VwGH 2013/18/0056

VwGH2013/18/005625.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 16. Juli 2010, Zl. E1/3943/2010, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §56;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 13. Jänner 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG sowie nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten rechtskräftig verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer von Jänner 2009 bis April 2009 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung insgesamt rund 695 Gramm Heroin - und damit mehr als das 25-fache der Grenzmenge an Suchtgift - in seinem Fahrzeug versteckt nach Österreich eingeführt und diese Menge Heroin sowie 20 Gramm Kokain und 20 Gramm Cannabiskraut überwiegend gewinnbringend verkauft hatte. Weiters hatte der Beschwerdeführer 200 Gramm Heroin einer anderen Person zur Aufbewahrung übergeben und Kokain und Cannabiskraut zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Juli 2010 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung ging sie - den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme vom 17. Juni 2010 folgend - davon aus, dass der Beschwerdeführer am 22. Februar 1997 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und in Folge eine Aufenthaltsbewilligung erhalten habe. Am 24. Oktober 2000 sei diese Ehe geschieden worden. Noch im Jahr 2000 habe der Beschwerdeführer eine mazedonische Staatsangehörige geheiratet, mit welcher er zwei minderjährige Kinder habe. Seine Ehefrau, von der er inzwischen bereits drei Jahre getrennt lebe, sowie seine Kinder seien in Mazedonien aufhältig. Vom 1. März 2005 bis 7. April 2005 sei der Beschwerdeführer arbeitslos gewesen und habe sich in Mazedonien aufgehalten. Seit 8. April 2005 befinde er sich wieder durchgehend in Österreich, wo er jedoch weder familiäre noch berufliche Bindungen habe. Der Beschwerdeführer habe ferner angegeben, dass er - insgesamt - seit zwölf Jahren in Österreich lebe und immer einer Beschäftigung nachgegangen sei, während er in Mazedonien weder eine Wohnmöglichkeit noch eine Arbeit habe. In seiner Berufung habe er zudem ausgeführt, dass er sehr gut Deutsch gelernt habe und sich ohne Probleme verständigen könne. Nach seiner Entlassung (aus der Strafhaft) wolle er sich eine Arbeit suchen und ein "ordentliches Leben" führen.

In rechtlicher Hinsichtlich sah die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG als erfüllt an, der eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG darstelle. Gerade bei Suchtgiftdelikten liege eine Wiederholungsgefahr "in der Natur der Sache" und diese Deliktsform stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers gehe daher eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus, zeige der vorliegende Sachverhalt doch seine mangelnde Verbundenheit mit der österreichischen Rechtsordnung, sodass eine Prognoseentscheidung nicht zu seinen Gunsten getroffen werden könnte.

Der Beschwerdeführer verfüge - wie erwähnt - in Österreich weder über familiäre noch über berufliche Bindungen. Vielmehr lebe seine Familie in Mazedonien. Im Rahmen ihrer Interessenabwägung nach § 66 FPG kam die belangte Behörde somit zur Ansicht, dass eine Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots deutlich schwerere Auswirkungen hätte, als es die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Folgen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wären.

Die belangte Behörde verneinte abschließend die Möglichkeit, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers ausüben zu können. Das Aufenthaltsverbot sei auch - "mangels erkennbarer Prognosetendenzen" zu Gunsten des Beschwerdeführers - unbefristet zu verhängen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Juli 2010) geltende Fassung, nämlich BGBl. I Nr. 135/2009.

Nach § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache (u.a.) zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer weist unstrittig die eingangs dargestellte strafgerichtliche Verurteilung nach dem SMG auf. Im Hinblick darauf hat er die genannte Alternative des allgemeinen Aufenthaltsverbotstatbestands des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht, der die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Gefährdungsannahme indiziert.

In diesem Zusammenhang ist vorweg weiters festzuhalten, dass nach der Aktenlage zwar Anhaltspunkte dafür bestehen, dem Beschwerdeführer wäre die Rechtsstellung eines "langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen" zugekommen, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der im § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig wäre (vgl. dazu das Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Trotzdem wurde der Beschwerdeführer durch die - in der Beschwerde nicht gerügte - Beurteilung der belangten Behörde ausschließlich nach § 60 FPG fallbezogen nicht in Rechten verletzt, weil in Anbetracht der gegen ihn ergangenen Verurteilung wegen eines Verbrechens nach dem SMG und des diesem Schuldspruch u.a. zu Grunde liegenden Schmuggels und Handels mit einer besonders großen Menge Heroin ohne Zweifel jedenfalls auch das Vorliegen der im § 56 FPG umschriebenen Gefährdung zu bejahen war.

Der Beschwerdeführer wendet gegen die Gefährdungsannahme ein, dass er lediglich einmal wegen eines Delikts nach dem SMG verurteilt worden sei, was für sich nicht geeignet sei, ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen. Zudem habe sich die belangte Behörde ausschließlich auf den Umstand der strafgerichtlichen Verurteilung gestützt.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung im angefochtenen Bescheid keineswegs ausschließlich auf das Strafurteil abstellte, sondern die der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten ausreichend konkret feststellte und erkennbar in ihrer Gefährdungsprognose berücksichtigte. Zudem kann, obwohl der Beschwerdeführer nur einmal strafgerichtlich verurteilt wurde, im Hinblick auf den mehrmonatigen Zeitraum seines Fehlverhaltens und die Vielzahl an Tathandlungen nicht von einer "einmalig" begangenen Straftat ausgegangen werden. Angesichts der besonderen Gefährlichkeit schwerer Suchtgiftkriminalität, die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach unionsrechtlichen Maßstäben - ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2012, Zl. 2011/23/0168, mwN) - ist die belangte Behörde hier zu Recht von einer vom Beschwerdeführer ausgehenden maßgeblichen Gefährlichkeit ausgegangen.

Im Übrigen ist der Gesinnungswandel eines Straftäters nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Februar 2013, Zl. 2011/23/0192). Der Beschwerdeführer befand sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheids jedoch noch in Strafhaft, sodass der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie Gründe für die Annahme einer positiven Änderung im Verhalten des Beschwerdeführers noch nicht erkennen konnte.

Gegen die Interessenabwägung nach § 66 FPG führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass die belangte Behörde sich nicht mit der Dauer seines Aufenthalts im Inland, während dessen er großteils einer Beschäftigung nachgegangen sei, und seinen privaten und familiären Verhältnissen auseinandergesetzt habe.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht aufgezeigt. So stellt die Beschwerde keine Umstände im Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers dar, auf Grund welcher die belangte Behörde zu einem Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbots hätte gelangen müssen. Den Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt steht nämlich die hohe Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, die aus der massiven Delinquenz des Beschwerdeführers im Bereich des bandenmäßig organisierten Suchtgiftschmuggels und -handels resultiert. Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger Straftaten ist es nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer gemäß § 66 FPG zulässig sei. Es entspricht zudem der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei derart schweren Verbrechen nach dem SMG weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 2012, Zl. 2011/23/0255).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen erweist sich der angefochtene Bescheid auch als ausreichend begründet. In der Beschwerde werden auch keine konkreten Umstände dargelegt, die noch zu ermitteln gewesen wären, und auch nicht aufgezeigt, inwiefern solche zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätten führen können. Ebenso wenig zeigt der Beschwerdeführer Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.

Sofern sich die Beschwerde schließlich erkennbar gegen die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbots wendet, zeigt sie nicht auf, aus welchem Grund ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung für die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheids bereits konkret absehbar gewesen wäre.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. April 2013

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