VwGH 2012/18/0185

VwGH2012/18/018522.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SP in MM, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. April 2010, Zl. E1/84.993/2010, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem serbischen Staatsangehörigen, gestellten Antrag, das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot aufzuheben, gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei erstmals am 29. März 2001 mit einem Visum C in Österreich eingereist. Da er angegeben habe, dass sein Vater österreichischer Staatsbürger wäre, habe er Niederlassungsbewilligungen erhalten. Erst in einem gegen seine (frühere) Ehefrau geführten Verfahren sei zutage getreten, dass es sich dabei in Wahrheit um seinen Stiefvater und nicht seinen Vater gehandelt habe. Die vorgelegten jugoslawischen Urkunden seien inhaltlich falsch gewesen.

Am 9. Jänner 2007 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig wegen schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Dem sei zu Grunde gelegen, dass er in Wien gemeinsam mit zwei Mittätern zwischen 1. Juli und 2. Juli 2006 in die Lebensmittelversuchsanstalt eingebrochen und dort drei Flachbildschirme, drei Computer, drei Barcode Reader, eine Posaune und ein Paar Schuhe im Gesamtwert von etwa EUR 11.000,-- gestohlen habe. Weiters sei er am 21. Juli 2006 mit seiner damaligen Ehefrau und zwei weiteren Mittätern in eine Wohnung eingebrochen und habe aus dieser Modeschmuck gestohlen. Wegen seines Fehlverhaltens sei gegen den Beschwerdeführer im Instanzenzug mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Oktober 2007 das verfahrensgegenständliche, auf die Dauer von zehn Jahren befristete Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Zur Stützung seines Antrages auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer vorgebracht, am 30. September 2008 von seiner damaligen Ehefrau geschieden worden zu sein. Am 3. März 2009 hätte er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Die Obsorge über seinen Sohn wäre seinen Eltern übertragen worden. Es wäre mittlerweile ein Zeitraum von nahezu drei Jahren verstrichen, währenddessen sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hätte. Es könnte deswegen eine "negative Zukunftsprognose" nicht mehr aufrechterhalten werden. Er wäre durch den "Zwangsaufenthalt" in seinem Heimatland "vollständig geläutert". Weiters habe er vorgebracht, dass er in seinem Heimatland über keine Angehörigen mehr verfügen würde und die "Besuchsfahrten seines Sohnes die finanziellen Verhältnisse seiner Angehörigen" übersteigen würden.

Nach Wiedergabe der Bestimmung des § 65 Abs. 1 FPG sowie von zu dieser Bestimmung ergangener Rechtsprechung führte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung zunächst hinsichtlich ihrer Zuständigkeit aus, der Umstand, dass der Sohn des Beschwerdeführers auch die polnische Staatsbürgerschaft besitze, führe nicht dazu, dass der Beschwerdeführer als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des FPG anzusehen wäre. Dazu wäre es jedenfalls auch erforderlich, dass sein Sohn für seinen Unterhalt aufkäme, was nicht der Fall sei. Die Ehe mit einer polnischen Staatsangehörigen sei bereits seit längerer Zeit geschieden. Es liege daher die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nicht vor.

Der Beschwerdeführer habe am 31. März 2008 das Bundesgebiet verlassen. Es bestehe aber dennoch kein Anlass für die Annahme, dass die von ihm herrührende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit "nunmehr gering zu schätzen oder gar als weggefallen" zu betrachten sei. Der Verurteilung des Beschwerdeführers seien zwei Einbruchsdiebstähle zu Grunde gelegen. Der seither verstrichene Zeitraum sei "selbst bei wohlwollenster Betrachtungsweise jedenfalls viel zu kurz, um mit der dafür erforderlichen Verlässlichkeit von zukünftigem Wohlverhalten" des Beschwerdeführers ausgehen zu können. Eine solche Annahme sei weder durch das Verlassen des Bundesgebietes vor zwei Jahren noch durch die Behauptung, geläutert zu sein, gerechtfertigt. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr sei immer noch als tatsächlich, gegenwärtig und erheblich einzustufen. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes stelle sich auch nach Maßgabe des § 87 FPG (offenkundig gemeint: § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG) als zulässig dar.

In den privaten und familiären Lebensumständen des Beschwerdeführers habe sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine Änderung ergeben. Der Beschwerdeführer sei nunmehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Diese Bindungen seien jedoch insofern zu relativieren, als die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, als der Beschwerdeführer wegen des bestehenden Aufenthaltsverbotes weder mit einer Einreise nach Österreich noch "einem Verbleib" in Österreich habe rechnen dürfen. Daran ändere auch nichts, dass der Beschwerdeführer - wie er geltend mache - seine nunmehrige Ehefrau bereits im Jahr 2006 kennen gelernt habe und die Ehe nur deshalb nicht früher habe schließen können, weil sich die Scheidung von seiner damaligen Ehefrau verzögert habe. Für seinen Sohn seien die Mutter des Beschwerdeführers und sein Stiefvater sorgepflichtig. Angesichts dessen gingen auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, dass er mangels ausreichenden Einkommens in seiner Heimat den Sorgepflichten gegenüber seinem Sohn nicht nachkommen könne, ins Leere. Im Übrigen stellten die "tristen Einkommensverhältnisse in der Heimat" keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände dar, die für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sprächen. Dies gelte sinngemäß auch für die durch die Besuchsreisen des Sohnes anfallenden Kosten. Die gegenwärtigen privaten und familiären Lebensumstände des Beschwerdeführers wögen keinesfalls derart schwer, dass demgegenüber das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten, insbesondere betreffend die Hintanhaltung von Eigentumskriminalität, nunmehr in den Hintergrund zu treten hätte. Somit erweise sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG als zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (8. April 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann somit nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährdungsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende maßgebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Dabei kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem die Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Darüber hinaus hat die belangte Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2012, Zl. 2009/18/0504, mwN).

Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist (vgl. das Erkenntnis vom 24. Februar 2011, Zl. 2009/21/0387, mwN). Bei dieser Beurteilung kommt es darauf an, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes oder Rückkehrverbotes erforderlich ist, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig (vgl. das Erkenntnis vom 13. September 2012, Zl. 2011/23/0143, mwN).

Soweit sich die Beschwerde in ausführlicher Weise auf Umstände bezieht, die bereits vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorgelegen sind, und damit der Sache nach in erster Linie die Rechtmäßigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Zweifel zieht, war darauf im Hinblick auf das oben Gesagte, wonach in einem Verfahren nach § 65 Abs. 1 FPG die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, nicht näher einzugehen.

Weiters ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde ohnedies erkannt hat, dass auf ihn als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin bei der hier vorzunehmenden Prüfung infolge der Bestimmung des § 87 FPG der in § 86 Abs. 1 FPG enthaltene Maßstab Anwendung zu finden hatte. Soweit er die Anwendung dieser Bestimmung einfordert, ist ihm sohin der Inhalt des angefochtenen Bescheides entgegenzuhalten.

Vor diesem Hintergrund verbleiben lediglich jene Umstände als für die gegenständliche Beurteilung relevant, die die belangte Behörde in ihre Überlegungen einbezogen hat. Dabei handelt es sich um das vom Beschwerdeführer behauptete Wohlverhalten, das er während der seit der Entlassung aus der Haft (9. Jänner 2007) vergangenen Zeit gezeigt habe, die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie die für ihn im Heimatland in erster Linie wegen des geringen Einkommens gegebenen Beschwerlichkeiten.

Angesichts des vom Beschwerdeführer gezeigten Fehlverhaltens kann aber der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die Beurteilung der belangten Behörde unzutreffend sei, wonach der hier zu berücksichtigende Zeitraum des Wohlverhaltens fallbezogen noch zu kurz sei, um verlässlich davon ausgehen zu können, die vom Beschwerdeführer herrührende Gefahr sei - selbst unter Heranziehung des nach § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG nunmehr hier maßgeblichen Gefährdungsmaßstabes - bereits als weggefallen oder entscheidungswesentlich gemindert anzusehen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es habe sich damals um vollkommen unbesonnene und unbedachte Kurzschlusshandlungen gehandelt und er sei damals erstmals in seinem Leben straffällig geworden, entgegenzuhalten, dass er wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung, also weil er die Taten in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, verurteilt wurde.

Die belangte Behörde hat aber auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mit einem künftigen Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Insofern waren seine familiären Interessen im Rahmen der Abwägung mit vermindertem Gewicht anzusetzen. Vor dem Hintergrund der von ihm ausgehenden Gefahr hat er weiterhin die (allfällige) Trennung von seinen Familienangehörigen in Kauf zu nehmen. Aus demselben Grund hat er (allfällige) durch geringere Verdienstmöglichkeiten im Heimatland hervorgerufene Beschwerlichkeiten hinzunehmen.

Soweit sich der Beschwerdeführer abschließend noch gegen die im angefochtenen Bescheid auch enthaltenen Vorwürfe, er habe im Pflegschaftsverfahren betreffend die Übertragung der Obsorge für sein Kind an seine Mutter und seinen Stiefvater falsche Angaben gemacht, richtet und in diesem Zusammenhang geltend macht, es sei ihm kein Parteiengehör eingeräumt worden, vermag er einen für den Verfahrensausgang relevanten Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat nämlich ein solches Fehlverhalten nicht tragend für die Begründung ihrer Entscheidung herangezogen. Vielmehr hat sie sich insoweit einer abschließenden Beurteilung enthalten und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die diesbezügliche Beurteilung letztlich dem zuständigen Gericht obliegen werde.

Sohin liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2013

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