BVwG L506 2159761-1

BVwGL506 2159761-111.7.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L506.2159761.1.00

 

Spruch:

L506 2159761-1/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL über die Beschwerde des XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 26.04.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.05.2018 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, §§ 46, 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, am 03.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag brachte der BF vor, dass er aus Pakistan ausgereist sei, da die Situation dort "ziemlich unsicher" sei. Es gebe dort Taliban und die IS-Kämpfer und sei sein Leben dort ständig in Gefahr gewesen. Er könne dort weder studieren noch arbeiten.

 

3. Am 05.04.2017 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA). Der BF legte dabei bezüglich seines Ausreisegrundes im Wesentlichen dar, dass er als Schiit aufgrund des Konfliktes zwischen Sunniten und Schiiten ständig in Lebensgefahr sei, da es Minen, Entführungen, Anschläge und viele Vorurteile gebe. Er selbst sei einmal beinahe von vier Personen entführt worden, habe aber noch weglaufen können. Allgemein gebe es Probleme mit dem IS, den pakistanischen Geheimdiensten (ISI) und den Taliban.

 

4. Eine Stellungnahme zu der in der Einvernahme vom BFA angenommenen Anfragebeantwortung zur aktuellen Lage der Turis in Pakistan vom 29.03.2017 wurde vom BF nicht abgegeben.

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.04.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

Beweiswürdigend wurde seitens des BFA zusammengefasst ausgeführt, dass der BF ausdrücklich in Abrede gestellt habe, aufgrund seiner Rasse, Nationalität, religiösen Gesinnung oder aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Volksgruppe oder politisch verfolgt zu werden. Es mangle daher an einem in der Genfer Konvention aufgezählten Fluchtgrund. Eine individuelle Gefährdung habe der BF nicht vorgebracht und reiche es nicht aus, auf die allgemeinen Umstände im Herkunftsland zu verweisen.

 

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. wurde dargetan, warum diesem Vorbringen keine Asylrelevanz zukommen könne.

 

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

 

Zu Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden könnten, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des BF auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde.

 

In Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

6. Mit Verfahrensanordnung vom 27.04.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass er gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

 

7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 27.04.2017 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

 

8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 11.05.2017 (eingebracht beim BFA am selben Tag) fristgerecht vollumfängliche Beschwerde. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Situation der Schiiten in Pakistan äußerst gefährlich sei der BF aufgrund seiner Glaubensausrichtung bereits verfolgt worden sei bzw. wohlbegründet Verfolgung befürchte. Zudem seien die eigenen Länderfeststellungen des BFA von diesem nicht ausreichend zur Situation und den Fluchtgründen des BF berücksichtigt worden. Zum Inhalt der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

9. Am 31.05.2017 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem bezug habenden Verwaltungsakt in der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

 

10. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

11. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.05.2018.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Verfahrensbestimmungen:

 

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

 

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 11.05.2017 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 31.05.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

 

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

 

2. Feststellungen (Sachverhalt):

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, er gehört der paschtunischen Volksgruppe sowie dem Stamm der Turi an und ist moslemisch-schiitischen Glaubens. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

 

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 03.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus den Federally Administered Tribal Areas (FATA), Kurram Agency, Parachinar, Dorf XXXX.

 

In Pakistan hat der Beschwerdeführer zehn Jahre lang die Schule und danach zwei Jahre ein College besucht, wo er eine Ausbildung zum Bauingenieur absolvierte.

 

Die Mutter, sechs Schwestern, zwei Brüder und ein Onkel des Beschwerdeführers leben in Parachinar. Zwei Brüder leben in Dubai, ein Bruder im Irak und einer im Iran. Der Vater des Beschwerdeführers starb eines natürlichen Todes. Es besteht Kontakt zur Familie. Die Familie in Pakistan bestreitet den Unterhalt aus der Verpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke und von finanziellen Zuwendungen der Brüder des Beschwerdeführers.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sein wird.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

 

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

 

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

 

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten. Er hat österreichische Freunde und eine Bezugsperson, welche pakistanischer Asylwerber ist, wobei ein besonderes Naheverhältnis zu diesen Personen nicht vorliegt.

 

Der Beschwerdeführer hat von 20.03. bis 07.04.2017 gemeinnützige Tätigkeiten für Asylwerbende im Ausmaß von insgesamt 120 Stunden versehen, von 18.04.2017 bis 07.07.2017 die Ausbildung "gemeinnützige Hilfstätigkeit" und von 18.04.2017 bis 11.08.2017 einen viermonatigen Kurs zur Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft absolviert. Er hat den Quartiergeber seiner Unterkunft bei Reinigungsarbeiten, Essensausgabe, Geschirrabwasch, Mitarbeit bei Projekten und Neuorganisation und sportlichen Aktivitäten mit Asylwerbern sowie durch Übersetzungstätigkeiten und Begleitung von Asylwerbern zu Arztbesuchen unterstützt. Er hat am 28.07.2017 an einer zweistündigen Dialogrunde "Zahngesundheit", am 14.07.2017 an einer zweistündigen Dialogrunde "Ernährung" sowie an einem 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs und an einem siebenstündigen Seminar "Das 1x1 im Service" teilgenommen.

 

Der Beschwerdeführer absolviert seit 06.11.2017 einen Lehrberuf als Restaurantfachmann im XXXX; die Lehrzeit beträgt insgesamt drei Jahre.

 

Der Beschwerdeführer lebt aktuell von der Lehrlingsentschädigung, zuvor bestritt er seinen Unterhalt aus der staatlichen Grundversorgung, er hat an mehreren Deutschkursen teilgenommen und das ÖSD Zertifikat A2 bestanden und hat von 30.05.2017 bis 15.09.2017 den Kurs "Deutsch für Asylwerbende B1" besucht.

 

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

 

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

 

Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

 

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

 

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 07.12.2017: Tehreek-i Labbaika Ya Rasool Allah (TLY) Proteste, Faizabad Verkehrsknotenpunkt, Islamabad; Rücktritt Justizminister Zahid Hamid (Abschnitt 1/ relevant für Abschnitt 2 Politische Lage und Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Anfang November initiierte die Bewegung Tehreek-i Labbaika Ya Rasool Allah (TLY) ein Sit-in am hoch frequentierten Faizabad Verkehrsknoten in Islamabad, aus Protest gegen eine in der pakistanischen Wahlordnung vorgenommene Änderung des Amtseides für Parlamentarier (Dawn 3.12. 2017; vgl. Guardian 27.11.2017). Laut Demonstranten handelte es sich bei der Änderung um eine Verwässerung der sogenannten "Khatm-e Nubuwwat" Klausel, die die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads festlegt. Dies soll laut TLY zugunsten der Ahmadiyya vorgenommen worden sein (Aljazeera, 27.11.2017; vgl. Kleine Zeitung 27.11.2017). Laut Regierung und Parlament handelte es sich jedoch nur um einen Schreibfehler (Dawn 5.10.2017; vgl. Standard 27.11.2017). Obwohl dieser schon im Oktober korrigiert und die Änderung zurück genommen worden war (Dawn, 5.10.2017), forderten die Demonstranten am Faizabad Knoten den Rücktritt des Justizministers Zahid Hamid, der für die Gesetzesänderung verantwortlich gemacht wurde (Die Zeit 27.11.2017; vgl. Kleine Zeitung 27.11.2017).

 

Das Sit-in legte drei Wochen lang eine der Hauptverkehrsadern Islamabads lahm (Kleine Zeitung 27.11.2017). Als die Regierung am 25.11.2017 zur Räumung des Verkehrsknotens schritt, kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein (Aljazeera, 26.11.2017; vgl. BBC 25.11.2017; Standard 27.11.2017 und Kleine Zeitung 27.11.2017). Demonstranten griffen daraufhin die Sicherheitskräfte mit Steinen, Stöcken und Metallstangen an und zündeten Autos und Reifen an (Aljazeera, 26.11. vgl. Standard 27.11.2017; Kleine Zeitung, 27.11.). Im Zuge der Ausschreitungen wurden mindestens 6 Menschen getötet und über 200 verletzt (Guardian 27.11.2017; vgl. Standard 27.11.2017). Aus Angst vor einer weiteren Eskalation wurde die Polizeiaktion abgebrochen (Kleine Zeitung 27.11.2017; vgl. Die Zeit 27.11.2017). In Solidarität mit den Demonstranten weiteten sich die Proteste auf andere Teile Islamabads bzw. auf andere Städte Pakistans aus, unter anderem auf Lahore, Hyderabad, Karachi, Peshawar und Quetta (Dawn 26.11.2017; vgl. BBC 25.11.2017). Nachdem die Polizei den Faizabad Verkehrsknoten nicht räumen konnte, bat die Regierung noch am selben Tag (25.11.2017) das Militär einzugreifen (BBC 25.11.2017; vgl. Dawn 25.11.2017; Die Zeit 27.11.2017).

 

Die staatliche Aufsichtsbehörde über elektronische Medien (PEMRA) untersagte Live-Berichterstattung über den Sicherheitseinsatz (Dawn 26.11.2017). Soziale Medien, wie Facebook und Twitter, wurden 37 Stunden lang landesweit ausgesetzt (The Nation .27.11.2017; vgl. auch Samaa' 27.11.2017). Die Behörden schalteten zeitweise auch private Nachrichtensender ab (BBC 25.11.). Nach Verhandlungen zwischen dem Militär und der TYL, akzeptierte die Regierung am 27.11.2017 eine Liste von Forderungen der TLY (Dawn 28.11.2017). Justizminister Zahid Hamid erklärte seinen Rücktritt (NDTV 27.11.2017; vgl. Guardian 27.11.2017 und Aljazeera 27.11.2017).

 

Laut der Abmachung zwischen Demonstranten und Regierung würden alle im Zuge der Proteste verhafteten Demonstranten innerhalb von drei Tagen freigelassen werden (Aljazeera, 27.11. vgl. Dawn, 28.11.). Die Regierung verpflichtete sich auch zu einer Untersuchung der gewalttätigen Vorfälle vom 25.11.2017 (Dawn 28.11.2017)

 

[Anmerkung der Staatendokumentation: Keine konkreten Informationen zur Freilassung der Demonstraten konnte bis dato gefunden werden; sollten neuere Erkenntnisse zu Tage treten, werden diese in einem Zusatz vermerkt.]

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KI vom 2.8.2017: Shahid Khaqan Abbasi, neuer Premierminister (Abschnitt 1 / relevant für Abschnitt 2 Politische Lage)

 

Das pakistanische Parlament hat einen Nachfolger für den abgesetzten Premierminister Nawaz Sharif gewählt. Vom Parlament, in dem Sharifs Partei, Pakistan Muslim League-N (PML-N) über eine Mehrheit verfügt, wurde Shahid Khaqan Abbasi zum neuen Regierungschef bestimmt (tagesschau.de 1.8.2017).

 

Khaqan Abbasi wurde am 1.8.2017 von den Abgeordneten der Nationalversammlung zum Premierminister ernannt und von Präsident Mamnoon Hussain vereidigt (DAWN 1.8.2017b).

 

Der neue Premierminister gilt als loyaler Gefolgsmann des wegen Korruptionsverdachts abgesetzten, ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif. Für diesen saß Khaqan Abbasi nach dem Putsch von General Pervez Musharraf im Jahre 1999, in welchem Sharif gestürzt wurde, für zwei Jahre im Gefängnis ein (NYT 1.8.2017).

 

Abbasi, ein Elektro-Ingenieur mit einem Master-Abschluss der George Washington University, bekleidete in Nawaz Sharifs dritter Amtszeit die Position des Ministers für Erdöl und natürliche Ressourcen (DAWN 1.8.2017a).

 

Es wird davon ausgegangen, dass Abbasi das Amt hält, bis Sharifs Bruder Shehbaz Sharif, er ist Ministerpräsident der Provinz Punjab, in der bevorstehenden Wahl einen Sitz im Parlament gewinnt und Premierminister werden kann (NYT 1.8.2017).

 

Vom Korruptionsskandal um die Familie seines Bruders ist Shehbaz Sharif bislang nicht betroffen (arte.tv 31.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 31.7.2017: Amtsenthebung von Ministerpräsident Nawaz Sharif durch das Oberste Gericht am 28.7.2017 (Abschnitt 1 / relevant für Abschnitt 2 Politische Lage).

 

Der oberste Gerichtshof in Pakistan hat Regierungschef Nawaz Sharif abgesetzt (Zeit Online 28.7.2017). Hintergrund sind die durch die Panama Papers enthüllten Vermögensverhältnisse der Familie, die Sharif Vorwürfe der Geldwäsche und Korruption eingebracht hatten. In Pakistan kann ein Ministerpräsident des Amtes enthoben werden, wenn sich herausstellt, dass er Vermögen verborgen hat. Sharif hat bisher nicht auf die Entscheidung reagiert (Süddeutsche Zeitung 28.7.2017).

 

Einen Tag nach dem Beschluss des pakistanischen Obersten Gerichts, hat die Regierungspartei Pakistan Muslim League-N (PML-N) am Samstag Nawaz Sharifs jüngeren Bruder Shahbaz für das Amt des Regierungschefs nominiert. Shahbaz Sharif soll in den nächsten 45 Tagen durch eine Nachwahl ins Parlament rücken und den Posten des Ministerpräsidenten übernehmen (Süddeutsche Zeitung 30.7.2017). Sharif will zunächst keinen Widerstand gegen die gefällte Entscheidung des Gerichts leisten. Er habe aber "starke Vorbehalte" gegen das Urteil und werde alle "Möglichkeiten der Konstitution und des Rechts nutzen" (Zeit Online 28.7.2017).

 

Nach dem Urteil gegen Sharif bewegte die Frage, ob die Entscheidung mit Billigung des mächtigen Militärs gefallen sei (The New Times 28.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

KI vom 25.7.2017: Abschluss Phase I, Khyber IV (Abschnitt 1, relevant für Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die pakistanische Armee konnte schneller als erwartet die erste Phase der Operation Khyber-IV in der Region Rajgal in der Khyber-Agency abschließen (DAWN 23.7.2017). Khyber-IV als Teil der Operation Radd-UL-Fasaad wurde im Februar nach einem Anstieg von terroristischen Anschlägen im Land eingeleitet (TET, 22.7.2017). Sie zielt darauf ab, die internationale Grenze zu Afghanistan zu sichern, eine Infiltration von militanten Kräften von Afghanistan aus zu verhindern, den Terrorismus zu bekämpfen und räumliche Gewinne aus militärischen Operationen zu festigen (ARY NEWS 20.7.2017). Von der der afghanischen Regierung wurde die Operation kritisiert, da diese nicht mit ihr koordiniert worden war und ohne eine vereinbarte Überwachung durch die Vereinigten Staaten und China erfolgt ist (DAWN, 23.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 25.7.2017: Anschlag auf einen Gemüsemarkt in Lahore (Abschnitt 1, relevant für Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Bei einem Selbstmordanschlag auf einem Gemüsemarkt im ostpakistanischen Lahore sind mindestens 26 Menschen getötet und 58 verletzt worden (DAWN 24.7.2017). Die Explosion ereignete sich auf einem Markt während eines Polizeieinsatzes. (Kurier 24.7.2017).

 

In Lahore sind in den vergangenen Jahren immer wieder schwere Anschläge verübt worden. Zu Ostern 2016 waren mehr als 70 Menschen bei einem Selbstmordattentat getötet worden (Zeit Online 24.7.2017).

 

Die Verantwortung für diesen Anschlag übernahmen die pakistanischen Taliban und beendete eine Periode relativer Ruhe in Pakistans zweitgrößter Stadt (abc News 24.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 29.6.2017: Anschlagserie Quetta - Parachinar - Karatschi (Abschnitt 1, relevant für Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Kurz vor Ende des Fastenmonats Ramadan ist Pakistan am 23.6.2017 von mehreren Anschlägen erschüttert worden. Bei drei Explosionen im Süden und im Nordwesten des Landes sowie einem Überfall wurden mehr als 70 Menschen getötet und mehr als 260 verletzt (tagesschau.de 23.6.2017).

 

In Quetta, der Hauptstadt der Unruheprovinz Balutschistan, einer Hochburg islamistischer Aufständischer (SPIEGEL ONLINE 23.6.2017), hatte sich am Morgen des 23.6.2017 ein Selbstmordattentäter in einem Auto nahe dem Amtssitz des Polizeichefs in die Luft gesprengt (tagesschau.de 23.6.2017). Dabei wurden mindestens 14 Menschen getötet und 19 verletzt (DAWN 24.6.2017c). In der an Afghanistan und den Iran grenzenden Region kämpft die pakistanische Regierung seit 2004 gegen islamistische und nationalistische Aufständische (SPIEGEL ONLINE 23.6.2017). Die pakistanische Taliban-Gruppierung Jamaat-ul-Ahrar bekennt sich ebenso zur Durchführung des Anschlages, wie der Islamische Staat (tagesschau.de 23.6.2017).

 

Am Nachmittag explodierten an einem belebten Markt in Parachinar (Kurram Agency) in Nordwestpakistan an der Grenze zu Afghanistan innerhalb von drei Minuten zwei Bomben. Nach Angaben eines Abgeordneten richtete sich der Doppelanschlag offenbar gegen Schiiten, da die Bomben kurz nach der Auflösung einer schiitischen Prozession explodiert seien. Parachinar wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt und ist oft Ziel von Anschlägen sunnitischer Extremisten. Der neue Anschlag war der dritte in der Stadt seit Jahresbeginn. Wer hinter der Tat steckt, ist unklar (Die Presse 23.6.2017). Sunnitische Hardliner, wie die Taliban oder der Islamische Staat bezeichnen Schiiten als Ketzer und bekämpfen diese (BBC News 23.6.2017). Parachinar steht seit geraumer Zeit unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Armee und paramilitärische Kräfte betreiben Checkpoints auf allen Einfahrtsstraßen der Stadt und führen strenge Kontrollen durch (DAWN 24.6.2017b).

 

Am späten Abend schossen in der südpakistanischen Millionenstadt Karatschi Männer von Motorrädern aus auf Polizisten, die zum Fastenbrechen in einem Straßenrestaurant gesessen hatten. Vier Polizisten seien bei dem Überfall getötet worden, sagte ein örtlicher Beamter (tagesschau.de 23.6.2017). Nach Angaben der Behörden soll die Jamaat-ul-Ansar Al-Sharia Pakistan - eine neue militante Organisation - die Verantwortung für den Anschlag übernommen haben (DAWN 24.6.2017a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Update: Anschlagszahlen des 1. Quartals 2017 laut Aufzeichnungen Pakistan Institute for Peace Studies

 

Im Jänner 2017 war Pakistan insgesamt von 29 Terroranschlägen betroffen, bei denen 40 Personen getötet wurden. 128 Personen wurden verletzt. Die regionale Verteilung zeigt folgendes Bild: Khyber Pakhtunkhwa - 6 Anschläge mit einem Toten; Sindh - 4 Anschläge mit 3 Toten; alle in Karatschi; Belutschistan - 14 Anschläge mit 7 Toten; FATA - 3 Anschläge mit 27 Toten (PIPS 10.2.2017). Darunter fiel auch der Sprengstoffanschlag auf einen Gemüsemarkt in Parachinar / Kurram Agency, bei welchem am 21.1.2017 mindestens 25 Menschen getötet und rund 85 Personen verletzt worden sind (Dawn 22.1.2017). Die Kurram Agency ist eine mehrheitlich von Schiiten bewohnte Agency, der Verwaltungssitz Parachinar oft Ziel von Anschlägen sunnitischer Extremisten (NZZ 31.3.2017). Punjab war von 2 Anschlägen mit 2 Toten betroffen. In Gilgit-Baltistan und Islamabad wurden keine Anschläge gemeldet (PIPS 10.2.2017).

 

Der Februar war nach einer langen Zeitspanne rückläufiger terroristischer Gewaltakte von einem starken Anstieg betroffen. In sechs aufeinanderfolgenden Selbstmordanschlägen wurden allein in weniger als einer Woche beinahe 100 Menschen getötet (BBC News 17.2.2017). Im Februar stiegen die Anschläge und Opferzahlen auf 159 Tote und 426 Verletzte in 32 Anschlägen (PIPS 17.3.2017). Regionale Verteilung: Khyber Pakhtunkhwa - 7 Anschläge mit 23 Toten; Belutschistan - 8 Anschläge mit 9 Toten; Sindh - 92 Tote in 5 Anschlägen (PIPS 17.3.2017). Darunter finden sich auch die Opfer des Selbstmordanschlages auf den Lal Shahbaz Qalandar - Schrein des Sufismus in Sehwan vom 16.2.2017 (Dawn 17.2.2017). Drei der registrierten Anschläge fanden in Karatschi statt. Punjab war von einem Anschlag mit 16 Toten betroffen. Azad Jammu Kaschmir war von einem Anschlag mit 2 Verletzten betroffen. In der FATA wurden 10 Anschläge mit 19 Toten verübt. Islamabad verzeichnete keinen Anschlag (PIPS 17.3.2017).

 

Im März ging die Zahl der Anschläge wieder zurück auf 28. Dabei wurden 40 Menschen getötet und 98 verletzt. Regionale Verteilung:

Khyber Pakhtunkhwa - 7 Anschläge mit 9 Toten; FATA - 9 Anschläge, 30 Tote. Darunter war wieder ein größerer Anschlag in Parachinar, der alleine 23 Tote forderte. In Belutschistan fanden 9 Anschläge statt, niemand wurde dabei getötet. Sindh verzeichnete 2 Anschläge ohne Tote, dabei fand kein Anschlag in Karatschi statt. Der Punjab zählte einen Anschlag mit einem Toten. Islamabad verzeichnete keinen Anschlag (PIPS 14.4.2017).

 

Das 1. Quartal 2017 verzeichnet mit insgesamt 89 Anschlägen bei einer Opferzahl von 239 Toten und 652 Verletzten zwar eine geringere Anzahl von Anschlägen als im Vergleichszeitraum des 1. Quartals 2016. In diesem wurden 103 Anschläge mit 285 Toten und 547 Verletzte aufgezeichnet (eigene Auswertung aus: PIPS 10.2.2017, PIPS 17.3.2017, PIPS 14.4.2017, PIPS 7.2.2016, PIPS 7.3.2016, PIPS 7.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Politische Lage

 

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12 .2016a).

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12 .2016a).

 

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12 .2016a).

 

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12 .2016a).

 

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

 

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12 .2016a).

 

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12 .2016a).

 

Katastrophen

 

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

 

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Sicherheitslage

 

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12 .2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

 

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12 .2016a).

 

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12 .2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12 .2016a).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

 

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12 .2016a).

 

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

 

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

 

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

 

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

 

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

 

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

 

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

 

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

 

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

 

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.1. Regionale Verteilung der Gewalt

 

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

 

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

2.2. Wichtige Terrorgruppen und Zwangsrekrutierungen

 

Das Jahr 2016 zeigte, dass die operativen Kapazitäten der Aufständischen durch die Militäroperationen weiter geschwächt wurden. Die Gruppierungen unterliegen allerdings einer konstanten Transformation. Während einige an Boden verlieren, dehnen sich andere aus. Die Gruppierungen ringen auch darum, neue Allianzen sowie Allianzen mit ausländischen Terrorgruppen zu bilden, hauptsächlich mit dem Islamic State of Iraq and Syria (ISIS) und Al-Quaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) (PIPS 1.2017).

 

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte militante Gruppe in Pakistan. Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nordwaziristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Obwohl die TTP mit Problemen zu kämpfen hat, bleibt sie der Hauptakteur der Instabilität im Land. Ein wichtiges Terrain der TTP ist Karatschi, besonders für die Finanzierung. Hier versendet sie auch Drohbriefe an Händler/Gewerbetreibende, um Zahlungen zu erzwingen (PIPS 1.2017). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6 .2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die Zahl der Anschläge der TTP geht zurück, 2016 führte sie 106 Anschläge mit 193 Toten durch. Allerdings gewinnt ihre Splittergruppe Jamaatul Ahrar an Terrain. Sie ist für 66 Anschläge 2016 verantwortlich, darunter die schwersten des Jahres (PIPS 1.2017).

 

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den FATA aktiv, als lokale Taliban beschrieben (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6 .2013).

 

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Ihre Anschläge gingen im Jahr 2016 stark zurück, sie erlitt starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gelang es der Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami Terrain zu gewinnen, die viele für einen Nachfolger der LeJ halten. Die Lashkar-e-Islam wurde sehr stark geschwächt durch die Militäroperationen in der Khyber Agency, viele ihrer Mitglieder flohen nach Afghanistan (PIPS 1.2017).

 

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt. Die nationalistischen Gruppen wurden stark geschwächt durch die Sicherheitsoperationen und sind mit internen Krisen geplagt, ihre Anschläge gingen zurück. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, ihre Anschläge gingen allerdings stark zurück, ihre operative Stärke sinkt. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten im Allgemeinen, jedoch ein großer Anteil auch in erster Linie gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

2.3. Zwangsrekrutierung und Drohbriefe

 

Bei der Zwangsrekrutierung handelt es sich um eine Rekrutierung, die unter Androhung von Gewalt oder anderen Formen von Bedrohung durchgeführt wird. Die zu diesem Thema befragten Interviewpartner gaben im Rahmen der FFM 2015 an, dass Ihnen keine derartigen Fälle bekannt sind (BFA 9.2015). Allerdings für die Zeit der [Anm. 2009 durch die Regierung beendeten] Besetzung des Swat-Tals durch die Taliban gab es Berichte zu Zwangsrekrutierungen. Die Taliban entführten Kinder und setzen durch, dass Familien entweder Geld oder ein Familienmitglied zur Verfügung zu stellen (Abbas 2015; vgl. The Telegraph 30.5.2009). Die bei der FFM 2013 interviewte Sozialwissenschaftlerin an der National Defence University erläuterte derartige Beispiele für Rekrutierungen bei der Übernahme des Swat-Tals. Einige Unwillige wurden zur Abschreckung getötet, diese Botschaft verbreitete sich rasch und die Eltern gaben ihre Kinder den Taliban als Kämpfer mit. Ebenso spielten allerdings ökonomische und religiöse Faktoren eine Rolle. Taliban waren eine Art Unternehmen, mit zwar geringer, aber monatlicher Bezahlung, und es wurde propagiert, dass die Jungen etwas für Gott täten, und die Religion studieren (BAA 6 .2013). Bildungseinrichtungen und radikale Segmente von religiösen Gruppen sind attraktive Rekrutierungsböden für Aufständische (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Die Federal Administered Tribal Areas (FATA) liegen strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Sie gliedern sich in sieben sogenannte Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan - denen jeweils ein Political Agent vorsteht (FRC 24.1.2017) - sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden (BFA 9.2015).

 

Die FATA sind charakterisiert durch eine überwiegend paschtunische Bevölkerung und eine stark tribale Struktur. Es finden sich über 24 Hauptstämme. Die Bevölkerung wird ausgehend von der letzten Volkszählung von 1998 auf 4,45 Millionen geschätzt mit einer Wachstumsrate von 3,76 Prozent (FRC 24.1.2017). Die FATA umfassen ca. 3 Prozent der Fläche Pakistans (AA 30.5.2016).

 

Die Sicherheitslage hat sich in der FATA aufgrund diverser militärischer Operationen verbessert. Viele Gebiete wurden von Aufständischen befreit und auch die Angriffszahlen sind gesunken. In einigen abgelegenen Gebieten, besonders in der Nähe der afghanischen Grenze gibt es noch sogenannte "Pockets" von Aufständischen. Jedoch sind die meisten dieser von dem pakistanischen Militär umzingelt (BFA 9.2015).

 

Die Lage in jeder Agency variiert und ist abhängig davon, ob es laufende militärische Operationen gibt:

 

In der Bajaur Agency gab es im Jahr 2008 eine militärische Operation mit dem Ziel die Gegend von Aufständischen zu befreien. Diese Operation gilt als Erfolg, die Sicherheitslage hat sich in dieser Agency stark verbessert. Die meisten Bewohner sind zurückgekehrt, Unternehmen in Bajaur haben wieder geöffnet und die Menschen sind dabei ihr Leben wiederaufzubauen. Angriffe durch Aufständische treten noch sporadisch auf. In manchen Gebieten fanden die Aufständischen Unterschlupf. Die Situation in Mohmand Agency ist ähnlich wie Bajaur Agency. Hier wurden in den Jahren 2011 und 2012 militärische Operationen zur Vertreibung der Aufständischen durchgeführt. Dadurch hat sich auch hier die Sicherheitslage stark verbessert. Die meisten geflohenen Menschen sind wieder zurückgekehrt, der Wiederaufbau hat begonnen. Auch hier gibt es Gebiete, die als Verstecke für die Aufständischen dienen (BFA 9.2015).

 

In Khyber Agency wurde Ende 2014 die Militäroperation "Khyber-1" und von März 2015 bis Juli 2015 "Khyber-2" durchgeführt. Die meisten Aufständischen flohen nach Afghanistan, das Militär erklärte diese Operationen zu einem Erfolg. "Khyber-2" diente auch dazu, das Tirah-Tal, das ein idealer Rückzugsort für Aufständische ist, da es abgelegen, bergig und in der Nähe des Khyber-Passes liegt, der Peshawar mit Jalalabad in Afghanistan verbindet, von Aufständischen zu befreien (BFA 9.2015). 2016 wurde die Militäroperation als Khyber-3 fortgesetzt (FRC 24.1.2017).

 

In der Kurram Agency sind die Schiiten in der Mehrheit und diese Agency ist geprägt von sektiererisch motivierter Gewalt. In den Jahren 2007 bis 2012 gab es besonders viele Kämpfe, jedoch hat sich die Lage in der letzten Zeit auf Grund von Friedensgesprächen entspannt (BFA 9.2015).

 

Orakzai Agency wird in Oberes-Orakzai und Unteres-Orakzai aufgeteilt. In dieser Agency wurde 2009 eine militärische Operation durchgeführt. Die meisten Aufständischen sind geflohen, aber auch hier gibt es noch sogenannte "Pockets", wo sich Aufständische verstecken. Auch kommt es in dieser Agency ebenfalls zu sektiererisch motivierter Gewalt, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie in Kurram Agency (BFA 9.2015).

 

In Nord-Wasiristan wurde im Juni 2014 die militärische Operation "Zarb-e Azb" eingeleitet, da sich die Hauptgruppe der TTP in dieser Agency aufhielt. Die meisten Anhänger flohen im Zuge der Operation. Einige Aufständische konnten als IDPs getarnt entkommen (BFA 9.2015). Die Operation "Zarb-e-Azb" wurde auch im Jahr 2016 in Nord-Wasiristan fortgesetzt mit 7 operativen Militärschlägen. 3 Militärschläge wurden im Zuge dieser 2016 auch in der Mohmand Agency durchgeführt, 1 in der Orakzai Agency (PIPS 1.2017).

 

In Süd-Wasiristan wurde im Jahr 2009 eine militärische Operation durchgeführt. Seitdem hat das Militär seine Präsenz etabliert und es kommt noch zu sporadischen Angriffen der Aufständischen (BFA 9.2015).

 

Im Jahr 2015 wurden, laut PIPS, 149 Terroranschläge aus der FATA berichtet, ein Rückgang um 36 Prozent im Vergleich zu den 234 aus dem Jahr 2014. 268 Menschen wurden dabei getötet, darunter 100 Zivilisten, 70 Militante und 98 Sicherheitskräfte (PIPS 3.1.2016).

 

Die Khyber Agency war 2015 mit 36 Anschlägen am stärksten betroffen, doch auch hier gab es einen Rückgang um 60 Prozent in Bezug auf Anschläge und 40 Prozent weniger Todesopfer. Nach der Khyber Agency waren die Agencies Süd-Wasiristan und Bajaur mit jeweils 25 am meisten von Anschlägen im Jahr 2015 betroffen, Süd-Wasiristan erlitt dabei 68 Todesopfer - für Süd-Wasiristan stellt das eine hohe Steigerung von 210 Prozent dar - Bajaur verzeichnete dabei 20 Todesopfer. Mohmand Agency war von 23 Anschlägen mit 20 Toten, die Kurram Agency von 17 Anschlägen mit 46 Toten, Nord-Wasiristan von 11 Anschlägen mit 41 Toten und Orakzai von 7 Anschlägen mit 9 Toten betroffen. Ein bedeutender Einzelanschlag betraf Parachinar in der Kurram Agency mit 25 Toten bei einem Anschlag auf einen Markt, der sich gegen Schiiten richtete. Es konnten 8 Anschläge vereitelt werden (PIPS 3.1.2016).

 

Hauptziel der Anschläge in der FATA und in Khyber Pakhtunkhwa waren Sicherheitskräfte und deren Infrastruktur, allerdings zielten 34 Anschläge mit 53 Todesopfern in der FATA und in Khyber Pakhtunkhwa auch gegen Stammesältere und Stammesmitglieder, die sich für die Regierung engagierten. Mit 10 solchen Anschlägen war die Bajaur Agency am meisten betroffen, gefolgt von Khyber und Mohmand Agency. Auch in einigen Gebieten Khyber Pakhtunkhwas, wie Swat, Malakand, Dir, Peshawar, Tank und Bannu gab es derartige gezielte Tötungen (PIPS 3.1.2016).

 

Abgesehen von den Anschlägen gab es in der FATA im Jahr 2015 27 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 75 operative Militärschläge, die meisten davon in Nord-Wasiristan, dem Gebiet der Militäroperation "Zarb-e-Azb" und in der Khyber Agency dem Gebiet der Operationen Khyber-I und Khyber-II. In den 75 operativen Militärschlägen wurden 1.265 Menschen getötet. Außerdem wurden 14 Auseinandersetzungen an der afghanischen Grenze und 12 Drohnenangriffe, 9 davon in Nord-Wasiristan, verzeichnet (PIPS 3.1.2016).

 

Auch im Jahr 2016 ging die Zahl der Gewaltvorfälle in den FATA signifikant zurück, obwohl diese weiterhin in allen Agencies vorkamen. Die pakistanische Armee spielte eine wichtige Rolle durch die konsequente Zerstörung von Unterschlüpfen der Terroristen. Militärschläge und Operationen zielen weiterhin auf die bestehenden militanten "Pockets". In Nord-Waziristan ist die Operation "Zarb-e-Azb" in ihrer Abschlussphase, in der Khyber Agency ist die Offensive Khyber 3 auf ihrem Höhepunkt, zerstört Infrastruktur der Terroristen, hält die Kontrolle über Gebiete und gewinnt weiter an Kontrolle über Terrain. Das FATA Research Center (FRC) zählt für 2016 219 Vorfälle von militanter Gewalt oder Gegenoffensiven mit 521 Toten im Vergleich zu 293 solchen Vorfällen mit 1.679 Toten im Jahr 2015 (FRC 24.1.2017).

 

Es wurden, laut PIPS, im Jahr 2016 99 Anschläge aus der FATA berichtet, die 163 Menschenleben kosteten. Im Vergleich zum Vorjahr sank somit die Zahl der Anschläge um 32 Prozent und die Zahl der Todesopfer um 38 Prozent. Unter den Todesopfern waren 91 Zivilisten, 43 Sicherheitskräfte und 29 Militante. Alle 99 Anschläge wurden durch verschiedene Talibangruppen, hauptsächlich der TTP und Jamaatul Ahrar oder Militante mit ähnlichen Zielen durchgeführt (FRC 24.1.2017).

 

Am stärksten von Anschlägen betroffen war die Mohmand Agency mit 36 Anschlägen und 79 Todesopfern, gefolgt von der Khyber Agency mit 19 Anschlägen und 37 Toten. Bajaur erlitt 15 Anschläge mit 9 Toten, Kurram 6 Anschläge mit 15 Toten, Nord-Wasiristan 8 Anschläge mit 11 Toten, Süd-Wasiristan 12 Anschläge mit 10 Toten und Orakzai 3 Anschläge mit 2 Toten (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt sind 147 für die Sicherheitslage relevante Gewaltvorfälle im Jahr 2016 zu verzeichnen mit 439 Toten (98 Zivilisten, 52 Angehörige der Sicherheitskräfte und 289 Militante). Neben den Anschlägen waren dies 5 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 14 grenzüberschreitende Attacken aus Afghanistan, 24 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 2 Drohnenangriffe, 2 Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppierungen und eine zwischen Militanten und Stammesmitgliedern (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in der FATA im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten (42 Anschläge). Weiters waren Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste (18 Anschläge) sowie politisch Arbeitende oder politische Führer sowie Staatsbedienstete dezidierte Ziele. Allerdings waren 22 Anschläge allgemein gegen Zivilisten gerichtet (PIPS 1.2017).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene. Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

 

Im März 2017 wurde ein umfassender Reformplan für die FATA genehmigt (Dawn 2.3.2017). Im sozio-ökonomischen Bereich sieht er den Abschluss der bestehenden Wiederaufbaumaßnahmen für 2017 und weitere extensive Rekonstruktionsmaßnahmen im Rahmen eines 10 Jahres FATA Entwicklungsplan vor (Dawn 1.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa ist in 25 Distrikte unterteilt (GovKP o. D.).

 

Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional aktiven Taliban gingen in den Untergrund, aber übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie Anschläge und gezielte Tötungen weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren Städten der Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA 9.2015). Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in der FATA, insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015).

 

Im Jahr 2015 sanken die Terrorvorfälle in Khyber Pakhtunkhwa weiter, es gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen Regionen. Es gab 125 Anschläge, ein Minus von 61 Prozent. Sie forderten 206 Todesopfern, 62 Prozent weniger als im Jahr 2014. Unter den Todesopfern waren 66 Sicherheitskräfte, 112 Zivilisten und 24 Militante. 10 der Anschläge waren sektiererisch motiviert. Peschawar war am meisten von den Anschlägen und Opfern betroffen mit 85 Todesopfern in 38 Anschlägen, gefolgt von Dera Ismail Khan mit 14 Anschlägen und 19 Toten sowie Charsadda mit 10 Anschlägen und 9 Toten, die zweithöchste Todesopferzahl musste Mardan mit 30 Toten in 4 Anschlägen berichten, zusätzlich zu diesen 4 Distrikten waren von den 25 Distrikten Khyber Pakhtunkhwas 14 weitere von Anschlägen betroffen, die pro Distrikt zwischen keinem und sieben Todesopfern im Jahr 2015 forderten (PIPS 3.1.2016).

 

Auch im Jahr 2016 war Khyber Pakhtunkhwa die Region Pakistans, die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffen war. 127 Anschläge töteten 189 Personen. Die Zahl der Anschläge stieg somit um 2 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unter den Todesopfern der Anschläge waren 114 Zivilisten, 62 Angehörige der Sicherheitskräfte und 8 Militante. Von diesen Anschlägen betrafen 48 die Provinzhauptstadt Peschawar mit 62 Toten, 47 Todesopfer forderten 7 Anschläge in Charsadda, 16 Menschen starben bei 6 Anschlägen in Mardan, 11 Menschen starben bei 16 Anschlägen im Swat, 10 Menschen bei 10 Anschlägen in Bannu und 8 Menschen bei 9 Anschlägen in D.I. Khan. Außer diesen 6 Distrikten waren weitere 11 Distrikte in KP von Anschlägen betroffen, die insgesamt pro Distrikt zwischen einem und sieben Todesopfern forderten (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzung sowie deren Kontroll-Posten, 70 Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa zielten auf diese. Weitere Hauptziele waren politisch Arbeitende oder politische Führer und Staatsbedienstete, sowie sporadisch auch Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste. Allerdings richteten sich 23 Anschläge ganz allgemein gegen Zivilisten (PIPS 1.2017).

 

Von den insgesamt 127 Anschlägen in Khyber Pakhtunkhwa waren 8 sektiererisch motiviert, die 10 Todesopfer forderten - zumeist gezielte Tötungen zwischen Schiiten und Sunniten sowie ein Granatenanschlag auf eine Moschee. Die restlichen 119 Anschläge wurden durch die TTP oder lokale Taliban Gruppen bzw. Gruppierungen mit ähnlichen Zielen durchgeführt, wie der Jamaatul Ahrar und der Lashkar-e-Islam. Diesen Anschlägen fielen 179 Menschen zum Opfer (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt fanden 2016 154 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt statt, neben den Anschlägen waren dies 3 Ereignisse ethnopolitischer Gewalt, 5 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 15 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, eine Auseinandersetzung zwischen Militanten und Stammesangehörigen sowie 3 Vorfälle an der Grenze mit Afghanistan. Alle Gewaltvorfälle zusammen forderten 242 Menschenleben - 122 Zivilisten, 68 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzung sowie 52 Militante (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Karatschi ist die Hauptstadt der Provinz Sindh, die größte Stadt Pakistans und die zweitgrößte der Welt. Sie ist die Handels-, Kultur- und Wirtschaftsmetropole Pakistans und beherbergt den größten Hafen Pakistans (KMC o.D.a). Karatschi wird auf mehr als 20 Millionen Einwohner geschätzt (KMC o.D.b).

 

Karatschi bleibt ein lokaler Brennpunkt terroristischer sowie politischer, interethnischer sowie religiös motivierter und krimineller Gewalt einschließlich sogenannter gezielter Tötungen (AA 30.5.2016). Es kommt zu innenpolitisch, religiös, ethnisch oder kriminell motivierten Anschlägen und zu Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 20.3.2017). Es gibt Berichte zu politisch motivierten Tötungen durch die verschiedenen politischen Gruppierungen in Karatschi bzw. Sindh. Die politische, sektiererische und ethnische Gewalt in Karatschi hielt an, allerdings sank sie und die Straßenkriminalität in Form von Gangs war nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 3.3.2017).

 

Eine Operation gegen Terroristen und organisiertes kriminelles Verbrechen in Karatschi durch die paramilitärischen Sindh Rangers und die zivile Sindh Polizei wurde auch 2015 fortgesetzt. Viele Analysten schrieben dieser Operation die signifikante Reduktion der Gewalt zu. Es wurden aber auch Vorwürfe vorgebracht, dass sie die Operationen überproportional auf bestimmte Parteien fokussieren würden (USDOS 2.6.2016).

 

Bei den Einsätzen der Sicherheitskräfte kommen auffällig häufig die Zielpersonen ums Leben, was von offizieller Seite damit begründet wird, dass diese bewaffneten Widerstand gegen den Zugriff der Sicherheitskräfte geleistet hätten. 85 Terroranschläge forderten in Karatschi 2015 150 Menschenleben (AA 30.5.2016).

 

Die Sicherheitskräfte werden im Zuge der Sicherheitsoperationen von Muttahida Qaumi Movement (MQM) beschuldigt, bei Verschwindenlassen, außergerichtlichen Hinrichtungen und Misshandlung ihrer Mitglieder involviert zu sein (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jahr 2015 verzeichnete Karatschi insgesamt 85 Anschläge, ein Rückgang um 61 Prozent zum Jahr 2014. Sie forderten dort 150 Leben - ein Rückgang um 53 Prozent. 25 der Anschläge richteten sich gegen Schiiten und forderten 75 Menschenleben. Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzungsbehörden waren häufig Ziel von Anschlägen, drei Anschläge richteten sich auch gegen Medien oder Journalisten, zwei Anschläge gegen politische Führer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2015 verzeichnete PIPS 102 Terroranschläge in acht Distrikten im Sindh, inklusive Karatschi, ein Rückgang von 59 Prozent. Die Anschläge im Sindh forderten 251 Leben - ein Rückgang von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - 182 davon Zivilisten. Zählt man Karatschi allerdings ab, so erlitt Sindh 101 Todesopfer in 17 Anschlägen, eine Steigerung um 339 Prozent an Todesopfern im inneren Sindh im Vergleich zum Vorjahr (PIPS 3.1.2016).

 

Ein großer Anteil der Todesopfer im Sindh im Jahr 2015 waren Angehörige der schiitischen Gemeinden der Hazara und Ismailiten, die Opfer sektiererisch motivierter Anschläge wurden. 27 solcher Anschläge fanden im Sindh statt, davon 25 in Karachi, einer in Jacobabad mit 27 Todesopfern und einer in Shikarpur mit 63 Todesopfern. Zusammen forderten sektiererisch motivierte Anschläge im Sindh 165 Todesopfer; dies bedeutet eine Erhöhung um 62 Prozent (PIPS 3.1.2016).

 

2016 wurden 60 Menschen in 47 Terroranschlägen in Karatschi und drei Menschen in 7 Anschläge im restlichen Sindh getötet. Damit sanken die Todesfälle im Sindh außerhalb Karatschi um 97 Prozent und in Karatschi um 60 Prozent. Insgesamt sanken damit die Anschläge im Sindh um 47 Prozent. Verletzt wurden im Sindh 104 Personen in Anschlägen. Neben Karatschi war der Sindh von drei Anschlägen in Hyderabad und jeweils einem Anschlag in den Distrikten Khairpur, Larkana, Shikarpur und Sukkur betroffen. Unter den Getöteten waren 35 Zivilisten, 24 Sicherheitskräfte und 4 Militante (PIPS 1.2017).

 

19 der Anschläge im Sindh im Jahr 2016 waren sektiererisch motiviert, davon 18 in Karatschi und einer in Shikarpur. Insgesamt wurden dabei 31 Menschen getötet, 29 davon in Karatschi. Von den sektiererischen Anschlägen in Karatschi richteten sich 11 gegen Mitglieder und Führer der Shia Gemeinde, 6 gegen die sunnitische Gemeinde und ein Anschlag gegen die Bohra Gemeinde (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden im Inneren Sindh 7 Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 17 im Jahr davor - davon waren 6 nationalistisch und einer sektiererisch motiviert. Dabei wurden im Inneren Sindh drei Menschen getötet, im Jahr davor waren es 101 Menschen. Verletzt wurden 29 Menschen. Sindhi Nationalistische Terrorgruppen, wie die Sindhu Desh Liberation Army (SDLA) und Sindhu Desh Revolutionary Army, führten 7 Anschläge im Sindh durch (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Belutschistan ist nach Einführung neuer Distrikte in 32 Distrikte eingeteilt (JAAG TV 2013; vgl. GoB o.D.).

 

Rebellen kämpfen für politische Autonomie und größere Anteile an den Einnahmen aus der Öl- und Erdgasförderung in der rohstoffreichen Gegend. Auch Islamistengruppen sind in der Region aktiv (DW 11.4.2015). Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der Ressourcen zurückbekommen (EASO 8.2015).

 

Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban werden in Belutschistan beobachtet. Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v. a. Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die Volksgruppe der Hazara (AA 4.1.2017).

 

Wie im Jahr 2014 verzeichnete Belutschistan auch im Jahr 2015 die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet. Dies ist ein Rückgang von 36 Prozent bei Anschlägen und 31 Prozent bei Todesopfern. Sektiererisch motivierte Anschläge gingen in der Provinz ebenfalls um 20 Prozent zurück, die Todesopfer dabei um 60 Prozent. 26 der 32 Distrikte Belutschistans waren von Anschlägen betroffen, 7 Distrikte von mehr als 10 Anschlägen. Am stärksten war die Provinzhauptstadt Quetta betroffen mit 48 Anschlägen und 81 Todesopfern. Ungefähr 89 Prozent der Anschläge in Belutschistan wurden durch belutschische aufständische Gruppierungen durchgeführt, wie die Baloch Liberation Front (BLF), Baloch Republican Army (BRA), Balochistan Liberation Army (BLA), Lashkar-e-Balochistan und die United Baloch Army ( PIPS 3.1.2016).

 

Den Sicherheitskräften gelang es 28 Anschlagsversuche zu vereiteln. Insgesamt starben 550 Menschen in 306 Vorfällen von sicherheitsrelevanter Gewalt - Anschläge, Operationen der Sicherheitskräfte, Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen sowie zwischen den militanten Gruppierungen zusammen. Bei den Toten aller sicherheitsrelevanten Vorfälle handelte es sich um 161 Zivilisten, 91 Angehörige der Sicherheitskräfte oder Rechtsdurchsetzungsbehörden und 298 Militante (PIPS 3.1.2016).

 

Wie in den letzten beiden Jahren wurde die höchste Anzahl an Terroranschlägen für Pakistan aus Belutschistan gemeldet. Sie war auch die Region, die am meisten Todesopfer zu verschmerzen hatte. So wurden im Jahr 2016 in 151 Anschlägen 412 Menschen getötet. Belutschistan und Khyber Pakthunkhwa waren die einzigen Regionen Pakistans, die einen Anstieg an Todesopfern in Terroranschlägen erleiden mussten. 45 Prozent aller Todesopfer von Anschlägen in Pakistan wurden aus Belutschistan gemeldet. So stieg die Zahl der Todesopfer in Belutschistan um 63 Prozent, obwohl die Anzahl der Anschläge um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sank (PIPS 1.2017).

 

Unter den Todesopfern 2016 waren 230 Zivilisten, 168 staatliche Sicherheitskräfte und 14 Militante. Am stärksten betroffen in Belutschistan war die Hauptstadt Quetta mit 238 Toten und 458 Verletzten in 49 Anschlägen. 20 Anschläge wurden aus dem Distrikt Dera Bugti, 15 aus Kech, 11 aus Mastung, 8 von Khuzdar, 7 von Nasirbad und 6 aus Awran sowie Gwadar gemeldet. Neben diesen 8 stark von Anschlägen betroffenen Distrikten waren weitere 13 weitere Distrikte in Belutschistan von jeweils zwischen einem und 4 Anschlägen betroffen. Nach Quetta waren die meisten Todesopfer in den folgenden Distrikten zu beklagen: Khuzdar mit 61 Toten, Gwadar mit 16 sowie Kech und Mastung mit jeweils 15 Toten. In den anderen von Anschlägen betroffenen Distrikten wurden jeweils zwischen keinem und neun Todesopfer bei allen Anschlägen im Jahr 2016 verzeichnet (PIPS 1.2017).

 

Im Vergleich zum Vorjahr sank auch die Zahl der sektiererisch-motivierten Anschläge in Belutschistan von 12 auf 5, während allerdings die Zahl der Todesopfer von 34 auf 62 stieg. Grund dafür ist die hohe Anzahl von Todesopfern bei einem einzelnen Anschlag auf einen Schrein im Distrikt Khuzdar mit 54 Toten. Von den 5 Anschlägen fanden 3 in Quetta statt und 2 im Distrikt Khuzdar. 2 richteten sich gegen die schiitische Hazara Gemeinde, 2 gegen Mitglieder der Sunni Gemeinde und einer gegen Schiiten (PIPS 1.2017).

 

Der deutliche Anstieg an Todesopfern bei Rückgang der Anschlagszahlen ist darauf zurückführen, dass die Anschläge von Talibangruppen - vor allem TTP und Jamaatul Ahrar - und von gewalttätigen sektiererischen Gruppen, besonders Lashkar-e- Jhangvi Al-Alami stark anstiegen, während die Zahl der Anschläge von belutschischen Terrorgruppen sank. Die belutschisch-nationalistischen Terrorgruppen haben an Stärke eingebüßt und die Anschläge dieser Gruppen gingen 2016 sowohl in Größe als auch Anzahl zurück. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten, jedoch ein großer Anteil auch rein gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

Die Nationale Wahlkommission hat für die neue Richtlinie der Verteilung der Polizeikräfte im Vorfeld der Wahlen 2018 21 der 32 Distrikte Belutschistans als "harte Zonen" eingeteilt mit Bezugnahme unter anderem auf eine schwache Durchsetzungskraft des Staates und ein volatiles politisches Klima. Belutschistan führt damit die Liste bei der Anzahl der "harten Zonen" in Pakistan (The Nation 25.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Der Kaschmirkonflikt ist das zentrale Problem der Beziehungen zwischen Pakistan und Indien. An der Grenze zwischen dem indisch und dem pakistanisch verwalteten Teil Kaschmirs, der sogenannten Line of Control, kommt es immer wieder zu militärischen Zwischenfällen (AA 12 .2016b).

 

Extremistische Gruppen, vorwiegend für Anschläge im indisch verwalteten Jammu und Kaschmir verantwortlich, operieren von Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Balitstan aus. Sie haben Verbindungen zu ähnlichen Fraktionen in Pakistan und Afghanistan. Spannungen zwischen pro-Pakistan und nationalistischen kaschmirischen militanten Gruppen sind verbreitet (FH 29.8.2016).

 

In Gilgit-Baltistan, den früheren Northern Areas, führen Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 20.3.2017). Der Anteil der sunnitischen Bevölkerung in Gilgit Baltistan hat signifikant zugenommen seit ein Gesetz abgeschafft wurde, das die Einwanderung von anderen Teilen Pakistans gestattet. Es gibt den Vorwurf, ein demographischer Wandel in der mehrheitlich schiitischen Region wird gefördert (FH 29.8.2016).

 

Im Jahr 2016 wurden keine Terroranschläge aus Gilgit-Baltistan oder Azad Jammu und Kashmir germeldet (PIPS 1.2017). 2015 fanden 4 Terroranschläge statt, einer mehr als 2014. 15 Personen wurden verletzt, keiner getötet. Die Hauptziele waren Checkposten und Sicherheitskräfte (PIPS 3.1.2016).

 

In Azad Jammu und Kaschmir kam es im Vorfeld der Wahlen 2016 zu zwei Vorfällen politischer Gewalt. Im Februar forderte eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Anhängern der PPP und der PPML-N einen Toten und 10 Verletzte (PIPS 1.2017; vgl. TNI 14.2.2016). Im Juli forderte eine weitere ähnlich geartete Auseinandersetzung zwei Tote und sieben Verletzte (PIPS 1.2017; vgl. Dawn 14.7.2016). Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Laut einem lokalen Experten in Pakistan ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans (BFA 9.2015). Die Bevölkerung der Provinz wird auf 91 Millionen geschätzt. Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016). Auch die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher (BAA 6 .2013). Die Bevölkerung wird auf 600.000 geschätzt (EASO 7.2016).

 

Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen, ein Rückgang von 41 Prozent bei Terroranschlägen im Vergleich zum Vorjahr sowie ein Rückgang von 34 Prozent an Todesopfern. Unter den Opfern waren 73 Zivilisten, 7 Polizisten und 3 Terroristen. 4 der Anschläge im Punjab waren sektiererisch motiviert. Am meisten betroffen von Anschlägen unter den Distrikten des Punjabs war Rawalpindi mit 5 Anschlägen, die 12 Todesopfer forderten. Die meisten Todesopfer im Punjab gab es in Lahore mit 23 Toten, die Anschläge dort zielten vor allem auf Sicherheitskräfte, Minderheiten, insbesondere Christen und Journalisten (PIPS 3.1.2016). Trotz eines weiteren signifikanten Abfalls in der Zahl der Terroranschläge im Jahr 2016 im Punjab, ging die Zahl der Todesopfer nur um 4 Prozent zurück. So wurden 7 Terroranschläge im Punjab im Jahr 2016 durchgeführt, dabei allerdings 80 Menschen getötet. Dies lässt sich hauptsächlich auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten Anschlag in Lahore vom März zurückführen, der 74 Menschenleben forderte. 6 Distrikte des Punjabs waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, 4 Polizisten und eine Aufständischer (PIPS 1.2017).

 

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology - abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen - dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2016).

 

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz (sowie im Islamabad Capital Territory) und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden) (ÖB 10.2016).

 

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten "original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments" sowie "advisory jurisdiction" auf Anruf durch den Staatspräsidenten. Außerdem kann er sich in Fällen von öffentlicher Wichtigkeit auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner breiten Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2016).

 

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u.a. auch als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgan für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2016).

 

Zur örtlichen Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts ist anzumerken, dass sich diese gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA, und Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) erstreckt (ÖB 10.2016); außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

 

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen. Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2016).

 

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2016).

 

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, in der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus oder Blasphemie, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 3.3.2017). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf Gerichte: im März und im September jeweils einen Anschlag auf jeweils ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, bei denen 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta auf ein Krankenhaus, in dem sich Anwälte nach Schüssen auf den Präsidenten der Belutschistan Anwaltsvereinigung versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017).

 

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin (AA 12 .2016a). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, kostenintensive Verfahren, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 3.3.2017). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt die Zahl der Richter auf 4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards. Hinsichtlich der Überlastung der Gerichte ist anzumerken, dass in der Provinz Punjab im Jahr 2015 knapp 700 neue Richter (judges und magistrates) eingestellt wurden, die sich derzeit (zum Teil) noch in Ausbildung befinden. Auch heuer soll es zu Neuaufnahmen in ähnlicher Zahl kommen (ÖB 10.2016).

 

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist somit bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem "Verschwindenlassen" von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016a).

 

Die im Rahmen des Nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich (AA 30.5.2016).

 

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehmigte das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und sektiererischer Gewalt (USDOS 3.3.2017). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch für 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Anwendung der Militärgerichte, behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL 5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017). Laut International Commission of Jurists wurden bisher 12 derartige Militärgerichte eingerichtet und zumindest 105 Verfahren abgeschlossen, von welchen mindestens 81 mit Schuldsprüchen (77 Todesurteile, davon 12 vollstreckt) endeten (Stand: Juni 2016). Die Prozesse werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2016).

 

Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 3.3.2017).

 

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 3.3.2017).

 

Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2016).

 

In den Stammesgebieten FATA, die nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen und in denen das staatliche pakistanische Recht gemäß der Verfassung nur dann Anwendung findet, wenn dies durch ein Präsidialdekret angeordnet wird, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen "Jirga"-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).

 

In Sindh und Punjab hielten feudale Landherren und lokale Führer, in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas - lokale Ratsversammlungen - in Missachtung des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtsysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 3.3.2017).

 

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2016).

 

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in FATA und PATA weiterhin auf Basis der Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Des Weiteren besteht in Fällen sogenannter honour killings oft die Möglichkeit für die Familie des Opfers, dem Täter zu vergeben und diesen so der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen (ÖB 10.2016).

 

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 12 .2016a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Federal Administered Tribal Areas (FATA) liegen strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Sie gliedern sich in sieben sogenannte Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan - denen jeweils ein Political Agent vorsteht (FRC 24.1.2017) - sowie in Frontier Regions, die von den Bezirken Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank in Khyber Pakhtunkhwa aus verwaltet werden (BFA 9.2015).

 

Die FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion. Pakistanische Gesetze haben nur dann Geltung, wenn sie durch ein Dekret des Präsidenten für die FATA in Kraft gesetzt werden (AA 30.5.2016). In den FATA gelten die bereits von den Briten eingeführten Frontier Crimes Regulations, die gewisse paschtunische Rechtsvorstellungen mit dem Versuch einer externen Kontrolle kombinieren. Die Zentralregierung verfügt mit Hilfe des Political Agent über indirekte Einflussmöglichkeiten, während die Stämme über eine gewisse Autonomie verfügen (FRC 24.1.2017). Durch die Ausdehnung der Anordnung zu politischen Parteien auf die Stammesgebiete von 2011, können politische Parteien auch in der FATA aktiv sein (USDOS 3.3.2017).

 

Der administrative Vorstand jeder "Agency" (Bezirk) der FATA ist ein "Political Agent", der weitreichende administrative und juristische Macht hat. Jede Agency hat je nach Größe zwei bis drei Assistant Political Agents. Unter der pakistanischen Verfassung fällt die FATA ausschließlich in die Zuständigkeit des Präsidenten von Pakistan. Administrativ ist der Gouverneur von Khyber Pakhtunkhwa die oberste exekutive Führungsperson (chief executive) der FATA, als Repräsentant des Präsidenten von Pakistan. Es gibt drei administrative Einrichtungen, das Ministry of States and Frontier Regions, das FATA Sekretariat und die FATA Development Authority, welche das Gebiet unter der Leitung des Gouverneurs von Khyber Pakhtunkhwa verwalten und unterstützen. Die FATA wird rechtlich durch den Frontier Crimes Regulation Act (FCR) von 1901, novelliert 2011, geregelt (FRC 24.1.2017).

 

In den FATA hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte im Wege von Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).

 

Alle Zivil- und Kriminalfälle in der FATA werden unter der FRC durch eine Jirga (Rat von Älteren) entschieden. Die Bewohner können allerdings den Supreme Court und den Peschawar High Court anrufen bei Fällen, die die Verfassung oder die FCR betreffen. Administrativ finden sich in den FATA zwei regionale Kategorien: "geschützte" Gebiete sind Gebiete unter direkter Kontrolle der Regierung, "nicht-geschützte" Gebiete sind solche, welche indirekt - über lokale Stämme - administriert werden (Gov FATA o.D.).

 

In den "geschützten" Gebieten der FATA werden Zivil- und Kriminalfälle durch politische Angestellte entschieden, die mit juristischen Vollmachten ausgestattet sind (Gov FATA o.D.).

 

Nach der FRC sind die Assistant Politcal Agents verantwortlich für die Rechtsprechung in der FATA und werden dabei durch Stammesältere ihrer Wahl unterstützt. Sie halten Anhörungen nach ihrer Interpretation des islamischen Gesetzes und der Stammesbräuche ab (USDOS 3.3.2017). Die Jirga aus Stammesälteren wird nach den Ermittlungen mit Zustimmung der Konfliktparteien eingerichtet. Sie fällt das Urteil, das durch den Political Agent geprüft wird. Für die Umsetzung des Urteils ist die politische Administration zuständig. In den "nicht geschützten" Gebieten der FATA werden die Entscheidungen durch lokale Jirgas, die nach Beratungen durch Vermittler aus der Gemeinschaft zusammengesetzt werden, gefällt (Gov FATA o.D.).

 

Unter der FCR werden Kollektivstrafen angewandt. Eine rechtliche Vertretung des Angeklagten ist nicht vorgesehen. Die FCR wird seit langem für ihre harten und inhumanen Regelungen kritisiert, einige davon wurden durch die Novellierung von 2011 gemildert. So wurde die Kollektivverantwortung des Stammes und die übermäßige Macht der politischen Repräsentanten eingeschränkt, Frauen und Unter-16jährige aus der Kollektivbestrafung ausgenommen, sowie den Bürgern das Recht eingeräumt, gegen die Entscheidungen der politischen Repräsentanten in einem kodifizierten Gerichtssystem zu berufen (USDOS 3.3.2017).

 

Im März 2017 genehmigte das pakistanische Kabinett einen Reformplan für die FATA. Der Fünfjahresplan sieht die Eingliederung in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) vor. Die Einwohner der FATA sollen damit das Recht erhalten, ihre Stimme bei Provinzratswahlen von KP abzugeben, dies bereits erstmals bei den Provinzwahlen 2018 (Dawn 2.3.2017). Der FRC soll ersetzt, Kollektivstrafen abgeschafft und die Rechtsprechung der Höchstgerichte auf die FATA ausgedehnt werden. Das Jirga System wird beibehalten, allerdings werden diese von einem Gericht eingesetzt und in Übereinstimmung mit dem vorherrschenden Recht Angelegenheiten entschieden (Dawn 1.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Keines der Gebiete wurde formal in das Staatsgebilde inkorporiert, wodurch sie weder unabhängig sind, noch Provinzstatus haben. Stattdessen ist das Verhältnis zueinander durch verschiedene provisorische Übereinkünfte bestimmt, die auf eine finale Übereinkunft im Disput mit Indien warten. Azad Jammu Kaschmir wird anhand einer Übergangsverfassung aus dem Jahr 1974 verwaltet. Ein Präsident, der durch die gesetzgebende Versammlung gewählt wird, ist Staatsoberhaupt, der gewählte Premierminister Regierungschef. Ein Azad Jammu Kaschmir Council arbeitet von Islamabad aus und setzt sich aus kaschmirischen und pakistanischen Amtsträgern zusammen. Dieser Rat hat eine Reihe von Schlüsselkompetenzen im exekutiven, legislativen und rechtssprechenden Bereich inne, wie die Kontrolle über die Ernennung der Höchstrichter und den Wahlbehördenleiter (FH 29.8.2016).

 

Gilgit Baltistan wird verwaltet unter der Gilgit-Baltistan Empowerment and Self-Governance Order (GBESGO) von 2009, die nur durch die pakistanische Regierung verändert werden kann. Die Regierungsstruktur setzt sich aus der Gesetzgebenden Versammlung für Gilgit-Baltistan mit Sitz in Gilgit, die 33 Mitglieder hat, sowie dem 15 Mitglieder starken Gilgit-Baltistan Rat zusammen. Den Ratsvorsitz hat der pakistanische Präsident, den Vize-Vorsitz der föderal ernannte Gouverneur; die Tagungen finden in Islamabad statt. Die Gesetzgebende Versammlung hält die gesetzgebende Gewalt über 61 Themen, wobei die Letztentscheidung beim Gouverneur liegt. Die strategisch wichtigen Themen fallen in die Zuständigkeit des föderal dominierten Gilgit-Baltistan Rat. Eine Mehrheit von hohen Positionen in der lokalen Administration ist unter der GBESGO für pakistanische Staatsbedienstete reserviert. Im Februar 2015 gab es einige Kontroversen in Gilgit-Baltistan, da der neu eingesetzte Gouverneur keinerlei Bezug zu dem Gebiet hat (FH 29.8.2016).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu Kaschmir verbietet politische Parteien, die nicht die mögliche Angliederung des Gebietes an Pakistan befürworten und Regierungsmitglieder müssen ihre Loyalität gegenüber dem Ziel der Eingliederung erklären. Ähnliche Regeln gelten auch in Gilgit Baltistan, womit nationalistischen Führern und Parteien der Zugang zum politischen Prozess und zu Anstellung im öffentlichen Bereich verwehrt ist (FH 29.8.2016).

 

Bei den Wahlen zur Gesetzgebenden Versammlung von Gilgit Baltistan im Juni 2015 konnte die PML-N 15 der 24 direkt zu wählenden Sitze erringen. Die Wahlen fanden unter Sicherheitsvorkehrungen der Armee statt (FH 29.8.2016).

 

In den Wahlen zur Gesetzgebenden Versammlung von Azad Jammu und Kaschmir im Juli 2016 konnte die PML-N 31 der 41 Sitze erringen. Die PPP und die Muslim Conference errangen jeweils 3, die PTI 2 Sitze. Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).

 

Die beiden Territorien haben keine politische Vertretung im pakistanischen Parlament und in den Gremien, die verfassungsgemäß für die Beratung und die Koordinierung zwischen der föderalen Regierung und den Provinzen eingerichtet sind, was die Transparenz stark einschränkt. Als Resultat haben der pakistanische Premierminister, der Minister für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan, und durch diese der föderale Verwaltungsdienst volle Kontrolle über die Regierungsfunktion in beiden Territorien. Föderale Geheimdienste sind ebenfalls in den Territorien stationiert und üben beträchtlichen Einfluss über gewählte Repräsentanten und Verwaltungsbedienstete aus. Die Territorien haben auch keine weitgehende fiskale Unabhängigkeit. Die föderalen Steuern werden in beiden Territorien umgesetzt, während ein Anteil der föderalen Einnahmen wieder durch Förderungen zurückfließt. In den föderalen Gremien, welche die Ressourcenverteilung zwischen den Provinzen verhandeln, sind die Repräsentanten der Territorien nicht vertreten. Die 2015 neu gewählte gesetzgebende Versammlung von Gilgit-Baltistan hat eine Resolution zur Forderung des Status einer verfassungsgemäßen Provinz gestellt (FH 29.8.2016).

 

Gilgit-Baltistan hat ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister Pakistans in seiner Funktion als Vorsitzende des Gilgit-Baltistan Councils auf Empfehlung des Gouverneurs ernannt. In der Praxis gehen alle Besetzungen der höheren Rechtsprechung über das Ministerium für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan. Der Prozess ist somit langwierig und lässt der föderalen Regierung einen überproportionalen Einfluss. Die Föderale Regierung, die Armee und die Geheimdienste üben eine beträchtliche Präsenz in Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan aus. Überwachung von politischen Aktivitäten ist die Norm. Es gibt Berichte zu ungesetzmäßigen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 29.8.2016).

 

In Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan sind Gesetze in Kraft, welche die Meinungsfreiheit, insbesondere in Bezug auf den politischen Status der Region einschränken (FH 29.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 30.5.2016).

 

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst, ISI, einen Inlandsnachrichtendienst, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 30.5.2016). Der ISI wird unter den "Top ten" Geheimdiensten der Welt gelistet (ABC News Point 15.12.2014). Der ISI ist militärisch dominiert und folglich militärisch geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 30.5.2016).

 

Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert - so pro-Demokratie-Aktivisten (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt über geheimdiensttechnisch breit ausgedehnte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten, obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS 2.6.2016).

 

Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 30.5.2016).

 

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 3.3.2017). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen, sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 30.5.2016).

 

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten - wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus - Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gab weiterhin ungestraft die Praxis des Verschwindenlassens, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh (AI 23.2.2016). Berichten zufolge werden von einigen Bediensteten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass sich viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan unter den Vermissten befinden. In der Online-Datenbank der Internationalen Stimme für Baloch werden 100 Personen, die angeblich im Laufe des Jahres 2016 entführt wurden, aufgelistet (USDOS 3.3.2017).

 

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 3.3.2017).

 

Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).

 

Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karachi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karachi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden. SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).

 

Die Regionalregierung des Punjab führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jänner 2015 verabschiedete das Parlament als Reaktion auf einen Terroranschlag auf die öffentliche Armeeschule in Peshawar eine Verfassungsänderung, um militärischen Gerichten eine Aburteilung von unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten zu ermöglichen, welche im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen. Dies trifft rückwirkend auch auf bis zu 6.000 zivile Häftlinge zu, welche landesweit in verschiedensten militärischen Operationen seit 2009 festgenommen wurden (Dawn 24.8.2015). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt darüber, dass dieses Gesetz universelle Rechte und Freiheiten der Bürger untergraben würde (USDOS 13.4.2016). Das Anti-Terrorgesetz erlaubt der Regierung, auf spezielle Anti-Terrorismusgerichte zurückzugreifen, um Personen die u.a. terroristische Aktivitäten bezichtigt werden, vor Gericht zu stellen. Die Regierung verwendet weiterhin Militärgerichte um Zivilisten wegen Terrorismus und anderen Verbrechen vor Gericht zu stellen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt für Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 3.3.2017; vgl. Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter - meistens die Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt hingegen Berichte darüber, dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen Gefangene einsetzen (USDOS 3.3.2017). Auch AI zählt Folter als Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 23.2.2016). Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2015 in Haft verstorbenen 65 Strafgefangenen in vier Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 30.5.2016).

 

Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

6. Korruption

 

Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption von Staatsbediensteten vor. Doch die Regierung implementiert die entsprechenden Gesetze nicht effektiv und Beamte sind häufig in korrupte Machenschaften verstrickt. Korruption ist somit sowohl in der Politik, als auch in der Verwaltung weit verbreitet. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 3.3.2017).

 

Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von echten Beschwerden angenommen und Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Beschwerden akzeptiert. Bestechungsgelder zur Vermeidung von anfallenden Gebühren sind ebenso an der Tagesordnung (USDOS 3.3.2017). Gemäß einem Bericht von Transparency International sind die Hauptgründe für Korruption mangelndes Verantwortungsbewusstsein und niedrige Löhne (TI 25.4.2014).

 

Im Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International nahm Pakistan die 117. Stelle von 168 Ländern ein (TI 2015), im Jahr 2016 Platz 116 von 176 (TI 2016).

 

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der Bundesregierung und Behörden, inklusive Ministerien und Gerichte, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte, v.a. vertrauliche, sind davon ausgenommen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können sich in Pakistan betätigen (AA 30.5.2016). Sie können im Allgemeinen frei agieren (FH 4.12.2016), unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und Kontrolle. Tangieren ihre Tätigkeiten die staatlichen Sicherheitsorgane, so können Einschränkungen durch diese erfolgen (AA 30.5.2016). NGOs, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren, sind intensiven Überprüfungen und in einigen Fällen auch Schikanen ausgesetzt (FH 4.12.2016).

 

Demzufolge operiert eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen in der Regel uneingeschränkt, führt Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlicht ihre Ergebnisse, während andere Gruppen, welche über Missetaten im Zusammenhang mit der Regierung, dem Militär oder dem Geheimdienst oder in Bezug auf intern Vertrieben oder Konfliktgebiete berichten, zeitweise von Restriktionen betroffen sind (USDOS 3.3.2017).

 

Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Kämpfern und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten (BAA 6 .2013).

 

Laut der Aid Worker Security Database wurden im Jahr 2015 zwei Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 zwölf Mitarbeiter getötet (AWSD 16.10.2016).

 

Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen, die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 30.5.2016).

 

Zur Eindämmung der Terrorismusfinanzierung innerhalb und außerhalb des Landes haben Bundes- und die Provinzregierungen eine Registrierung aller Unternehmen, auch Non-Profit-Organisationen, karitativer Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen, beschlossen (TIN 9.1.2016). Zur Straffung des Registrierungsprozesses von NGO muss eine Registrierung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Dieser Registrierungsvorgang ist für alle nichtstaatlichen Organisationen alle fünf Jahre erneut zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und Beobachtung von verbotenen Organisationen und Einzelpersonen stellte dabei das Hauptanliegen dar - so ein Sprecher des Innenministeriums (Dawn 9.1.2016).

 

Der Freiraum für die Betätigungsmöglichkeiten der NGOs wurde im Jahr 2015 durch die Ankündigungen der Registrierungsmaßnahmen stark reduziert. Einige NGOs wurden aufgefordert, Pakistan zu verlassen, 20 internationale NGOs wurden durch die pakistanischen Behörden unter Beobachtung gestellt. Der pakistanische Innenminister äußerte in der Öffentlichkeit seine Bedenken, dass NGOs antistaatliche Aktivitäten wie Spionage und Finanzierung des Terrorismus beteiligt sind. Diese Schritte würden nach Einschätzung von Freedom House dazu dienen, dass die NGOs in einem Klima des Misstrauens und der Unsicherheit operieren würden (FH 4.12.2016).

 

Visa für ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert. Nur wenige NGOs haben Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen, sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

8. Ombudsmann

 

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6 .2013). Zum Beispiel wurde im Büro des Ombudsmanns in Sindh ein eignes Büro für Menschenrechtsbeschwerden eingerichtet. Dieses Büro wird die Menschenrechtslage und die Anwendung der Internationalen Menschenrechtskonvention in Sindh beobachten und regelmäßig dem Ombudsmann Bericht erstatten (TET 30.1.2015). Das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan und Punjab haben diese eingerichtet, Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan nicht. Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

9. Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Pakistans Militär wird 2016 als die 13. stärkste Armee der Welt eingestuft (GFP 2016).

 

Pakistans Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 30.5.2016). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden (CIA 21.11.2016). Angehörige religiöser Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

9.1. Wehrdienstverweigerung / Desertion

 

Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Informationsweitergabe an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, deren Urteile nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar sind. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 15.11.2016

 

10. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (AA 30.5.2016).

 

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016).

 

Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert. Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 bleibt die Menschenrechtslage in Pakistan kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Schwache staatliche Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führen in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen u.a. extralegale und gezielte Tötungen, sowie das Verschwindenlassen von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 10.1.2017).

 

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). Auch 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

 

3.522 Fälle verschwundener Personen wurden der Kommission im Zeitraum 2011 bis 31.7.2016 zur Kenntnis gebracht und deren Aufklärung beantragt. Gemäß der Kommission wurden 2.105 Fälle abgeschlossen, 1.641 Fälle geklärt und 1.417 Fälle sind noch offen (USDOS 3.3.2017).

 

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Das Militär setzt weiterhin den Nationalen Plans gegen Terror ohne zivile Kontrolle um (HRW 12.1.2017).

 

Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Nach Zählung der Human Rights Commission of Pakistan kamen 2015 landesweit 2.108 Personen bei "police encounters" ums Leben. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemie-Fälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 30.5.2016).

 

Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Sie dienen als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu stärken, doch ihre Schlussfolgerung entsprachen im Allgemeinen der Regierungspolitik. Das Gesetz zur Nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sieht die Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der Nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wiedereingerichtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

11. Meinungs- und Pressefreiheit

 

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, es bestehen jedoch Einschränkungen (USDOS 3.3.2017).

 

Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an unterschiedlichen Ansichten Ausdruck (USDOS 3.3.2017); die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten (AA 30.5.2016). Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 30.5.2016, vgl. USDOS 3.3.2017). Die Verfolgung von Minderheiten wird behandelt. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle werden manchmal zensiert. Laut Gesetz darf die Regierung Informationen einschränken, die nationalen Interessen entgegenstehen. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen. Dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Kritik an der Institution des Militärs oder an den Sicherheitsdiensten kann nur vorsichtig geäußert werden. Andernfalls sehen sich Journalisten und Medienhäuser Repressionen ausgesetzt (AA 30.5.2016). So führen Drohungen, Mobbing, Gewalt und die Ermordung von Pressepersonal auch zu einer Praxis von Selbstzensur in der Medienarbeit. Es gibt auch Berichte zu Tötungen von Journalisten durch Extremisten, aber auch durch Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017). Mutmaßliche Fälle von Verschwindenlassen betreffen auch Journalisten (FH 27.1.2016; vgl. auch USDOS 3.3.2017). Laut Angaben der International Federation of Journalists, wurden 2016 mindestens fünf Personen aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan getötet (IFJ 17.11.2016).

 

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Diese Gruppen nutzen Einschüchterungen, Entführungen und Morde, auch von Familienmitgliedern, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In den von den Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Vor allem die Provinz Belutschistan bleibt einer der gefährlichsten Orte der Welt für Journalisten. Dort ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt, Journalisten sehen sich Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt und werden nicht selten Opfer von gezielten Anschlägen. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. 2015 wurden nach Angaben der NRO "Human Rights Commission of Pakistan" vier Journalisten und ein Medienmitarbeiter getötet. Daher sind viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA in die Städte Karatschi, Lahore oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus (AA 30.5.2016).

 

Reporter ohne Grenzen (RSF) listete Pakistan im April 2016 im World Press Freedom Index 2016 auf Platz 147 unter weltweit 180 Ländern. Im Jahr 2015 belegte das Land den 159. Rang. Zur Lage der Journalisten im Land gibt RSF folgende Angaben: "Journalisten stehen im Fokus von extremistischen Gruppen, islamistischen Organisationen und der Nachrichtendienste des Landes. Diese Gruppen stellen für RSF Feinde der Pressefreiheit dar. Obwohl sich diese in einer stetigen Auseinandersetzung miteinander befinden, sind sie immer bereit, Handlungen von den Medien als "Sakrileg" zu verurteilen. Zwangsläufig ist so eine Selbstzensur in den Nachrichten-Organisationen weit verbreitet. Dennoch gelten die pakistanischen Medien als die freiesten in ganz Asien, wenn es darum geht, über Querelen zwischen den Politikern zu berichten (RSF 20.4.2016).

 

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit. Diese kann jedoch eingeschränkt werden zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 30.5.2016). Das Gesetz gestattet pakistanischen Bürgern, die Regierung öffentlich oder privat zu kritisieren. Kritik am Militär kann hingegen zu politischen oder wirtschaftlichen Repressalien seitens der Regierungsbehörden führen. Darüber hinaus schränken die geltenden Blasphemiegesetze die Rechte des einzelnen auf freie Meinungsäußerung zu Fragen betreffend Religion und religiöse Lehre ein. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen in einigen Universitäten eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 3.3.2017).

 

Pakistan verfügt über 160 Radiostationen und über 200 Tageszeitungen (FH 27.1.2016). Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich etwa 90 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, werden aber durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt (USDOS 3.3.2017). Die Versammlungsfreiheit kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 30.5.2016). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 3.3.2017).

 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 30.5.2016).

 

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden, vor allem in Karachi, zum Teil mit Gewalt ausgetragen. Dies betrifft vor allem die radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien in Karatschi, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (PIPS 1.2017). 2015 kamen in diesem Zusammenhang landesweit 81 Menschen ums Leben (AA 30.5.2016).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu und Kaschmir verbietet Aktivitäten, die nachteilig für den Beitritt von Azad Jammu und Kaschmir zu Pakistan sind. Oppositionelle werden überwacht und sind Belästigung und manchmal auch Haft ausgesetzt. In Azad Jammu und Kashmir wird vor allem im Zusammenhang mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegungen und anderen Aktivisten von willkürliche Verhaftungen, Folter und Tod während der Haft durch die Sicherheitskräfte berichtet (FH 4.12.2016).

 

In Azad Kaschmir sind politische Aktivisten welche verdächtigt werden, in sich den pakistanischen Gesetzen zu widersetzten, sind Ziel von Überwachung, Belästigung und mitunter auch von Inhaftierungen (FH 4.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

13. Haftbedingungen

 

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 3.3.2017).

 

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und der Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Die Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 88 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 46.500 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber 80.169 Personen (Ende 2014) untergebracht; die Belegungsquote liegt bei 171,6 Prozent (leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr). Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen, doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen. Ungefähr 70 Prozent der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 30.5.2016).

 

Die Bedingungen in einigen Gefängnissen und Haftanstalten sind als hart und lebensbedrohlich zu bezeichnen. Unzureichende medizinische Versorgung und eine unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führt zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 3.3.2017).

 

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2015, dass nach Beobachtung der Medien in diesem Jahr in den pakistanischen Gefängnissen 65 Personen starben. 46 dieser Häftlinge verstarben durch verschiedene Krankheiten während vier Häftlinge durch Folter seitens der Wärter und einer durch Gewalt anderer Häftlinge in den Gefängnissen umkamen (UKHO 6.2016).

 

Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2014 auf 1.683 (2,1 Prozent der Inhaftierten). Weibliche Gefangene sind speziell Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung unterworfen. Es gibt eigene Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 30.5.2016).

 

Im Haripur Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa sind die weiblichen Gefangenen in unmittelbarer Nähe der männlichen Strafgefangenen untergebracht. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen - etwa bei Gefängnisunruhen - dar (Dawn 27.2.2016).

 

Jugendgefängnisse existieren nicht. 2014 gab es 1.362 jugendliche Strafgefangene. Bürokratische Hindernisse, Korruption und die Ineffizienz des überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen, als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 30.5.2016). Jugendliche Straftäter sind oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen. Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 3.3.2017).

 

Durch den Staat, vor allem das Militär wurden im Swat Tal, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkwa einige "Deradikalisierungszentren" betrieben. Darüber hinaus wurde unter der Bezeichnung "Weibliche Emanzipation und Qualifikations-Training" ein Programm für Frauen im Swat-Tal errichtet (BFA 9.2015).

 

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten nur unregelmäßig. Behörden verweigern Internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan. Die Regierungen (Landesregierungen?) von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 3.3.2017).

 

Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet. Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn 27.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

14. Todesstrafe

 

Die Regierung erließ im Jänner 2015 im Zuge des Terrorangriffs auf die vom Militär geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht stehende Zivilisten den Prozess zu machen (USDOS 3.3.2017). Die Regierung hat somit das 2008 von der Vorgängerregierung verfügte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe zunächst am 17.12.2014 für wegen terroristischer Straftaten Verurteilte und am 3. 3.2015 umfassend aufgehoben (AA 30.5.2016). Auch angesichts der internationalen Opposition gegen die Aufhebung des Moratoriums hält die Regierung daran fest, dass die Todesstrafe das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus sei (Dawn 22.12.2016).

 

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als ein kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile somit auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in mindestens fünf Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum Tatzeitpunkt minderjährig war. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016).

 

Bis März 2016 wurden im Zusammenhang mit Todesurteilen mindestens 444 Gnadengesuche zum Zwecke einer Begnadigung von Gefangenen an den pakistanischen Präsidenten geschickt (Dawn 22.12.2016). Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Staatspräsident bei der Ablehnung von Gnadengesuchen auf eine Prüfung des Einzelfalls verzichtet. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar (AA 30.5.2016).

 

Im Zeitraum von 17.12.2014 bis zum 30.4.2016 wurden etwa 400 Personen hingerichtet. Eine Vielzahl der Verurteilungen steht dabei in keinem Zusammenhang mit terroristischen Delikten (AA 30.5.2016). Amnesty International zählte 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen (AI 6.4.2016). In der Zeit seit der Aufhebung des Moratoriums im Dezember 2014 wurden mindestens sechs Jugendliche hingerichtet (Dawn 22.12.2016). Die Human Rights Commission of Pakistan zählte für 2015 in Pakistan insgesamt 419 verhängte Todesurteile. Die Gesamtzahl der zum Tode Verurteilten in pakistanischen Gefängnissen liegt weiter bei ca. 8.000 - die größte Anzahl an Menschen "on death row" weltweit (AA 30.5.2016; vgl. auch AI 23.2.2016). 2014 wurden mindestens 231 Personen zum Tode verurteilt und sieben Exekutionen durchgeführt (AI 4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

15. Religionsfreiheit

 

Laut CIA World Factbook sind 96,4 Prozent der geschätzt rund 202 Millionen Pakistanis offiziell Muslime, davon 85-90 Prozent Sunniten und 10-15 Prozent Schiiten (CIA 12.1.2017). USDOS geht anhand der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 1998 davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. 75 Prozent dieser muslimischen Bevölkerung werden offiziell als Sunniten und 25 Prozent als Schiiten angeführt. Die restlichen 5 Prozent machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-9 Millionen Anhänger (USDOS 10.8.2016).

 

Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 Prozent der Bevölkerung aus. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder ein unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der letzten Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6 .2013).

 

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016). Die Verfassung weist den Staat an, die Rechte der Minderheiten zu schützen und verbietet Diskriminierung in verschiedenen Bereichen (USDOS 10.8.2016). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken jedoch die Religionsfreiheit ein, besonders für Religiöse Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung inkonsequent war bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten und es gibt weiterhin Diskriminierung der Minderheiten (USDOS 10.8.2016).

 

Die Lage der religiösen Minderheiten (vor allem Christen und Hindus) sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat als Nicht-Muslime klassifiziert werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 12 .2016a). Religiöse Minderheiten und sunnitische Muslime, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban. 2015 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen betroffen (USCIRF 4.2016). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6 .2013; vgl. auch: BFA 9.2015).

 

Im Zeitraum 2012-2015 wurden in Pakistan laut Jinnah Institut mindestens 543 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet. Es kam zu 288 Angriffen auf Schiiten, 91 Attacken auf Hindus, 88 auf Christen und 76 auf Ahmadiyas (SATP 5.3.2017). Laut PIPS wurden 2016 in fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet. Verwundet wurden bei diesen Anschlägen 236 Personen [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich nur auf Nicht-Muslimische Minderheiten; die Zahlen inkludieren allerdings Ahmadis] (PIPS 1.2017). Besonderes Angriffsziel radikalsunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan (AA 12 .2016a).

 

Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei aufgehalten werden können (USDOS 10.8.2016).

 

Die Polizei versagt oft dabei, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, Ahmadiyya, Schiiten und Hindus vor Angriffen zu schützen (USDOS 3.3.2017). Die begrenzte Kapazität und der eingeschränkte Willen der Regierung, Täter, die für Übergriffe gegen religiöse Minderheiten verantwortlich sind, zu verfolgen und verhaften, lässt ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 14.10.2015). Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 3.3.2017).

 

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den achtziger Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragraphen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 12 .2016a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und "Anit-Ahmadi" Gesetze (USDOS 10.8.2016). Auch die Gerichte versagen oft darin, die Rechte der Minderheiten zu schützen. Gerichte wenden die Blasphemiegesetze diskriminierend gegen Christen, Ahmadis Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten an (USDOS 3.3.2017).

 

Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Individuen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch versagen die unteren Gerichte noch dabei, grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen einzuhalten (USDOS 10.8.2016).

 

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Um diese Aktivitäten zu reduzieren wurde vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es - wenige, aber einflussreiche - Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden (USDOS 14.10.2015). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6 .2013). Der Nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die sowie die Bewegungsfreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, zu verbreiten (USDOS 10.8.2016).

 

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Implementierung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und ferner, dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh, unternahm die Provinzregierung Initiativen, um die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten zu fördern. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

 

Prinzipiell hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen nicht daran Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt auch keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch dürfen ihre Gebetstätten nicht als Moschee bezeichnet werden. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 10.8.2016).

 

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung. Im staatlichen Bereich, sowohl auf nationaler als auch auf Provinzebene, gilt eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht umgesetzt (USDOS 10.8.2016). Auch der Karrieremöglichkeiten von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist Berichten zufolge begrenzt (USDOS 14.10.2015). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6 .2013).

 

Mit Juli 2013 ist das frühere eigenständige Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie ein Teil des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten geworden (USDOS 28.7.2014). Das Budget des Ministeriums dient als finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten, zur Renovierung von Glaubensstätten, für Entwicklungsprojekte für Minderheiten, Stipendien für Angehörige der Minderheiten und der Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 10.8.2016). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 30.5.2016).

 

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Diese Sitze werden von den gewählten Parteien an Minderheitenangehörige vergeben (USDOS 10.8.2016). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.1. Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten [zu einer regionalen Aufteilung der Anschläge gegen muslimische Sekten vgl. regionale Sicherheitslage]

 

In Pakistan finden sich viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Die beiden Hauptsekten Schiiten und Sunniten teilen sich in Pakistan auch in mehrere Subsekten. Die Sunniten unterteilen sich in hauptsächlich drei Gruppen. Von diesen formen die Barelvi [auch Ahle Sunnat wal Jama'at] die überwiegende Mehrheit mit ungefähr 60 Prozent der sunnitischen Bevölkerung, nach einer Schätzung des Australian Department of Foreign Affairs and Trade. Deobandi werden auf ungefähr 35 Prozent der Sunniten geschätzt und machen damit die zweitgrößte sunnitische Subsekte aus, eine kleine Anzahl, ungefähr fünf Prozent der Sunniten folgt der Ahl-e Hadith (Salafi) Schule des Islam. Religiöse Intoleranz und Gewalt findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z.B. zwischen der Barelvi-Sekte, die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014). Islamische Fundamentalisten sehen den Sufismus - eine mystische Bewegung im Islam - als ketzerisch an (SN 13.11.2016).

 

Laut Australian Department of Foreign Affairs and Trade gehört die Mehrheit der Schiiten in Pakistan den Zwölfer Schiiten an, Nizari Ismaeliten sind die zweitgrößte Gruppe, weitere Gruppen sind Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Schiiten sind im ganzen Land verteilt, machen aber in keiner Provinz die Mehrheit aus. Die Semi-Autonome Region Gilgit-Baltistan ist eine der wenigen Gebiete, wo Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Quer durchs Land leben schiitische und sunnitische Gemeinden im Alltag im Allgemeinen gut integriert nebeneinander Eine bedeutende Anzahl an Schiiten lebt in Peshawar, Kohat, Hangu und Dera Ismail Khan in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa; in den Kurram and Orakzai Agencies in der FATA; in und um Quetta und entlang Makran Küste in Belutschistan, in den südlichen und zentralen Gebiete des Punjab sowie verteilt im Sindh. Viele urbane Zentren in Pakistan, wie Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peshawar, Multan, Jhang und Sargodha, beheimaten große Shia Gemeinden. Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder physisch noch linguistisch von den Sunniten. Schiiten finden sich unter den meisten ethnischen, linguistischen und Stammesgruppen Pakistans, allerdings sind Hazara überwiegend Schiiten und es gibt auch einige Clans oder Stämme, die eine schiitische Identität haben, wie Turis, Bohris, Baltis und einige Clans des paschtunischen Bangash Stammes. Die nationalen Identitätskarten zeigen nicht die Sekte der Person an. Schiiten sind in der Regierung, dem Staatsdienst, den Sicherheitskräften und in den bedeutenden religiösen Instanzen des Landes, dem Council of Islamic Ideology und den Scharia Gerichten vertreten (UKHO 2.2015).

 

Spezielle Maßnahmen werden während des schiitischen Muharram für die Sicherheit der Shia unternommen (HRCP 3.2015). Klerikern, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, wird die Einreise in bestimmte Städte während des Muharram verboten, um sektiererische Gewalt zu vermeiden. Hunderttausende Sicherheitskräfte werden im ganzen Land während des Ashuras zum Schutz der schiitischen Zeremonien eingesetzt (USDOS 10.8.2016; vgl. HRCP 3.2016). Dennoch ist die Reaktion der Regierung unzureichend und die Polizei war oft nicht in der Lage, die Mitglieder der religiösen Minderheiten, einschließlich der Schiiten, vor Angriffen zu beschützen (USDOS 10.8.2016).

 

Für Human Rights Watch stellt sich die Lage im Jahr 2015 so dar, dass es der Regierung nicht gelang, ausreichende Schritte zur Verhinderung von tödlichen Angriffen auf Schiiten und anderer religiöse Minderheiten zu unternehmen (HRW 1.1.2016). USCIRF schätzt, dass durch die Taliban in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 1.000 Schiiten getötet worden sind (USCIRF 4.2016).

 

Das Jahr 2016 verzeichnete zum dritten Mal in Folge einen Abwärtstrend bei sektiererisch motivierter Gewalt in Pakistan. Dies stellt eine positive Entwicklung dar, doch sind Schwankungen ein bekanntes Phänomen in Pakistan. Nach PIPS sank die Anzahl jener Menschen, welche im Jahr 2016 bei konfessionsbedingten [Anm.:

zwischen den verschiedenen muslimischen Konfessionen] Terroranschlägen ums Leben gekommen sind um rund 62 Prozent, d.h. von 272 Toten im Jahr 2015 auf 104 Tote im Jahr 2016. Mehr als 162 Personen wurden 2016 bei Anschlägen verletzt. Dies bedeutet einen Rückgang von 43 Prozent zum Jahr 2015. Die Anzahl der Angriffe mit einem Zusammenhang zu sektiererischer Gewalt sank im Jahr 2016 nach PIPS im Vergleich zu 2015 um 41 Prozent von 58 auf 34. 17 Angriffe galten Mitgliedern der Schiitischen Glaubensgemeinschaft, und zwölf Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt. Drei Angriffe wurden gegen Gebetsstätten verübt und jeweils ein Angriff zielte auf Mitglieder der Bohra Gemeinschaft bzw. auf einen Polizeibeamten aufgrund seiner Konfession (PIPS 1.2017).

 

Konfessionsbedingte Gewalt wird eine Bedrohung darstellen, solange religiös motivierte terroristische Gruppen in Pakistan aktiv bleiben können und ein Diskurs des Hasses im Land herrscht. Auch stellen in diesem Zusammenhang die sektiererischen Ströme aus den Koranschulen eine Bedrohung dar (PIPS 1. 2017).

 

Khuzdar in Belutschistan und Karatschi in Sindh waren die Hotspots der sektiererischen Gewalt in Pakistian im Jahr 2016. Rund 81 Prozent der Gesamtzahl der Getöteten und 84 Prozent der Verletzten im Zusammenhang mit sektiererischer Gewalt entfielen auf diese Regionen. Während in Karatschi die meisten der durchgeführten Angriffe gezielte Tötungen waren, forderte ein einziger in Khuzdar durchgeführter Selbstmordanschlag auf den Schah Noorani Schrein 54 Menschenleben (PIPS 1.2017). Zum Zeitpunkt dieses Anschlags feierten hunderte Gläubige eine Sufi-Zeremonie (SN 13.11.2016). Zu dem Anschlag bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (RP 14.11.2016). Weitere Hotspots sektiererischer Anschläge waren 2016 in D.I. Khan, in Peshawar und Quetta (PIPS 1. 2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.2. Ahmadis

 

Die sich als Muslime verstehenden und zum großen Teil als gebildet geltenden Ahmeadiya, deren Lehren und Riten sich von den beiden muslimischen Hauptkonfessionen insofern unterscheiden, indem sie an die Existenz eines nach Mohammed tätigen Propheten namens Mirza Ghulam Ahmad glauben und zudem einige hinduistische, buddhistische und zorastische Figuren in ihrem Glauben integriert haben, werden vom Islam ausgegrenzt (Gieler 2016). Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiya wird von den meisten muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahre 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz (AA 30.5.2016).

 

Es gibt zwei verschiedene Zweige der Ahmadiya-Glaubensgemeinschaft, eine Qadiani-Gruppe (Ahmadiya Muslim Jamaat) und eine Lahore-Gruppe (Ahmadiya Anjuman Ischat-i-Islam Lahore). Die erste Bezeichnung bezieht sich auf Qadian, einen Ort im jetzigen Indien und die andere auf Lahore. Die wesentlich kleinere Lahore-Gruppe besteht weltweit aus über 30.000 Anhängern. Etwa 5.000 bis 10.000 davon leben in Pakistan (BFA 10.2014, vgl. UKHO 5.2016).

 

Die Anzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiya Muslim Community wird auf zwischen 400.000 bzw. zwei bis vier Millionen geschätzt. Die Divergenz dieser Werte wird damit begründet, dass die meisten Ahmadis eine Registrierung als Nicht-Muslime ablehnen. Die Ahmadiya Gemeinde der Qadiani-Gruppe hat ihr Hauptquartier in Großbritannien. Ahmadis sind über ganz Pakistan verteilt. Hauptsiedlungsräume der Ahmadis in Pakistan, abgesehen von Rabwah sind Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karachi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala. Das Zentrum der Ahmadis in Pakistan liegt in Chenab Nagar, dem vormaligen Rabwah. Mehr als 95 Prozent - oder etwa 70.000 - der Einwohner der Stadt sind Ahmadis. Aufgrund der numerischen Dominanz der Ahmadis in Rabwah fühlen sich die Mitglieder der Gemeinschaft vor Ort relativ sicher. Rabwah bietet ein großes Maß an Freiheit, um ihre religiösen Aktivitäten durchführen zu können. Allerdings führt diese hohe Konzentration an Ahmadis in Rabwah auch zu Bedrohungen durch Gegner dieser Glaubensrichtung. So fahren bei großen religiösen Feierlichkeiten in Rabwah Gegner der Gemeinschaft in großer Anzahl vor die Stadt um Gegendemonstrationen abzuhalten und Hassparolen zu skandieren (UKHO 5.2016).

 

Ahmadis sind von gezielten Angriffen, Blasphemie-Vorwürfen, der Entweihung und Zerstörung ihrer Kultstätten sowie verschiedenen Formen der sozialen Diskriminierung betroffen (UKHO 5.2016).

 

Ahmadis unterliegen strengen gesetzlichen Einschränkungen (USCIRF 28.4.2016). Ihnen wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt (AA 30.5.2016), allerdings werden sie durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert (AA 30.5.2016; vgl. USCIRF 28.4.2016).

 

Obwohl sich die Ahmadis selbst als Muslime sehen (Gieler 2016) zählt der Constitutional (Second Amendment) Act von 1974 - die zweite Novellierung der Verfassung - im Artikel 260 die Ahmadis als nicht-muslimische Minderheit auf und definiert sie somit als Nicht-Muslime. Der Artikel bezieht sich auf die Quadiani und die Lahore Gruppe (Pakistan Consitution Law 1973, 2016).

 

Paragraph 298C des pakistanischen Strafgesetzbuches macht es für Ahmadis, sowohl für die Lahore-Gruppe als auch die Quadiani-Gruppe, strafbar, sich selbst als Muslime zu bezeichnen, ihren Glauben Islam zu nennen und ihren Glauben zu bewerben oder zu missionieren. Außerdem dürfen sie sich nicht durch ihr Verhalten in irgendeiner Form als Muslime darstellen und irgendeiner Form die religiösen Gefühle der Muslime verletzten. Paragraph 298B behandelt den Missbrauch von Titeln und Bezeichnungen, die für Heiligtümer reserviert sind. Er verbietet Ahmadis beider Denominationen unter anderem andere Personen als die dafür im Gesetz definierten "Kalif", ihre Gebetshäuser "Moscheen (masjid)" und ihren Gebetsruf "Azan" zu nennen (Pakistan Penal Code 1984).

 

Durch die Abschnitte des Strafgesetzbuches werden grundlegende Ausdrucksformen der Glaubensausübung und Interaktion der Ahmadis strafbar (USCIRF 28.4.2016). Die vagen Formulierungen des Abschnitts 295C betreffen die Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft besonders. In einigen Fällen interpretierten Richter die religiöse Überzeugung der Ahmadis als eine Form der Gotteslästerung (ICJ 11.2015). So ist es für Ahmadis auch strafbar, den traditionellen islamischen Gruß zu verwenden, öffentlich den Koran zu zitieren, in Nicht-Ahmadis Moscheen zu beten und andere Ausdrücke des muslimischen Glaubens zu zeigen (UKHO 5.2016). Gemäß Paragraph 298c Pakistanisches Strafgesetzbuch werden diese Vergehen mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (AA 30.5.2016). Die Todesstrafe kann verhängt werden, indem die Anklage um den Vorwurf der Blasphemie erweitert wird. Die Todesstrafe wurde allerdings noch nie wegen Blasphemie auch tatsächlich durchgeführt, wobei bei Verhängung der Strafe dennoch die Gefahr einer langen Haftstrafe besteht (UKHO 5.2016).

 

Die Gesetzgebung schränkt damit die Art wie Ahmadis ihren Glauben ausüben können sowie offene Diskussionen über Religion mit Nicht-Ahmadis ein. Ahmadis, die ihren Glauben offen ausüben, also über die eingeschränkte gesetzlich gestattete Grundlage hinausgehend, können strafrechtlich unter den im ganzen Land anwendbaren "Anti-Ahmadi" Gesetzen und den Blasphemiegesetzen zur Verantwortung gezogen werden (UKHO 5.2016).

 

Es gibt klare Belege, dass diese Gesetzgebung durch nicht-staatliche Akteure benutzt wird, um Ahmadis zu schikanieren und zu bedrohen, u. a. durch das Einreichen eines First Information Reports (FIR; entspricht einer Anzeige seitens Dritter und stellt den ersten Schritt in einem Strafverfahren dar), der auch zu Untersuchungshaft führen kann (UKHO 5.2016).

 

Strafverfahren gegen Ahmadis werden in der Regel von islamistischen Gruppierungen der Khatm-e-Nabuwwat ("Siegel der Prophetenschaft") in Gang gebracht. Ähnlich wie gegenüber Christen wird die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz. Bei den gegen sie gerichteten Strafverfahren sind die Aussichten der Ahmadis auf ein faires Gerichtsverfahren zumindest in der ersten Instanz gering, da die Richterinnen in vielen Fällen von extremistischen religiösen Gruppierungen unter Druck gesetzt werden. Es kommt nur selten zu Freisprüchen. Wohlmeinende Richter tendieren eher dazu, die Verfahren unendlich in die Länge zu ziehen, um einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen. Dies hat zur Folge, dass die Angeklagten immer wieder zu Gerichtsterminen geladen werden, die dann aber kurzfristig entfallen. In der Berufungsinstanz erfolgt häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z.B. Entweihung des Korans, § 295b Pakistan Penal Code - PPC), so dass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird (AA 30.5.2016).

 

2014 waren unter den 105 Personen, die wegen Blasphemie angeklagt waren elf Ahmadis (USCIRF 28.4.2016). Laut Vertretern der Ahmadis wurden auch im Jahr 2015 elf Ahmadis in Fällen mit religiösem Bezug angeklagt, davon wurden 6 in Haft genommen. Eine dieser Personen wurde aufgrund des Verkaufs von Literatur der Ahmadiya verhaftet (USDOS 10.8.2016). Laut Auswärtigen Amt waren unter den 22 Personen, die 2015 wegen Blasphemie festgenommen wurden drei- Ahmadis (AA 30.5.2016). Von 2012 bis Juni 2015 gab es laut Jinnah Institute mehr als 1070 angezeigte Fälle gegen Ahmadis, welche den religiösen Bereich erfassten. 13 Mitglieder der Gemeinschaft wurden der Blasphemie beschuldigt (Jinnah Institute 8.3.2016).

 

Auch sind die Ahmadis Ziel von Angriffen durch nicht-staatliche Akteure aus den Bereichen der sunnitischen muslimischen Mehrheitsbevölkerung (UKHO 5.2016).

 

Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen; berichtet wird aber weiterhin über Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis. So brannte am 20.11.2015 ein durch über Moscheelautsprecher aufgeheizter Mob im Distrikt Jhelum der Provinz Punjab die Fabrik eines Angehörigen der Ahmadi-Gemeinschaft sowie am folgenden Tag in Jhelum eine Gebetsstätte der Ahmadi-Gemeinschaft nieder. Auslöser waren Gerüchte, im Brennofen der Fabrik seien Koranseiten verbrannt worden (AA 30.5.2016).

 

Insbesondere die islamistische Gruppierung "Khatm-e-Nabuwwat" bekämpft die Ahmadis. Die von dieser Gruppe und anderen extremen religiösen Gruppierungen ausgehenden Maßnahmen gegen Ahmadis, die von regelmäßigen Belästigungen bis hin zu Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit reichen, werden von staatlichen Stellen in der Regel tatenlos hingenommen (AA 30.5.2016).

 

Erhebungen von Daten über Verbrechen gegen Ahmadis stellen laut Jinnah Institut eine Herausforderung dar. Eine der größten Hürden einer präzisen Datenerfassung stellt die Selbstzensur der Medien in der Berichterstattung über Gewalttaten gegen Angehörige der Ahmadis dar. Das Jinnah Institut zählt für den Zeitraum zwischen 2012 und 2014 43 gezielte Angriffe gegen Mitglieder der Ahmadi-Gemeinschaft in Pakistan und sieben auf deren Friedhöfe (Jinnah Institute 8.3.2016). Im Zeitraum 2014 und 2015 wurden laut der International Commission of Jurists 39 Ahmadis in religiös motivierten Angriffen getötet. Eine überwiegende Mehrheit dieser gezielten Tötungen erfolgte in Punjab und Sindh. Kleine Verbesserungen in der sozio-kulturellen Haltung der muslimischen Mainstream-Sekten gegenüber den Ahmadis wurden allerdings bemerkt (ICJ 12.2015).

 

USDOS berichtet, dass auch 2016 einige Mitglieder der Ahmadiya Gemeinde Opfer von gezielten Tötungen wurden und zählt vier Todesopfer auf (USDOS 3.3.2017). PIPS berichtet von zwei Angriffen gegen Mitglieder der Ahmadi-Gemeinde im Jahr 2016 (PIPS 1.2017).

 

Die Polizei zeichnet eine dürftige Bilanz beim Schutz vor bzw. beim Ermitteln in Fällen von Gewalt gegen Ahmadis bzw. ist sie darin ineffektiv. Nur wenige Fälle von Gewalt gegen Ahmadis wurden verfolgt (IRB 23.1.2016).

 

Gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi Propaganda sind weit verbreitet. Der Einsatz von Hassreden gegen Ahmadis wird von den Medien oftmals unkritisch behandelt. Gegen Ahmadi-Geschäftsleute aller gesellschaftlichen Klassen erfolgen auch Kampagnen zum wirtschaftlichen Ausschluss bis hin zu Morddrohungen (UKHO 5.2016). Ahmadis sind religiös motivierter Diskriminierung und Belästigung in Bildungseinrichtungen und am Arbeitsplatz ausgesetzt (HRCP 3.2016). Die Diskriminierung der religiösen Minderheit der Ahmadis erfolgt in geringerem Ausmaß durch aktives staatliches Handeln als durch das Verhalten der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung. Dies setzte sich auch 2015 fort (AA 30.5.2016).

 

Laut Minderheitenvertretern erlaubt die Regierung religiösen Gruppen, Glaubensstätten einzurichten und religiöses Personal auszubilden. Auch bei Ahmadis gibt es keine offiziellen Einschränkungen im Bau von Glaubens- und Kultstätten. Doch dürfen diese nicht Moscheen genannt werden (USDOS 10.8.2016).

 

Die scheckkartenartige National Identity Card (CNIC) identifiziert dessen Besitzer nicht als Ahmadi, da diese Information nicht auf der Karte angegeben ist. Um aber eine CNIC zu erhalten, ist diese Angabe über die eigene Religion bei der NADRA (National Database and Registration Authority) zu leisten. Bei der Beantragung einer National Identity Card müssen alle Personen, die sich als Muslime verzeichnen lassen wollen, eine Deklaration unterschreiben, in der sie den Propheten der Ahmadis verurteilen (UKHO 5.2016).

 

Sie müssen erklären, dass sie daran glauben, dass Mohammed der letzte Prophet und der Begründer des Glaubens der Ahmadis ein falscher Prophet ist; sowie dass dessen Anhänger keine Muslime sind. Diese Registrierung ist auch für die Erlangung eines Passes erforderlich, in dem die Religionszugehörigkeit angegeben ist (USDOS 10.8.2016). Bezüglich der Registrierung der Religionszugehörigkeit am Pass berichtete USCIRF für das Jahr 2012, dass es Personen gab, die sich weigerten, die Klausel mit den religiösen Beteuerungen für die Passausstellung zu unterzeichnen und dennoch einen Pass erhielten (USCIRF 30.4.2013).

 

Die genannte Voraussetzung hält die Gemeinde der Ahmadis effektiv von der Beschaffung von rechtlichen Dokumenten ab und übt Druck auf sie aus, gegen ihren Glauben zu handeln um ihre Bürgerrechte, einschließlich des Wahlrechts, wahrzunehmen (UKHO 5.2016).

 

Um zur Stimmabgabe bei einer Wahl registriert zu werden, ist es notwendig die eigene Religionszugehörigkeit anzugeben. Dies bedeutet für Ahmadis sich als Nicht-Muslime zu deklarieren. Da sich Ahmadis jedoch als Muslime betrachten, schließt diese Vorschrift viele von ihnen von einer Registrierung und in weiterer Folge von einer Stimmabgabe aus (USDOS 3.3.2017). Laut Berichten von Ahmadi Vertretern kam es auch zu physischen Einschüchterungen beim Versuch der Stimmabgabe (USDOS 10.8.2016).

 

Außerdem werden Ahmadis auf einer separaten Wählerliste geführt, obwohl alle anderen Pakistanis, unabhängig vom Glauben, auf einer gemeinsamen Liste stehen. Sie fordern die Einbeziehung in die allgemeine Wählerliste und nehmen aus Protest gegen diese Ausgrenzung ihr Wahlrecht nicht wahr. Damit verzichteten sie auf ihr Mitspracherecht in staatlichen Angelegenheiten bzw. generell auf politische Partizipation (HRCP 3.2016). Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie nicht für die Listenplätze der Parteien für nicht-muslimische Minderheiten kandidieren (AA 30.5.2016). Die Gemeinde verfügt allerdings über höhere finanzielle Mittel, z.B. für rechtlichen Schutz (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach Einschätzung des Deutschen Auswärtigen Amtes leben 2,8 Mio. Christen in Pakistan und sind somit nach den Hindus die zweitgrößte nicht-muslimische Minderheit in Pakistan. Damit sind etwa 1,5 % der Bevölkerung Christen, davon etwa 60 Prozent Katholiken und 40 Prozent protestantische Konfessionen (AA 30.5.2016).

 

Christen leben verteilt im Land, allerdings der Einschätzung der NCJP (National Commission on Justice and Peace) folgend, leben ca. 90 Prozent der Christen im Punjab, hauptsächlich im Zentralpunjab, beinahe die Hälfte in den Divisionen Lahore (65 Kirchen) und Gujranwala. Der Vertreter der NCJP schätzt, dass acht bis zehn Prozent der Bevölkerung in Lahore Christen sind, die größte Konzentration in Pakistan liegt hier (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015). Die britische Botschaft in Islamabad schätzt, dass ca. zwei Millionen Christen in und um Lahore und Faisalabad leben und 0.5 Millionen im restlichen Punjab. Eine weitere große Zahl lebt in Karatschi, das Oberhaupt der Pakistanischen Kirche im Sindh, schätzt sie auf eine Million in Karatschi. Ein Medienbericht aus 2015 spricht von 60.000 Christen in Islamabad (UKHO 10.5.2016).

 

Mit Stand 2013 gab es 116 katholische Pfarrgemeinden in Pakistan. Die Kirchenführer verfügen über viel Infrastruktur - wie Schulen, Missionen und Krankenhäuser. Allerdings haben ärmere Christen bei christlichen Schulen nur begrenzten Zugang, da die Kosten für diese privaten Schulen hoch sind (BAA 6 .2013; vgl. auch: EASO 8.2015).

 

Eine gewisse Freiheit der Religion ist vorhanden, man kann seine Symbole - wie das Kreuz - zeigen, jedoch kann man damit auch Diskriminierung auf sich ziehen. Die Ausdrucksfreiheit ist durch das Blasphemie-Gesetz eingeschränkt, allerdings trifft dies auch die Mehrheitsbevölkerung (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015). Im Unterschied zu den Ahmadis sind Christen in der Regel frei in der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens, insoweit aber verwundbarer, als sie im Gegensatz zu den teilweise sehr wohlhabenden Ahmadis fast ausschließlich der wirtschaftlichen Unterschicht angehören (AA 30.5.2016).

 

Die meist der sozialen Unterschicht angehörende christliche Minderheit wird nicht durch staatliche Gesetze, sondern durch das Verhalten von Teilen der Gesellschaft weiter diskriminiert und ist dabei auch Opfer religiös motivierter Gewalt. Das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit ist nicht konfliktfrei. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist verbreitet. Es gibt so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten leben in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen. Auf dem Lande befindet sich die Mehrzahl der Christen als einfache Pächter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern (AA 30.5.2016).

 

Christen konzentrieren sich in Slums und im Bereich der Niedrigeinkommensberufe. Bis heute gibt es Menschen, die Christen noch als unberührbar und unrein empfinden, besonders im Inneren Sindh und Sheikhpura, da viele Christen Nachkommen von Hindus aus unberührbaren Kasten sind, die im Zuge der Christianisierung konvertierten (BFA 10.2014). Es gibt allerdings auch kleine Landbesitzer, die häufig in rein oder überwiegend christlichen Siedlungen leben (AA 30.5.2016).

 

Christen aus den unteren Schichten sind größerer Diskriminierung ausgesetzt als jene, welche aus höheren sozioökonomischen Schichten kommen (UKHO 10.5.2016).

 

Während die Mehrzahl der pakistanischen Christen aus der Armut nicht herauskommt, versucht die kleine christliche Oberschicht vielfach, das Land zu verlassen (AA 30.5.2016).

 

Marginalisierung, Analphabetismus und Armut machen die christliche Gemeinschaft in Pakistan vulnerabel, auch gegenüber sozialer Gewalt. Oft arbeiten christliche Frauen und Mädchen als Hausmädchen. In diesem Sektor ist die Gefahr präsent, Opfer von Gewalt zu werden (BFA 10.2014; vgl. EASO 8.2015). Es gibt Berichte zu sexuellen Übergriffen gegen christliche Mädchen (UKHO 10.5.2016).

 

In den letzten Jahren stieg die Anzahl der Delikte Kidnapping, Zwangsverheiratung und Zwangskonversion von christlichen Frauen und Mädchen (MRGI 12.7.2016)

 

Die christliche NGO Open Doors schätzt, dass mindestens 700 christliche Mädchen jedes Jahr entführt, zwangsverheiratet und zwangsweise zum Islam zu konvertieren (OD 1.2017). Die Jinnah Foundation berichtet zwischen 2012 und 2014 von 20 Fällen von Zwangskonvertierung von und sexueller Gewalt an Christen (Jinnah Institute 8.3.2016).

 

Religiöse Minderheiten sind generell durch den Missbrauch der Blasphemie-Gesetze überproportional betroffen. Nicht-staatliche Akteure, die Blasphemie Anzeigen gegen Christen richten, sind häufig motiviert durch persönliche oder geschäftliche Streitigkeiten, Landstreitigkeiten, Gehässigkeit oder bestimmte politische Ereignisse (UKHO 10.5.2016).

 

Im Jahr 2015 waren unter den 22 aufgrund von Blasphemie Festgenommen vier Christen (AA 30.5.2016). Im Jahr 2014 waren unter den 105 wegen Blasphemie angeklagten Personen sieben Christen (USCIRF 28.4.2016).

 

Im März 2013 brandschatzte ein Mob von circa 3.000 Muslimen, nach einer Blasphemie-Anzeige gegen einen Christen, ein christliches Viertel in Lahore. Getötet wurde niemand. Die Provinzregierung und die Föderalregierung leisteten Kompensationszahlungen. Die Strafverfolgung war allerdings nicht ausgeprägt (BAA 6 .2013).

 

Auch infolge zunehmender radikalislamischer Strömungen besteht ein wachsender Druck auf christliche Gemeinden (AA 30.5.2016).

 

Die christliche Gemeinschaft war bis vor kurzem vor allem von sozialer und gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen und war von größeren Anschlägen verschont geblieben. Ende September 2013 wurde jedoch ein schwerer Terroranschlag auf die Allerheiligenkirche in Peshawar (Provinz Khyber-Pakhtunkhwa) verübt, bei dem mehr als 80 Gottesdienstbesucher ums Leben kamen (AA 12 .2016a). 2013 kam es zu insgesamt fünf Angriffen auf Kirchen oder Polizisten, die zum Schutz der Kirchen im Einsatz waren (HRCP 3.2014). Nach den Angriffen 2013 wurden Polizisten bei anderen Kirchen in Peschawar stationiert und ein biometrisches System bei der All Saints Kirche installiert (TIN 21.11.2013).

 

Bei einem Doppelanschlag auf zwei christliche Kirchen in Lahore im März 2015 kamen mehr als 15 Menschen ums Leben (AA 12 .2016a). Im Mai 2015 randalierte ein Mob in einer christlichen Wohngegend in Lahore, nachdem ein christlicher Bewohner beschuldigt worden war, Koranseiten geschändet zu haben; zahlreiche Christen flohen aus der Gegend (AA 30.5.2016). Am Ostersonntag 2016 wurden durch einen schweren Selbstmordanschlag auf einen von Christen besuchten Park in Lahore 70 Menschen getötet und über 300 verletzt (AA 12 .2016a). Obwohl die Opfer mehrheitlich Muslime waren, galt der Anschlag den Christen, die sich mit ihren Familien im Park versammelt hatten, um das Osterfest zu feiern (MRGI 2016; vgl HRW 12.1.2017).

 

Solche gezielten terroristischen Angriffe auf die Gemeinschaft der pakistanischen Christen bringen eine neue Qualität in die Bedrohungslage der christlichen Minderheit, die bislang vor allem unter sozialer Diskriminierung litt und im Vergleich zu anderen Minderheiten nur selten direkt angegriffen wurde (AA 30.5.2016).

 

Zu speziellen Anlässen, wie Gebetsversammlungen und Prozessionen werden als Prävention Polizeischutzmaßnahmen ergriffen (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015). Der Staat kommt seiner Schutzpflicht allerdings nicht ausreichend nach (AA 30.5.2016). Die Polizei versagt oft darin Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, vor Angriffen zu schützen. Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten. USDOS zählt einige Beispiele im Jahr 2016 auf, wo die Polizei nach Blasphemievorwürfen gegen Christen einen wütenden Mob auflösen konnte (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.4. Hindus

 

Die hinduistische Organisation Pakistan Hindu Council schätzt die Zahl der Hindus in Pakistan auf acht Millionen und auf vier- Prozent der Bevölkerung. 94 Prozent davon, schätzt der Council, leben im Sindh und machen dort 17 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, 4 Prozent der pakistanischen Hindus leben im Punjab und der Rest in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PHC o.D.).

 

Laut dem deutschen Auswärtigen Amt leben in Pakistan rund drei Millionen Hindus. Sie sind wirtschaftlich eine besonders unterprivilegierte Gruppe. Viele Hindus leben in der südlichen Provinz Sindh in schuldknechtschaftlichen Arbeitsbeziehungen zu ihren jeweiligen Großgrundbesitzern. Sie erhalten wenig Aufmerksamkeit seitens offizieller Stellen und werden manchmal als "fünfte Kolonne Indiens" angesehen. Sie sind zwar keiner willkürlichen Gewalt von staatlicher Seite ausgesetzt, finden aber in ländlichen Regionen, wo Großgrundbesitzer einer Strafverfolgung entgehen können, nur begrenzten staatlichen Schutz (AA 30.5.2016).

 

Hindus sind seit langem marginalisiert und die Gemeinde ist von wachsenden Extremismus und Gewalt betroffen. Die Berichte zu Gewalt gegen Hindus stiegen zwischen 2012 und 2014. 2014 zählte das Jinnah Institut sechs gezielte Übergriffe gegen Hindus, elf Fälle von Drohungen gegen und Zerstörungen von Templen und zehn Fälle von Zwangskonversion. Die Datenerhebung ist allerdings schwierig, da viele Fälle nicht in die Medien gelangen (Jinnah Institut 8.3.2016)

 

2016 zielten zwei terroristische Anschläge in Karatschi gegen die Hindu- und die Ahmadi Gemeinde mit zwei Toten und ein Anschlag in Belutschistan mit einem Toten gegen die Hindu Gemeinde (PIPS 1.2017). Bei größeren Ausschreitungen Mob Aufruhr nach einem Blasphemievorwurf wurden im Juli 2016 im Gothki Distrikt im Sindhzwei Hindus getötet (USDOS 3.3.2017).

 

Ungefähr 80 Prozent der hinduistischen Frauen besitzen keinen Personalausweis und sind damit de facto vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen. Hinduistische junge Frauen werden gelegentlich Opfer von Entführungen und anschließender Zwangskonvertierung zum Islam (AA 30.5.2016). Berichte über Zwangskonvertierungen junger Mädchen zum Islam betreffen vor allem junge Hindu Mädchen aus dem Sindh. Laut dem Vorsitzenden der Hindu Wohltätigkeitsorganisation Pakistan Hindu Seca Welfare Trust, gab es in den ersten sieben Monaten 2015 vier Berichte zu Zwangskonvertierungen von Hindu Mädchen im Sindh (HRCP 3.2016).

 

Da es kein spezifisches Personenstandsgesetz für Hindus in Pakistan gibt, fehlt auch ein Registrierungsmechansimus für Ehen, was den Nachweis einer Ehe schwierig macht (HRCP 3.2016). Im Februar 2016 hat die Provinzversammlung des Sindh Pakistans erstes Gesetz für Hindu Ehen bestätigt, womit erstmals hinduistische Heiraten auch gesetzlich anerkannt werden. Ebenfalls im Februar erklärte die Provinzversammlung des Punjab in einer Resolution, dass ein solches Gesetz auch in der Nationalversammlung verabschiedet werden soll (FCO 21.7.2016).

 

Hindus wandern in großer Zahl nach Indien aus (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.5. Blasphemiegesetz

 

Es bestehen strenge Gesetze gegen Blasphemie (Paragraphen 295a-c des pakistanischen Strafgesetzbuches). Seit 1990 verbietet Paragraph 295a das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, Paragraph 295b die Entweihung des Koran, und Paragraph 295c die Beleidigung des Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht auch bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. In den meisten Fällen wird auf Druck von Extremisten im erstinstanzlichen Urteil die Todesstrafe verhängt; Berufungsgerichte heben solche Urteile aber oft wieder auf. So wurde bislang kein Todesurteil in einem Blasphemiefall vollstreckt (AA 30.5.2016).

 

Gerichte wenden die Blasphemiegesetze gegen Mitglieder der Schiiten, Christen, Ahmadis und anderer religiöser Minderheiten an (USDOS 3.3.2017). Gerichte der 1. Instanz verlangten oft keine angemessenen Beweise in Blasphemiefällen und einige beschuldigten Personen verbrachten Jahre im Gefängnis, bevor Gerichte höherer Instanz die Urteile aufhoben und die Gefangenen aufgrund mangelnder Beweise freiließen. Berichten zufolge verweigern die unteren Gerichte im Allgemeinen eine Entlassung auf Kaution oder einen Freispruch in Blasphemiefällen aufgrund des Risikos, die Angeklagten könnten Opfer von öffentlicher Gewalt werden. Die Gerichtsverhandlungen werden in einem Klima der Angst abgehalten (USDOS 10.8.2016).

 

Der Internationale Ausschuss der Juristen (IGH) berichtete im November 2015, dass in mehr als 80 Prozent der gemeldeten Fälle zu Blasphemie die Angeklagten auf Berufung freigesprochen werden und die Richter meinen, dass in der Mehrheit der Fälle solche Vorwürfe konstruiert werden, um persönlich Rache in einer Streitigkeit oder Durchsetzung bei Landstreitigkeiten zu erzielen (UKHO 1.2017).

 

Unter dem Blasphemiegesetz ist es sehr einfach jemanden zu beschuldigen. Es werden allerdings nur wenige Fälle pro Jahr angezeigt (BAA 6 .2013). Im Jahr 2014 wurden zwölf neue Blasphemiefälle durch die Polizei registriert, laut USDOS wurden 2015 drei neue Fälle von Blasphemie durch die Polizei aufgenommen und 11 Ahmadis aufgrund von Vergehen gegen die religionsspezfischen Gesetze angezeigt, sechs davon in Gewahrsam genommen, davon eine Person aufgrund des Verkaufs von Ahmadiya Literatur (USDOS 10.8.2016). Im Jahr 2015 wurden laut Human Rights Commission of Pakistan 22 Personen wegen Blasphemie festgenommen: 18 Muslime (davon drei Ahmadis) und vier Christen. In der Mehrheit der Fälle sind also Muslime betroffen, religiöse Minderheiten sind allerdings im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich überproportional vertreten. Unter den Fällen gegen Muslime nimmt der Anteil der schiitischen Minderheit (15 - 20% der Bevölkerung) zu (AA 30.5.2016). Mindestens 19 Personen befanden sich 2016 aufgrund von Blasphemie-Verurteilungen im Todestrakt (HRW 12.1.2017).

 

Diese Fälle zeigen auch, dass die Strafgesetzänderung Ende des Jahres 2004, nach der Ermittlungen nur noch durch höhere Polizeibeamte geführt werden dürfen, nicht die erhoffte Verbesserung der Lage gebracht hat. Eine Person, die einmal wegen Blasphemie verurteilt wurde, wird vielfach auch nach Freispruch durch ein Berufungsgericht zum Opfer von Verfolgung durch extremistische Organisationen. Insbesondere bei Angehörigen religiöser Minderheiten geraten Familienangehörige von Angeklagten häufig ebenfalls ins Visier von Extremisten und erhalten z.B. anonyme Drohungen. So sind Blasphemie-Vorwürfe auch Anlass oder Vorwand für gezielte Tötungen oder Gewalt gegen Personen, die der Blasphemie oder der Verteidigung von Personen unter Blasphemie-Vorwurf bezichtigt werden. Auch Menschenrechtsorganisationen, die sich für eine Reform des Blasphemie- Gesetzes einsetzen, werden von extremistischen und dschihadistischen Gruppierungen bedroht (AA 30.5.2016). Zwei hochrangige Politiker, der ehemalige Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, und der damalige Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, wurden 2011 aufgrund ihres öffentlichen Eintretens für eine grundlegende Reform des Gesetzes ermordet. Danach blieben ernsthafte Bemühungen um eine Reform der Blasphemiegesetzgebung aus (AA 12 .2016a).

 

Es gibt Hilfsorganisationen für Blasphemie-Verdächtige. Die National Commission for Justice and Peace (NCJP) arbeitet als Rechtshilfeorganisation und bietet in acht regionalen Büros Hilfe an. Nach einer Freilassung benötigen die Betroffenen aus Sicherheitsgründen auch Umsiedlung und Rehabilitation. Die NCJP organisiert und hilft bei der Umsiedlung, dies verursacht hohe Kosten. Es gibt keine staatlichen Einschränkungen bei der Umsiedlung. Bei unbekannten Fällen ist eine Umsiedlung in Pakistan möglich, bei bekannten allerdings nicht. Für diese Fälle steht man auch mit dem Ausland in Kontakt, um für die Betroffenen eine Aufnahme in ein anderes Land organisieren zu können. Es gibt keine systematischen staatlichen Maßnahmen zum Schutz, keine Schutzgesetzgebung oder Policies für solche Fälle. In einigen Fällen gab es Kompensationen, jedoch in den meisten nicht. Auch die Rechtsanwaltskammer hat ein Komitee, das Rechtshilfe anbietet, diese Tradition wird allerdings schwächer (BFA 10.2014; vgl. BAA 6 .2013). Medien berichten, dass die Regierung kleine Schritte in Richtung Schutz vor unbegründeten Blasphemieanklagen unternimmt (USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.6. Konversion

 

Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu wählen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht ein. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern, in denen Apostasie mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine entsprechende strafrechtliche Bestimmung (AA 30.5.2016).

 

Die pakistanische Gesellschaft ist allerdings Konvertiten gegenüber im Allgemeinen sehr ablehnend eingestellt. Konvertiten werden von ihren Familien und von der Gesellschaft oft als eine Quelle der Schande empfunden, und viele halten es für ihre Pflicht, solche Personen zu töten, um die Ehre wieder herzustellen. Den Konvertiten werden in manchen Fällen sogar grundlegende Menschenrechte verweigert (z.B. eine medizinische Behandlung). Obwohl theoretisch möglich, ist es in der Praxis sehr schwierig, seine Religion zu wechseln. Ohne Zweifel gibt es aber auch Fälle, wo Konvertiten vergleichsweise gut behandelt werden. Über diese Fälle wird jedoch nicht berichtet (IRB 14.1.2013; vgl. auch: UKHO 5.2016).

 

Die Situation ist um einiges komplexer für eine Person, von der bekannt ist, dass sie vom Islam zum Christentum konvertiert ist, als für eine Person, die als Christ geboren wurde. Es kommt allerdings sehr selten in Pakistan vor, dass jemand zum Christentum konvertiert, insbesondere offenkundig. Es wäre schwer für diejenigen, wo bekannt ist, dass sie christliche Konvertiten sind, offen und frei in Pakistan zu leben. Personen von denen bekannt ist, dass sie Konvertiten sind, sind Akten vorn Gewalt, Einschüchterung und ernsthafter Diskriminierung ausgesetzt (UKHO 5.2016)

 

Konvertieren muslimische Eltern zu einer anderen Religion, werden deren Kinder als illegitim angesehen. Der Regierung wäre es erlaubt, die Vormundschaft für diese Kinder zu übernehmen (USDOS 10.8.2016).

 

Für Ahmadis ist u.a. die Propagierung ihres Glaubens verboten (USCIRF 28.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

16. Ethnische Minderheiten

 

Die pakistanische Bevölkerung wird mit Stand Juli 2016 auf über 202 Millionen Menschen geschätzt und setzt sich wie folgt zusammen:

Punjabi 44,68 Prozent, Paschtunen (Pathan) 15,42 Prozent, Sindhi 14,1 Prozent, Saraiki 8,38 Prozent, Muhajirs 7,57 Prozent, Belutschen 3,57 Prozent, andere ethnische Gruppen 6,28 Prozent (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan ist ein multiethnischer und multireligiöser Staat. Die Armee wird v.a. durch Punjabis dominiert. Die Sprachen sind nicht immer deckungsgleich mit der ethnischen Gruppenzugehörigkeit. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Es kommt zu sozialen Diskriminierungen, unter anderem gegenüber nationalen und ethnischen Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Karatschi kommt es immer wieder zu Gewalt von und zwischen den radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People's Party) (PIPS 1.2017). Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Die Sicherheitskräfte gehen verstärkt gegen die radikalen Flügeln der Parteien vor, wodurch deren Kapazitäten geschwächt wurden (PIPS 1.2017).

 

Die MQM wirft den Sicherheitskräften vor, im Zuge Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt.In diesen Sicherheitsoperationen 61 Mitglieder getötet zu haben, während 171 Mitglieder vermisst werden. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 3.3.2017)

 

Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Belutschen sind eine indigene Ethnie in Pakistan und Iran. Der größte Teil lebt in der pakistanischen Provinz Belutschistan, deren Bevölkerungszahl bei der letzten anerkannten Volkszählung 1998 6,5 Millionen betrug. Die Belutschen sind mehrheitlich Sunniten und folgen der Hanafi-Rechtsschule. Belutschistan nimmt eine sehr große Fläche ein, ist allerdings sehr spärlich besiedelt. Der Anteil der Belutschen an der Gesamtbevölkerung Pakistans wird auf fünf Prozent geschätzt. Durch den Zuzug aus anderen Provinzen geraten sie zahlenmäßig auch in ihrer Heimatprovinz ins Hintertreffen. Die reichen Bodenschätze der Provinz werden ausgebeutet, wobei Vertreter der Belutschen meinen, die Bevölkerung erhalte nur einen vernachlässigbaren Anteil an den Gewinnen. Die wirtschaftliche Lage der Minderheit ist sehr schlecht. Über 50 Prozent leben unter der Armutsgrenze (MRG o.D.).

 

Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der Ressourcen zurückbekommen. Belutschische Aufständische kämpfen um mehr politische Autonomie und größere Kontrolle über die Bodenschätze. Die pakistanischen Sicherheitskräfte gehen gegen Belutschen vor, von denen vermutet wurde, dass sie Teil der nationalistischen Bewegungen sind (EASO 8.2015).

 

Hauptakteur des nationalistischen Terrors in Belutschistan ist die Belutschistan Liberation Army, weitere sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Die belutschisch-nationalistischen Terrorgruppen haben an Stärke eingebüßt und die Anschläge dieser Gruppen gingen 2016 sowohl in Größe als auch Anzahl zurück (PIPS 1.2017).

 

Im Kontext der Bekämpfung der separatistischen Gewalt in Belutschistan halten Berichten zufolge Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Tötungen durch die Sicherheitskräfte von bewaffneten Separatisten und nationalistischen Aktivisten weiterhin in einem Klima der Straflosigkeit an (MRG 12.7.2016)

 

HRCP berichtet, dass es im Jahr 2014 106 Fälle von "Verschwindenlassen" aus neun Distrikten der Provinz Belutschistan gegeben hat (HRCP 3.2015). Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen (AI 25.2.2015). Auch 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016). Die belutschische Organisation International Voice for Baloch Missing Persons listet in ihrer Online Datenbank für 2016 100 verschwundene Belutschen auf (USDOS 3.3.2017).

 

Laut Informationen der Pakistanischen Kommission zur Aufklärung erzwungenen Verschwindenlassens sind mit Stand August 2016 1.401 der 3000 Fälle, welcher der Kommission vorliegen, von dieser noch nicht untersucht worden (AI 22.1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16.2. Hazara

 

Die Hazara sind eine ethnische Gruppe mit eurasischer Herkunft, und unterschieden sich dadurch äußerlich von den meisten anderen Pakistanis, Die Ethnie wanderte vor längerer Zeit aus Zentralafghanistan nach Pakistan ein. Hazara sind überwiegend schiitische Muslime (EASO 8.2015). Quellen schätzen die Hazara in Pakistan auf 500.000 bis 1 Million, die sich hauptsächlich auf Quetta und Karachi konzentrieren. Das Australische Außenministerium schätzt die Zahl der Hazara in Pakistan auf 900.000, jene in Quetta auf 700.000 (UKHO 9.11.2016). Viele Hazara sind von Quetta aufgrund der dort gegen sie gerichteten Gewalt in andere pakistanische Städte gezogen, allen voran Karatschi. Innerhalb Quettas leben Hazara vor allem in zwei Enklaven - Hazara Town und entlang der Almadar Road (UKHO 9.11.2016; vgl. HRCP 3.2016).

 

Die schiitische Gemeinschaft in Belutschistan stellt das Hauptziel der religiös motivierten Gewalt dar, insbesondere die schiitischen Hazara. Die Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi steht hauptsächlich hinter dieser Gewalt (USIP 27.6.2016).

 

Die Hazara-Minderheit ist ein besonderes Ziel in Belutschistan. Sie ist von mehreren Kategorien des Terrors betroffen - regionaler Gewalt, nationalistischer Gewalt von belutschischen Terrorgruppen gegen Nicht-Belutschen und sektiererischer Gewalt gegen Schiiten (BAA 6 .2013). Die Hazara sind aufgrund ihrer zentralasiatischen Abstammung leicht zu identifizieren und nicht zuletzt auch deshalb in besonderem Maße von der Welle gegen Schiiten gerichteter Gewalt betroffen (AA 30.5.2016).

 

Human Rights Watch berichtet, dass über 500 Hazara seit 2008 getötet wurden (USDOS 10.8.2016). Die Anschläge von 2013 in Quetta stellen die schlimmsten Anschläge auf die Hazara-Gemeinde in Pakistan dar, allein im Jänner 2013 starben bei einer Serie von Bombenanschlägen in und um die Almadar Road 126 Hazara (Jinnah Institut 1.1.2016).

 

Die Anschläge gegen Hazara in Belutschistan sind zurückgegangen, vermutlich aufgrund von Verlusten in der Führerschaft der Lashkar-e-Jhangvi (USIP 27.6.2016). Um Gewaltvorfälle zu vermeiden, haben die Behörden schiitische Prozessionen in Quetta auf die Hazara Enklaven beschränkt. Berichten zufolge gab es mehrere Angriffe auf Hazara im Jahr 2016. USDOS zählt Beispiele mehrerer Attacken in Quetta mit insgesamt zehn Toten auf (USDOS 3.3.2017). PIPS berichtet von zwei Anschlägen auf Hazara in Quetta mit sechs Toten im Jahr 2016. Außerhalb Quettas verzeichnete PIPS keine Anschläge auf Hazara (PIPS 1.2017). Die zwei Enklaven in Quetta werden von Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen bewacht (UKHO 9.11.2016).

 

Angehörige der Hazara sind somit in Quetta Gewaltdrohungen ausgesetzt. Berichten zufolge ist es ihnen nicht möglich, sich außerhalb der beiden von Hazara dominierten Enklaven in Quetta frei zu bewegen. Hazara berichten, es sei ihnen nicht möglich, Anstellung zu finden und eine höhere Ausbildung zu verfolgen (USDOS 3.3.2017).

 

Weiteren Berichten zufolge sind viele Hazara aber auch beim Staat angestellt. Viele führen Geschäfte, einige davon auch außerhalb der Enklaven. Innerhalb ihrer Enklaven haben sie Zugang zu Ausbildungsstätten und medizinischer Versorgung. Von staatlicher Seite gibt es keine diskriminierende Gesetze, Richtlinien oder Vorgehen der pakistanischen Behörden gegen die Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion (UKHO 9.11.2016). Es wird allerdings von Schwierigkeiten für Angehörige der Hazara beim Erlangen von Pässen und Personalausweisen sowie beim Zugang zu staatlichen Leistungen berichtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

17. Frauen/Kinder

 

17.1. Frauen

 

Pakistan hat das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert. Trotz des in der Verfassung festgeschriebenen Diskriminierungsverbots und einiger wichtiger Gesetzesvorhaben zum Schutz von Frauen in der vergangenen Legislaturperiode sind Frauen in Pakistan in mehreren Rechtsbereichen aufgrund traditioneller patriarchalischer Normen und infolge der Anwendung islamisch geprägter Rechtsvorschriften schlechter gestellt als Männer (AA 12 .2016). Dies gilt unter anderem aufgrund der Anwendung der Scharia in Teilen des materiellen und prozessualen Rechts. Rechtliche Bestimmungen, die Frauen benachteiligen, finden sich u.a. auch im pakistanischen Strafgesetz, dem Staatsangehörigkeitsrecht und in der Gesetzgebung zum Schutz der Frau (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz verbietet somit zwar Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber in der Praxis setzen die Behörden diese Bestimmung nicht durch. Frauen sind mit rechtlicher und ökonomischer Diskriminierung und mit Diskriminierung im Familien- und Eigentumsrecht sowie im Justizsystem konfrontiert (USDOS 3.3.2017).

 

Die Rolle der Frau in Pakistan wird in erster Linie von einer islamischen Gesellschaft geprägt, in der weite Teile einer sehr konservativen Denkweise anhängen. Dem setzen sich vor allem Frauen aus der wirtschaftlichen Oberschicht entgegen; es gelingt ihnen z.T. wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft zu erringen (AA 30.5.2016). Auch unabhängig von ihrer rechtlichen Stellung sind besonders Frauen aus ärmeren Schichten und auf dem Land faktisch von Geburt an benachteiligt (AA 12 .2016).

 

Der Status von Frauen in Pakistan hängt somit von Klasse, Religion, Bildung, wirtschaftlicher Unabhängigkeit, Region und Ort (Stadt oder Land), kulturellen und traditionellen Werten, Kaste, Bildungsprofil, Familienstand, Zahl der Kinder usw. ab (EASO 8.2015).

 

Der Rat für islamische Lehre in Pakistan, das höchste religiöse Gremium des Landes, beschied, dass es im islamischen Recht, der Scharia, keine Verpflichtung für Frauen gebe, ihr Gesicht, ihre Hände und ihre Füße zu bedecken, demnach sei eine komplette Verhüllung kein Muss. Es genüge, wenn sie ihr Haar mit einem Tuch bedeckten. Faktisch besteht im vom sunnitischen Islam geprägten Pakistan keine Verhüllungspflicht (Spiegel 21.10.2015).

 

Quoten für Frauen sind in den verschiedenen wählbaren Gremien eingerichtet. Es gibt in der Nationalversammlung 60 für Frauen reservierte Sitze. Von den 758 Sitzen in den verschiedenen Provinzversammlungen waren 129 für Frauen reserviert, in den lokalen Räten ein Drittel der Sitze (USDOS 3.3.2017). Durch die Einführung der Frauenquote in den gewählten Versammlungen auf Bundes-, Länder-, und Bezirksebene sind seit 2002 deutlich mehr Frauen in die Parlamente gewählt worden. Nachdem der Frauenanteil bei den Parlamentswahlen 2008 auf 23 Prozent angestiegen war, ist er bei den Wahlen im Mai 2013 allerdings wieder auf 20,5 Prozent zurückgegangen. Von den nun insgesamt 69 Parlamentarierinnen sind 60 über die für Frauen reservierten Sitze in die pakistanische Nationalversammlung eingezogen und lediglich neun direkt gewählt worden. Im Senat liegt der Frauenanteil aktuell nur bei 16,5 Prozent (AA 12 .2016). 2015 wurden erstmals Frauen von den Provinzversammlungen von Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan zu deren Parlamentssprecherinnen gewählt (HRCP 3.2016).

 

Frauen nehmen als Mitglieder politischer Parteien aktiv am politischen Geschehen teil, doch waren sie nicht immer erfolgreich bei der Sicherung von Führungspositionen innerhalb der Parteien, mit der Ausnahme der Frauensektionen innerhalb der Parteien. In ländlichen Gebieten halten kulturelle und traditionelle Barrieren Frauen oft davon ab, zu wählen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in verschiedenen Teilen des Landes bei der Stimmabgabe behindert. Bei der Nachwahl zur Parlamentswahl im Distrikt in Lower Dir, Khyber Pakhtunkhwa, nahm im Mai 2015 keine der 50.000 wahlberechtigten Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Von Moscheen wurde via Lautsprecher vor einer Stimmabgabe gewarnt und Zeitungsberichten zufolge, blockierten mit Stöcken bewaffneten Männer den Zugang für jene wenigen Frauen, die versuchten von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen (HRW 27.1.2016).

 

Im Global Gender Gap Report 2015, der jedes Jahr vom World Economic Forum herausgegeben wird und die Lebensbedingungen von Männern und Frauen vergleicht, belegte Pakistan in der Gesamtwertung den 144. Platz von 145 erfassten Staaten (AA 12 .2016). Es fällt auf, dass Pakistan im Teilbereich der politischen Gestaltungsmöglichkeiten einen verhältnismäßig guten 87. Platz einnimmt, allerdings bezüglich der Teilnahme von Frauen am Wirtschaftsleben und Berufsmöglichkeiten liegt Pakistan auf Platz 143, bezüglich gleichberechtigtem Zugang zu Bildung auf dem 135. Rang und bezüglich Gesundheit und Überlebenschancen auf dem 125. Rang (AA 30.5.2016).

 

16 Millionen Mädchen zwischen sechs und elf Jahren gehen nicht einer Schulbildung nach (AHRC 14.2.2017). Nur 22 Prozent der Frauen sind Teil der formell erwerbstätigen Bevölkerung und die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind sehr hoch (HRCP 3.2016). Laut der Statistik des National Police Bureau vom Jahr 2012 waren von den 425.978 Polizisten in Pakistan 4.020 Frauen (CHRI 19.8.2015).

 

Der Protection from Harassment Act von 2010 stellt die sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz unter Strafe. Das Gesetz sieht die Etablierung von Ombudspersonen in allen Provinzen vor. Sindh setzte als erste Provinz diese Forderung im Jahre 2012 um. Punjab und Gilgit-Baltistan haben auch bereits eine Ombudsperson eingerichtet. Das Problem ist dennoch stark verbreitet, Berichten zufolge besonders bei Hausangestellten und Pflegepersonal (USDOS 3.3.2017)

 

Vergewaltigung ist eine Straftat. Der Strafrahmen reicht von 10 bis 25 Jahre Haft und einer Geldstrafe bis zur Todesstrafe. Die Strafe für Gruppenvergewaltigungen ist die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Vergewaltigung in der Ehe ist kein Verbrechen (USDOS 3.3.2017). Geschlechtsverkehr mit Frauen unter 16 Jahren gilt als Vergewaltigung (AA 30.5.2016). Es gibt keine zuverlässigen Statistiken zum Strafbestand Vergewaltigung. Obwohl Vergewaltigungen häufig vorfallen, sind Strafverfolgungen selten. Wenn es zu einer Gefängnisstrafe kommt, fällt diese oft geringer aus, als vorgesehen. Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament ein neues Anti-Vergewaltigungsgesetz, das die Abnahme von DNA, Datenschutz des Opfers und das Recht auf rechtliche Vertretung vorsieht. Medizinische Tests nach einer Vergewaltigung nehmen zu, in vielen Gebieten ist das medizinische Personal jedoch dazu nicht ausreichend geschult. Außergerichtliche Einigungen nach Vergewaltigungen sind häufig, oft muss das Opfer dabei den Täter heiraten (USDOS 3.3.2017).

 

Das so genannte "Zina-Gesetz" von 1979, das den außerehelichen Geschlechtsverkehr generell unter Strafe stellte, ist weiterhin gültig, wurde aber de facto durch den 2006 verabschiedeten Women's Protection Act weitgehend außer Kraft gesetzt. Der Federal Shariat Court erklärte allerdings bereits Ende 2010 Teile des Women's Protection Act für unislamisch und verfassungswidrig. Über eine Verfassungsklage gegen dieses Gerichtsurteil ist bislang noch nicht entschieden worden. Die Hudood-Gesetze von 1979 sehen die Anwendung von Körperstrafen des islamischen Strafrechts für eine Reihe von Straftaten vor, z.B. Ehebruch oder Diebstahl. Ehebruch wurde aus den Hudood-Verordnungen entfernt und als "Unzucht" in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Das Delikt wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafe geahndet, die Todesstrafe wird bei Ehebruch nicht mehr verhängt. Für die Anzeige werden hohe verfahrensrechtliche Hürden aufgestellt. Eine Verhaftung kann nur auf richterliche Anordnung erfolgen; Freilassung auf Kaution ist möglich. Bei Vergewaltigung kann sowohl nach pakistanischem Strafgesetzbuch als auch nach den Hudood-Verordnungen durch eine Anzeige und unter Beiziehung forensischer und medizinischer Indizien das Gerichtsverfahren eröffnet werden. Über die Anklage entscheidet ein Richter. Die Umwandlung einer Vergewaltigungsklage in eine Anklage wegen Ehebruchs gegen das Opfer - eine bislang übliche Praxis - wird ausdrücklich ausgeschlossen (AA 30.5.2016). Trotz den Bemühungen in den letzten Jahren, Gesetze zum Schutz von Frauen vor Gewalt zu erlassen, blieben dennoch Gesetze in Kraft, nach denen weibliche Vergewaltigungsopfer wegen Ehebruchs verurteilt werden können (AI 24.2.2016).

 

Nachdem die Domestic Violence (Prevention and Protection) Bill bereits im Jahr 2009 einstimmig von der Nationalversammlung angenommen wurde, wurde sie durch Kleriker im Senat blockiert und mit In-Kraft-Treten der 18. Novellierung der Verfassung fiel die Zuständigkeit für die Verabschiedung eines Gesetzes gegen häusliche Gewalt in das Provinzrecht. Die Provinzversammlung des Sindh hat am 8.3.2013 als erste pakistanische Provinz ein Gesetz gegen häusliche Gewalt angenommen. Anfang 2014 erließ die Provinzversammlung von Belutschistan auch ein Gesetz gegen häusliche Gewalt (Dawn 11.2.2014). Im Februar 2016 verabschiedete die Provinzregierung von Punjab den "Punjab Protection of Women Against Violence Act", der u. a. größeren rechtlichen Schutz für Opfer häuslicher Gewalt und ein Netzwerk von Schutzhäusern auf Distrikteben vorsieht. Es gibt somit kein spezifisches nationales Gesetz, das häusliche Gewalt verbietet. Diese ist weit verbreitet und kann in einigen Fällen - unter anderem wegen Mitgiftstreitigkeiten - bis zu Mord, Folter, Verbrennung, Säureangriffen oder zu Verstümmelung führen. Die Gewalt geht sowohl von Ehemänner als auch der Familie des Ehemanns aus (USDOS 3.3.2017).

 

Für das Jahr 2016 registrierte HRCP 3.000 Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter Morde, häusliche Gewalt, Kidnapping und Vergewaltigung (AI 22.2.2017).

 

Mindestens 4.308 Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wurden im Zeitraum Jänner bis Juli 2015 registriert. In 709 Fällen wurden Frauen ermordet, 596 Frauen wurden von Einzeltätern oder in Gruppen vergewaltigt, 186 wurden Opfer von "Ehrverbrechen". Des Weiteren wurden 36 sexuelle Übergriffe - und insgesamt 1.020 Entführung registriert (AI 24.2.2016).

 

Laut HRCP wurden im Jahr 2014 232 Frauen Opfer von Säureangriffen, 859 begingen Selbstmord - oft aufgrund häuslicher Gewalt, 461 wurden von Ehemännern getötet und 898 waren Opfer von Ehrenmorden (ICG 8.4.2015). Gemäß der Angaben von Aurat, die sich für die Rechte von Frauen einsetzt, wurden im Zeitraum 2014 rund 7.010 Fälle von Gewalt gegen Frauen allein im Punjab gemeldet, davon 340 Ehrenmorde und

1.707 Entführungen (TET 4.11.2016). Nur wenige dieser Übergriffe und Morde erregten mediales Interesse (HRCP 3.2016)

 

Frauen, die Misshandlung melden wollen, sind mit ernsten Herausforderungen konfrontiert. Polizei und Richter sind manchmal unwillig, Handlungen zu setzen, da sie derartige Materien als Familienangelegenheit sehen. Anstatt Anzeigen aufzunehmen, regt die Polizei für gewöhnlich die beteiligten Parteien zu einer Versöhnung an und schickt somit die Frau zurück zu ihren misshandelnden Familien (USDOS 3.3.2017).

 

Um den sozialen Normen entgegenzuwirken, die Opfer davon abhalten, geschlechtsspezifische Gewalt anzuzeigen, wurden Frauenpolizeistationen mit weiblichen Angestellten eingerichtet, die Frauen einen sicheren Zufluchtsort für Anzeigen bieten. Diese Stationen sind allerdings von mangelnder Finanzierung und mangelhafter Ausstattung betroffen. Sozialer Druck, eingeschränkte Mobilität der Frauen in der Öffentlichkeit und Unkenntnis der Existenz solcher Stationen schränken die Inanspruchnahme ein. Das Angebot wurde dennoch in steigendem Ausmaß genutzt (USDOS 3.3.2017).

 

Das Familienrecht legt klare Richtlinien mit Bezug auf Schutz für Frauen im Falle einer Scheidung, Unterhaltsleistungen, sowie das Sorgerecht für minderjährige Kinder vor. Viele Frauen kennen diese rechtlichen Schutzbestimmungen jedoch nicht oder sind nicht in der Lage, einen rechtlichen Beistand zuzuziehen, um sie durchzusetzen. Auch sind Frauen mit rechtlichen Diskriminierungen im Familien- und Eigentumsrecht konfrontiert. Geschiedene Frauen bleiben oft ohne Unterstützung, da ihre Familien sie ausgrenzen (USDOS 3.3.2017).

 

Das muslimische Eherecht ist durch die Vorrangstellung des Mannes gekennzeichnet; insbesondere können Männer nach islamischem Recht ihre Frau außergerichtlich scheiden bzw. verstoßen ("Talaq"). Die Frau kann dies zwar nicht; sie hat aber das Recht, sich scheiden zu lassen, indem sie vor dem Familiengericht die sogenannte "Khullah" verlangt (AA 30.5.2016). In Bezug auf das Sorgerecht ist nach islamischem Recht aller Rechtsschulen der alleinige gesetzliche Vertreter des Kindes der Vater. Der Mutter steht die tatsächliche Personensorge zu. Dabei kennen sunnitisches und schiitisches Recht unterschiedliche Altersgrenzen, zu denen das Recht der Kindesmutter auf Personensorge endet (AA 30.5.2016).

 

Nach Aussage eines Vertreters der HRCP von 2013 war es für eine alleinstehende Frau in Pakistan wegen der Vorurteile gegenüber Frauen und ihrer finanziellen Abhängigkeit von der Familie "praktisch unmöglich", allein zu leben. Ein Bericht besagte, dass 2010 die meisten Frauen in ländlichen Gebieten bei ihren Familien lebten und es für Frauen generell gesellschaftlich nicht akzeptabel war, allein zu leben. In Städten, und hier vor allem in größeren Städten wie Karatschi, Lahore oder Islamabad, war es für gebildete, aus der Oberschicht stammende berufstätige Frauen einfacher, allein zu leben, obwohl dies nur recht selten vorkam. Vom Canadian Immigration and Refugee Board 2010 befragte Quellen sagten aus, es sei für alleinstehende Frauen schwierig, in Städten Wohnungen zu mieten. Vermieter sind zögerlich, alleinstehenden Frauen Wohnungen zu vermieten. Es gibt einige von der Regierung eingerichtete Unterkünfte für berufstätige Frauen, der Bedarf übersteigt das Angebot bei weitem (UKHO 2.2016).

 

Die Regierung unterhielt ein Krisenzentrum für Frauen in Notlagen, welches Frauen, die misshandelt wurden, an NGOs zur Unterstützung weitervermittelte. Weiteres gibt es insgesamt 26 staatliche Shaheed Benazir Bhutto Frauenschutzzentren, die temporären Schutz, rechtliche Hilfe sowie medizinische und psychologische Betreuung bieten. Von diesen werden die Frauen in ungefähr 200 von den Provinzen verwalteten Darul Aman (Frauen- und Kinderzentren) weitergeleitet, wo Unterkunft und medizinische Versorgung gewährt werden, allerdings keine rechtliche oder psychologische Beratung. Viele Regierungszentren waren überfüllt, stark unterausgestattet und Ressourcen und Personal unzureichend vorhanden. Es gibt Fälle, in denen Frauen in staatlichen Schutzhäusern missbraucht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder gedrängt wurden, zu ihren Misshandlern zurückzukehren. Es gibt auch einige Berichte, dass man Frauen in den Zentren zur Prostitution gezwungen hätte (USDOS 3.3.2017).

 

NGOs hingegen gewähren nicht nur Schutz in Frauenhäusern, sondern leisten auch Rechtsbeistand, engagieren sich für eine Ausbildung der Frauen und versuchen, eine gütliche Verhandlungslösung herbeizuführen und in weiterer Folge eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen (ÖB 10.2016). Die Schutzhäuser, die von NGOs betrieben werden sind Berichten zufolge in einem besseren Zustand (UKHO 2.2016).

 

Es besteht eine Reihe von NGOs, die sich vor allem um betroffene Frauen kümmern, wie Aurat Foundation; All Pakistan Women Association; Blue Veins; Female Human Rights Organization (FEHRO);

Hawa Shelter Home; Jeejal; Mukhtar Mai Women's Organisation;

Pakistani Women's Human Rights Organization; Panah;: RYSe - Reclaim your space; Shirkat Gah - Women Resource Center; Simorgh - Women's Resource and Publication center; Struggle For Change (SACH); Sughar Empowerment Society; The Tribal Women Welfare Association (TWWA);

Women Association Struggle For Development (WASFD); Women Rights Association; WomenShade Pakistan (WSP); Women Welfare And Development Organization (WWDO); Sanjog (Rechtshilfe für Kinder, religiöse Minderheiten, Opfer von "Gender-based Violence" und Menschen mit Behinderungen); Women Aid Trust (betreibt Rechtsberatungsstellen in größeren Städten und bietet kostenfreie Rechtshilfe für notleidende Frauen sowie inhaftierte Kinder und Frauen an (ÖB 10.2016).

 

Der private Edhi Trust bietet Unterstützung in vielen sozialen Bereichen, u.a. Unterkunft für Frauen, die häuslicher Gewalt entkommen sind (Edhi Trust o.D. vgl. UK Essays 23.3.2015). Die ländliche Entwicklungsorganisation National Rural Support Programm (NRSP) bietet Aus- und Fortbildung u.a. zur wirtschaftlichen und rechtlichen Stärkung der Frauen und Mikrofinanzierungen für Frauen an. Im Frauenrechtsbereich wurden unterschiedliche Programme umgesetzt: Unterstützung von Frauen bei der Registrierung bei NADRA (Nationale Registrierungsbehörde), um den Zugang zu sozialen Leistungen zu ermöglichen; Programme zur Bewusstseinsbildung gegen Ehrenmorde, gegen häusliche Gewalt und gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz (NRSP o.D.a). NRSP ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm. Die Organisation bezifferte mit Stand August 2016 die Zahl der an ihren verschiedenen Programmen teilnehmenden Männer und Frauen auf über dreiMillionen (NRSP o.D.b)

 

Im Bereich Frauenrechte engagieren sich u.a. die Aurat Foundation, Shirkat Gah, AGHS Legal Aid Cell und zahlreiche kleinere Organisationen (AA 30.5.2016). NGOs, die sich für Frauenrechte einsetzten, waren in besonderem Ausmaß mit Drohungen konfrontiert (USDOS 3.3.2017).

 

Vor kurzem wurde eine Frauen-Jirga eingerichtet, die sich der Belange marginalisierter und verarmter Frauen im pakistanischen Swat-Tal annimmt (BFA 7.2016). Tabassum Adnan, die Gründerin der Khwendo Jirga, Pakistans erster Frauen-Jirga, erhielt vom US-Außenministerium 2015 den International Women of Courage Award in KPK. Die Medienaufmerksamkeit nach Bekanntwerden dieser Auszeichnung zog anonyme Drohungen nach sich. Sie musste in eine andere Stadt umziehen (AI 24.2.2016).

 

Die staatliche "National Commission on the Status of Women" setzt sich u. a. dafür ein, die Hudood-Gesetze abzuschaffen und das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern; weiterhin veranstaltet sie Workshops für Frauenfragen. Bislang wurde nur ihre Empfehlung, Frauen an Familiengerichten ein Drittel der Stellen vorzubehalten, teilweise umgesetzt. So sind fünf Prozent der Richterämter an Familiengerichten für Frauen reserviert (AA 30.5.2016). Der Kommission mangelt es an Ressourcen und Macht (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

17.2. Eheverbrechen an Frauen und Männern, unerwünschte Heiraten, Zwangsheirat und andere schädliche traditionelle Praktiken gegen Frauen

 

In einigen Fällen werden Frauen Opfer unterschiedlicher Arten gesellschaftlich bedingter Gewalt, wie Ehrenmorde, Zwangsehen, erzwungene Isolation. Sie werden benutzt, um Streitigkeiten zwischen Stämmen beizulegen. Frauen werden oft von Ehemännern und anderen männlichen Familienmitgliedern wie Besitzgegenstände behandelt (USDOS 3.3.2017).

 

"Karo-kari" leitet sich von den Bezeichnungen "schwarzer" Mann (karo) und "schwarze" Frau (kari) ab, die Schande über die Familie oder den Clan gebracht haben bzw. einen Ehebruch begangen haben. "Karo-kari" bezeichnet dabei einen Mord im Namen der Ehre, wenn zuvor die Familie, die Gemeinde oder ein Stammesgericht, als Jirga bezeichnet, entschieden hat, dass eine "Verletzung der Ehre" stattfand. Die beschuldigten Männer werden in vielen Fällen nicht getötet, sondern man lässt sie fliehen (USDOS 3.3.2017). Opfer sind somit hauptsächlich Frauen, allerdings sind auch Männer betroffen. Verbrechen in Namen der Ehre - nachdem Frauen beschuldigt wurden, Schande über die Familie gebracht zu haben - sind z.B. Mord, Säureangriffe oder Verstümmelungen (UKHO 2.2016).

 

Die Täter sind meist männliche Verwandte der Frauen. Die Vorstellung, dass das Opfer Schande über die Familie gebracht hat, steht als treibende Kraft hinter den Morden. Der Mord wird als Weg zur Wiederherstellung der Reputation und Ehre der Familie gesehen (AF 1.2015). Im Pahtunwali wird der Würde (Ghairat) hoher Wert beigemessen. Zur Ghairat gehört es auch, die Keuschheit der Frauen beschützen. Wenn beispielsweise auf eine Paschtunin Toor [Anm.:

D.h., dass ihnen eine illegale sexuelle Beziehung vorgeworfen wird] zutrifft, ist es eine Sache von Ghairat, die beschuldigte Frau und ihren Partner zu töten (BFA 7.2016). Die von Männern gebildete Jirga entscheidet über solche Angelegenheiten und ihre Entscheidungen haben [für die Bevölkerung] Vorrang gegenüber der staatlichen Gesetzgebung. Sie entscheidet gemäß Stammeswerten und beinhaltet oft Gewalt (AF 1.2015).

 

In der FATA hat sich z.B. ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Während sich männliche Angeklagte im Wege von Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft werden (AA 30.5.2016). Die Abhaltung von Jirgas, die gewaltvolle Urteile bis zum Tod für Frauen u.a. für die Verletzung der Ehre aussprechen finden allerdings auch in anderen - insbesondere ländlichen - Gebieten quer durch Pakistan Verbreitung (USDOS 3.3.2017). Hauptsächlich kommen Ehrenmorde in ländlichen Gebieten vor, finden allerdings auch Verbreitung in den Städten (UKHO 2.2016).

 

Es wird geschätzt, dass bis zu 1.000 Frauen jedes Jahr in Pakistan Ehrenmorden zum Opfer fallen (The Guardian 17.6.2016).

 

Laut Statistiken der Human Rights Commission Pakistan nimmt die Zahl der Ehrenmorde zu. 2013 berichtet HRCP von insgesamt 932 Ehrenmorden. 2014 wurden 1.005 Frauen im "Namen der Ehre" ermordet:

923 Frauen und 82 minderjährige Mädchen (UPI 25.6.2015; vgl. HRCP 3.2015). 2015 wurden laut HRCP insgesamt 1096 Frauen und 88 Männer Opfer von Ehrenmorden. 170 Opfer waren zum Tatzeitpunkt minderjährig (HRCP 4.2016). 2016 berichtet Amnesty International von etwa 512 Frauen und Mädchen und 156 Männer und Buben, die durch Verwandte im Namen der Ehre getötet wurden. Die tatsächliche Zahl dürfte viel höher sein (AI 22.2.2017).

 

Die Dunkelziffer an Ehrverbrechen ist hoch. Von vielen Fällen wird gar nicht erst berichtet. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Frauen hat sich nicht im gleichen Ausmaß verbessert, wie das Maß an Bildung und Freiheiten für junge Frauen angestiegen ist. Wenn Frauen selbstbewusster werden und weniger unterwürfig innerhalb der Familie oder mehr Unabhängigkeit für ihre Entscheidungen übernehmen wollen, z.B. ihrer Ausbildung weiter verfolgen wollen, stoßen sie auf Verbote (BBC 8.8.2016).

 

Die hauptsächlichen Gründe für die Ehrenmorde waren 2015 familiäre Streitigkeiten, Vorwürfe einer unrechtmäßigen Beziehung und die eigene Wahl eines Ehepartners. Hauptsächlich waren die Täter 2015 die Ehemänner oder ehemalige Ehemänner, und die Opfer hauptsächlich Hausfrauen (HRCP 3.2016).

 

Der 2004 verabschiedeten Honour Killing Act stellt "Ehrentötungen (Karo Kari), deren Opfer z.B. eine außereheliche Beziehung unterhielten oder eine Liebesehe schlossen bzw. diesbezüglich verdächtigt werden, als Mord unter Strafe (AA 30.5.2016). Das Gesetz zur Bekämpfung von frauenfeindlichen Praktiken ("Prevention of Anti-Women Practices Act") aus 2011 macht Akte schädlicher traditioneller Praktiken gegen Frauen - wie Ehrenmorde, Zwangsheiraten, den Ausschluss von Frauen von ihrem Erbe und die Übergabe von Frauen zur Streitbeilegung - strafrechtlich verfolgbar. Da Ehrenmorde meist innerhalb der Familie geschehen, werden viele allerdings gar nicht angezeigt (USDOS 3.3.2017). Bislang konnte noch keine grundlegende Verbesserung der Situation aufgrund dieser Gesetze festgestellt werden (AA 30.5.2016).

 

Das pakistanische Gesetz erlaubt, dass die Familie des Opfers bei einem Mord dem Täter verzeihen kann (HRW 12.1.2017). Dies geht zurück auf die Qisas und Diyat Regelungen im pakistanischen Gesetz (AHRC 14.2.2017). Davon wird bei Ehrenmorden häufig Gebrauch gemacht, da Täter und Opfer aus der gleichen Familie sind. Der 2004 Criminal Law (Amendment) Act machte Ehrenmorde zu einem Strafbestand, doch die Umsetzung bleibt mangelhaft. Im Oktober 2016 wurde ein Gesetz durch das Parlament verabschiedet, das darauf abzielt, die Möglichkeit der "Vergebung" für Ehrenmorde zu eliminieren (HRW 12.1.2017). Die Todesstrafe für Ehrenmorde ist möglich. Allerdings bleiben einige Punkte dabei unklar, z.B. wie zwischen Ehrenmorden und anderen Morden unterschieden werden soll, außerdem ist es auch bei Ehrenmorden noch immer möglich durch Vergebung der Familie Strafen zu mindern (AI 22.2.2017). Diese Möglichkeit wird zwar eingeschränkt, doch nicht ausgeschlossen, was von Frauenrechtsorganisationen kritisiert wird (AF 31.12.2016) Die Asian Human Rights Commission schätzt die Zahl der Ehrenmorde seit der Verabschiedung des Gesetzes auf 40 (AHRC 14.2.2017).

 

In ländlichen Gegenden gibt es auch die verbotenen Praktiken des Kaufens und Verkaufens von Frauen. Viele Stämme und Familien praktizierten den Brauch, Frauen von jedem Kontakt mit nicht-Männern fernzuhalten. Trotz Verboten wird in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa die Übergabe von Frauen zur Streitbeilegung - bekannt als "Swara" oder "vani" praktiziert. In ruralen Gegenden des Sindh gibt es unter landbesitzenden Familien die Praxis der ebenfalls unter dem "Prevention of Anti-Women Practices Act" verbotenen "Verheiratung mit dem Koran", wodurch eine Frau nicht mehr heiraten kann und ihr Erbanteil bei ihren männlichen Verwandten bleibt. Solchen Frauen ist es zudem verboten, Kontakt mit jedem Mann zu unterhalten, welcher älter als 14 Jahre ist. Die Familien dieser Frauen erwarten, dass sie zu Hause bleiben und mit niemandem außerhalb ihres Familienverbandes Kontakt halten. Manchmal verkaufen arme Eltern in ländlichen Gebieten ihre Töchter zur Ehe um Schulden zu tilgen (USDOS 3.3.2017). Viele junge Mädchen und Frauen werden Opfer von Zwangsehen. Obwohl diese strafbar sind und viele Fälle zur Anzeige gebracht werden, bleibt die Strafverfolgung ein Problem (USDOS 3.3.2017). Das Phänomen der Zwangsverheiratung trifft Frauen weit stärker als Männer, da sie nur wenige Möglichkeiten haben, sich gegen solche Entscheidungen zu wehren (AA 20.5.2016). Frauen steht es rechtlich frei, ohne Zustimmung ihrer Familie zu heiraten. Doch wird dies von der Gesellschaft oft geächtet. Häufig werden Frauen, die diesen Schritt tätigten, von ihren Familien geächtet oder sie riskieren Verbrechen im Namen der Ehre zum Opfer zu fallen (USDOS 3.3.2017).

 

"Verbotene Heiraten" - Liebesehen, sozial nicht akzeptierte Ehen, Eheschließungen gegen den Willen der Eltern - und die im Extremfall darauffolgenden Ehrenmorde ziehen zwar ein besonderes Medienecho auf sich, sind jedoch landesweit nicht die Norm. Während Eltern aus der gebildeten städtischen Mittel- und Oberschicht eher gewillt erscheinen, die eigene Wahl der Kinder zu akzeptieren, sind arrangierte Ehen (diese sind allerdings nicht mit Zwangsehen gleichzusetzen) in ländlichen Gebieten sowie innerhalb der unteren Mittelschicht sowie der Arbeiter- und Bauernklasse nach wie vor vorherrschend. Sozial nicht akzeptierte Eheschließungen sind gemäß pakistanischer Rechtsordnung gültig, auch Frauen können grundsätzlich ohne Einwilligung der Eltern heiraten. Allerdings werden Ehen, die gegen die Vorgaben des Islams geschlossen werden, nicht anerkannt: So wäre z.B. eine Heirat einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann, selbst wenn er einer der Buchreligionen angehört, nicht gültig (der umgekehrte Fall, muslimischer Mann mit nicht-muslimischer Frau, dagegen schon). Im Allgemeinen gibt es in Pakistan keine dem österreichischen Rechtssystem vergleichbare zivile Ehe: Muslime heiraten nach islamischem Recht und lassen ihre Ehe in der Folge vor staatlichen Stellen registrieren; für andere Religionsangehörige gelten wiederum eigene Regelungen (ÖB 10.2016).

 

Es existieren in Pakistan keine Institutionen, die vom Staat dezidiert zum Schutz von Eheleuten einer sozial nicht akzeptierten Liebesehe eingerichtet wurden, allerdings besteht eine Reihe von NGOs, die sich vor allem um das Wohl der betroffenen Frauen kümmern, sowie staatliche Einrichtungen wie Crisis Center for Women in Distress, Shaheed Benazir Bhutto Centers for Women, die jeweils einer kurzfristigen Erstbetreuung dienen, rund 200 Frauenhäuser (Dar-ul-Aman) [Frauenhäuser siehe Kapitel Frauen] Es erscheint in Einzelfällen fraglich, ob Frauen aufgrund einer Liebesheirat die Aufnahmekriterien erfüllen. Ferner können sich Opfer allenfalls direkt an die Human Rights Cell des Supreme Court wenden (ÖB 10.2016).

 

In etwa zwei Drittel der Fälle von Ehrenmorden, in denen es zu einer Strafverfolgung kommt, werden die Angeklagten frei gesprochen. Auch Opfer von Vergewaltigungen können, weil sie die Ehre der Familie verletzt haben, Opfer solcher Verbrechen im Namen der Ehre werden. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Frauen, die angeblich Kontakt zu fremden Männern hatten, von ihren Ehemännern oder Brüdern getötet oder schwer verletzt werden. Besonders verbreitet sind sogenannte Säureangriffe. In der ersten Jahreshälfte 2015 wurden 60 Fälle registriert, so dass für das Gesamtjahr von einer weiteren Zunahme der Fälle auszugehen ist. Im Dezember 2011 wurde der "Acid Crime Prevention Act" einstimmig vom Parlament verabschiedet. Säureangriffe werden danach mit Haftstrafen von zehn Jahren bis lebenslänglich unter Strafe gestellt (AA 30.5.2016). Trotz des Gesetzes gibt es viele Säureangriffe auf Frauen in den unterschiedlichen Teilen des Landes (USDOS 3.3.2017). Laut HRCP wurden 98 Prozent der Fälle von Säureangriffen vor Gericht nicht entschieden und nur bei einer Handvoll Fällen kam es zu Strafen (HRCP 3.2016).

 

Im Sindh wurden bei der Polizei Karo-Kari Einheiten mit einer gebührenfreien Telefonnummer in den Bezirken Sukkur, Ghotki, Khairpur und Nausharo Feroze eingerichtet. Obwohl viele Fälle von Ehrenmord nicht berichtet werden, meinen Polizei und NGOs, dass die zunehmende Behandlung in den Medien es der Rechtsdurchsetzung ermöglicht, einige Aktivitäten gegen eine begrenzte Anzahl von Tätern zu unternehmen. Ständige Komitees der Nationalversammlung hielten Anhörungen u.a. zu Ehrenmorden ab (USDOS 3.3.2017).

 

Es werden auch spezielle Seminare für die Öffentlichkeit im Sindh gehalten, um Bewusstsein für die Problematik der Ehrenmorde zu schaffen (TET 21.4.2014). Der Pakistan Ulema Council erklärte in einer Fatwa eindeutig, dass das Ermorden von Frauen oder Mädchen im Namen der "Ehre" unislamisch sei (Dawn 6.6.2014). Im Juni 2016 erklärte der Sunni Ittehad Council in einer Fatwa ebenfalls das Morden im Namen der Ehre als unislamisch und hob hervor, dass im Islam die Wahl des Ehepartners frei steht. Er verlangte härtere Maßnahmen von der Regierung (The Guardian 14.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

17.3. Kinder

 

Kinder, welche in Pakistan geboren werden, sind berechtigt, in der nationalen Datenbank registriert zu werden. Eine Registrierung erfolgt dabei mit einer entsprechenden Geburtsurkunde, sowie der Dokumentation des Namens des Kindes und jener der Elternteile (Gov Pak 24.11.2015).

 

Derzeit sind nur 34 Prozent der Kinder unter dem 5. Lebensjahr in Pakistan registriert. Das bedeutet, dass rund zehn Millionen Kinder landesweit nicht registriert sind. Diese Zahl erhöht sich jährlich um rund weitere drei Millionen unregistrierte Geburten. Eine Geburtsurkunde kann das Recht des Kindes auf Bildung, Gesundheit, Zugang zum Rechtssystem sicherstellen und zum Schutz vor Gewalt, einer frühen Heirat und Kinderarbeit beitragen (UNICEF 7.2015).

 

Kinder unter sieben Jahren sind in Pakistan gem. § 82 PPC strafunmündig, gem. § 83 PPC ist ein Kind über sieben und unter zwölf Jahren strafmündig, wenn es die Tragweite seiner Tat begreifen kann. Ab zwölf Jahren ist ein Kind uneingeschränkt strafmündig (AA 30.5.2016).

 

Pakistan hat das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert, allerdings mangelt es nach wie vor an einer adäquaten Implementierung. Menschenrechtsorganisationen sind mit den Berichten der Regierung an das Committee on the Rights of the Child (CRC) nicht zufrieden und erstellen eigene "Schattenberichte". Als Erfolge listet das CRC u.a. die folgenden Entwicklungen auf: verbesserte Geburtsregistrierung (aber immer noch nur rund 30 Prozent); Bemühungen gegen Prügelstrafen in Schulen; Verabschiedung des Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 zur härteren Bestrafung bestimmter Formen von Kinderzwangsheirat (Wanni, Swara, Budla-a-sulh); Einrichtung von nationalen und regionalen Child Protection Centres, National Rehabilitation Centres for Child Labourers und Pakistan Sweet Homes (allerdings gibt es nach wie vor kein Pflegeelternmodell, zudem entsprechen private Waisen- und Schutzhäuser oft nicht den erforderlichen Qualitätsstandards); Errichtung von Mobile Service Units für Familienplanung und Fortpflanzungsmedizin (ÖB Islamabad 10.2016).

 

Kinderarbeit ist laut Verfassung illegal. Dennoch schätzen NGOs, dass Kinderarbeit weiterhin sehr verbreitet ist, v.a. in der Landwirtschaft und im häuslichen Bereich (AA 12 .2016). Die Verfassung und das Gesetz zur Beschäftigung von Kindern verbieten die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren an gefährlichen Arbeitsplätzen wie im Bergbau, in Teppichwebereien und Ziegelbrennereien. Dieses Verbot wird jedoch weitgehend missachtet. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt die Anzahl der arbeitenden Kinder in Pakistan auf zwölf Millionen, UNICEF auf zehn Millionen, von denen der Organisation Child Rights Movement (CRM) zufolge 2,58 Mio. unter 15 Jahre alt sind. Im "Global Slavery Index 2014" der internationalen Walk Free Foundation belegt Pakistan den

6. Platz der Staaten, in denen Kinderarbeit verbreitet ist, mit ca. zehn Millionen arbeitenden Kindern, von denen ca. 3,8 Millionen unter 14 Jahren sind. Das Verbot wird weitgehend missachtet (AA 30.5.2016).

 

Laut dem "national child labour survey" sind 3,3 Mio. Kinder unter 14 von Kinderarbeit betroffen (TET 11.6.2015). Nach dem Gesetz kann über den Arbeitgeber im Fall von Kinderarbeit eine Haftstrafe verhängt werden, doch passiert dies kaum (BAA 6 .2013). Bait-ul-Mal unterhält Schulen und Zentren für Kinder, die aus gefährlicher Kinderarbeit befreit wurden (USDOL 30.9.2016). Den Eltern werden 300 Rupien (ca. € 3) pro Monat als Kompensation für den Verdienstentgang der Kinder gezahlt. Es gibt je eine solche Schule pro Bezirk (BAA 6 .2013).

 

Kindesmissbrauch ist weit verbreitet. Junge Mädchen und Buben, die als Hausangestellte arbeiten, werden misshandelt und haben lange Arbeitszeiten bei ihren Arbeitgebern. Viele dieser Kinder sind Opfer von Menschenhandel. Zwar gibt es keine offizielle Zählung der Straßenkinder, doch geht SPARC von einer Anzahl von rund 1,5 Millionen aus (USDOS 3.3.2017).

 

Nichtstaatliche militante Gruppen entführen Buben und Mädchen oder verwenden betrügerischen Versprechungen, um Eltern zu überzeugen, ihnen ihre Kinder ab einem Alter von zwölf Jahren mitzugeben, um sie zur Durchsetzung ihrer Ziele als Späher, Kämpfer oder als Selbstmordattentäter einzusetzen. Manchmal werden Kinder den Eltern abgekauft. Oftmals werden die Kinder sexuell und körperlich missbraucht und unter psychologischen Druck gesetzt, um sie zu überzeugen, dass die Handlungen, die sie begehen, gerechtfertigt sind. Die Regierung betrieb zur Rehabilitierung ehemaliger Kindersoldaten ein Zentrum im Swat-Tal (USDOS 3.3.2017).

 

Viele junge Mädchen und Frauen wurden Opfer von Zwangsehen, die von ihren Familien arrangiert worden sind. Zwangsverheiratung ist eine Straftat, deren Verfolgung schwierig ist. Die Family Planning Association of Pakistan schätzt, dass im Jahr 2012 schätzungsweise 30 Prozent aller Ehen Minderjährige involvierte. In ländlichen Gebieten verkaufen arme Eltern manchmal ihre Töchter zum Zwecke einer Heirat, um etwa Schulden zurückzahlen zu können, oder um Streitigkeiten zu begleichen (USDOS 3.3.2017).

 

Trotz Verbots kommen Kinderheiraten vor und im Gesetz gibt es Strafen von bis zu einem Monat Haft und / oder einer Geldstrafe. Rechtlich liegt das Heiratsalter für Männer bei 18 und Frauen bei 16 Jahren (USDOS 3.3.2017).

 

Die Verfassung sieht vor, dass für alle Kinder zwischen dem 5. und 16. Lebensjahr eine kostenlose Schulpflicht besteht. Dennoch stellen die staatlichen Schuleinrichtungen oft den Eltern Kosten für Bücher, Schuluniformen und andere Materialien in Rechnung. So schicken Eltern mit geringeren Einkommen manchmal ihre Kinder in Koranschulen, oder von NGOs betriebene Schulen, in welchen die Kinder freie Unterkunft und Verpflegung erhalten (USDOS 3.3.2017).

 

Pakistan hat mit 55 Prozent laut UNECSO eine der niedrigsten Alphabetisierungsraten der Welt. Besonders in den großen Städten Pakistans kommen immer mehr Schulen und Colleges zu einer Bildungsindustrie hinzu, doch leiden jene im ruralen Raum an einem Mangel. Viele Kinder können nicht studieren, weil ein Mangel an Ressourcen herrscht, oder familiärer Druck diesen Ambitionen entgegensteht. Der Hauptgrund warum Familien ihren Kindern - vor allem Mädchen - nicht erlauben zu studieren liegt wiederum im Analphabetismus (Archivist 19.2.2015).

 

Mit 25 Millionen Kinder die nicht der Schulpflicht nachkommen und der hohen Analphabetenrate von ungefähr 58 Prozent bestehen ernste Schwierigkeiten im Bereich Bildung (HRCP 3.2016).

 

Gemäß Angaben des Skills Development Plan (SDP) der FATA - er fußt auf die National Skills Strategy (NSS) waren zum Stichtag 2015 insgesamt 1.342 Bildungseinrichtungen in der FATA geschlossen oder aufgrund von Beschädigungen nicht nutzbar (Dawn 27.2.2015). Laut unterschiedlichen Quellen wurden 26-36 staatliche Unterkünfte für Waisenkinder auf Bezirksebene eingerichtet - die Pakistan Sweet Homes. In jedem sind circa 100 Kinder untergebracht, womit durch die Bait-ul-Mal Sweet Homes ungefähr 3.000-3.500 Waisenkinder versorgt werden (BAA 6 .2013; vgl. auch: Dawn 28.12.2014; PSH o.D.). Bait-ul-Mal ist die erste nationale Regierungseinrichtung, die sich mit Waisen beschäftigt, ansonsten übernehmen dies Madrassen oder NGOs. In Pakistan gibt es elf SOS Kinderdörfer, u.a. in Lahore, Peshawar, Rawalpindi, Multan Die aufgenommenen Kinder sind allerdings nur ein kleiner Teil der verwaisten Kinder; viele leben bei ihren Großfamilien. (BAA 6 .2013).

 

Es bestehen verschiedene Einrichtungen zum Schutz von Minderjährigen, wobei es sich zumeist um nichtstaatliche Waisen- bzw. Schutzhäuser handelt. In diesen werden den Minderjährigen Schutz und Versorgung gewährt, bis die Gerichte entsprechende Beschlüsse gefasst haben (ÖB 10.2016).

 

Laut ihren Angaben unterhält die Edhi Foundation 250 Zentren in ganz Pakistan mit 24 Stunden Service Die Organisation bietet unter anderem auch Schlafstellen für mittellose Waisenkinder an (Edhi o. D.).

 

Kinderrechtsorganisationen und Aktivisten wie z.B. die Society for the Protection of the Rights of the Child üben hinsichtlich Kinderarbeit und Kinderehen mit gewissem Erfolg (siehe dahingehende Gesetzgebungsinitiativen wie etwa den Sindh Child Marriages Restraint Act 2013) Druck auf die Regierung aus; dabei muss allerdings stets mitbedacht werden, dass die Diskrepanz zwischen der Gesetzeslage und den tatsächlichen Implementierungsbemühungen in Pakistan in vielen Bereichen beträchtlich ist (ÖB 10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18. Homosexuelle/LGBT

 

Homosexualität ist gem. § 377 PPC ("gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr") verboten; für eine Verurteilung ist der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dem Auswärtigen Amt sind keine Strafverfahren gegen männliche oder weibliche Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, bekannt. Diese werden aber leicht Opfer von Erpressungen seitens der Polizeibehörden (AA 30.5.2016). Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sind eine strafbare Handlung; doch verfolgt die Regierung nur selten solche Fälle (USDOS 3.3.2017). Es gibt daher kaum Informationen zu Verhaftungen und Verurteilungen von Personen aufgrund homosexueller Handlungen (SFH 11.6.2015). Die Strafen für gleichgeschlechtliche Beziehungen gehen von Strafzahlungen über zwei Jahre Gefängnis, bis zu lebenslanger Haft. LGBTI Personen (Lesbian, gay, bisexual, transgender, and intersex) outen ihre sexuelle Orientierung oder Gender Identität nur selten (USDOS 3.3.2017).

 

Es kommt immer wieder zu Fällen von Vergewaltigungen und anschließender Tötung von männlichen Kindern (TET 7.1.2016).

 

Es bestehen keine Gesetze zum Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Von Diskriminierung von LGBT-Personen wird privat ausgiebig berichtet, doch für eine akkurate Berichterstattung sind die Daten unzureichend, teilweise aufgrund der starken gesellschaftlichen Stigmatisierung und der Angst vor einer Anschuldigung (USDOS 3.3.2017).

 

Das Internet ermöglicht soziale Vernetzung und Treffen im Verborgenen. Internet und Smartphone-Apps erleichtern es homosexuellen Personen, Kontakte mit anderen Homosexuellen zu knüpfen und Partys auf Einladung zu organisieren. Der Präsident der Neengar Society weist jedoch darauf hin, dass diese Art der Kontaktaufnahme nur homosexuellen Personen aus der oberen Mittelschicht, den Eliten und den intellektuellen Kreisen zugänglich ist und nur in bestimmten Städten wie zum Beispiel in Lahore, Karachi und Islamabad stattfindet. Obwohl virtuelle Gruppen und "Gayzonen" in Lahore, Karachi und Islamabad existieren, gibt es keine sich öffentlich bekennende "Gay-Community" (SFH 11.6.2015).

 

Nach Angaben der lokalen Interessensvereinigung Trans Action leben etwa 500.000 Transgender Personen in Pakistan. In den letzten zwei Jahren wurden mehr als 45 von ihnen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet (BBC 28.6.2016)

 

Muftha, eine Plattform welche sich für einen Informationsaustausch von medial unterrepräsentierten Gruppen wie etwa Frauen, Minderheiten und anderen Randgruppen einsetzt, sieht die Ursprünge der Hijra, einer alten und ausgegrenzten Gruppe - deren Mitglieder als Männer geboren, sich jedoch mit der Seele einer Frau identifizieren -in Pakistan, Indien und Bangladesch. Es bedarf keinerlei physischer Übergänge - wie Operationen, etc. - um in die Hirja - Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Hijras kleiden sich in der Regel wie Frauen. Die meisten von ihnen identifizieren sich weder als Männer noch als Frauen, sondern vielmehr als ein "drittes Geschlecht". Hirjas sind in Pakistan ebenso, wie in Indien, und Bangladesch rechtlich anerkannt. Trotz dieses Schutzes bleiben Hijras jedoch Außenseiter. Viele von ihnen sind von den meisten Berufen ausgeschlossen. Neben Tanzen auf Hochzeiten oder Segnung der Neugeborenen stellen Bettelei und Prostitution Einkommensquellen für die Hijras dar. Hijras leben zumeist in engmaschigen Gemeinschaften (Muftha 30.3.2016).

 

Bei den 2013 durchgeführten Wahlen konnten Hirjas erstmals als Kandidaten und Wähler teilnehmen. Im Juni 2016 wurde von einer Gruppe religiöser Führern ein Urteil gesprochen, welches Transgender-Personen erlaubt, andere Transgender-Personen zu heiraten (USDOS 3.3.2017). Doch ist dieses Urteil nicht bindend. (BBC 28.6.2016).

 

Der oberste Gerichtshof ordnete der Regierung an, Transgender-Personen durch soziale Wohlfahrtsprogramme wie Benazir Income Support Programms und das Bait-Ul-Mal finanziell zu unterstützen. Zu diesem Zwecke wurde durch das Höchstgericht den Sozialhilfeabteilungen der vier Provinzen des Landes angeordnet, bundesweit zu erheben, wie hoch die genaue Anzahl der Anzahl der Transgender-Personen liegt (CSJ 2016).

 

Im November und Dezember 2009 stärkte das Verfassungsgericht durch entsprechende Direktiven an die Regierung die rechtliche Stellung von Transsexuellen, u.a. im Bereich des Erb- und Arbeitsrechts. Andere Direktiven an die Bundes- und Provinzregierungen betrafen den Schutz vor Verfolgung sowie das Recht auf Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Bildung. Im November 2011 wies der Oberste Gerichtshof die Nationale Wahlkommission an, Transsexuelle in die Wahllisten aufzunehmen; die National Database and Registration Authority (NADRA) erhielt die richterliche Weisung, Transsexuellen elektronisch erfasste Personalausweise auszustellen (AA 30.5.2016).

 

Der konservative Rat für islamische Lehre in Pakistan stellte sich hinter Transsexuelle, indem er Familien kritisierte, die Transsexuelle verstoßen und enterben würden (Spiegel 21.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

19. Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 3.3.2017).

 

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde im Jahr 2015 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie bewaffneten Konflikten, militärischen Operationen in der FATA, gezielte Angriffe, Ausgangssperren und interne Vertreibung sowie Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. 2015 kehrten immer mehr Menschen - welche im letzten Jahrzehnt wegen des bewaffneten Konflikts zwischen den Sicherheitskräften und militanten Extremisten gezwungen waren, aus den staatlich verwalteten Stammes-Bereichen der FATA zu fliehen - wieder zurück. Viele andere konnten aufgrund der prekären Situation in der konfliktbeladenen Gegend noch nicht wieder zurückkehren (HRCP 3.2016).

 

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Lebensgrundlage mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 30.5.2016).

 

Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazaras (ca. 3 Mio.), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazaras nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazaras aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 30.5.2016).

 

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen - wie oben dargestellt - innerstaatliche Fluchtalternativen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, KP, und New Durrani, FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs gemäß Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisation als besorgniserregend dar. Wiewohl die Rückkehr sowohl afghanischer Flüchtlinge, als auch intern vertriebener Pakistani in diesem Jahr stark zugenommen hat, erscheinen die diesbezüglichen Zielvorgaben der Regierung zumindest optimistisch, zumal die Sicherheitslage im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet - trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren - zuletzt wieder heikler geworden ist (ÖB 10.2016).

 

Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

20. IDPs und Flüchtlinge

 

20.1. IDPs

 

In Pakistan befanden sich neben der beträchtlichen Flüchtlingspopulationen aus Afghanistan Anfang des Jahres 2016 etwa 1,2 Mio. (registrierte) aus den Federally Administered Tribal Areas (FATA) und der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP; vormals North Western Frontier Province, NWFP) vertriebene Personen (Internally Displaced Persons, IDPs), von welchen lediglich rund 18.000 in eigens eingerichteten IDP-Camps untergebracht waren. Rund ein Drittel der registrierten IDPs soll Schätzungen von UNOCHA zufolge keinen Zugang zu Trinkwasser haben, zwei Dritteln fehlt es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betreffen die oft inadäquate Unterbringung, die mangelnden Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die unzureichende Infrastruktur. Im Zuge einer groß angelegten Rückführungsaktion in die Stammesgebiete sind seit März 2015 bisher - nach dem weitgehenden Ende der Militäroffensiven gegen Terroristen und Extremisten über 194.000 Familien in ihre Dörfer zurückgekehrt, womit noch rund 109.000 Familien vertrieben bleiben. Hinzu kommen noch ca. 3.5 Mio. von Naturkatastrophen (v.a. Überflutungen) betroffene Personen (ÖB 10.2016).

 

Die hohe Anzahl an Vertriebenen resultiert aus den Aktivitäten militanter Gruppen und den militärischen Operationen in den FATA (USDOS 3.3.2017).

 

Die Mehrheit der IDPs stammen aus den FATA. Gründe für die Vertreibung von Menschen aus den Provinzen KP und den FATA sind Konflikten, militärische Operationen und religiös motivierte Gewalt. Am Höhepunkt der Vertreibung im Jahr 2014 wurde die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge in den FATA auf etwa 1,4 Millionen Personen geschätzt. Vom Beginn der Krise bis Juni 2016 hat die nationale Datenbank und Registrierung Berechtigung (NADRA) 210.714 Flüchtlingsfamilien überprüft und registriert, welche nach Nord-Waziristan, Süd-Waziristan Khyber, Kurram und Orakzai zurückgekehrt sind. Diese Zahl von Binnenflüchtlingen beinhaltet jedoch nicht beträchtliche Anzahl von 117.508 innerstaatlichen Flüchtlingen, welche zwar zurückgekehrt waren, jedoch während des Zeitraumes der Vertreibung nicht registriert worden sind (GPC 8.2016).

 

Bei der Registrierung der IDPs war die Regierung mit Herausforderungen konfrontiert. Oft ist es schwierig festzustellen aus welchen Gegenden die Menschen fliehen und aus welchen Gründen. Jedoch wurde von einem lokalen Experten im Zuge der Fact Findung Mission des BFA 2015 berichtet, dass die Regierung bei der Registrierung der IDPs im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet hat. Es gibt aber auch lokal geführte Organisationen, wie Zalan Communications, die eine Hotline für Beschwerden der IDPs eingerichtet haben (BFA 9.2015)

 

Bei der Registrierung innerstaatlicher Flüchtlinge (IDPs) von NADRA müssen die Computerized National Identity Card (CNICs) vorgewiesen werden. Doch besaßen einige der Vertriebenen nie eine solche. Vor allem Frauen und Kinder waren davon betroffen. Gründe dafür liegen etwa im Verlust der CNICs während der Flucht, oder aber weil viele Frauen, oder Haushalte unter der Leitung von Frauen nicht registriert worden sind. Auch waren einige Stammesführer gegen eine Registrierung von Frauen (GPC 8.2016).

 

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren. Das bedeutet, die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die IDPs zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Für die Versorgung und den Schutz der IDPs ist in erster Linie die pakistanische Regierung zuständig. UNHCR und andere Organisationen unterstützen die Regierung dabei (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014).

 

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen Menschenrechtsorganisationen bei der Gewährleistung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, Asylsuchende und zurückkehrende Flüchtlinge (USDOS 3.3.2017).

 

Die durch die Konflikte vertriebenen Personen finden gewöhnlich bei Gastfamilien, in gemieteten Objekten oder in geringerem Ausmaß in IDP-Camps Unterkunft. Etliche IDPs ließen sich auch in informellen Siedlungen außerhalb der großen Städte wie Lahore und Karachi nieder (USDOS 3.3.2017).

 

Die soziale und wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge in den Flüchtlingsdörfern, v.a. aber in den Ballungszentren der Großstädte, wo pakistanische Binnenvertriebene regelmäßig Zuflucht suchen, ist schwierig (AA 30.5.2016).

 

Mit Stand 7.3.2017 sind seit März 2015 insgesamt 237.699 Familien in die FATA zurückgekehrt. 66.472 Familien sind derzeit noch vertrieben (OCHA 7.3.2017).

 

Gemäß OCHA sind seit 2015 75 Prozent der intern Vertriebenen in die FATA zurückgekehrt und 89 Prozent traten den Weg zurück in die Khyber Agency an. 72 Prozent der IDPs sind in die North Waziristan Agency und 64 Prozent aus der South Waziristan Agency zurückgekehrt. 77 Prozent der intern Vertriebenen kehrten in die Khurram Agency zurück und 66 Prozent traten den Weg zurück in die Orakzai Agency an (USDOS 3.3.2017). In 11 Prozent der rückgekehrten Familien stellten die Frauen das Familienoberhaupt (OCHA 7.3.2017).

 

Verbleibende Landminen und Sprengkörper in den von Kämpfen betroffenen Gebieten in den FATA einschließlich Nordwasiristan stellen ein Sicherheitsrisiko für die rückkehrende Zivilbevölkerung dar (SFH 2.5.2016).

 

Es liegen keine Berichte über unfreiwillige Rückkehr vor. Angeblich wollten trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur viele Vertriebene heimkehren. Für Binnenvertriebene, welche nicht willens oder nicht in der Lage waren zurückzukehren, koordiniert die Regierung mit dem UNHCR und anderen internationalen Organisationen die Rückkehr. Das World Food Programm stellt Lebensmittelrationen für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten für jene Vertriebenen zu Verfügung, welche in ihre Heimatregionen zurückgekehrt sind (USDOS 3.3.2017).

 

Bestimmte Formen der Unterstützung bzw. Versorgung von IDPs in den Camps wird vom Militär, von der Bundesregierung, sowie von NGOs gewährleistet. Wie oben erwähnt, stehen IDPs vor großen Herausforderungen, v.a. Bildung hat nur eine niedrige Priorität. In den Camps wird Bildung in informeller Form von NGOs und der pakistanischen Regierung gewährleistet. Die meisten IDPs leben jedoch nicht in Camps, und ihre Kinder sind an Schulen eingeschrieben (BFA 9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20.2. Afghanische Flüchtlinge

 

Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan, eine Million davon sind nicht registriert. 2007 hatte Pakistan die Registrierung von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt, allen danach Angekommenen wurde keine "Proof of Registration Card" ausgestellt (IRIN 10.11.2016). Ein großer Anteil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan sind Migranten der zweiten oder dritten Generation, die Afghanistan kaum kennen. Viele der in Pakistan lebenden Afghanen flohen schon in den 80er-Jahren vor den Kämpfen zwischen sowjetischen und afghanischen Truppen (Newsweek 14.11.2016).

 

Eine noch nie da gewesene Zahl an Afghanen verließ im Jahr 2016 - zum Teil fluchtartig - Pakistan (IRIN 13.9.2016), seit die pakistanische Regierung Ende Juni 2016 den 31.3.2017 als Deadline zur freiwilligen Rückkehr für die in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlinge festlegte. Nach diesem Stichtag würde Pakistan mit der Abschiebung aller [auch der registrierten] afghanischen Flüchtlinge beginnen (IRIN 10.11.2016).

 

Mit Stand 26.11.2016 bezifferte die UN Nothilfe-Koordinierungsstelle, UN OCHA, die Zahl der in Pakistan registrierten Afghanen, die im Jahr 2016 zurück gekehrt waren, mit 381.094, jene der nicht-registrierten mit 236.724. Davon fielen laut Statistiken auf die Zeitspanne bis Ende Juni 2016 insgesamt nur etwas mehr als 6.000 (OCHA 2.12.2016).

 

Internationalen Medien und Hilfsorganisationen zufolge ging die Ankündigung der Deadline mit einer breiten Kampagne der Einschüchterung und Belästigung durch die Sicherheitskräfte einher;

auch gab es weitere Berichte über Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Einfordern von hohen Bestechungsgeldern und anderen Formen der Belästigungen durch die Polizei sowie Abschiebungen (VOA 16.10.2016;

vgl. IRIN 13.9.2016; Newsweek 14.11.2016) - zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen wie neuen Visabestimmungen, kürzeren Verlängerungen der "Proof of Registration (POR) Card" und vermehrt durchgeführten Razzien (VOA 16.10.2016). Aufgrund der gehäuften Razzien wurde es auch zunehmend schwieriger in den bisher üblichen Nischen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (IRIN 23.6.2016). Nicht registrierte Flüchtlinge sind in einem noch größeren Ausmaß anfällig Opfer von Übergriffen durch die Behörden zu werden und stehen somit unter einem noch größeren Druck, Pakistan zu verlassen (IRIN 10.11.2016).

 

UNHCR Vertreter in Pakistan bezeichneten im Oktober 2016 die Rückkehr der registrierten afghanischen Flüchtlinge allerdings als "großteils freiwillig" und führten den hohen Anstieg auch auf die ab Juni 2016 erfolgte Verdoppelung der Barzuschüsse von 200 auf 400 Dollar pro Person für die Rückkehr, sowie auf eine neue Rückkehrkampagne der afghanischen Regierung, zurück (VOA 16.10.2016). Das Rückführungsprogramm des UNHCR, inklusive der genannten Barzuschüsse, zu dem nur die registrierten afghanischen Flüchtlinge berechtigt sind, ist nun für die Winterperiode vom 1.11.2016 bis zum 1.3.2017 ausgesetzt (IRIN 10.11.2016). Nach Angaben des pakistanischen Ministers für die Grenzregionen ["Minister for States and Frontier Regions"] wurde auch die staatliche Repatriierung der Afghanen von November 2016 bis Februar 2017 ausgesetzt, einem formalen Antrag des UNHCR, der afghanischen Regierung und einiger Oppositionsparteien folgend (IRIN 10.11.2016). Im November 2016 ist die Zahl der rückkehrenden registrierten afghanischen Flüchtlinge schließlich stark gesunken (OCHA 2.12.2016). Anfang Dezember 2016 schließlich meldeten pakistanische Medien, dass die Regierung die Deadline auf den Dezember 2017 verlängert hat (Dawn 2.12.2016).

 

91 Prozent der registrierten und 87 Prozent der nicht-registrierten rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge passierten den Grenzübergang Torkham in die afghanische Provinz Nangarhar (OCHA 2.12.2016). Doch sieht sich Nangarhar selbst mit den Problemen innerstaatlicher Flüchtlinge konfrontiert aufgrund von Gefechten zwischen Regierungstruppen - unterstützt von alliierten Streitkräften - und den Taliban bzw. des IS (IRIN 13.9.2016). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und UNHCR warnten auch im Zusammenhang mit Binnenflüchtlingen in Afghanistan vor einer schweren humanitären Krise (IOM 9.9.2016). Die Zahl der Rückkehreren aus Pakistan hatte UNHCR für das Jahr 2016, basierend auf Trends der letzten Jahre, auf nur 50.000 geschätzt (Dawn 2.12.2016).

 

Der afghanischen Regierung wird wiederum vorgeworfen, es verabsäumt zu haben, den rückkehrenden Flüchtlingen "angemessene Lebensbedingungen" zu bieten. Der afghanische Minister für Flüchtlinge und Rückführung führte indes an, dass die afghanischen Flüchtlinge von Pakistan als politisches Instrument verwendet werden (Tolo News 25.9.2016). So hatten sich Spannungen zwischen Afghanistan und Pakistan zugespitzt und mündeten im Juni in vermehrten Schusswechsel an der Grenze zwischen Militärs beider Länder (IRIN 23.6.2016). Auch trübt der Ausbau der afghanisch-indischen Beziehungen zusätzlich die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten (Dawn 24.10.2016).

 

Rückkehrern werden von der pakistanischen National Database and Registration Authority (NADRA) de-registriert und ihre zum Aufenthalt in Pakistan berechtigenden Proof of Registration (PoR) Cards ungültig gemacht. Zur Sicherstellung, dass kein Rückkehrer den vom UNHCR ausbezahlten Voluntary Repatriation and Reintegration Cash Grant iHv mehrmals bezieht, wird sodann ein Iris-Scan abgenommen, ehe ein Voluntary Repatriation Form (VRF) ausgestellt wird. Daraufhin wird die Weiterreise nach Afghanistan angetreten. Innerhalb von sieben Tagen nach Ausstellung der VRF wird die finanzielle Unterstützung in sogenannten Encashment Centre (EC) ausbezahlt (ÖB 30.9.2016).

 

Als maßgebliche Faktoren für eine Rückkehr - welche auch weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgt - wurden der Aufruf des afghanischen Präsidenten Ghani zur Heimkehr und die zu diesem Zweck seit Juli 2016 vom afghanischen Ministry of Refugees and Repatriation (MoRR) betriebene Kampagne Khpal Watan, Gul Watan ("My country, my beautiful country"), die Verdoppelung des UNHCR Voluntary Repatriation and Reintegration Cash Grant auf USD 400,- im Juni 2016 - welche angesichts der Größe afghanischer Flüchtlingsfamilien einen relativ hohen Betrag ergeben kann - sowie der Aufbau eines neuen Grenzmanagements an der Durand Line durch Pakistan genannt, womit auch die Einreise für Afghanen mit gültigen Reisedokumenten eingeschränkt worden ist. Auch wird eine Verschärfung der pakistanischen Rückführungspolitik gegenüber afghanischen Flüchtlingen angeführt. Eine vom beachtlichen Anstieg an Rückkehrern der den letzten Monaten ausgelöste Gruppendynamik trug ebenso zu der vermehrten Rückreise bei. Eine (relative) Verbesserung der Sicherheitslage im Grenzgebiet, sowie die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zwischen Afghanistan und Pakistan und die damit einhergehenden - in zunehmendem Maße feststellbaren - Schikanen und mangelnde Akzeptanz seitens der pakistanischen Bevölkerung und auch den Behörden werden ebenfalls als Entscheidungsgrundlage zur Rückreise nach Afghanistan angegeben (ÖB 30.9.2016).

 

Die bei UNHCR registrierten Flüchtlinge werden von UNHCR und NGOs mit dem Notwendigsten versorgt. Die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht den Betroffenen zunächst größere Planungssicherheit und allgemein eine Verbesserung des Rechtsrahmens sowie des wirtschaftlichen Status (Erlaubnis zur Eröffnung von Bankkonten, Erhalt eines Führerscheins, Eröffnung einer Firma, etc.), greift allerdings ausschließlich für registrierte Flüchtlinge. Afghanische Flüchtlinge müssen im Alltagsleben mit Diskriminierung sowie Schikanen durch die Polizei rechnen (AA 30.5.2016).

 

Da keine neuen PoR Cards mehr ausgestellt werden, betrieb UNHCR Pakistan ein Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für Afghanen, die nicht im Besitz einer PoR Card sind, zum Beispiel, weil sie erst vor kurzem eingereist sind bzw. in besonderen Einzelfällen, in denen UNHCR aufgrund der besonderen Verletzlichkeit der betreffenden Person/Familie eine Weiterwanderung in ein Drittland (Resettlement) vorsieht. Das Flüchtlingsfeststellungsverfahren wird von UNHCR auf der Basis seines Mandates und in Vertretung der pakistanischen Regierung durchgeführt, da Pakistan weder zu den Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gehört, noch über ein nationales Flüchtlingsgesetz verfügt. Eine leitende Mitarbeiterin schätzt, dass circa 50 Prozent aller afghanischen Antragssteller in Pakistan vom UNHCR anerkannt werden. Der pakistanische Staat anerkennt das Non-Refoulement Prinzip für vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Pakistan gehört zu den sieben bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt und das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23 Jahre angenommen (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung.

 

(AA 12 .2016c).

 

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 Prozent; der Sektor umfasst u.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 Prozent). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 Prozent) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 Prozent der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 Prozent der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 12 .2016c).

 

Neben der fortlaufenden komplexen Notsituation in den FATA und KP, sieht sich Pakistan Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen ausgesetzt (USAID 6.1.2017).

 

Wiederkehrende Katastrophen in Kombination mit der chronischen Armut begrenzen die Möglichkeiten für bedürftige Haushalte sich adäquat zu versorgen und führen zudem zu Vertreibung und humanitären Bedürfnissen (USAID 30.6.2016).

 

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption, einer angespannten Sicherheitslage und der sich nur langsam verbessernden Energiekrise (AA 12 .2016c).

 

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 12 .2016c).

 

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund fünf bis sieben Prozent des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa $ 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der Nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich $133 Millionen aufgrund von Korruption verliert. Weniger als ein Prozent der pakistanischen Bürger zahlen Steuern (Dawn 1.4.2016).

 

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Pakistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt - viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

 

Die Wirtschaftskammer Österreich sieht in ihrem aktuellen Länderbericht zu Pakistan rund 60,5 Prozent der pakistanischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (WKO 23.1.2017).Von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 sind etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent (IOM 7.1.2016). Die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich in Pakistan auf 10,4 Prozent. Dieser Wert ist der Mittelwert der Arbeitslosenrate der 15 - 24 jährigen Pakistani. So sind 12,9 Prozent der weiblichen pakistanischen Jugendlichen und 9,4 Prozent der männlichen pakistanischen Jugendlichen ohne Beschäftigung (CIA 12.1.2017). Prognosen weisen auf eine Steigerung der pakistanischen Arbeitslosenquote seit 2007 von 5,2 Prozent auf erwartete rund 6 Prozent im Jahr 2017 (Statista 2017). Im Country Fact Sheet Pakistan vom Jänner 2016 berichtet IOM über Möglichkeiten von Beschäftigung in Pakistan. Demnach waren von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Unterstützt werden die Arbeitssuchenden vom Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme, welche das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, sowie der Small and Medium Enterprise (SME). Auch diese soll Arbeitsplätze im Land schaffen (IOM 7.1.2016).

 

Pakistanis sind in unterschiedlichem Ausmaß von Armut betroffen. Zwar sank die nationale Armutsquote seit 2004 von 55 Prozent auf 39 Prozent, doch leben somit 39 Prozent der Pakistani in Armut. Die höchsten Quoten mit Bezug auf Armut fallen dabei auf die vom Bund verwalteten Tribal Areas (Fata) mit 73 Prozent und Belutschistan mit 71 Prozent. Auch gibt es massive Unterschiede zwischen den städtischen Bereichen mit 9,3 Prozent und den ländlichen Bereichen mit 54,6 Prozent (Dawn 21.6.2016). Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In größeren Städten ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. 47,7 Prozent bis 80 Prozent der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet (TET 4.8.2015).

 

Nur rund 1.59 Millionen der 59 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2013 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 3.2014). Rund zwei Millionen Pakistani sind in verschiedenen Formen moderner Sklaverei tätig (HRCP 3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.1. Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

 

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 Prozent des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vgl. BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6 .2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2014; vgl. PBM o.D.a; PBM o. D.b). Der Finanzminister hat das Budget von PBM von 2 Milliarden Rupien auf 4 Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6 .2013).

 

Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D.a; vgl. PBM o.D.b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.2. Wohlfahrt-NGOS

 

Private Einrichtungen wie der Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6 .2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015).

 

Edhi Foundation ist das größte und am besten organisierte sozialen Sicherungssystem in Pakistan. Das Leistungsspektrum der Edhi Foundation bietet in einen 24-Stunden-Notfall-Service bundesweit bei über 335 Edhi Zentren und einer Flotte von 1800 Krankenwagen, die kostenlose Hilfe bei der Bergung von Leichen, der Gewährung von Unterschlupf für Waisen und Behinderten, einer kostenlosen Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. Sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).

 

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad bietet in 14 Bezirken in Punjab Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen und Kinder, an (UNESCO 2017).

 

Unterstützung bei der Arbeitssuche wird u.a. durch das Tameer-e-Pakistan Programm angeboten. Es ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme mit dem Ziel, Arbeitsplätze im Land zu schaffen und die Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu verbessern (IOM 7.1.2016).

 

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 56 Distrikten der vier Provinzen - inklusiv Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 2,3 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von mehr als 155.427 kommunale Gemeinschaften bilden (Gov Pak 16.10.2015). Die ländliche Entwicklungsorganisation National Rural Support Programm (NRSP) ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm. Die Organisation bezifferte mit Stand August 2016 die Zahl der an ihren verschiedenen Programmen teilnehmenden Männer und Frauen auf über drei Millionen. Es bietet Schulungen für berufliche Fortbildung, Alphabetisierungskurse, Gesundheitsvorsorgeprogramme, Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D.b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Staatliche - oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 30.5.2016).

 

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART - eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten. Das Projekt wird durch den Asyl, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert. Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr von Österreich nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt sieht die Teilnahme von 330 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen. Die Reintegrationsunterstützung beinhaltet Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich, Beratung der Rückkehrer nach der Ankunft im Herkunftsland bezüglich ihrer Chancen und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation. Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld wird auch angeboten, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken. Des Weitern gibt es Reintegrationsunterstützung in Form von Sachleistungen wie Unterstützung bei einkommensgenerierenden Aktivitäten wie der Gründung eines Kleinunternehmens, dem Eingehen einer Geschäftspartnerschaft (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren), oder einer Berufsausbildung, Unterstützung für vulnerable Personen:

Verbesserung der Lebensumstände, Unterkunft, Aus- und Weiterbildung, Kinderbetreuung und Medizinische Unterstützung. IOM und lokale Partnerorganisationen führen in den Herkunftsländern Monitorings in Form von Interviews und Besuchen bei den Projektteilnehmer durch (IOM o.D.). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch - das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen erfahren können (IOM 7.1.2016).

 

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Mit Programmen in 113 Bezirken hat WELDO eine große Reichweite. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen dazu dienen, die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der die nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr aus den Partnerländern. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (WELDO 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

22. Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 10.3.2017). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf die private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).

 

Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan für seine Bevölkerung über 1.142 Krankenhäuser, 5.438 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 671 Mutter-Kind-Gesundheitszentren. Für die Patientenversorgung stehen insgesamt nur 175.223 Ärzte, 90.276 Krankenschwestern und 118,041 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP 3.2016).

 

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit Ausnahme der FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hochspezialisierte Versorgung) ist auf akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind (EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt (hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene Kosten für Krankenhausaufenthalte werden gedeckt bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene Krankheiten. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24 Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit abhängig (IOM 7.1.2016).

 

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 30.5.2016). In Islamabad und Karachi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau gewährleistet und damit auch teuer (AA 10.3.2017). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM (BAA 6 .2013; vgl. BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, in Pakistan behandelbar und lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Dies wird unterstrichen durch die Gegebenheit, dass in kleinen Spitälern, wie z.B. dem Rawalpindi Lepra Spital, keine Medikament importiert werden, sondern sogar selbst produziert werden (BFA 9.2015). Darüber hinaus wurden medizinische Geräte entwickelt bzw. in Pakistan verfügbar gemacht. Die medizinischen Ressourcen, die in der Vergangenheit unmöglich zu bekommen waren, können nun in Pakistan erworben werden. Dennoch werden Dienstleistungen nicht aktiv angeboten (BFA 9.2015).

 

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh (BAA 6 .2013) oder in Punjab (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen (BAA 6 .2013). Beluchistan hat beispielsweise weniger medizinische Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit (BAA 6 .2013). Nach aktuellsten Angaben der Vereinten Nationen beträgt die Müttersterblichkeitsrate 178 Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten (USDOS 3.3.2017). So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6 .2013).

 

Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung, dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark ausgeprägt (BFA 9.2015).

 

Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern (BAA 6 .2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme (BAA 6 .2013; vgl. auch EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überlastet sind aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6 .2013).

 

Die beste medizinische Behandlung wird vom Militär angeboten. Das Militär ist sehr gut organisiert und die Qualität ist sehr hoch. Zivilisten können dort auch behandelt werden, jedoch ist die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015).

 

Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).

 

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 30.5.2016; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 30.5.2016). Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte verkauft werden (AA 10.3.2017). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde (Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6 .2013). Die Apotheken der großen Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 10.3.2017; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Allerdings haben sich in den vergangenen Monaten die Preise von zahlreichen Medikamenten stark erhöht, so dass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen unerschwinglich geworden sind. Einer der Hauptgründe dieser Erhöhung ist die unbefriedigende Leistung der DRAP und anderen Partnerbehörden, die keine Maßnahmen dagegen ergriffen haben (Lancet 7.11.2016).

 

Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vgl. Lancet 2.2017: nur 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).

 

In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen. Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 Prozent der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6 .2013).

 

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6 .2013; vgl. AA 30.5.2016). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6 .2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 30.5.2016). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen begrenzt (USDOS 3.3.2017).

 

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6 .2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).

 

Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vgl. BAA 6 .2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6 .2013).

 

Pakistan ist eines der verbleibenden zwei Länder, in denen Polio endemisch ist, allen voran in den FATA, wo mit den Taliban verbündete bewaffnete Gruppen in Streit mit der pakistanischen Regierung liegen (SHCC 23.5.2016). Die Taliban verbieten Impfungen, greifen medizinisches Impfpersonal an und führen gezielte Angriffe gegen medizinische Mitarbeiter durch (Dawn 24.11.2016). Dennoch wurden Fortschritte bei der Verringerung von Poliovorkommen gemacht. So ist die Zahl von neuen Fällen von 2014 auf 2015 um 80 Prozent gesunken. Intensiverer Polizeischutz für das Impfpersonal hat zu einer Verringerung solcher Angriffe geführt, nachdem kritisiert wurde, dass Impfärzte großer Gefahr ausgesetzt sind (SHCC 23.5.2016). Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von Haftbefehlen für jene Eltern und Erziehungsberechtigten, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder widersetzten (Dawn 24.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23. Rückkehr

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende

 

Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 30.5.2016).

 

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance, 1979 , namentlich wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Art. 8 Abs. 2 leg. cit.), oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel) (ÖB 10.2016).

 

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland, Spanien und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 30.5.2016).

 

Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder verlangt wurden (entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karachi und Lahore bekannt). Außerdem berichtete IOM von der folgenden Prozedur bei der Rückkehr: Die ohne gültigen Reisepass nach Pakistan Zurückkehrenden werden von der Anti-Human Trafficking Cell der Federal Investigation Agency (FIA) über mehrere Stunden verhört, wobei die Behandlung der Betroffenen zu wünschen übrig lasse und auch eine mehrtätige Festhaltung vorkomme (im Einzelfall hänge dies u.a. auch vom Auftreten der Rückkehrenden ab) (ÖB 10.2016).

 

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger Registrierung. So sollen angeblich über 96 Prozent der Bürgerinnen und Bürger biometrische ID Cards - einschließlich der Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. ID-Karten sind erforderlich, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).

 

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (NADRA 2016).

 

Die Pakistan Origin Card (POC) können Personen erhalten, welche ausländische Staatsbürger sind, oder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens eine Staatsbürger oder ein Staatsbürger Pakistans gewesen sind. National Identity Card for Overseas Pakistanis - (NICOP) werden durch die NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit einer Doppelstaatsbürgerschaft besitzen und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18 Jahren ausgestellt (NADRA 2016).

 

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 30.5.2016).

 

UNOCHA arbeitet in Pakistan neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 internationale NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-(I)NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden: ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba (HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan Village Development Program (PVDP);

Poverty Alliance Welfare Trust (PAWT); PREPARED; Punjab Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP);

Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.1.

 

 

 

 

 

 

Parachinar wird hauptsächlich von der schiitischen Gemeinde bewohnt. Es existieren dort einige schiitische Organisationen, wie beispielsweise die "Thereek-e-Hussania, "Anjuman-e -Hussania" etc., die dort auch operieren. Diese Organisationen assistieren der schiitischen Gemeinde in mehrfacher Hinsicht. Während der Taliban-Zeit ist es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und der schitischen Gemeinde wie auch zwischen der schiitischen und der sunnitischen Gemeinde gekommen. Aus diesem Grund sind viele schiitische Familien aus dem Gebiet ausgewandert. Jetzt ist die Situation jedoch aufgrund der Bemühungen seitens der pakistanischen Armee unter Kontrolle und die Taliban sind beinahe vollkommen aus dem Gebiet verschwunden. Die gegenwärtige Lage in Kurram Agency ist aufgrund der Bemühungen des Militärs und der Strafverfolgungsbehörden stabil.

 

Schiitische Muslime in Pakistan befinden sich an einigen Orten in einer schwierigen Lage. Parachinar wird hauptsächlich von schiitischen Muslimen bewohnt und dementsprechend werden sie in diesem Gebiet nicht bedroht, da es sich bei ihnen um die Mehrheit handelt; dennoch kommt es zu Vorfällen

 

(Quelle: Auskunft der ÖB Islamabad an das Bundesverwaltungsgericht vom 26.12.2016).

 

Dem derzeitigen Sekretär der Organisation Anjuman-e Hussania zufolge sind seit 2011/2012 keine Taliban in den schiitischen Gebieten; die Schiiten fühlten keine Bedrohung durch die Taliban, eine Sorge sei gegebenenfalls Daesh (IS), der sich aber in Afghanistan bewegt (Quelle: Sekretär der Anjuman-e Hussania persönliche Auskunft an die Staatendokumentation des BFA vom 04.05.2017)

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

3.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben, an denen auf Grund seiner Sprachkenntnisse, der örtlichen Kenntnisse und Gegebenheiten auch nicht zu zweifeln war. Mangels Vorlage personenbezogener Dokumente konnte die Identität des BF jedoch nicht abschließend festgestellt werden. Die in der Einvernahme durch den BF berichtigte Schreibweise seiner Vornamen konnte ebenfalls durch keine Dokumente belegt werden.

 

Die Feststellungen hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den familiären und privaten Verhältnissen sowie zum Gesundheitszustand des BF gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.

 

Die festgestellte Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem hg. erstellten aktuellen Strafregisterauszug. Der Bezug aus Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus einem hg. erstellten Speicherauszug.

 

Die festgestellten Deutschkenntnisse und Kursbesuche und Aktivitäten des BF in der Asylunterkunft basieren auf den vorgelegten Nachweisen (AS 167 bis 187, in der hg. Verhandlung vorgelegte Unterlagen); dass der BF das ÖSD Zertifikat A2 bestanden hat ergibt sich aus dem vorgelegten Zertifikat (AS 175). Die Feststellung der Absolvierung einer Lehre resultiert aus dem in der hg. Verhandlung vorgelegten Lehrvertrag der Wirtschaftskammer XXXX vom 15.11.2017.

 

Die Feststellung, dass der BF in Österreich keine Verwandten aber andere Bezugspersonen hat, beruht auf den eigenen Angaben des BF, an denen nicht zu zweifeln war. Ein besonderes Naheverhältnis zu diesen Personen wurde vom BF allerdings nicht angegeben. Dass ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu einer Person in Österreich besteht, verneinte der BF explizit (AS 42).

 

Die festgestellte gemeinnützige Arbeit beim Magistrat XXXX wurde durch entsprechende Bestätigungen belegt (AS 179 bis 181). Das engagierte Verhalten des BF in den Asylquartieren wurde bestätigt durch entsprechende Schreiben des Roten Kreuzes (AS 185 bis 187).

 

3.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

 

3.3.1 Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf den Angaben des BF in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde.

 

3.3.2. Die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen weisen keine persönliche und aktuelle Bedrohung des BF auf. Das Vorliegen von Bedrohungen im Sinne der Genfer Konvention verneinte der BF explizit und war auch von Amts wegen keine solche Bedrohung ersichtlich. Der BF berief sich ausschließlich auf die allgemeine Lage der Schiiten und die allgemeinen Umstände in Pakistan, brachte jedoch abgesehen von der behauptung eines Entführungsversuches keine persönliche Bedrohung vor. Der durch den BF geschilderten Situation im Jahr 2013, als er einer Entführung durch Weglaufen entgangen sei, konnte ebenso keine Asylrelevanz attestiert werden. Die beweiswürdigenden Argumente des BFA werden durch die erkennende Richterin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung geteilt.

 

3.3.3. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559).

 

Seitens des Höchstgerichtes wurde auch in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH, 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357).

 

Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).

 

Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern.

 

Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).

 

Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des BF und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.06.2000, 2000/01/0093).

 

Ferner ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG (Anm.: bzw. nach dessen Nachfolgerbestimmung § 3 AsylG) bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen die Annahme sprechen (vgl. zum Bericht der Glaubhaftmachung:

Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991), 137 f, s. a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck, AsylG 1997, RZ 314, 524).

 

Kriterien der Glaubhaftmachung finden sich exemplarisch auch in Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG ), worin folgende Faktoren angeführt werden:

 

Dass der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

 

Dass alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

Dass festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

Dass der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war.

 

Dass die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

 

3.3.4. Zu den seitens des Beschwerdeführers geltend gemachten ausreisekausalen Vorfällen:

 

Die belangte Behörde prüfte zunächst das etwaige Vorliegen potenzieller Vulnerabilität des BF, welche unabhängig vom Fluchtvorbringen zu beurteilen war. Aufgrund dessen, dass der BF in seinem Herkunftsstaat nicht politisch engagiert war, ließen sich Verfolgungsmechanismen in diesem Zusammenhang ausschließen. Dasselbe gilt für geschlechtsspezifische Verfolgungen oder wirtschaftliche Benachteiligungen aufgrund des Alters. Dadurch, dass der BF die gebräuchliche Landessprache spricht, ist auch ein Anschluss an das herrschende Gesellschafts- und Kulturleben möglich. Das Vorliegen einer besonderen Stellung des BF innerhalb der Pakistanischen Gesellschaft, etwa durch Geburt, soziale Stellung, religiöses Fachwissens etc. wurde von der belangten Behörde zu Recht verneint. Der BF brachte keinerlei Hinweise auf eine solch besondere Stellung vor. Das Vorliegen einer besonderen Vulnerabilität des BF wurde daher seitens des BFA zu Recht in allen Aspekten zu Recht verneint.

 

Der BF brachte zu seinen Ausreisegründen befragt vor, dass er seinen Herkunftsstaat aufgrund der Probleme zwischen Sunniten und Schiiten in der Kurram Agency verlassen habe sowie aufgrund der allgemeinen Probleme mit dem IS, den pakistanischen Geheimdiensten (ISI) und den Taliban, wobei einmal Unbekannte versucht hätten, den BF zu entführen. Etwaige andere Fluchtgründe wurden vom BF im behördlichen Verfahren, auch über ausdrückliches Nachfragen, nicht dargetan. Als der BF gefragt wurde, ob er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion in seinem Herkunftsstaat Probleme gehabt habe, verneinte er dies. Die Möglichkeit noch weitere Angaben zu machen, schlug er aus (AS 43).

 

Die seitens des BF gemachten Angaben, wonach einmal versucht worden sei, ihn zu entführen und er einmal Probleme wegen der Anschuldigung, eine Moschee in Brand gesettzt zu haben, sind aus nachfolgenden Gründenals unglaubwürdig zu qualifizieren:

 

Vorerst fällt im Vergleich der Angaben des BF in der Erstbefragung mit jenen in der behördlichen Einvernahme und in der hg. Verhandlung auf, dass dieser auch im Zuge der Erstbefragung lediglich allgemein zu seinen Ausreisegründen folgende Ausführungen traf:

 

"Ich bin aus Pakistan ausgereist, weil die Situation dort ziemlich unsicher ist. Es gibt dort Taliban und die IS-Kämpfer. Mein Leben war dort ständig in Gefahr. Ich konnte dort nicht studieren und nicht arbeiten." (AS 9)

 

Die erkennende Richterin lässt diesbezüglich auch nicht die aktuelle höchstgerichtliche Judikatur zur Unzulässigkeit unreflektierter Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung außer Acht (VfGH, 20.02.2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, VwGH, 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, VwGH, 13.11.2014, Ra 2014/18/0061, VwGH 24.02.2015, Ra 2014/19/0171, VwGH 31.03.2016, Ra 2015/20/0234-10).

 

Es fällt jedoch bei Gegenüberstellung der Angaben des BF in der Erstbefragung mit jenen in der behördlichen Einvernahme auf, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner Erstbefragung keinerlei individuellen Momente schilderte, welche eine konkrete Betroffenheit bzw. Gefährdung seiner Person durch Übergriffe der Taliban oder der Sunniten umschrieb, sondern traf dieser im Zuge seiner Erstbefragung zu seinen Ausreisegründen die obzitierten allgemeinen Angaben.

 

Die zitierten Ausführungen der Erstbefragung traf der BF auch nach der Belehrung eingangs der Erstbefragung, wonach nunmehr eine solche Befragung stattfinde und die Angaben des BF eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung des BFA seien und der BF aufgefordert sei, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (AS 3).

 

Der BF erwähnte im Zuge dieser Befragung weder eine später im Verfahren behauptete versuchte Entführung seiner Person noch die persönliche Anschuldigung hinsichtlich der Zerstörung einer Moschee mit einem Wort.

 

Als Erklärung führte der BF dazu in der hg. Verhandlung befragt, ins Treffen, dass ihm gesagt worden sei, dass er zu seinen Ausreisegründen zu einem späteren Zeitpunkt einvernommen werde.

 

Dem Protokoll der Erstbefragung ist jedoch die Manuduktion des BF dahingehend zu entnehmen, dass die do. Angaben wesentliche Grundlage für die Entscheidung des Bundesamtes sind und der BF aufgefordert wurde, diurch vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken, sodass die Erklärung des BF in der hg. Verhandlungzum Unterbleiben individueller Ausreisegründe nicht plausibel ist.

 

Dadurch, dass der Beschwerdeführer keinerlei ihn selbst konkret betreffende Angaben im Zuge der Erstbefragung traf, sondern sich lediglich auf allgemein gehaltene Ausführungen beschränkte und keinen der beiden später im Verfahren angegebenen Vorfälle schilderte, wird die Ansicht der erkennenden Richterin bestärkt, wonach die Angaben des BF hinsichtlich der ihn betreffenden Vorfälle als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.

 

Dabei wird nicht ignoriert, dass grundsätzlich ein Heranziehen der Angaben eines Asylwerbers in der Erstbefragung und jener in der Einvernahme vor dem BFA nicht zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung zulässig ist und wird dabei auch die höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Thematik nicht übersehen. Nun ist zwar grundsätzlich eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der oder den Einvernahme(n) im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung - wie in der Beschwerde ausgeführt - lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat.

 

Die erkennende Richterin lässt diesbezüglich auch nicht die aktuelle höchstgerichtliche Judikatur außer Acht (VfGH, 20.02.2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, VwGH, 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, VwGH, 13.11.2014, Ra 2014/18/0061).

 

Im gegenständlichen Fall stellt das Vorbringen in der Einvernahme jedoch kein im Verhältnis zur Erstbefragung detaillierteres Vorbringen dar, sondern beschränkte sich der BF in der Erstbefragung überhaupt auf die Darstellung einer allgemeinen Bedrohungslage. Erst in der Einvernahme behauptete der BF -jedoch auch erst über konkretes Befragen- ein eigentlich völlig anderes - neues - Geschehen, in dem der BF nunmehr davon sprach, individuell von den Taliban bedroht worden zu sein.

 

Wenngleich die Erstbefragung oftmals unmittelbar nach längerer Reisebewegung und daraus resultierender möglicher Erschöpfung stattfindet, so hat der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen erst im Zuge der Einvernahme vor dem BFA auf seine eigene Person konkretisiert und hat er einen plausiblen Grund für dieses im Ergebnis doch erheblich unterschiedliche Fluchtvorbringen nicht anzugeben vermocht.

 

Hiezu sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es der erkennenden Richterin des Bundesverwaltungsgerichts auffällt, dass oftmals bei Anträgen auf internationalen Schutz, welche sich letztlich als unbegründet erweisen, erst im Rahmen einer der Erstbefragung folgenden Einvernahme neue Vorbringen erstattet bzw. die Vorbringen ausgewechselt werden, wodurch versucht wird, dem Vorbringen im Verfahren mehr Asylrelevanz bzw. diesbezügliche Substanz zu verleihen. Es wird auch nicht verkannt, dass es durchaus plausible Erklärungen für eine derartige Vorgehensweise geben mag, doch war der BF nicht in der Lage, eine solche nachvollziehbare Erklärung für das Auswechseln seiner Angaben im Verfahren abzugeben.

 

Ferner ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass eine Person bei der Schilderung ihrer Ausreisegründe das eindringlichste Erlebnis, von dem sie selbst unmittelbar betroffen ist, zuerst ins Treffen führt, anstatt zuerst von der allgemeinen Lage oder nicht persönlich zutreffenden Vorkommnissen zu berichten, was aber in der Erstbefragung des BF nicht geschehen ist.

 

Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, kommen der Wahrheit in der Regel am nächsten (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0356).

 

Befragt nach einem persönlichen Angriff seiner Person, brachte der BF in der behördlichen Einvernahme vor, im Jahr 2013, als er auf dem Weg zum College gewesen sei, beinahe von vier Personen entführt worden zu sein. Die vier Personen seien maskiert und etwa 500 Meter vom BF entfernt gewesen, doch habe es sich, nach den Angaben des BF, jedenfalls um einen Entführungsversuch gehandelt, da es viele solcher Fälle zu dieser Zeit gegeben habe. Bis zu US-Dollar 50.000 hätten die Taliban von Familien Entführter als Lösegeld verlangt.

 

In diesem Zusammenhang fällt jedoch auch auf, dass der BF im Zuge seiner eigeninitiaitiven Schilderung der Ausreisegründe in der behördlichen Einvernahme, gleich wie in der Erstbefragung, lediglich auf die allgmeine, im Zeitraum zwischen 2007 bis 2014 von Unruhen geprägte Situation in seiner Herkunftsprovinz, auf welche er ausführlich (die diesbezüglichen Schilderung nehmen im behördlichen Protokoll eine halbe A-4-Seite ein, AS 37), bezug nahm, ohne konkrete, seine Person betreffende Vorkommnisse zu erwähnen oder anzudeuten.

 

Erst über die Frage des einvernehmenden Referenten, ob er einmal persönlich von Sunniten attackiert worden sei, bejahte dies der BF und erklärte, dies sei einmal der Fall gewesen, ohne jedoch weiter von sich aus die betreffenden Gründe zu schildern.

 

Illustrativ sei dazu auf folgende Passage in der behrödlichen Einvernahme verwiesen (AS 38):

 

LA: Wurden Sie schon einmal persönlich von Sunniten attackiert?

 

VP: Ja, ein Mal.

 

LA: Wann war das ?

 

VP: 2013. Ich war Richtung College unterwegs.

 

LA: Was ist passiert?

 

VP: Sie wollten mich entführen.

 

LA: Wie viele Personen waren das?

 

LA: Vier Personen.

 

Bereits die Tatsache, dass der BF weder in der Erstbefragung noch eingangs der behördlichen Einvernahme im Zuge seiner eigeninitiativen Schilderung aus eigenem keine ihn persönlich treffenden Gründe für seine Ausreise benannte, sondern solche erst über Befragen erwähnte, wobei auch die diesbezüglichen Ausführungen als äußerst kurz und abstrakt zu bezeichnen sind, ist geeignet, die Glaubwürdigkeit der betreffenden Angaben des BF in Zweifel zu ziehen.

 

Auch in der hg. Verhandlung wurde der BF zu jenem behaupteten Vorfall befragt und ist dazu festzuhalten, dass er im Zuge seiner eigeninitiativen Schilderung der Ausreisegründe vorerst dazu lediglich unsubstantiiiert erklärte, dass vier Männer versucht hätten, ihn am Weg zum College zu entführen, was diesen nicht gelungen sei, da er flüchten habe können.

 

Über Aufforderung durch die erkennende Richterin, den betreffenden Vorfall konkret und genauer zu beschreiben, gab der BF an wie folgt : "Ich war auf dem Weg zum College. Als ich vier Männer maskiert gesehen habe, sind sie mir nicht normal vorgekommen und ich bin vor ihnen geflüchtete. Bereits damals haben die Entführungen von Personen begonnen."

 

Bereits die seitens des BF gemachten obzitierten unsubstantiierten Angaben, welche er auch nicht über Aufforderung der erkennenden Richterin zu konkretisieren vermochte, stellen ein starkes Indiz für die Unglaubwürdigkeit der betreffenden Angaben des BF dar.

 

Es kann nämlich grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei tatsächlicher Existenz der seitens des BF geschilderten Geschehnisse es diesem ein Anliegen gewesen wäre, diese von sich aus darzulegen. Eine derartige Vorgangsweise entspricht auch den Erfahrungswerten der erkennenden Richterin und werden gerade freie, emotionale Erzählungen unter Nennung zahlreicher Details auch als sog. "Realkennzeichen" einer glaubwürdigen Darlegung in einschlägiger Literatur und Fortbildungsveranstaltungen zur Thematik "Glaubwürdigkeitsprüfung", welche die erkennende Richterin besuchte, genannt.

 

In der hg. Verhandlung fiel jedoch auf, dass der BF nicht in der Lage war, seine persönlich ihn betreffenden Ausreisegründe von sich aus und unter Nennung von Details und Gefühlslagen darzulegen, sondern ergab sich das ausreiskausale Vorbringen aus den kurzen Antworten auf die dem BF gestellten Fragen. Die Angaben des BF sind als abstrakt, unsubstantiiiert und emotional distanziert zu werten.

 

Eine solche Art der Darlegung der Ausreisegründe lässt bereits erhebliche Zweifel daran entstehen, dass der BF die geschilderten Geschehnisse persönlich erlebt hat.

 

Auch der persönliche Eindruck, den sich die erkennende Richterin vom BF verschaffen konnte, bekräftigt die dargelegte Ansicht, war dieser doch als emotional distanziert zu bezeichnen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z. B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u. v.a.m.).

 

Ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Beweiswürdigung ist der persönliche Eindruck, den die erkennende Behörde vom Antragssteller gewinnt und wie er etwa durch die Anmerkungen in der Niederschrift hervorkommt (VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Der BF erklärte über Nachfragen der erkennenden Richterin in der hg. Verhandlung, er sei nach dem Vorfall, bei dem er in 500 mm Entfernung Maskierte gesehen habe, nach Hause gelaufen und habe dem älteren Bruder von dem Vorfall berichtet, woraufhin ihm dieser zur Ausreise nach Europa geraten habe.

 

Gefragt, was die Reaktion auf den Rat des Bruders gewesen sei, erklärte der BF spontan, er sei anschließend nach Karachi gegangen und habe einige Monate dort verbracht, bis er mit einem Schlepper in den Iran gelangt sei.

 

Diese Darlegung der Geschehnisse nimmt jedoch keinen Bezug auf die auch und erstmals in der Verhandlung konkret geltend gemachten Probleme auf dem College in Verbindung mit dem Niederbrennen einer Moschee, welche der BF im Jahr 2014 zeitlich einordnete und ist auch nicht mit der Angabe des BF zum Ausreisezeitpunkt in Einklang zu bringen, wonach der BF Ende 2014 seinen Herkunftsstaat verlassen habe, und sich der Vorfall mit dem angegebenen Entführungsversuch im Jänner 2013 ereignet haben soll.

 

Bereits die Tatsache, dass der BF nach dem Vorfall mit den maskierten Männern, den er zeitlich im Jahr 2013 einordnete und als Reaktion darauf erwähnte, nach Karachi gegangen zu sein, ohne den später erwähnten zweiten Vorfall im Jahr 2014 ins Treffen zu führen, ist dazu geeignet, den diesbezüglichen Angabendie Glaubwürdigkeit abzusprechen.

 

Zu dem seitens des BF angegebenen Vorfall auf dem College in Rawalpindi, den der BF in der hg. Verhandlung als zweiten Ausreisegrund ins Treffen führte, ist ferner folgendes festzuhalten:

 

Zum Besuch bzw. Abbruch des Colleges, den der BF mit dem zweiten von ihm erwähnten Vorfall in unmittelbaren Zusammenhang brachte, ist festzuhalten, dass die diesbezüglichen Angaben des BF nicht frei von Divergenzen in zeitlicher Hinsicht waren. Während dieser in der behördlichen Einvernahme erklärte, den Besuch des Colleges im Jänner 2014 beendet zu haben (AS 34), gab der BF in der hg. Verhandlung dem widersprechend an, das College bis Juli 2014 besucht zu haben.

 

Der BF erklärte dies mit einem Missverständnis und führte aus, dass er nach den Problemen im Jänner 2013 nach Rawalpindi gegangen sei und dort bis zum Jahr 2014 gelebt habe und dann anschließend nach Karachi gegangen sei.

 

Einen Wohnsitzwechsel nach bzw. einen Aufenthalt in Rawalpindi hat der BF jedoch vor dem BFA nicht erwähnt und ist dazu ferner festzuhalten, dass dieser in der behördlichen Einvernahme dem erneut widersprechend erklärte, sein ganzes Leben im Heimatdorf XXXX gewohnt und dort auch bis zur Ausreise gelebt zu haben (AS 34).

 

Ferner kann die Angabe des BF in der behördlichen Einvernahme, wonach er im Jänner 2014 aufgehört habe, das College zu besuchen (AS 34) und zwischen Jänner und Dezember 2014 in Karachi aufhältig gewesen sei (AS 35: LA: Was haben Sie im Jahr 2014 in Pakistan gemacht? VP: Ich habe das Land verlassen. LA: Was haben Sie zwischen Jänner und Dezember 2014 in Pakistan gemacht? VP: Ich bin nach Karachi gefahren und war dort aufhältig, bis ich die Ausreise organisiert habe. LA: Wie lange waren Sie in Karachi? VP: Ca 4 bis 5 Monate) und sich den ganzen Tag in einem Zimmer eines Hotels, welches er nur gelegentlich verlassen habe, befunden habe (AS 35) nicht in Einklang mit dem Besuch eines Colleges bis Juli 2014 und dem Verlassen des Colleges aufgrund von Vorkommnissen im Zusammenhang mit dem Niederbrennen einer Moschee gebracht werden.

 

In zeitlicher Hinsicht nicht miteinander in Einklang zu bringen ist auch die Aussage des BF in der hg. Verhandlung, wonach nach den Vorkommnissen am 10. des Monates Muharram auf Schiiten geschossen worden sei und diese darauf eine Moschee angezündet hätten, woraufhin die Sunniten den BF beschuldigt hätten, die Moschee angegriffen zu haben, woraufhin sich dieser nach Karachi begeben habe, mit seiner Angabe, wonach er im Jänner bzw. Juli 2014 seinen Collegebesuch aufgrund eben dieser Vorkommnisse beendet habe. Nach dem hg. Amtswissen fiel der 10. Muharram im Jahr 2014 auf den 3. November des gregorianischen Kalenders, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der BF den Besuch des Colleges aufgrund von Vorkommnissen im November 2014 beendet hat, hat er doch, wie bereits aufgezeigt, auch widersprüchlich angegeben, bereits im Jänner 2014 oder im Juli 2014 den Collegebesuch beendet zu haben, sodass zwischen den Ereignissen, welche in untrennbarem und unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang stehen müssten, ein Zeitraum von mehreren Monaten gelegen ist, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem BF aufgrund der Vorkommnisse um Ashura (November 2014) der Besuch des Colleges nichtmehr möglich war (zeitliche Einordnung durch de BF: Jänner oder Juli 2014), liegt doch das Datum von Aschura (Wikipedia: arabisch ?aschura?, DMG ?ašura? von aschara, DMG ?ašara ‚zehn'; auf Urdu und persisch, in englischsprachigen Texten auch Ashura) wird der zehnte Tag des Monats Muharram genannt, des ersten Monats im islamischen Kalende)r. nach der Beendigung des Collegebesuches, sodass diesbezüglich kein zeitlicher Zusammenhang festgestellt werden kann.

 

Letztlich ist zu den seitens des BF geltend gemachten Vorkommnissen im Monat Muharram, welche ihn zum Abbruch des Collegebesuches veranlasst haben, anzumerken, dass der BF erst in der hg. Verhandlung diesbezügliche individuelle Probleme nannte bzw. konkretisierte.

 

Während er in der behördlichen Einvernahme dazu allgemein ausführte, es habe Vorurteile gegen ihn auf dem College gegeben, da Schiiten die Moschee angezündet hätten, gab der BF dazu in der hg. Verhandlung erstmals konkret an, er sei gemeinsam mit anderen Studenten verdächtigt worden, in Parachinar eine sunnitische Moschee niedergebrannt zu haben. Eine konkrete Beschuldigung seiner Person nannte der BF sohin erstmals in der hg. Verhandlung, nachdem er in der behördlichen Einvernahme die diesbezüglichen Vorfälle allgemein geschildert und in der Beschwerde mit keinem weiteren Wort darauf bezug genommen hatte, sodass diesbezüglich von einer Steigerung im Vorbringen und der Unglaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben auszugehen ist.

 

Bei Gesamtbetrachtung der hg. Beweiswürdigung ist daher zusammenfassend den beiden seitens des BF geltend gemachten ausreisekausalen Vorkommnissen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

 

Der BF führte ferner aus, dass zwei Cousins anlässlich der Kämpfe getötet und ein weiterer verletzt worden sei und erklärte dazu, das von ihm vorgelegte Schreiben "To Whom it may concern" beziehe sich auf die genannten Vorfälle.

 

Hinsichtlich des in der hg. Verhandlung vorgelegten undatierten Schreibens ist vorerst festzuhalten, dass dieses mit "Ich, Herr Sajjad Hussain,..." , sohin dem Vornamen des BF, beginnt und in der Ich -Form abgefasst und von "meine Cousins" die Rede ist.

 

Der BF gab dazu an, dass bei einem Todesfall der Vorfall im Krankenhaus registriert werde und sich die Behörden dort informieren würden. Diese Angabe des BF ist nicht dazu geeignet, die obzitierte, dem BF auch vorgehaltene Abfassung des Schreibens zu erklären.

 

Ferner ist der Schlusssatz des Schreibens hervorzuheben, welcher übersetzt lautet "Aus diesem Grund kam ich hierher, um Schutz in Ihrem Land Kanada zu suchen". Der BF erklärte dazu in der hg. Verhandlung, sein Bruder habe dieses Schreiben anfertigen lassen, da er beabsichtigt habe, nach Kanada zu gehen und habe er dieses nicht abändern lassen.

 

Auch der Inhalt des Schreibens steht nicht mit den Angaben des BF in Einklang. So erklärte dieser in der hg. Verhandlung dazu, dass zwei Cousins getötet und einer verletzt worden sei.

 

Im Schreiben ist jedoch von drei Cousins, die getötet wurden, die Rede und von einem weiteren Cousin, welcher schwer verletzt worden sei.

 

Der BF erklärte, dazu, dass XXXX, XXXX und XXXX getötet und XXXX verletzt worden sei. Im Schreiben wird dem widersprechend jedoch festgehalten, dass XXXX, XXXX und XXXX getötet und XXXX getötet worden sei.

 

Abgesehen davon, dass der Familienname des BF auf dem betreffenden Schreiben nicht aufscheint, ist dazu letztlich anzumerken, dass dieses in fehlerhaftem Englisch abgefasst ist, sodass diesem aus den bereits erwähnten Gründen kein Beweiswert zukommt. In einem ist dazu auf die hg. Länderkundlichen Feststellungen zu verweisen, wonach es in Pakistan problemlos möglich sei, sich jegliche Art von gefälschten Dokumenten oder von echten Dokumenten mit falschem Inhalt zu beschaffen, um eine persönliche Verfolgungssituation vorzutäuschen. Im gegenständlichen Fall geht die erkennende Richterin - wie bereits das BFA - davon aus, dass es sich um derartige Dokumente handelt, zumal nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass die in Kopie vorgelegten Schriftstücke, zwar jeglicher Manipulation, aber keiner Überprüfung bezüglich der Echtheit zugänglich sind.

 

Der Beschwerdeführer hat vor seiner Asylantragstellung in Österreich auch Griechenland, Mazedonien und Ungarn durchreist (AS 7), ohne dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben, was der BF in der hg. Verhandlung damit begründete, dass er die Absicht gehabt habe, nach Belgien zu reisen da dort das Leben besser sei, letztlich jedoch aufgrund eines Aufgriffes durch die Polizei in Österreich einen Antrag gestellt habe. Festzuhalten ist, dass der BF auch in der behördlichen Einvernahme angab, dass sein eigentliches Zielland Belgien gewesen sei, da er dort Freunde habe (AS 37). Auch aus diesem Grund steht für die erkennende Richterin fest, dass der BF keine Verfolgung oder wohlbegründete Furcht vor solcher zu gewärtigen hatte, da die Intention des BF bei Vorliegen einer tatsächlichen Verfolgung die Wahrnehmung der ersten Gelegenheit zur Beantragung internationalen Schutzes gewesen wäre. Der BF würde keine Präferenzen hinsichtlich eines bestimmten Landes hegen, sein Fokus wäre lediglich darauf gerichtet, in einem, egal welchem, sicheren Land internationalen Schutz zu beantragen. Dass in einem sicheren Land das Leben besser sei, wäre für ihn im Falle einer asylrelevanten Verfolgung vollkommen irrelevant, da er in erster Linie die Sicherung seiner persönlichen Unversehrtheit beabsichtigen würde.

 

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt.

 

Die belangte Behörde räumte dem BF Gelegenheit dazu ein, sich hinsichtlich des aktuellen Länderinformationsblatts des BFA zu Pakistan vom 22.03.2017 sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur aktuellen Lage der Turis vom 29.03.2017, äußern zu können. Die Annahme des Länderinformationsblattes vom 22.03.2017 schlug der BF in der Einvernahme aus, hinsichtlich der Anfragebeantwortung vom 29.03.2017 langte keine Stellungnahme des BF beim BFA ein. Diese beiden Informationsquellen wurden aufgrund ihrer Aktualität schließlich auch der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegt.

 

Hinsichtlich der aktuellen länderkundlichen Feststellungen ist festzuhalten wie folgt:

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Auch ist auszuführen, dass die dem BF zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des BF in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des BF unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).

 

Überdies handelt es sich bei den seitens des BFA dem Verfahren zugrunde gelegten Quellen und den hg. Quellen um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Dass sich die Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers insofern geändert hat, als diese dem zitierten Länderdokumentationsmaterial nicht mehr entsprechen würde, ist nicht notorisch.

 

Die in das Verfahren integrierten Länderinformationen wurden schließlich von der Staatendokumentation des BFA zusammengestellt, deren Qualität ob der gesetzlichen Verpflichtung zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der gesammelten Tatsachen nach objektiven Kriterien (vgl. früher: § 60 Abs. 2 AsylG, seit 01.01.2014: § 5 Abs. 2 BFA-G) nicht in Zweifel gezogen wird.

 

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin dargestellten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Auf Grundlage dieser Länderberichte und aufgrund des aktuellen Länderinformationsblattes (LIB) des BFA vom 22.03.2017 kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere in der Herkunftsregion des BF gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist. Vielmehr wird in der zitierten Gesamtaktualisierung des Länderinformationsblattes des BFA darauf hingewiesen, dass sich die allgemeine Sicherheitslage quer durch das Land in den letzten drei Jahren verbessert hat (PIPS 1.2017, S 10 LIB). Zur Thematik "regionale Verteilung der Gewalt" wird festgehalten, dass der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern in Khyber Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten der FATA und in Belutschistan liegt, jedoch im Sindh -Karatschi ausgenommen - die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurückgegangen sind, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent (LIB, Abschnitt Regionale Verteilung der Gewalt).

 

Aus der jüngsten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 29.03.2017 bzw. vom 14.07.2017 ergibt sich, dass sich aufgrund diverser militärischer Operationen die Sicherheitslage in der FATA verbessert hat und viele Gebiete von Aufständischen befreit wurden.

 

Zur Aktualität der Quellen ist festzuhalten, dass nunmehr ein neues Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zur Situation Pakistan, datiert mit 21.06.2018, ausgesendet am 02.07.2018, existent ist, welches jedoch hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Punkte im vorliegenden Fall inhaltlich nicht von dem BF im Zuge des Parteiengehörs zur Kenntnisnahme gebrachten Länderinformationsblatt abweicht, sodass festzuhalten ist, dass sich seither die darin dargestellten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Der Beschwerdeführer trat den länderkundlichen Feststellungen nicht entgegen und verzichtete in der hg. Verhandlung aufg eine Übersetzung der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 14.07.2017 zur Lage der schiitischen Paschtunen und Turi.

 

3.5. Zur Beschwerde des BF:

 

Die Beschwerde des BF moniert zunächst, dass das BFA einen Widerspruch des BF in dessen Einvernahme nicht weiter aufgegriffen habe. Der BF habe angegeben, dass er aufgrund seiner schiitischen Glaubensausrichtung Verfolgung befürchten müsse, verneinte jedoch die Frage, ob er Probleme aufgrund seiner Religion habe.

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559). Es Besteht keine Verpflichtung, einer Partei im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gem. § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; 20.6.1990, 90/01/0041; 30.1.1998, 95/19/1713; 26.4.2001, 98/16/0265; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45). Dass die Behörde den von BF in der Einvernahme vorgebrachten Widerspruch nicht weiter aufgriff, ist der belangten Behörde daher nicht vorzuwerfen.

 

Hinsichtlich der monierten Länderfeststellungen in Bezug auf die Situation der Schiiten bzw. Paschtunen in Pakistan ignoriert das Bundesverwaltungsgericht nicht die im Bericht der Staatendokumentation vom 29.03.2017 bzw. 14.07.2017 enthaltenen lokal begrenzten möglichen Diskriminierungen von Paschtunen und Schiiten, die durchaus nicht auszuschließen sind, welchen jedoch die Information gegenübersteht, wonach wenige gesellschaftliche Diskriminierungen, welche Schiiten in ihrem täglichen Leben einschränken, existent sind.

 

Auf eine generelle und systematische Diskriminierung, welche in ihrer Intensität derart ausgeprägt ist, um von einer asylrelevanten Verfolgung sämtlicher Paschtunen und Schiiten ausgehen zu können, kann jedoch aus diesen Informationen nicht geschlossen werden, auch wenn in Einzelfällen Diskriminierungen vorkommen mögen; in diesem Zusammenhang ist auch auf die rechtliche Würdigung des gegenständlichen Erkenntnisses zu verweisen.

 

Der Bericht der Staatendokumentation des BFA, welcher unter anderem der hg. Entscheidung zugrunde gelegt wurde, ist sohin nicht widersprüchlich hinsichtlich der daraus gezogenen Schlüsse, sondern beleuchtet die aktuelle Situation zu den genannten Themen und Fakten umfassend und obliegt es dem Bundesverwaltungsgericht, die daraus folgenden Schlüsse zu ziehen und in rechtlicher Hinsicht zu würdigen.

 

Den diesbezüglichen Ausführungen der Staatendokumentation des BFA zufolge, gibt es zwar keine Provinzen, in welchen Schiiten die Mehrheit bilden, jedoch ist eine erhebliche Anzahl von Schiiten in Peshawar, Kohat, Hangu und Dera Ismai Khan, in Khyber Pakhtunkhwa, Kurram und der Orakzai Agency in der FATA angesiedelt und beheimaten viele städtische Zentren in Pakistan, wie etwa Karachi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peshawar, Multan, Jhang und Sargodha schiitische Gemeinschaften und bestehen aufgrund der Größe des Landes innerstaatliche Fluchtalternativen.

 

Insofern in der Beschwerde gegen die behördliche Entscheidung auf die Lage von Schiiten und Paschtunen in Pakistan Bezug genommen wird und diesbezüglich unter Nennung verschiedener Quellen Anschläge und Todesopfer genannt werden, ist auf die einschlägigen hg. Ausführungen in der rechtlichen Würdigung des gegenständlichen Erkenntnisses zu verweisen, aus welchen sich trotz der in den länderkundlichen Feststellungen festgehaltenen Vorkommnisse weder eine Gruppenverfolgung noch eine staatliche Schutzunwilligkeit bzw. Schutzunfähigkeit hinsichtlich der genannten religiösen und ethnischen Gruppen ergibt.

 

Wenn auf die länderkundlichen Feststellungen hinsichtlich Korruption und Rechtsmissbrauch in Verbindung mit den lokalen Sicherheitsbehörden verwiesen und angemerkt wird, dass die pakistanischen Sicherheitsbehörden nicht in der Lage seien, umfassend Schutz zu gewährleisten, so ist dazu festzuhalten wie folgt:

 

Es besteht das Erfordernis eines tatsächlichen und effizienten Schutzes im Einzelfall, der geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit einer drohenden Verfolgung unter das Maß der Erheblichkeit zu senken (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 17.09.2002, 2000/01/0414).

 

Weder kann aufgrund der Länderberichte davon ausgegangen werden, dass die pakistanischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch haben sich im konkreten Fall des BF Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Polizei untätig geblieben wäre und ihn nicht schützen könnte bzw. würde. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich zwar, dass Bestechung und Korruption bei Behörden in Pakistan vorkommen können, jedoch kann auf Basis der Länderberichte nicht darauf geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in derartigen Angelegenheiten nichts unternimmt oder sich systematisch politisch beeinflussen lässt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Ebenso wenig kann aufgrund der Quellenlage angenommen werden, dass die pakistanische Justiz bei begründetem Sachverhalt kein Verfahren einleiten würde. Wie sich aus den Länderberichten ergibt, agiert die pakistanische Polizei prinzipiell auf Grundlage der Gesetze.

 

Weiters wird in der Beschwerde moniert, dass der BF unmissverständlich angegeben habe, dass er bereits von Taliban, IS oder ISI wegen seines schiitisch-moslemischen Glaubensbekenntnisses verfolgt worden sei bzw. wohlbegründete Verfolgung befürchte; trotzdem sei festgestellt worden, dass der BF keine asylrelevanten Probleme gehabt habe. Die Beschwerde verkennt dabei, dass der BF grade nicht dazu in der Lage war, eine Verfolgung durch die Taliban, IS oder ISI glaubhaft zu machen und waren die diesbezüglichen Angaben des BF als unglaubwürdigzu qualifizieren. Der vorgebrachte, vermeintliche Entführungsversuch konnte, würde man von der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben ausgehen, auch aufgrund dessen Umstände (das Erblicken von Maskierten in etwa 500 Meter Entfernung durch den BF) nicht dazu verwendet werden, eine persönliche, konkrete Bedrohung geltend zu machen. Eine Verfolgung bzw. eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wurde daher zu Recht vom BFA nicht festgestellt. Folgerichtig wurde dieses Vorbringen auch nicht der rechtlichen Beurteilung vom BFA zugrunde gelegt und war daraus keine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten möglich. Abgesehen vom vermeintlichen Entführungsversuch machte der BF lediglich die generelle Sicherheitslage aufgrund des Konfliktes zwischen Sunniten und Schiiten geltend und konnte daraus, vgl. Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung, eine aktuelle Gefahr der Person des BF aufgrund seiner Religion im Sinne der Genfer Konvention nicht abgeleitet werden. Ein offener Widerspruch zwischen den Feststellungen und den Angaben des BF, wie die Beschwerde behauptet, liegt daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vor.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

4.1. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

 

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

4.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der BF vermochte keine asylrelevante Verfolgung darzutun. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem BF nicht gelungen, eine solche glaubhaft zu machen bzw. machte der BF eine persönliche, konkrete Bedrohung nicht einmal geltend.

 

Sollte man entgegen der hg. Ansicht von der Glaubwürdigkeit der Angabe, wonach der BF in ca. 500 Metern Entfernung Maskierte erblickt habe und davongelaufen sei, ausgehen ist festzuhalten wie folgt:

 

Diese Angaben des BF sind nicht tauglich, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention glaubhaft zu machen. Zum einen hat er diesen Vorfall im Jänner 2013 zeitlich eingeordnet und hat er bis zur Ausreise im Ende 2014 keine weiteren Vorfälle, den BF direkt betreffend, mehr gegeben. Diese Situation war daher, aus rein zeitlicher Sicht betrachtet, nicht ausschlaggebend für das Verlassen des Herkunftsstaates durch den BF. Ferner ist zu diesen Angaben anzumerken, dass sämtliche der behaupteten Gründe, die der BF im Jahr 2013 zeitlich einordnete, in keinerlei zeitlichem Konnex zur Ausreise des BF, welche der BF zeitlich mit Ende 2014 einordnete, stehen. Nach einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, nicht mehr beachtlich; die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung muss vielmehr bis zur Ausreise andauern (VwGH 27.06.1995, 94/20/0689). Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt, sind nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet; die wohlbegründete Furcht muss vielmehr bis zur Ausreise andauern (z.B. VwGH 16.02.2000, 99/01/0435).

 

Darüber hinaus beruht das behauptete Vorliegen eines Entführungsversuches lediglich auf den Vermutungen des BF. Vier maskierte Personen, welche 500 Meter entfernt sind, lassen keinen direkten Rückschluss auf eine geplante Entführung des BF zu. Auch in der hg. Verhandlung konnte der BF über Aufforderung, den betreffenden Vorfall genauer zu beschreiben keine weitergehenden Angaben, welche Rückschlüsse auf eine Entführungsabsicht oder einen geplanten Übergriff auf den BF zulassen würden, machen, sondern wiederholte dieser die bereits getätigten Angaben, wonach er in 500 m Entfernung vier Männer gesehen habe und davongelaufen sei. Das Vorhaben dieser Personen liegt somit völlig im Unklaren und ist es ebenso gut möglich, dass keinerlei Zusammenhang mit dem BF besteht, sodass von einem Entführungsversuch die Person des BF betreffend nicht ausgegangen werden kann Eine bloß vermutete Bedrohung aufgrund einer vermuteten Entführung aber, kann keinesfalls zur Gewährung von Asyl führen. Dazu sei auf nachstehende Judikatur verwiesen, wonach rein spekulative Befürchtungen für die Glaubhaftmachung von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht ausreichen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289).

 

Evident ist ferner, aufgrund der Aussagen des BF, dass der BF durch die vier maskierten Personen nicht in Furcht gelebt hat. Wenn dem BF auch ein gewisses Unbehagen hinsichtlich dieser Personen hg. zugestanden wird, so lag keinesfalls eine Furcht von asylrelevanter Intensität vor, da der BF auch nach diesem Vorfall, der ihm seinen Angaben zufolge auf dem Weg zum College widerfuhr, weiterhin das College besuchte. Befragt nach den Gründen, warum er nicht mehr ins College gehen habe können, antwortete der BF, dass er der einzige Schiit im College gewesen sei und es Vorurteile gegeben habe, die den BF dazu bewegt hätten, nicht weiter zu studieren. Diese Vorurteile seien deshalb entstanden, da die Schiiten einen heiligen Platz der Sunniten angezündet hätten und so habe das Problem zwischen Sunniten und Schiiten wieder angefangen (AS 39). Ein Zusammenhang zwischen der beinahe geschehenen, vermeintlichen Entführung und dem Ende des College-Besuches besteht somit nicht.

 

Die vermeintliche beinahe geschehene Entführung wird aus den bereits in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen nicht als persönlich erlebte Bedrohung qualifiziert. Infolgedessen vermochte der BF nicht, eine persönliche Bedrohung glaubhaft zu machen, der BF berief sich lediglich auf die allgemeinen Umstände im Herkunftsland.

 

4.1.3. Wenn der BF behauptet, als paschtunischer Schiit des Stammes der Turi in Pakistan generell verfolgt zu werden, ist festzuhalten, dass laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe allein keinen Grund für die Asylanerkennung darstellt, sofern nicht konkrete gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden.

 

Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit stellt allein noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl dar. Für die Anerkennung als Flüchtling kommt es immer nur auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an, nicht aber bloß auf die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland. (VwGH 29.10.1993, 92/01/1105; 07.11.1995, 94/20/0889).

 

Darüber hinaus kann auch den vorliegenden Länderinformationen nicht entnommen werden, dass Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Schiiten (etwa 25% der muslimischen Bevölkerung) allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt oder staatlichen Repressionen unterworfen werden.

 

Aus dem aktuellen LIB des BFA ist ersichtlich, dass quer durch das Land schiitische und sunnitische Gemeinden im Alltag im Allgemeinen gut integriert nebeneinander leben und Schiiten in der Regierung, im Staatsdienst, bei den Sicherheitskräften und in den bedeutenden religiösen Instanzen des Landes vertreten sind.

 

Ferner verzeichnete das Jahr 2016 zum dritten Mal in Folge einen Abwärtstrend bei sektiererisch motivierter Gewalt in Pakistan. Nach PIPS sank die Anzahl jener Menschen, welche im Jahr 2016 bei konfessionsbedingten Terroranschlägen ums Leben gekommen sind um rund 62 Prozent; die Anzahl der Angriffe mit einem Zusammenhang zu sektiererischer Gewalt sank im Jahr 2016 nach PIPS im Vergleich zu 2015 um 41 % von 58 auf 34. 17 Angriffe galten Mitgliedern der schiitischen Glaubensgemeinschaft und zwölf Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt (LIB, Abschnitt Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten).

 

Aufgrund diverser militärischer Operationen hat sich die Sicherheitslage in der FATA verbessert und wurden viele Gebiete von den Aufständischen befreit.

 

Viele städtische Zentren in Pakistan, wie etwa Karachi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peshawar, Multan, Jhang und Sargodha beheimaten ebenso schiitische Gemeinschaften. Auch leben einige Schiiten in Enklaven in den großen Städten.

 

Schiiten finden sich in der Regierung, dem Staatsdienst, den Sicherheitskräften und bedeutenden religiösen Instanzen des Landes - etwa dem Council of Islamic Ideology und den Scharia-Gerichten wieder.

 

Es gibt zwar wenig gesellschaftliche Diskriminierung welche Schiiten in ihrem täglichen Leben einschränken, doch stellen religiös motivierte Gewalt und die Konflikte militanter Kräfte eine Bedrohung für die Schiiten in Pakistan dar. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen.

 

Paschtunen sind in verschiedenen Gegenden wie etwa in Karachi und Sindh verstärkt Diskriminierungen durch die Polizei und Bevölkerung ausgesetzt.

 

Es gibt Verbesserungen mit Bezug auf Professionalität der Polizei und lokalen Behörden zum Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung und Gewalt. Auch besteht von Seiten der pakistanischen Behörden eine allgemeine Bereitschaft zum Schutz der Schiiten, wenn auch die Anzahl der Sicherheitskräfte limitiert ist und auch kein Staat vollständigen Schutz garantieren kann. So sichern beispielsweise Sicherheitskräfte schiitische Pilger auf ihrer Reise vom und in den Iran. Es bestehen aufgrund der Größe des Landes innerstaatliche Fluchtalternativen. So können neben den vergleichsweise sichereren Provinzen Punjab und Sindh auch die IDP-Camps in Jalozai, KP und New Durrani, FATA als mögliche innerstaatliche Fluchtalternativen angegeben werden (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 29.03.2017: Pakistan, Aktuelle Lage der Turis).

 

Angesichts dieser Ausführungen, welche sich aus der aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 29.07.2017 ergeben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der pakistanische Staat nicht schutzwillig oder nicht schutzfähig wäre.

 

Auch der Umstand, dass es sich beim BF um einen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Schiiten handelt, bewirkt sohin für sich allein nicht, dass ihm Asyl zu gewähren wäre, weil sich aus den getroffenen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Angehörige seiner Religion schon alleine wegen dieser Zugehörigkeit Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt wären.

 

Es ist den Länderfeststellungen eindeutig zu entnehmen, dass es keine gezielte Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Schiiten in Pakistan gibt, auch wenn nicht übersehen wird, dass es zu sektiererischen Auseinandersetzungen kommt, welche in den verschiedenen auch in den hg.

Länderfeststellungen enthaltenen Berichten thematisiert werden. Auch ist hervorzuheben, dass die Anzahl der betreffenden Angriffe, die im übrigen auch in der bisherigen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Bejahung einer Gruppenverfolgung der Schiiten geführt hat, gesunken ist.

 

Hinsichtlich der Zugehörigkeit des BF zur Ethnie der Paschtunen und zum Stamm der Turi und der diesbezüglich vom BF gemachten Angaben ist auszuführen, dass sich hieraus keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Angehörige dieser Ethnie und dieses Stammes schon alleine wegen dieser Zugehörigkeit Verfolgung iSd GFK ausgesetzt wären, was auch aus den hg. diesbezüglichen länderkundlichen Feststellungen nicht abgeleitet werden kann.

 

Auf eine Verfolgung der Gruppe der paschtunischen Schiiten, auch, wenn sie dem Stamm der Turi angehören mögen, in dem Sinn, dass einer nach den Motiven der GFK abgrenzbaren Gruppe Verfolgung aufgrund dieses gemeinsamen Merkmals droht, kann jedoch im Lichte der bisherigen Ausführungen trotz der existenten sektiererischen Auseinandersetzungen und möglichen fallweisen Diskriminierungen gegenüber Paschtunen, welche seitens des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht ignoriert werden, nicht geschlossen werden.

 

Die meisten Paschtunen leben mit rund 23 Mio. Angehörigen in Pakistan in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, FATA und in Belutschistan (ca. 15 % der Landesbevölkerung). Auch wenn diese den aktuellen Ausführungen der Staatendokumentation des BFA teilweise Diskriminierungen ausgesetzt sein mögen, so kann daraus nicht auf eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK geschlossen werden. Dazu ist auch auf die seitens des UNHCR vertretene Auffassung zu verweisen, wonach bloße Diskriminierung in der Regel noch nicht Verfolgung bedeutet (UNHCR, Auslegung Art. 1, Abs. 16).

 

Besonders schwerwiegende Formen der Diskriminierung sind allerdings zweifellos als Verfolgung anzusehen, ebenso wie stetige und anhaltende Diskriminierungen durch ihre Kumulierung auf Verfolgung hinauslaufen können (UNHCR, Handbuch, Abs 51-54).

 

Beispielhaft sei an dieser Stelle das Erkenntnis VwGH 16.04.2002, 99/20/0483 genannt, in dem bezüglich afghanischer Frauen die Summe zahlreicher Diskriminierungen den Schluss auf eine Vorliegende asylrelevante Verfolgung zuließ. ("Betrachtet man die Eingriffe der Taliban in die Lebensbedingungen der afghanischen Frauen in ihrer Gesamtheit, so kann kein Zweifel bestehen, dass hier einer der Fälle vorliegt, in denen eine Summe von Vorschriften gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in Verbindung mit der Art ihrer Durchsetzung von insgesamt so extremer Natur ist, dass die Diskriminierung das Ausmaß einer Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention erreicht. In dieser Hinsicht ist abgesehen von anderen bizarren Aspekten des von den Taliban errichteten - und in der Praxis als Grundlage für willkürliche Gewaltanwendung benützten - Regelwerks vor allem auf die systematische Behinderung der medizinischen Versorgung hinzuweisen, die zumindest im Umkreis der zuvor auch der weiblichen Bevölkerung zugänglichen Einrichtungen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens bedeutete. Schon das Fehlen der auch nur den Mindestanforderungen der Menschlichkeit entsprechenden Ausnahmen von den verordneten Regeln in Bezug auf den jederzeit möglichen Bedarf nach einer ärztlichen Behandlung kennzeichnet den Verfolgungscharakter dieser Form von Repression. Der zusätzlichen Betroffenheit etwa infolge fehlender Mittel zum Unterhalt oder durch das Fehlen männlicher Angehöriger, um sich "ausführen" lassen zu können oder Lebensmittel ins Haus zu bringen, bedarf es dazu nicht mehr. Erreichen die diskriminierenden Regeln selbst die asylrechtlich erforderliche Verfolgungsintensität, so kommt es auch auf zusätzliche Unverhältnismäßigkeiten im Falle des Zuwiderhandelns und mithin darauf, ob vom konkret betroffenen Asylwerber ein Zuwiderhandeln zu erwarten wäre, nicht an (ausführliche Judikatur- und Literaturhinweise im Erkenntnis").

 

Ein vergleichbarer Fall, auf den die obzitierte höchstgerichtliche Judikatur umgelegt werden kann, liegt hier jedoch nicht vor und bleibt es der BF schuldig, nachvollziehbar bzw. glaubwürdig zu erklären, welchen zahlreichen Diskriminierungen er selbst ausgesetzt gewesen sein soll. Als der BF in der Einvernahme gefragt wurde, ob er, neben des vermeintlichen Entführungsversuches, noch andere Vorfälle gegeben habe, von denen er persönlich betroffen gewesen sei, gab er "Nein, das war alles." an (AS 39).

 

Dass der BF allein aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Paschtune oder seiner Stammeszugehörigkeit als Turi in Pakistan verfolgt werden würde, ist aus den länderkundlichen Feststellungen nicht abzuleiten. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit stellt allein noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl dar. Für die Anerkennung als Flüchtling kommt es immer nur auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an, nicht aber bloß auf die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland. (VwGH 29.10.1993, 92/01/1105; 07.11.1995, 94/20/0889).

 

Dazu ist auch nochmals festzuhalten, dass die Familie des BF (Mutter, sechs Schwestern, zwei Brüder, Onkel), welche naturgemäß dieselbe Religions-Volksgruppen-und Stammeszugehörigkeit wie der BF aufweist, nach wie vor in Pakistan lebt und der BF keinerlei Angaben oder Hinweise von sich gab, dass die in Pakistan lebenden Familienmitglieder unter Problemen leiden würden.

 

4.1.4. Insofern der BF die Allgemeinsituation in Pakistan zur Begründung seiner Ausreise heranzieht, ist festzuhalten, dass eine Kriegssituation oder eine allgemein schlechte Situation bzw. Unruhen im Heimatstaat nach der ständigen Rechtsprechung, aber auch nach der Auslegung, die die Genfer Flüchtlingskonvention in anderen Staaten und auf internationaler Ebene gefunden hat, für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft indiziert.

 

Das Asylrecht hat nicht die Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution und sonstigen Unruhen hervorgehen.

 

Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff ist die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht die Tatsache, dass es Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen im Heimatstaat des BF gibt.

 

Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert ist, wobei sich die allgemeine Sicherheitslage in den letzten Jahren, wie bereits ausgeführt, verbessert hat. Ebenso wird von Seiten der erkennenden Richterin die schwierige Situation der Binnenflüchtlinge, vor allem auf Grund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, anerkannt, wozu jedoch auch festzuhalten ist, dass sich aufgrund diverser militärischer Operationen die Sicherheitslage in der FATA verbessert hat und viele Gebiete von den Aufständischen befreit wurden.

 

Der BF, der aus dem FATA Gebiet stammt, hat aber nicht dargetan, inwiefern er von der Sicherheitslage in den FATA bzw. der humanitären Situation der Binnenflüchtlinge konkret betroffen ist.

 

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die Schöpfer der GFK reine Kriegsflüchtlinge vom Geltungsbereich des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ausschließen wollten (Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, 80 mwN).

 

Auch im UNHCR-Handbuch wird ausgeführt, dass Personen, die aufgrund bewaffneter internationaler oder nationaler Auseinandersetzungen gezwungen werden, ihr Heimatland zu verlassen, normalerweise nicht als Flüchtling im Sinne der GFK gelten (UNHCR-Handbuch RZ 164).

 

Eine Bürgerkriegssituation in der Heimat des Asylwerbers schließt eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht aus. Der Asylwerber muss in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion , Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Sohin indiziert eine Kriegssituation oder eine allgemein schlechte Situation bzw. Unruhen im Heimatstaat nach der ständigen Rechtsprechung, aber auch nach der Auslegung, die die Genfer Flüchtlingskonvention in anderen Staaten und auf internationaler Ebene gefunden hat, für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft.

 

Das Asylrecht hat nicht die Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution und sonstigen Unruhen hervorgehen.

 

Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff ist die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht die Tatsache, dass es Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen im Heimatstaat des BF gibt.

 

Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist jedenfalls nicht auszugehen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich fähig und auch willens sind, Schutz vor strafrechtswidrigen Übergriffen zu gewähren. Ein lückenloser Schutz, auch vor terroristischen Anschlägen, ist in Pakistan ebenso wie in allen anderen Ländern aber nicht möglich.

 

4.1.5. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

4.1.6. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass pakistanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

4.1.7. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.

 

4.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

4.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

 

4.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind.

 

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener in Pakistan selbst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte. Er ist in Pakistan aufgewachsen, ist dort zehn Jahre zur Schule gegangen und hat zwei Jahre lang eine Ausbildung zum Bauingenieur absolviert und befindet er sich aktuell in einem Lehrberuf im Gastronomiegewerbe. Er hat jedenfalls die überwiegende Zeit seines Lebens in Pakistan verbracht. Der BF wurde in Pakistan sozialisiert und ist nicht hervorgekommen, dass er in Pakistan keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte mehr hat. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes - seine Mutter, sechs Schwestern, zwei Brüder und ein Onkel leben in Pakistan - eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zu Teil wird.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein existenten Notlage im Herkunftsstaat des BF (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass der BF einen Sachverhalt verwirklichte, welcher in Pakistan mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens seiner Gegner (unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens) könnte, wie bereits ausgeführt, der BF Drohungen oder Übergriffen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans entgehen.

 

Auf die Ausführungen zur Allgemeinsituation im Herkunftsstaat des BF (Pkt. 3.4., 4.1.3. und 4.1.4.) sei an dieser Stelle verwiesen und festgehalten, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Sicherheitslage in Pakistan instabil ist und Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert ist, wobei die Zahl der Anschläge zuletzt zurückgegangen ist und sich die allgemeine Sicherheitslage verbessert hat. Ebenso wird von Seiten der erkennenden Richterin die schwierige Situation der Binnenflüchtlinge, vor allem auf Grund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, anerkannt. Der BF hat aber nicht dargetan, inwiefern er von der prekären Sicherheitslage bzw. der humanitären Situation der Binnenflüchtlinge konkret betroffen ist. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist jedenfalls nicht auszugehen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich fähig und auch willens sind, Schutz vor strafrechtswidrigen Übergriffen zu gewähren. Ein lückenloser Schutz ist in Pakistan ebenso wie in allen anderen Ländern der Erde aber nicht möglich.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das jüngste Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137-14 zur Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz, in welchem sich der VwGH mit der Frage einer Rückkehrgefährdung iSd Art. 3 EMRK aufgrund der bloßen allgemeinen Lage (hier: Irak), insbesondere wegen wiederkehrenden Anschlägen und zum anderen einer solchen wegen - kumulativ mit der allgemeinen Lage - zu berücksichtigenden individuellen Faktoren, befasst hat und die Revision gegen das Erkenntnis des BVwG als unbegründet abgewiesen wurde.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 52a BFA-VG z.B. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Pakistan gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen

(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schlechter ist als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt ist, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhaltes abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005.

 

4.2.3. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

4.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung - §§ 57 und 55 AsylG sowie § 52 FPG):

 

4.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird. 4.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

4.3.3. Der BF befindet sich erst seit Juni 2015 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt nicht in obigem Sinne geduldet ist. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

4.3.4. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der BF ist als Staatsangehöriger von Pakistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

4.3.5. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

4.3.5.1. Der BF hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens.

 

4.3.5.2. Zum Privatleben des BF in Österreich ist Folgendes festzuhalten: der bisher rd. drei Jahre dauernde Aufenthalt des BF ist als relativ kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Der Asylantrag hat sich als unbegründet erwiesen. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet sowie auch auf das jüngste Urteil des EGMR vom 8. April 2008, Nr. 21878/06 (NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich), in welchem der EGMR im Rahmen der Interessensabwägung zum Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich das öffentliche Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle bei erfolglosen Asylanträgen höher wiegen muss als ein während des Asylverfahrens begründetes Privatleben.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,

 

Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Bis zum Beginn seiner Lehre im November 2017 lebte der BF über einen Zeitraum von über zwei Jahren von der staatlichen Grundversorgung. Er war in der Asylunterkunft ehrenamtlich tätig und hat über einen Zeitraum von 120 Stunden gemeinnützige Tätigkeiten versehen.

 

Der BF ist seit November 2017 als Lehrling im Gastronomiegewerbe tätig und bezieht seither keine staatliche Grundversorgung mehr.

 

Wenngleich die entscheidende Richterin das Bemühen des BF, beruflich in österreich Fuß zu fassen und finanziell unabhängig zu sein, worin durchaus positive Aspekte zu erblicken sind, nicht übersieht, so kann dadurch und nicht zuletzt auch im Lichte der obzitierten zeitlichen Komponente - der BF ist seit nunmehr drei Jahren in Österreich aufhältig und stützt diesen Aufenthalt auf einenunbegründeten Asylantrag - nicht auf eine derart umfassende Integraion des BF in Österreich, nicht nur in beruflicher, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht geschlossen werden, sodass dem BF eine Rückkehr nach Pakistan, wo er sozialisiert wurde und auch den Großteil seines Lebens verbracht hat, nicht zumutbar wäre.

 

Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des BF liegt in Pakistan, wo auch seine Mutter und seine Geschwister leben und er somit über ein soziales Netz verfügt. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.

 

Soweit der BF auf sonstige gewöhnliche soziale Kontakte im Bekannten- und Freundeskreis, sein absolviertes A2 Zertifikat und den Besuch eines B1-Deutschkurses auf seine Deutschkenntnisse verwies, ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029). Damit war auch der vom BF vorgebrachten Bezugsperson, bei welcher es sich um einen pakistanischen Asylwerber handelt und der Absolvierung der Deutschkurse und seiner unbestritten vorliegenden Deutschkenntnisse, welche jedoch aufgrund des persönlichen Eindrucks in der hg. Verhandlung nicht als fehlerfrei zu bezeichnen sind, kein entscheidendes Gewicht zuzumessen.

 

Ergänzend darf auf das Erkenntnis des VfGH verwiesen werden, wonach trotz dreijährigem Aufenthalt und weitreichender Integrationsschritte (hervorragende Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss, Besuch einer HTL, österreichischer Freundeskreis, österreichische Freundin) die Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zurücktreten müssen (VfGH 12.06.2013, U 485/2012).

 

Im Besonderen ist hier ferner auf die folgenden aktuellen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen. Trotz langjährigem Aufenthalt wurde auch hier seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit der Ausweisung bejaht: VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis; mit Rechtsstellung eines anerkannten Flüchtlings gerechnet; keinerlei Unterstützung im Herkunftsstaat zu erwarten), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (etwa siebenjähriger Aufenthalt;

Berufstätigkeit; ein Jahr lang eheliche Gemeinschaft mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; Unterkunft;

Krankenversicherungsschutz; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; Erlernen der deutschen Sprache; Freundes- und Bekanntenkreis; Verwandte in Österreich;

Unbescholtenheit; kaum bzw. keinen Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse;

Unbescholtenheit; beruflich integriert; Zeitungsausträger), VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 (rund siebenjähriger Aufenthalt;

selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse;

Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (fast achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt;

Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; perfekte Deutschkenntnisse;

Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen;

Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Freundes- und Bekanntenkreis; Unbescholtenheit; wirtschaftlicher Neubeginn; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit;Lebensunterhalt finanziert; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; im Heimatland keine Existenzgrundlage; eingeschränkte Bindungen zum Heimatland; sozial integriert).

 

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit bestehen nach wie vor Bindungen des BF zu Pakistan. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der BF im Verfahren nicht dargetan. Es ist davon auszugehen, dass im Falle des BF schon aufgrund der zeitlichen Komponente naturgemäß ein nur geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Familienangehörigen leben und der BF auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache beherrscht.

 

Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des BF am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

 

4.3.6. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

4.3.6.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

4.3.7. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

4.3.7.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu Spruchteil B):

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Themen Glaubwürdigkeitsprüfung, wohlbegründete Furcht, Verfolgung, Glaubhaftmachung, innerstaatliche Fluchtalternative und Refoulementschutz auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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