwerdeführenden Partei belästigte die bP das Opfer mehrfach und ignorierte die Aufforderung des Opfers, mit dem körperlichen Übergriffen aufzuhören. Schließlich hat die bP mit den Händen die Füße des Opfers auseinandergedrückt und die Schreie des Opfers, dass es weh tut, ignoriert. Während die beschwerdeführende Partei den Penis in die Vagina des Opfers steckte, hat sich das Opfer ihren Angaben gemäß die Hände vor die Augen gehalten, geschrien und geweint. Die bP gab zu diesem Vorfall an, dass der Vorfall im Bus einvernehmlich gewesen sei und auch das Opfer Geschlechtsverkehr gewollt hätte.

Festgehalten wurde im Urteil des Strafgerichts, dass die Voraussetzungen für die Diversion nicht vorliegen, da ein hoher Gesinnungsunwert (Verwerflichkeit der inneren Einstellung des Angeklagten) und ein hoher Handlungsunwert (mit erheblicher Intensität ausgeführte Tatbegehungsweise) vorliegen und der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht und eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt hat.

In der mündlichen Verhandlung gab die bP vorerst zur Frage, was ihre Freundin zu der Vergewaltigung sage an: "Das war ganz anders, diese Sache, ich wollte nicht vergewaltigen." Erst später versuchte die bP dann das Vorbringen aus der Beschwerde, wonach die Verurteilung von der bP grundsätzlich akzeptiert werde und sie ihr Leben so gestalte, dass sich keinerlei strafrechtsrelevante Berührungspunkte ergeben können, wiederzugeben. Wie bereits in der Beschwerde wurde jedoch von der bP auch in der Verhandlung versucht, eine Rechtfertigung für das Verhalten zu finden und gab die bP zuletzt wiederum an, dass das Vergewaltigungsopfer ihr nicht gesagt habe, dass sie ihn nicht will. Vor diesem Hintergrund sind die philosophisch ausschweifenden Ausführungen der bP davor zur Stellung der Frau und seinem Respekt dem anderen Geschlecht gegenüber als bloßer Versuch zu sehen, einen offensichtlich eingelernten Text hinsichtlich dieser Umstände zu Protokoll zu geben und sich in einem besseren Licht darzustellen.

Vor allem vermeinte die bP auch in der Verhandlung, es gäbe nur diesen Vergewaltigungsvorfall, die Ohrfeige in der Öffentlichkeit negierte sie. Über Vorhalt des Akteninhaltes zu diesem Vorfall konnte die bP nicht einmal die Eckdaten, welche sie damals bei der Polizei angegeben hat benennen und versuchte auch dieses - sein tatsächliches Verhalten gegenüber Frauen - herunterzuspielen (vgl. Zitat aus dem Protokoll oben).

Der Versuch der bP, sich in der Verhandlung selbst letztlich als Opfer darzustellen (bspw. Frauen wären oft eifersüchtig und würden schlecht reden, wenn er sie abweise), scheiterte aus den vorangestellten Gründen. Das Gericht gewann in der Verhandlung vielmehr den Eindruck, dass sie aus der Verurteilung nichts gelernt hat und nach wie vor wenig Respekt vor Frauen hat. Die mehrfachen Ohrfeigen seiner ehemaligen Freundin gegenüber und die ein Jahr und 9 Monate später folgende Vergewaltigung zeigen auch, dass die bP nicht davor zurückschreckt, in die körperliche Integrität von anderen einzugreifen.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung hat auch das nunmehr entscheidende Gericht - wie bereits das die bP zu einer teils unbedingten Freiheitsstrafe verurteilende Landesgericht für Strafsachen - den Eindruck in der Verhandlung gewonnen, dass die bP nach wie vor den Unrechtsgehalt seiner Taten nicht eingesehen hat bzw. einen äußerst ungünstigen und uneinsichtigen Eindruck hinterlassen hat. Keinesfalls kann von einem reumütigen Verhalten gesprochen werden und hatte die bP auch keinerlei einleuchtende Begründung dafür, warum sie bislang nicht versucht hat, sich beim Opfer zu entschuldigen.

Das BVwG zieht auch das bis zum Schluss leugnende Verhalten der bP in die Beweiswürdigung mit ein und sieht darin einen Umstand, welcher im Rahmen der Bemessung der Höhe des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen ist.

Auch konnte die bP in der Verhandlung nicht glaubwürdig erläutern, warum ihr ein solcher Fehler nicht nochmals passieren sollte. Gerade das Risiko psychischer Beeinträchtigungen von Opfern in diesem Zusammenhang wiegt gemäß der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Judikatur besonders schwer und gab das Vergewaltigungsopfer bei der Polizei bekannt, dass sie unter Panikattacken leidet. Im Zeitpunkt der Verhandlung befand sich die bP von in Haft, weshalb schon insgesamt gesehen nicht von einem Zeitraum des Wohlverhaltens nach der letzten Tat gesprochen werden kann.

Zu den Verwaltungsstrafen gab die bP über Vorhalt der Richterin an, dass sie ca. 20 Radarstrafen und die Strafe wegen Verletzung der Mautpflicht bezahlt hätte. Trotz Zahlung dieser Übertretungen fügt sich diese hohe Anzahl an Verwaltungsübertretungen in das Bild, und zwar dass die bP grundsätzlich nicht gewillt ist, sich an die österreichische Rechtsordnung und die hier geltende Werteordnung zu halten.

Schließlich gab die bP in der Verhandlung zur Frage, ob sie sich schon einmal professionelle Hilfe wegen ihrem aggressiven Verhalten gegenüber Frauen gesucht habe an, nicht aggressiv gegenüber Frauen gewesen zu sein. Sie konnte aber ihr aktenkundiges Verhalten gegenüber Frauen nicht erklären und hat auch gerade wegen der mangelnden Reue und Einsicht noch keinerlei Hilfe in Anspruch genommen. Es drängte sich vielmehr der Eindruck auf, dass die bP selbst keinerlei Verantwortung für das Sittlichkeitsdelikt oder ihre Handlungen gegenüber der Ex-Freundin übernehmen wollte, jedoch im Hinblick - etwa auch über entsprechende Erklärungen durch die Vertretung - respektvoll und kooperativ erscheinen wollte. Vor dem Hintergrund der oben widergegebenen Auszüge aus dem Gerichturteil und den Einvernahmen bestanden jedoch keinerlei Zweifel, dass die bP sowohl die Vergewaltigung als auch die körperlichen Misshandlungen der Ex-Freundin genau wie im Sachverhalt beschrieben begangen und letztlich nicht aufgearbeitet hat. Die bP stellt damit eine erhebliche Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.

II.2.4.2. Zu den Anknüpfungspunkten in Österreich ist festzustellen, dass sich die bP offensichtlich vorwiegend in der türkischen Community aufhält und in der Verhandlung zur Frage nach österreichischen Freunden nur angegeben hat, über die "Firma" Österreicher zu kennen. Von besonderen sozialen Kontakten, welche über die Verbindungen die durch den Aufenthalt automatisch geknüpft werden hinausgehen, kann damit nicht ausgegangen werden.

Im Zuge Ihrer Stellungnahme gab die bP an, dass sie mit Frau XXXX eine Beziehung führen würde und auch gerne heiraten würde. In der Verhandlung gab die bP auf die Frage, ob sie eine Lebensgefährtin habe an, dass sie Personen habe, mit denen sie spreche, mit jemanden zusammen gelebt habe sie nie. Sie sei auf Montage gewesen und habe im Hotel gelebt. Erst über Vorhalt erwähnte die bP diese Freundin. Die bP lebt mit ihr jedoch in keiner Lebensgemeinschaft, sie verfügen über keinen gemeinsamen Wohnsitz und hat die bP in der Verhandlung auch angegeben, dass sie sich erst seit ca. 4-5 Monaten kennen. Bei dieser Freundin handle es sich um eine österreichische Staatsangehörige welche die bP heiraten wolle. Die bP lebt und lebte mit dieser nicht in einem gemeinsamen Haushalt, kannte sie erst wenige Monate und verbrachte die letzten Monate im Gefängnis. Darüber hinaus wusste die bP auch nicht einmal den Geburtstag der Freundin, weshalb von besonderen Bindungen nicht ausgegangen werden kann. Vor diesem Hintergrund war auch dem Antrag in der Verhandlung, die Freundin der bP möge einvernommen werden, nicht zu folgen, da die Eckdaten der Angaben der bP zur Verbindung als wahr angenommen wurden, jedoch nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine relevante Verbindung aufgrund deren Kürze und mangelnder gemeinsamer Wohnsitznahme vorliegt.

Zu den Ausführungen in der Stellungnahme vom 29.08.2018, dass die bP mit einem an Parkinson leidenden Vater im Haushalt lebt und diesen pflegt und von diesem eine umfassende Vollmacht habe, um ihm bei den Behörden und Banken vertreten zu können, ist festzuhalten, dass sich in der Verhandlung herausstellte, dass die Pflege von der Mutter der bP übernommen wird. Sowohl die Mutter als auch die bP selbst gaben an, dass die bP meistens nur am Wochenende zu Hause ist. Während die bP in der Verhandlung noch den Schein aufrecht zu halten versuchte, dass sie an der Pflege des Vaters beteiligt ist, erhellte sich schnell während der Einvernahmen der Mutter und des Bruders, dass die bP eben schon aus zeitlichen Gründen nicht wesentlich an der Betreuung des Vaters beteiligt ist. Auch die Ausführungen der bP, dass sie für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Bruder sorge, erwiesen sich als haltlos. Selbst wenn man annehmen möchte, dass der Bruder tatsächlich unter Schizophrenie leidet, so hat er weder einen Erwachsenenvertreter, noch erweckte er in der Verhandlung den Eindruck, dass er selbst Hilfe bräuchte. Vielmehr gab er an, dass er und die Mutter dem Vater die Medikamente verabreichen und die bP darin nicht involviert ist. Letztlich bleibt, dass die bP den Vater öfter mit dem Auto zu Arztterminen bringt und Besorgungen erledigt. Jedoch stellte sich bereits in der Verhandlung heraus, dass selbst diese Dienste nunmehr durch den weiteren Bruder der bP oder die Rettung übernommen werden. Die Rettung wurde auch bereits einmal gerufen, als die bP arbeiten war und keine Zeit hatte. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die bP zur Pflege und Versorgung des Vaters in Österreich nicht benötigt wird. Entgegen den Angaben in der Beschwerde gab die bP selbst in der Verhandlung auch an, dass sie Bankgeschäfte nichts angingen und die Eltern für sich selbst den Alltag bewerkstelligen und regeln. Letztlich scheint die bP auch im Melderegister nicht an derselben Adresse wie die Eltern auf, weshalb von keinen besonderen Bindungen, welche im Rahmen des Art. 8 EMRK relevant werden würden, angenommen werden könne.

Auch zu seiner eigenen Erwerbstätigkeit verstrickte sich die bP in Ungereimtheiten. So behauptete sie vorerst im erstinstanzlichen Verfahren, fast durchgängig erwerbstätig gewesen zu sein. Folgt man jedoch dem Sozialversicherungsauszug, so ergibt sich daraus, dass die bP mehrheitlich nicht - zumindest nicht offiziell und sozialversicherungspflichtig - gearbeitet hat. Auch im Zusammenhang mit der nunmehr mit März 2018 begonnenen selbstständigen Tätigkeit ergaben sich Unstimmigkeiten in den Angaben. So gab die bP an, dass sie das Gewerbe mit Oktober 2018 ruhend gestellt habe. Andererseits habe sie aber um einen Strafaufschub bis in den Dezember wegen der Arbeit gebeten und dann letztlich die Strafe dennoch im Dezember nicht fristgerecht angetreten, da sie noch einen Auftrag zu beenden gehabt hätte. Gerade dies legt nahe, dass es die bP auch mit arbeits- und finanzrechtlichen Zusammenhängen nicht so genau nimmt.

Insgesamt zeigte sich auch durch dieses verspätete Erscheinen zum Haftantritt ohne jegliche Bedenken und das gesamte Verhalten der bP in Österreich sowie auch in der Verhandlung, dass sie nicht daran interessiert ist, was österreichische Behörden oder Gerichte anordnen. Gerade der Strafaufschub konnte schon aufgrund des verspäteten Antritts nicht zugunsten der bP gesehen werden.

II.2.4.3. Zu den Kontakten in der Türkei ist auszuführen, dass die bP selbst angegeben hat, dass der Vater dort ein Haus besitzt, welches nur zeitweise vermietet ist und sie damit über eine Unterkunft verfügt. Darüber hinaus leben die Schwester und weitere Verwandte in der Türkei, welche die bP im Rahmen der Rückkehr unterstützen können. Die bP spricht auch Türkisch. Zur Ex-Gattin und dem Kind ist festzuhalten, dass auch in diesem Zusammenhang die bP widersprüchliche Angaben tätigte. So führte sie vorerst Ehestreitigkeiten als Scheidungsgrund an und wäre die Ehegattin zuletzt ohne seine Kenntnis in die Türkei gereist. Demnach kann die Scheidung nicht so einvernehmlich verlaufen sein, wie die bP dies darzustellen versuchte. Darüber hinaus gab sie letztlich an, dass sie nur zeitweise über ihre Mutter Geld für das Kind in die Türkei schicke und ihre Unterhaltspflichten nicht wie in der Beschwerde behauptet regelmäßig erfüllt. Dennoch verfügt die bP damit jedenfalls über entsprechende Anknüpfungspunkte in der Türkei.

II.2.4.4. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Eingriff in sein Privat- und Familienleben hinzunehmen hat, zumal dies durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckt ist (vgl. rechtliche Beurteilung unten).

II.2.4.5. Hinsichtlich des Antrags auf Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 FPG vom 29.08.2018 ist festzuhalten, dass diesem schon deshalb nicht stattzugeben ist, da sich dieser auf das Rechtsinstitut des Aufenthaltsverbotes bezieht und im vorliegenden Fall ein Einreiseverbot verhängt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Zu A) (Spruchpunkt I)

II.3.2. Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.2.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) - (6) ..."

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

"§ 52. ...

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

----------

1.-nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.-nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.-der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.-das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

§ 11. NAG (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

----------

1.-gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.-gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.-gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.-eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.-eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.-er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

----------

1.-der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.-der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.-der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.-der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.-durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.-der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7.-in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1)...

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) - (5).

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

§ 58. AsylG (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

...

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

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1.-sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.-bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.-gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

II.3.2.2. Die bP hielt sich rechtmäßig in Österreich auf, weshalb auch im Hinblick auf die bP die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 57, 58 AsylG nicht zu prüfen war.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kann eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 FPG bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen erlassen werden. Im gegenständlichen Fall steht der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels § 11 Abs. Abs. 2 Z 1 NAG entgegen.

Auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (VwGH vom 29.08.2018, Zl. Ra 2018/22/0180 GRS vom 17.10.2016, Zl. Ro 2016/22/0005).

Wie in der Beweiswürdigung bereits dargestellt und in der rechtlichen Begründung noch zu erörtern ist, stellt die bP eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar.

.

II.3.2.3. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRKist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423).

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).

II.3.2.4. Basierend auf den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung einen Eingriff in das Recht auf das Privat- und Familienleben darstellt.

II.3.2.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl bei der belangten Behörde als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung der durch Art. 8 (1) EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

II.3.2.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Determinanten im Lichte der Judikatur Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP ist den bereits genannten Zeitraum in Österreich aufhältig. Sie reiste zwar im Rahmen der Familienzusammenführung legal in Österreich ein, da sie aber schwer straffällig wurde, war nunmehr eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu prüfen.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]

Die bP verfügt über die bereits beschriebenen privaten und keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte, da sie weder mit ihrer Freundin in einem gemeinsamen Haushalt lebt, noch mit den Eltern und dem Bruder, mit welchem sie zeitweise zusammenlebt, ein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis verbindet.

- Grad der Integration

Die bP spricht zwar sehr gut Deutsch, es geht aus dem Akteninhalt jedoch nicht hervor, dass sie durchgängig selbsterhaltungsfähig wäre. Es wurden auch keinerlei Empfehlungsschreiben vorgelegt, welche eine außergewöhnliche Integration belegen würden (vgl. hierzu auch Beweiswürdigung oben).

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP besuchte in der Türkei 5 Jahre die Schule, verbrachte ihre Jugend dort und wurde dort sozialisiert. Sie bekennt sich zum dortigen Mehrheitsglauben und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in der Türkei Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- bzw. Bekanntenkreises und Verwandtschaft der bP existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es der bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Die bP wurde wegen der festgestellten Straftat rechtskräftig verurteilt.

Die Feststellung, wonach rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht vorliegen, stellt eine gewichtige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen dar (z. B. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Zur Klarstellung sei an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass sich im Falle des durch die bP verwirklichten Sachverhalts hier nicht die strafrechtliche, sondern ausschließlich die fremdenrechtliche Betrachtungsweise zum Tragen kommt, welche schon ihrem Wesen nach von der ersteren abweicht. So ist für die Beurteilung nicht das Vorliegen der rechtskräftigen Bestrafung oder Verurteilung, sondern das diesen zu Grunde liegende Verhalten des Fremden maßgeblich, demzufolge ist auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH vom 22.3.2011, 2008/21/0246 mwN, auch Erk. vom 16.11.2012, 2012/21/0080) und zeigt im gegenständlichen Fall die erfolgte Verurteilung doch klar, dass die bP nicht davor zurückschreckt, sich über die österreichische Rechtsordnung hinwegzusetzen.

Ein in fremdenrechtlicher Sicht relevantes Wohlverhalten nach der Tat liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, zumal die Zeit seit der rechtskräftigen Verurteilung hierzu viel zu kurz ist (vgl. Erk. d. VwGH vom 17.11.1994, 93/18/0271 mwN).

- weitere Erwägungen

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung [bzw. nunmehr Rückehrentscheidung] von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Wie bereits erwähnt, garantiert die EMRK gemäß der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

II.3.2.7. Vor dem Hintergrund der schweren Straffälligkeit der bP (vgl. Beweiswürdigung oben und Ausführungen zum Einreiseverbot unten) müssen die Interessen der bP im Rahmen ihres Privat- und Familienleben zurücktreten. Die bP verfügt nicht über derart enge Anknüpfungspunkte in Österreich zur Lebensgefährtin oder den Eltern, welche gegenüber den öffentlichen Interessen zurückzutreten hätten. Demgegenüber verfügt sie jedoch über Anknüpfungspunkte in der Türkei. Die bP hält sich im Vergleich zum Lebensalter erst die zweite Hälfte ihres Lebens in Österreich auf und ist eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß nicht erkennbar. Sie wurde in der Türkei sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser Beziehungen zum Herkunftsstaat die Interessen der bP unter Heranziehung des bisherigen Lebens in Österreich unter Einbeziehung der Straffälligkeit den Interessen Österreichs an der Ausreise der bP unterlegen sind.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der bP im Bundesgebiet das persönliche Interesse der bP am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in den Beschwerden nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

II.3.3. Abschiebung

II.3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Im gegenständlichen sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.

Eine im § 50 Abs. 3FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.

Gemäß der Entscheidung, welche bereits im Zusammenhang mit der Gewährung von Subsidiären Schutz teilweise erörtert wurde (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106) sind Umstände, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK führen würden, aber für eine Zuerkennung von subsidiären Schutz nicht in Betracht kommen, beim Ausspruch betreffend die Abschiebung zu berücksichtigen.

In seinem Urteil vom 24. April 2018, C-353/16 , MP, Rn. 45 und 46, hat der EuGH die Ansicht, dass Subsidiärer Schutz und Non Refoulement zu trennen sind, bestätigt. Er führte nochmals aus, dass der Schutz vor Ausweisung nach Art. 3 EMRK auch unter Berücksichtigung von Art. 4 der GRC (Non-refoulement) von der Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie zu unterscheiden ist:

"45 ... Die vorliegende Rechtssache betrifft mithin nicht den Schutz vor Ausweisung, der sich nach Art. 3 EMRK aus dem Verbot ergibt, eine Person unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung auszusetzen, sondern die gesonderte Frage, ob der Aufnahmemitgliedstaat gehalten ist, den subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie 2004/83 einem Drittstaatsangehörigen zu gewähren, der von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und dessen schwere psychische Folgeschäden sich bei einer Rückkehr in dieses Land deutlich verschlimmern könnten, wobei die ernste Gefahr eines Suizids besteht.

46 Es trifft ebenfalls zu, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auch wenn Art. 3 EMRK - wie in den Rn. 39 bis 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt - der Abschiebung eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen in ein Land, in dem keine angemessenen Behandlungsmöglichkeiten bestehen, in absoluten Ausnahmefällen entgegensteht, ihm gleichwohl nicht gestattet werden muss, sich im Rahmen des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M'Bodj, C-542/13 , EU:C:2014:2452, Rn. 40)."

Zu den Auswirkungen, die es haben kann, dass im Herkunftsland des Betroffenen eine geeignete Infrastruktur zur Behandlung physischer oder psychischer Folgeschäden der von den Behörden dieses Landes verübten Folterhandlungen fehlt, führte der EuGH in diesem Urteil aus, der Gerichtshof habe bereits entschieden, "dass der in Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung vorsätzlich verweigert würde, kann keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M-Bodj, C-542/13 , EU:C:2014:2452, Rn. 35 und 36)".

Schließlich hielt der EuGH in dieser Rechtssache fest, dass (unter anderem) Art. 15 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG "im Licht von Art. 4 der Charta dahin auszulegen" ist, "dass ein Drittstaatsangehöriger, der in der Vergangenheit von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und bei der Rückkehr in dieses Land nicht mehr der Gefahr einer Folter ausgesetzt ist, aber dessen physischer und psychischer Gesundheitszustand sich in einem solchen Fall erheblich verschlechtern könnte, wobei die ernsthafte Gefahr besteht, dass er aufgrund eines auf den ihm zugefügten Folterhandlungen beruhenden Traumas Suizid begeht, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Betracht kommt, sofern eine tatsächliche Gefahr besteht, dass ihm in diesem Land eine angemessene Behandlung der physischen oder psychischen Folgeschäden dieser Folterhandlungen vorsätzlich vorenthalten wird". Dies zu prüfen sei Sache des nationalen Gerichts. Der EuGH ging insofern von einer Verursachung durch Dritte (Akteure) aus, wenn er es als maßgeblich erachtete, dass der Betroffene in der Vergangenheit von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und ihm nunmehr von den Behörden eine angemessene Behandlung vorsätzlich vorenthalten wird.

Der in dieser Rechtssache (C-353/16 ) zuständige Generalanwalt Bot sieht "die Bestimmung eines Akteurs, von dem der Schaden ausgeht und vor dem geschützt werden muss" als "eines der wesentlichen Kriterien für die Zuerkennung subsidiären Schutzes" (vgl. Schlussanträge 24.10.2017, C-353/16 , MP, Rn. 29). Nach dem Generalanwalt "muss ... nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können" (Rn. 30). Andernfalls "ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes sachlich nicht erfüllt, nämlich die direkte oder indirekte Verantwortung der Behörden des Herkunftslands für die Zufügung eines ernsthaften Schadens, wogegen Schutz geboten ist"

II.3.3.2. Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird darüber hinaus festgestellt, dass diese in der Türkei über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Bei der bP handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es der bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern und verfügt die bP jedenfalls über Unterkunftmöglichkeiten.

Auch steht es der bP frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Sie stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und kann die bP daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.

Darüber hinaus ist es der bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer -ggf. auch unattraktiven- Erwerbsmöglichkeit wurde bereits in einer Vielzahl ho. Erkenntnisse bejaht.

II.3.3.3. Die Asylbehörde hat auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova &Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Im vorliegenden Fall wurden von der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung in die Türkei belegt, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.

Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die bP vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktisch Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der bP gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung der bP in ihren Herkunftsstaat zulässig. Es sind keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass - auch unter dem Gesichtspunkt des Privat- und Familienlebens des BF - unter Berücksichtigung der konkreten Situation in die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

II.3.4. Die bB erteilte der bP zurecht kein Aufenthaltsrecht gem. § 57 AsylG.

Eine Frist zu freiwilligen Ausreise besteht gem. § 55 Abs. 1a FPG nicht.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, keine Umstände gegen die Zulässigkeit der Abschiebung sprechen und keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht, ist die Beschwerde gegen diese Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

II.3.5. Gem. § 18 Abs. 1 Z 1 kann die belangte Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkennen. Im gegenständlichen Fall wurde diese bereits mit Beschluss des BVwG zuerkannt, weshalb darüber nicht erneut abzusprechen ist.

II.3.6. Einreiseverbot

II.3.6.1. § 53 FPG lautet:

"Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt

oder

-9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

II.3.6.2. Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl. ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs. 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Es ist festzuhalten, dass -wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. E 20. November 2008, 2008/21/0603)- in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen auch an dieser Stelle nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum früher geltenden § 63 FPG (IdF vor dem FrÄG 2011), der die Festlegung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes regelte, war ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet), wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht diese auch nach wie vor als anwendbar.

Aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, "), weshalb die bB in mit den in Z 1 - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot zu erlassen hat.

Da die aktuelle Formulierung des § 53 FPG auch der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008 dient (vgl. RV 1078 XXIV GP : "Mit dem vorgeschlagenen § 53 wird Art. 11 der RückführungsRL Rechnung getragen") und europarechtlichen Grundsätzen folgend nationale Rechtvorschriften richtlinienkonform in dem Sinne zu interpretieren sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" ist, (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) sowie dem europarechtlichen Grundsatz des effet utile und des Wortlautes des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie (vgl. Art. 11 leg. cit., RL 2008/115/EG vom 18.12.2008: "Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen."), ist davon auszugehen, dass schon aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht, ein unter §§ 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG zu subsumierender Sachverhalt vorliegt, auch wenn dieser in Abs. 2 leg. cit. nicht expressis verbis aufgezählt wird. Die bB war im gegenständlichen Fall schon aufgrund des § 53 Abs. 1 und 2 FPG im Lichte einer Art. 11 der Rückführungsrichtlinie berücksichtigenden Interpretation berechtigt, die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden. Ob sie hierzu gemäß dem Wortlaut des Art. 11 der RückführungsRL verpflichtet war oder ob sie gem. § 53 FPG Ermessen üben konnte, kann an dieser Stelle offen bleiben, zumal sich im Ergebnis nichts ändert.

Der ständigen Judikatur des VwGH zufolge, ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. VwGH vom 25.01.2018, Ra. 2018/21/0004 sowie VwGH vom 19. April 2012, Zl. 2010/21/0507, und vom 25. April 2013, Zl. 2013/18/0056, jeweils mwN). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Entscheidung nur nach Einzelfallbeurteilung erfolgen kann, weshalb insoweit die abstrakte allgemeine Festlegung eines Wohlverhaltenszeitraumes nicht in Betracht kommt. Dass es aber grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens - regelmäßig in Freiheit - bedarf, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, was grundsätzlich Voraussetzung für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist, kann nicht mit Erfolg in Zweifel gezogen werden (VwGH vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0193; vgl. auch VwGH vom 22. Jänner 2013, 2012/18/0185 und vom 22. Mai 2013, 2013/18/0041); ebenso wenig, dass dieser Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen sein wird, je nachdrücklicher sich die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gefährlichkeit manifestiert hat (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009; 28.01.2016, Ra 20015/21/0013). Wenn sich die Gefährdung über einen - beginnend mit der Haftentlassung - Zeitraum von mehr als 8 Jahren nicht erfüllt, kann die diesem Aufenthaltsverbot zugrundeliegende Zukunftsprognose grundsätzlich nicht mehr aufrechterhalten werden (vgl. VwGH vom 09.09.2013, 2013/22/0117).

Bei der im Verfahren betreffend Aufenthaltsverbot gebotenen Prognosebeurteilung kommt es nicht (nur) auf die strafgerichtlichen Verurteilungen als solche an (vgl. VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603). Es ist vielmehr eine - aktuelle - Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Fremden vorzunehmen und die Frage zu beantworten, ob sich daraus (weiterhin) eine maßgebliche Gefährdung ableiten lässt (VwGH vom 25.04.2013, Zl. 2012/18/0072).

II.3.6.3. Vor dem Hintergrund dieser Judikaturlinien wurden bereits verschiedenste Fallkonstellationen im Rahmen von Einzelfallbeurteilungen jeweils unter Zugrundelegung der sich ergebenden maßgeblichen Gefährdung und in weiterer Folge der Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG, welche u.a. zu einer "reduzierten Gefährlichkeit des Mitbeteiligten führen kann, beurteilt.

Es wurde beispielsweise ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gegen einen seit mehr als 15 Jahren in Österreich lebenden türkischen Staatsbürger, der unter anderem wegen seines Suchtmitteldeliktes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war, für zulässig erachtet (VwGH 27. 6. 2006, 2006/18/0138). Auch wurde eine Beschwerde gegen ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot einer polnischen Staatsbürgerin, die wegen Schlepperei und Gebrauch fremder Ausweise zu einer Freiheitsstrafe../AppData/Local/Temp/Downloads/rdb.tso.LImigralex2008020001.xml.htm - hicolink26 von sieben Monaten, davon zwei Monate unbedingt, verurteilt worden war, und gegen die über 50 Verwaltungsvormerkungen wegen Parkdelikten oder Übertretung der Höchstgeschwindigkeit vorlagen, abgewiesen (VwGH 27. 3. 2007, 2007/18/0135.)

In der Entscheidung des VwGH vom 13.12.2012, Zl. 2012/21/0181 wurde festgehalten: "Die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität fällt unter den Ausdruck "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" iSd Unionsbürgerrichtlinie (Rl 2004/38/EG ) (vgl. EuGH Urteil 23. November 2010, Rs C-145/09 (Panagiotis Tsakouridis)). (Hier: Der bandenmäßige Handel mit Betäubungsmitteln wurde der Fremden nicht angelastet. Sie hat zwar mit Heroin gehandelt, allerdings weder in einer kriminellen Vereinigung noch gewerbsmäßig und vor allem in der weit überwiegenden Zahl der Fälle als Beitragstäterin zu Tathandlungen ihres damaligen Lebensgefährten; auch die Qualifikation des § 28a Abs. 2 Z 3 SMG 1997 (Begehung in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge) war nur hinsichtlich der als Beitragstäterin verübten Taten erfüllt. Zu berücksichtigen war auch, dass nur eine zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt wurde (vgl. EuGH Urteil 23. November 2010, Rs C-145/09 (Panagiotis Tsakouridis)).)"

Die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes wegen zahlreicher strafbarer Handlungen gegen fremdes Eigentum und körperliche Integrität ist auch bei einem rund 19 Jahre dauernden Aufenthalt des Fremden in Österreich gerechtfertigt, wenn der Zeitpunkt des Wegfalls der maßgeblichen Umstände für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes wegen der trotz zwischenzeitlicher Verurteilungen wiederholt begangenen und in ihrer Schwere noch gesteigerten Straftaten nicht vorhergesehen werden kann (VwGH 17.02.2006, 2005/18/0666).

Es entspricht auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Verbrechen gegen das SMG in der Regel weder ein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet noch eine vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen (vgl. zuletzt VwGH vom 28. Mai 2008, Zl. 2008/21/0339 sowie EGMR vom 10.07.20013, Benhebba gegen Frankreich, Bsw. 53441/99).

Auch beim Delikt des schweren und gewerbsmäßigen Betruges handelt es sich ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten (vgl. VwGH 10.12.2008, 2008/22/0568; VwGH 23.03.1992, 92/18/0044), welches nicht nur auf eine hohe Bereitschaft der Negierung österreichscher Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hinweist.

Schon die Verhinderung von (vorsätzlichen und fahrlässigen) Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit von Personen stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar (VwGH 09.11.2009, Zl. 2006/18/0318; VwGH 29.11.2006, Zl. 2006/18/0339).

Auch wiederholte Angriffe auf fremdes Vermögen zu unterbinden, berührt ein Grundinteresse der Gesellschaft iSd § 86 Abs. 1 Satz 2 FrPolG 2005 (VwGH 22.05.2007, Zl. 2006/21/0004; 29.11. 2006, 2006/18/0327).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 99/18/0454, mwN) handelt es sich - was auch von der Beschwerde zugestanden wird - bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist.

Der VwGH wies auch mit Entscheidung vom 22.03.2017, Ra 2017/19/0028 eine Revision eines BF zurück, welcher sich 17 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat. In diesem Fall stellte der BF vier unbegründete Anträge auf internationalen Schutz, täuschte Behörden durch Angabe unterschiedlicher Daten zu seiner Person mehrfach über Identität und Herkunft, um die Außerlandesbringung zu verhindern, missachtete ein Aufenthaltsverbot, wurde zweimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wegen versuchten Diebstahls, nahm an Deutschkursen teil und verrichtete gelegentlich soziale und berufliche Tätigkeiten. Auch Vorbringen zu Erkrankung wurde hinreichend berücksichtigt.

In seiner Entscheidung vom 24.05.2016, Zl. Ra 2016/21/0075 hielt der VwGH fest, dass das VwG zwar zutreffend unter Bedachtnahme auf alle Umstände der für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Straftaten des Fremden auf eine erhebliche kriminelle Energie und in Verbindung mit seinen "finanziellen Sorgen" auf eine große Wiederholungsgefahr ("hohe Wahrscheinlichkeit einer Rückfälligkeit") geschlossen hat. In diese Beurteilung musste das VwG aber auch die für den Fremden sprechenden Umstände, wie die Schadensgutmachung und das Geständnis, die auch schon vom Strafgericht bei der Bemessung der 20-monatigen Freiheitsstrafe als mildernd berücksichtigt worden waren, einbeziehen. Sie vermögen aber die vom VwG angenommene besondere Schwere der Straftaten und die daraus abgeleitete Gefährdung nicht maßgeblich herabzusetzen, zumal das VwG beim Fremden "keine Reue" oder "ernsthafte Aufarbeitung seiner Straftaten" erkennen konnte. In diesem Zusammenhang ist aber auch aus der bedingten Nachsicht der Strafe für sich genommen nichts zu gewinnen (vgl. E 19. März 2013, 2011/21/0152; B 22. Mai 2014, Ro 2014/21/0053). Dass der insgesamt erbeutete Betrag nicht auch noch die für die Verwirklichung des qualifizierten ("schweren") Diebstahls erforderliche Wertgrenze überstieg, aber immerhin mehr als dessen Hälfte betragen hatte, kann auch nicht entscheidend zugunsten des Fremden veranschlagt werden, hat dieser Umstand doch schon bei der Bewertung der Straftaten seinen Niederschlag gefunden. Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 4 FrPolG 2005 ist auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, somit insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse. Das VwG ist vom Fehlen maßgeblicher Anknüpfungspunkte im Inland ausgegangen, daher lässt sich auch diesbezüglich die Dauer des Aufenthaltsverbotes von sechs Monaten nicht rechtfertigen. Insgesamt wurde bei dieser Stattgabe einer Amtsrevision die Herabsetzung des Aufenthaltsverbotes von drei Jahren auf sechs Monate als "krasse Fehlbeurteilung" durch das BVwG gesehen. Demgegenüber wurde die Revision zurückgewiesen, nachdem das BVwG das auf sieben Jahre verhängte Aufenthaltsverbot auf vier Jahre herabgesetzt hat, da der BF zusammengefasst lediglich zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe wegen Straftaten nach dem SMG verurteilt wurde.

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 2. 4. 2015, 27945/10, Sarközi and Mahran v. Austria zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots nach mehrmaliger strafgerichtlicher Verurteilung trotz eines minderjährigen Kindes mit einem österreichischen Staatsbürger festgehalten, dass va die Schwere der sieben strafgerichtlichen Verurteilungen und die Tatsache, dass der BF bei ihrer letzten Straftat bewusst gewesen sein muss, dass eine Ausweisung droht, zu berücksichtigen war. Hingewiesen wurde auf die räumliche Nähe zwischen dem Wohnort ihrer Familie (XXXX) und Bratislava, wohin sie abgeschoben wurde.

In der Entscheidung vom 15.11.2012, Bsw. 52873/09, Shala gg. Schweiz wurde ein aus dem Kosovo stammender und im Rahmen eines Familiennachzugs im Alter von 7 Jahren in die Schweiz gekommen BF nach mehreren strafrechtlichen Verurteilungen eine Ausweisung für die Dauer von 10 Jahren ausgesprochen, nachdem er 18 Jahren in der Schweiz gelebt hatte. Der BF wurde 2003 wegen fahrlässiger Körperverletzung, grober Verletzung von Straßenverkehrsregeln sowie pflichtwidrigem Verhalten bei einem Unfall zu einer bedingten 3-monatigen Freiheitsstrafe und wegen grober Verletzung von Straßenverkehrsregeln zu einer 30-tägigen Freiheitsstrafe verurteilt. 2004 erhielt der BF wegen Rauferei eine bedingte Freiheitsstrafe von 45 Tagen. Im Jahr 2007 wurde er wegen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage sowie versuchter Erpressung zu einer Geldstrafe verurteilt und wurde die Bewährugn für die 45-tägige Freiheitsstrafe aufgehoben. Unter Artikel 8 EMRK machte er vor dem Gerichtshof geltend, seine Wegweisung sei aufgrund der fehlenden Möglichkeit, sich im Kosovo beruflich zu integrieren, unverhältnismässig. Angesichts der mehrmaligen Straftaten des Beschwerdeführers, der Beschränkung der Einreisesperre auf 10 Jahre und des engen Bezugs, den er noch zu seinem Herkunftsland habe, befand der Gerichtshof, dass die von den Schweizer Behörden vorgenommene Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit dem Interesse der Schweiz, die Einwanderung zu kontrollieren, verhältnismäßig ausgefallen war.

Der EGMR sah auch hinsichtlich eines gegen einen in Österreich lebenden, 19 jährigen Türken verhängten Aufenthaltsverbotes in der Dauer von 5 Jahren keine Verletzung von Art. 8 EMRK. Dies da der BF seit dem 14 Lebensjahr mehrere Straftaten beging und ua. auch wegen schweren Raubes als Mitglied einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurde. Der EGMR wog insbesondere folgende Punkte ab:

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--die Schwere der Delikte (von 10 Opfern erlitten insgesamt drei schwere Verletzungen) und das Alter des BF bei deren Begehung;

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--die Dauer seines Aufenthalts in Österreich (insgesamt 12 Jahre während einer prägenden Phase in Kindheit und Jugend);

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--das Verhalten des BF nach den jeweiligen Verurteilungen (keine neuerliche Straftat nach seiner Entlassung aus der Freiheitsstrafe;

-andererseits Lehrabbruch wegen Konflikten am Arbeitsplatz und Arbeitslosigkeit);

soziale, kulturelle und familiäre Verbindungen in Österreich und in der Türkei;

Eine Würdigung der vom BF begangenen Straftaten bei der Beurteilung seines Gesamtfehlverhaltens im Rahmen des § 36 Abs. 1 FrG 1997 (nunmehr § 67 FPG) hat auch dann zu erfolgen, wenn die darauf beruhenden Verurteilungen getilgt wären (vgl VwGH 27.06.2001, 2000/18/0041, VwGH 18.03.2003, 2002/18/0198).

Verwaltungsübertretungen weisen nicht schon für sich genommen eine solche Schwere auf, dass sie die Gefährdungsprognose nach § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FrPolG 2005 ohne weiteres indizieren würden, wenn sie im Katalog des § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 nicht enthalten sind (VwGH vom 29.06.2017, Zl. Ra 2017/21/0068, vgl. VwGH 7. Mai 2014, 2013/22/0233). Vom EGMR wurden in der Rechtssache Yildiz gegen Österreich vom 31.10.2002 (Bsw. 37295/97) 7 Verwaltungsstrafen in Zusammenschau mit 2 strafrechtlichen Verurteilungen als nicht nebensächlich betrachtet.

Dass ein Beschwerdeführer bis zu seinem Fehlverhalten gerichtlich unbescholten war, vermag am Gerechtfertigtsein der Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG nichts zu ändern, weil dieser Umstand keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit mehr begehen werde (vgl. VwGH vom 12. März 2002, Zl. 98/18/0236).

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 12.03.2002, Zl 98/18/0236, mit welcher gegen einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 und den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von vier Jahren erlassen wurde, festgehalten:

"Der besagten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 9. März 1998 liegt zu Grunde, dass er die fünfzehnjährige Daniela S. am 31. Oktober 1997 dadurch, dass er sie beim Nachhauseweg am Arm erfasste und in einen Schuppen zerrte, wo er sie zu Boden drückte, ihr Mund und Nase zuhielt und sie im Brust- und Genitalbereich abtastete, mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigte. Darüber hinaus liegt dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen das Meldegesetz zur Last. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn diese aus dem Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die Gefahr der Begehung weiterer (einschlägiger) Straftaten ableitete und zum Ergebnis kam, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit iS des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG gefährde. Auch der Beschwerdeführer vermag dem keine überzeugenden Gründe entgegenzuhalten, ist doch die seit der Begehung des Gewaltdeliktes verstrichene Zeit viel zu kurz, um - wie der Beschwerdeführer meint - eine positive Zukunftsprognose zu treffen.

Die Tatsache, dass das Gericht die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Nachfrist bedingt nachgesehen hat, steht der von der belangten Behörde getroffenen Gefährdungsprognose nicht entgegen, weil eine Bindung an die Strafbemessungsgründe in einem Strafurteil nicht gegeben ist und die belangte Behörde ihre Beurteilung allein unter fremdenrechtlichen Gesichtspunkten zu treffen hatte (vgl. hiezu die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 2001/18/0155). Der Gefährdungsprognose steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zuvor noch nie verurteilt worden ist.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend zur Auffassung gelangt, dass das - den Verstoß gegen das Meldegesetz umfassende - Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige. Dass im vorliegenden Fall nicht auch zugleich einer der in § 36 Abs. 2 leg. cit. aufgezählten, für eine Gefährdung sprechenden Tatbestände erfüllt ist, steht der genannten Rechtsfolge nicht entgegen, weil dazu im vorliegenden Fall das gegen die Sittlichkeit bzw. gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung eines fünfzehnjährigen Mädchens gerichtete strafbare Verhalten des Beschwerdeführers ausreicht, ist doch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG auch dann zulässig, wenn triftige Gründe - ohne Vorliegen der Voraussetzungen der im § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle - die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338)."

In der Entscheidung des VwGH vom 25.10.2006, Zl. 2003/21/0186 lag dem Beschwerdeverfahren eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung gem § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf drei Jahre, bzw. das Fehlverhalten der Nötigung zur Duldung des Beischlafes mit Gewalt zur Last, das als schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit die besagte Annahme im Lichte der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs 1 Z 1 FrG 1997), aber auch zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Fremden sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und somit zur Erreichung anderer im Art 8 Abs 2 MRK genannter öffentlicher Interessen (§ 36 Abs 1 Z 2 FrG 1997), als gerechtfertigt erscheinen lässt, ist doch mit einem solchen Fehlverhalten häufig eine besondere psychische Belastung des Opfers, insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung, verbunden.

In der Entscheidung vom 10.10.2002, Zl. 99/18/0083 behandelte der VwGH das Fehlverhalten eines kroatischen Staatsangehörigen, gegen den gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Festgehalten wurde, dass die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen (§ 206 StGB idF vor Art. I Z. 6 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998, BGBl. I Nr. 153) und der Unzucht mit Unmündigen (§ 207 StGB idF vor Art. I Z. 6 des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998) schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit darstellen. Die genannten strafgesetzlichen Bestimmungen dienen nämlich dem Schutz der ungestörten physischen und psychischen Entwicklung junger Menschen (vgl. Pallin, zu § 207, Rz 1, in: Foregger/Nowakowski (Hrsg), XXXXer Kommentar zum Strafgesetzbuch1, 1979), dem im StGB ein hoher Stellenwert zugemessen wird, ist doch die Strafdrohung im - vom Beschwerdeführer u.a. verwirklichten - § 206 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) gleich hoch wie beim Delikt der mit schwerer Gewalt oder Drohung mit schwerer Gefahr begangenen Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 leg. cit. (vgl. diesbezüglich die auch hier einschlägigen Ausführungen von Schick zu § 206 StGB idF des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998, Rz 1, in Höpfel/Ratz (Hrsg), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 1999).

In der Entscheidung zu Zl. 2002/18/0292 vom 10.04.2003 wies der VwGH die Beschwerde eines sich über 10 Jahr in Österreich aufhaltenden jugoslawischen Staatsangehörigen gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gegen ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von acht Jahren als unbegründet ab. Dieser Beschwerdeführer wurde rechtskräftig wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB mit einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt, bestraft.

Auch der VfGH hat in seiner Entscheidung zu Zl. A10/09 vom 17.12.2009 hinsichtlich der Abweisung einer Staatshaftungsklage gegen den Bund wegen behaupteten Fehlverhaltens des Verwaltungsgerichtshofes durch Ablehnung einer Beschwerde gegen das über einen Unionsbürger verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot festgehalten, dass kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf die Verurteilung des Klägers wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger vorlag. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der BF mit tschechischen Urteil vom 29. Mai 2000 wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen sowie wegen der Bedrohung der moralischen (sittlichen) Erziehung der Jugend zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde. Nach Verbüßung der Strafhaft kam der BF nach Österreich und wurde über ihn hier im Hinblick auf die Verurteilung in der Tschechei ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

In der Entscheidung des VwGH vom 19.06.1996, Zl. 95/21/0938 hielt dieser fest:

Der seit der letzten gegenständlichen strafbaren Handlung verstrichene Zeitraum von drei Jahren ist viel zu kurz, um bei der gegebenen Neigung des Fremden, minderjährige Kinder sexuell zu belästigen (er wurde nach § 207 Abs 1 und § 208 StGB verurteilt), verlässliche Schlüsse auf ein künftiges Wohlverhalten des Fremden ziehen zu können. Die Auffassung der Behörde, dass bei diesem Sachverhalt der Aufenthalt des Fremden in Österreich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, ist nicht rechtswidrig. Dazu kommt, dass der Aufenthalt des Fremden seit der Abweisung seines Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unrechtmäßig ist. Aufgrund der in diesem Verhalten zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Fremden für die öffentliche Sicherheit ist auch die von der Beh getroffene Beurteilung, daß das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art 8 Abs 2 MRK genannten Zielen dringend geboten sei, nicht zu beanstanden. Weiters liegt dem Beschwerdeführer unstrittig auch ein Verstoß gegen § 206 Abs. 1 und 3 StGB das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (in qualifizierter Form) zur Last, was eine schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit darstellt, wobei er nach den unstrittigen Feststellungen sein strafbares Verhalten ebenfalls wiederholt gesetzt hat. Dazu kommt noch, dass der Beschwerdeführer durch die im angefochtenen Bescheid beschriebene Vorlage eines teilgefälschten pakistanischen Duplikatführerscheins auch dem öffentlichen Interesse an der Zuverlässigkeit von Urkunden im Rechtsverkehr zuwidergehandelt und sich durch die erfolgte rechtskräftige Verurteilung nicht davon abhalten hat lassen, neuerlich straffällig zu werden und dabei sein kriminelles Verhalten noch ganz erheblich zu steigern.

In seinem Erkenntnis vom 07.03.2019, Zl. Ra 2019/21/0002 bestätigte der Verwaltungsgerichtshof dem Grunde nach ein für 10 Jahre verhängtes Einreiseverbot wegen Vergewaltigung. Auch in der Entscheidung vom 03.07.2018, Zl. Ra 2018/21/0099 hielt der VwGH fest, dass das vom Revisionswerber verübte Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellte. Wenn das BVwG vor diesem Hintergrund - auch in Anbetracht der erst mit Dezember 2017 erfolgten bedingten Entlassung aus der Strafhaft - vom Vorliegen einer aktuellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung ausging und die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zu Lasten des Revisionswerbers vornahm, so erweist sich das jedenfalls als vertretbar und damit als nicht revisibel (vgl. Beschluss VwGH 29.6.2017, Ra 2016/21/0338, Rn. 12).

II.3.6.4. In den Fällen des § 53 Abs 3 Z 1 bis 8 FPG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert (vgl VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281). Der Aufenthalt des BF stellt eine derartige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, zumal er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von über 3 Monaten verurteilt wurde.

Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass der Verurteilte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteiles rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. VwGH vom 24. April 2002, Zl. 2001/18/0258).

Das der bP vorzuwerfende Fehlverhalten ist in den Feststellungen ausführlich dargestellt und sind die insgesamt zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führenden Ausführungen zur Gefährdungsprognose und dem Fehlverhalten der bP in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert.

Die bP zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Die Beschwerde wendet sich zwar (unsubstantiiert) auch gegen die Dauer des Einreiseverbots, sie legt aber nicht konkret und nachvolllziehbar dar, auf Grund welcher Umstände von einem früheren Wegfall der für die Erlassung des Einreiseverbots maßgeblichen Gründe auszugehen gewesen wäre.

Aufgrund der nunmehrigen Sachverhalts und Rechtslage erscheint bei Berücksichtigung sämtlicher im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführter Tatsachen die Dauer eines Einreiseverbotes mit 10 Jahren nicht unangemessen und war die Dauer spruchgemäß zu erhöhen. Hierzu wird auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung hingewiesen, wonach sich die bP selbst in der Verhandlung noch uneinsichtig hinsichtlich ihrer Taten zeigte, es bereits gegenüber zwei Frauen zu körperlichen Übergriffen kam, wobei eine Steigerung von Misshandlung durch Ohrfeigen zu einer Vergewaltigung gegeben ist und schließlich auch noch zahlreiche Verwaltungsstrafen vorliegen, was ein Ignorieren der Behörden inkludiert.

Demzufolge waren die Anträge der bP hinsichtlich Aufhebung bzw. in eventu Beschränkung sowie Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes vom erkennenden Gericht als unbegründet abzuweisen und das von der belangten Behörde auf die Dauer von 9 Jahren verfügte Aufenthaltsverbot letztlich in ein 10jähriges umzuwandeln.

Der Grundsatz der reformatio in peius kommt diesbezüglich nicht zum Tragen, da es sich bei dem Rückkehrverbot bzw dem Aufenthaltsverbot - sohin auch dem Einreiseverbot - um keine Strafe, sondern nur um eine administrativ-rechtliche Maßnahme iSd st. Rechtsprechung des VwGH handelt (VwGH vom 22.03.2011, GZ 2007/21/0447).

Der st. Judikatur folgend führte der VwGH im Erkenntnis, Zl. Ra 2015/21/0002 vom 30.6.2015 aus, dass die Anhebung der Dauer des Einreiseverbotes nicht von vornherein unzulässig war:

Im Beschwerdeverfahren nach dem VwGVG gilt - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen (vgl. § 42 VwGVG) - nicht das Verbot der "reformatio in peius" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, Abschnitt B, Punkt 6.2. der Entscheidungsgründe, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018; s. auch - betreffend eine gegenüber der behördlichen Entscheidung längere Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung - den hg. Beschluss vom 9. September 2014, Ra 2014/11/0044).

Abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens der bP ist darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist (vgl. Erkenntnis VwSlg. 18.295 A, mwN). Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen, wobei im Allgemeinen auch der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt (vgl. zu diesem Aspekt etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039, mwN).

Gerade das Verhalten des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung vermag jedoch eine für ihn sprechende Gefährdungsprognose und sohin Verkürzung der Dauer des Einreiseverbotes nicht zu begründen.

Die Dauer des vom BFA verhängten Aufenthaltsverbotes steht im Vergleich zu den im gegenständlichen Fall konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Verhältnis. Dies auch vor dem Hintergrund der privaten und familiären Anknüpfungspunkte.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des Beschwerdeführers getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Aufenthaltsverbotes daher in angemessener Weise auf 10 Jahre hinaufzusetzten.

Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere zur Wahrung des gesundheitlichen Wohls Österreichs, der körperlichen Integrität anderer, der Wertevorstellung hinsichtlich der Gleichstellung von Frau und Mann, an der Einhaltung von Verwaltungsvorschriften und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl VwGH 19.05.2004, 2001/18/0074). Angesichts der vorliegenden Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist daher die Verhängung des Einreiseverbotes in der spruchgemäßen Änderung der Dauer als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht das öffentliche Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung sowie das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens abgeht. Im Hinblick auf die Auslegung des Rechtsinstituts des sicheren Herkunftsstaates orientiert sich das ho. Gericht ebenfalls an der hierzu einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur.

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ins Leben gerufen wurden, bzw. sich die asyl- und fremdenrechtliche Diktion, sowie Zuständigkeiten zum Teil änderte, und das Asyl- und Fremdenrecht eine verfahrensrechtliche Neuordnung erfuhr kann ebenfalls kein unter Art. 133 Abs. 4 zu subsumierender Sachverhalt hergeleitet werden, zumal sich am substantiellen Inhalt der anzuwendenden Normen keine relevante Änderung ergab. Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auf die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen (z. B. in Bezug auf § 18 BFA-VG auf § 38 AsylG aF).

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

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