VwGH 94/20/0889

VwGH94/20/08897.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. November 1994, Zl. 4.342.305/6-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige kurdischer Nationalität, die am 13. September 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. September 1994 einen Asylantrag gestellt hat, hat bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 16. September 1994 als Grund für die Ausreise aus ihrem Heimatland angegeben, sie habe sich nie politisch engagiert, sei nicht vorbestraft und werde zur Zeit von den Behörden ihres Heimatlandes nicht gesucht, sie fühle sich aber in ihrer Heimat aus religiösen und ethnischen Gründen verfolgt, weil sie Kurdin und Alevitin sei. Kurden würden überall in der Türkei verfolgt. Weil die Unterdrückung der Kurden in Erzincan unerträglich geworden sei, sei sie mit ihrem Ehemann vor sechs Jahren nach Istanbul gezogen. Ihr bereits 1991 nach Österreich ausgereister Gatte sei von der Polizei verdächtigt worden, für die PKK zu arbeiten; die Polizisten seien seit der Ausreise ihres Ehegatten immer wieder in monatlichen Abständen zur Beschwerdeführerin gekommen und hätten ihr nicht geglaubt, daß dieser sich bereits in Österreich aufhalte. Beim ersten Besuch hätten sie die Polizisten noch höflich behandelt, doch bereits beim zweiten Besuch hätten sie angefangen ihr zu drohen, sie zu vergewaltigen und umzubringen, wenn ihr Ehegatte sich nicht stelle. Zum Beweis, daß ihr Ehemann gesucht werde, legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben des Wehrdienstamtes vor, in dem dieser infolge Ablaufes der Zurückstellung vom Militärdienst aufgefordert wird, sich zu melden. Die Beschwerdeführerin sei nicht sofort ausgereist, weil ihr das erforderliche Geld gefehlt habe und sie ihren Reisepaß habe verlängern lassen müssen. Zu diesem Zweck habe sie sich verschleiern müssen, um höflich behandelt zu werden. Andernfalls hätte sie auch keinen Paß erhalten. Die Beschwerdeführerin habe nicht gearbeitet, sondern ihrer Schwiegermutter beim Melken der Kühe geholfen und aus dem Verkauf der Milch ihren Lebensunterhalt bestritten. Sie sei gewarnt worden, im Fall einer Arbeitsaufnahme umgebracht zu werden; außerdem habe sie gehört, daß kurdische Frauen im Bus von türkischen Männern belästigt würden. In Istanbul sei sie einmal, als sie einen Minirock getragen habe, während einer Autobusfahrt von einem Sunniten, der sie gezwickt habe, belästigt worden. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe der Mann dies aus religiösen Gründen und deshalb getan, um ihr das Anziehen eines Minirockes zu verleiden. Der türkische Staat ermorde oder inhaftiere Kurden grundlos; sie wolle vermeiden, daß ihr Kind, das sie mangels einer entsprechenden Einladung nicht habe mitnehmen können, mit dieser Gefahr konfrontiert werde.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 28. September 1994 den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die allgemeine Situation der Kurden in der Türkei insbesondere vor, für das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung müsse es ausreichen, daß auf Grund der Gesamtsituation und auch auf Grund der Lage, in der sich die Beschwerdeführerin infolge der Nachforschung nach ihrem der Mitgliedschaft bei der PKK verdächtigen Ehemannes befinde, "eine große Angst vor Übergriffen" bestehe.

Mit Bescheid vom 10. November 1994 wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhoben Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat unter Eingehen auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, es sei ihr nicht gelungen glaubhaft zu machen, ihre Furcht vor Verfolgung sei objektiv begründet bzw. daß sie konkreten gegen sie selbst gerichteten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Bei den Befragungen durch die Polizei habe es sich lediglich um Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes gehandelt, aus denen sowohl wegen der geringen Eingriffsintensität als auch deshalb, weil der Grund für diese Befragungen nicht auf einen der Verfolgungstatbestände des Asylgesetz 1991 zurückgeführt werden könne, sondern in einem von der Polizei bei der Beschwerdeführerin vermuteten "Sonderwissen" zu suchen sei.

Mit dieser Argumentation befindet sich die belangte Behörde auf dem Boden der ständigen hg. Rechtsprechung, derzufolge gegen einen Asylwerber ergriffene Maßnahmen, die ausschließlich in der politischen Gesinnung eines Angehörigen bzw. in der Ausforschung des Aufenthaltsortes solcher Personen begründet sind, keine Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) darstellen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0884). Daß aber der Beschwerdeführerin selbst eine derartige politische Gesinnung unterstellt worden wäre, hat sie nicht behauptet.

Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit und deren allgemeine Situation als zur Glaubhaftmachung begründeter Furcht vor Verfolgung nicht geeignet erachtet hat (vgl. für viele andere z. B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0806). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht muß es sich bei den von einem Asylwerber als Fluchtgrund geltend gemachten Maßnahmen immer um solche handeln, die gegen den Asylwerber selbst gerichtet sind. Aus der Verfolgung von Familienangehörigen allein kann begründete Furcht vor Verfolgung des davon nicht betroffenen Asylwerbers nicht abgeleitet werden. Demgemäß konnte auch die in der Beschwerde geforderte Beischaffung des den Asylantrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin betreffenden hg. Beschwerdeaktes unterbleiben.

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten allgemeinen Schwierigkeiten, denen Angehörige der kurdischen Minderheit in der Türkei bei der Arbeitsplatzsuche ausgesetzt sind - eine Gefährdung ihrer Lebensgrundlage hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet -, nicht als derart gravierend angesehen hat, daß deswegen der Aufenthalt in ihrem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zlen. 93/01/0982, 0997).

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war

gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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