VwGH 95/18/0049

VwGH95/18/004923.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. November 1994, Zl. SD 789/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. November 1994 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Afghanistan gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer habe bei seiner Vernehmung (vor der Erstbehörde) am 17. Jänner 1994 zu Protokoll gegeben, er werde in seiner Heimat zwar nicht strafrechtlich, sicher aber aus politischen Gründen verfolgt. Er sei von 1977 bis 1979 Offizier in der afghanischen Armee gewesen, sei im Jahr 1979 aus der Armee desertiert und habe dabei zwei Maschinenpistolen gestohlen. Die Armee müsse den Diebstahl bemerkt haben. In einem ergänzenden Schriftsatz sei ausgeführt worden, daß der Beschwerdeführer nach seiner Flucht aus Afghanistan nach Pakistan sich dort einer Freischärlergruppe angeschlossen habe. In der Berufung werde nunmehr vorgebracht, der Beschwerdeführer sei entgegen den Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid keineswegs wegen Desertion zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden; er sei vielmehr desertiert, ohne dabei betreten oder deshalb verurteilt worden zu sein. Er habe zwar zwei Maschinenpistolen gestohlen, allerdings nicht von der afghanischen Armee, sondern in Pakistan. Dieses Berufungsvorbringen stehe aber nicht nur, was die Maschinenpistolen anlange, im Widerspruch zu den eigenen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, sondern vor allem in krassem Gegensatz zu jenen Angaben, die er im Asylverfahren im Jahr 1983 zu Protokoll gegeben habe. Dort habe er ausdrücklich ausgeführt, daß er in Kabul wegen Verlassens des Militärdienstes zu einem Jahr Gefängnis unbedingt verurteilt worden sei. Er sei nach acht Monaten gegen Kaution entlassen worden und habe sich anschließend nach Pakistan begeben, wo ihn die Mudschahedins hätten bewaffnen wollen, damit er gegen die Russen in Afghanistan kämpfen könne. Er habe von Pakistan aus seinen Vater in Wien verständigt; dieser sei nach Pakistan gekommen und habe ihm bei der Ausreise geholfen.

Wenn - so die belangte Behörde weiter - angesichts dieser evident widersprüchlichen Darstellungen den Ausführungen des Beschwerdeführers überhaupt Glauben geschenkt werden könne, so jedenfalls nicht dem nunmehrigen Vorbringen (in der Berufung). Nicht nur, daß der Beschwerdeführer im Asylverfahren nichts von gestohlenen Maschinenpistolen, was selbst im gegenständlichen Verfahren widersprüchlich dargestellt werde, erwähnt habe, habe er damals klar und deutlich deponiert, sehr wohl eine Gefängnisstrafe verbüßt zu haben. Es sei bemerkenswert, daß er dies nun bestreite und demnach auch nicht angebe, was mit seinem Onkel, der "für ihn mit seinem Haus habe gutstehen" müssen, als er vorzeitig entlassen worden sei, geschehen sei, obwohl angenommen werden könne, daß ihm im Laufe der Zeit eine Nachricht zugekommen sei, zumal damals zwei Schwestern und ein Bruder des Beschwerdeführers in Afghanistan zurückgeblieben seien. Ebensowenig sei damals die Rede davon gewesen, daß er bei den Mudschahedins in Pakistan gekämpft und dann mit Maschinenpistolen geflohen sei. Ausdrücklich habe der Beschwerdeführer damals angegeben, daß die Mudschahedins (bloß) an ihn herangetreten seien und ihn hätten bewaffnen wollen. Dazu komme, daß mit Bescheid der Asylbehörde rechtskräftig festgestellt worden sei, daß im Hinblick auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers und die von ihm ausgehende Gefahr für die innere Sicherheit der Republik die Abschiebung in einen Staat, in dem er gemäß § 37 Abs. 2 FrG bedroht sei, zulässig sei. Darüber hinaus seien aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe gefunden worden, welche die Annahme rechtfertigten, daß er Gefahr liefe, seitens der staatlichen Behörden (in Afghanistan) einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, die belangte Behörde hätte von amtswegen die entsprechenden Nachforschungen sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan anstellen müssen, um sich solcherart zu vergewissern, daß der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, anläßlich seiner Desertion nicht verhaftet worden sei, er vielmehr unbehelligt nach Pakistan habe gelangen können. Es sei hinlänglich bekannt, daß zum damaligen Zeitpunkt in Afghanistan die Desertion nicht eine mehrmonatige Haftstrafe, sondern entweder lebenslange Haft oder die Todesstrafe nach sich gezogen habe.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Beschwerdeführer verkennt, daß im Verfahren nach § 54 FrG der Fremde mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0723, mwN). Wenn die belangte Behörde unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren und nicht seiner viele Jahre später getätigten Aussagen (siehe die Sachverhaltsdarstellung oben I.1.) zu dem Ergebnis gelangte, daß ihm die Glaubhaftmachung von im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan angeblich drohenden Gefahren i. S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht gelungen sei, so basiert diese Annahme auf einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung. Der Beschwerdeführer tut nicht dar, weshalb die belangte Behörde nicht seinen im Rahmen des Asylverfahrens im Jahr 1983 als den nur kurze Zeit nach seiner Ausreise aus Afghanistan (und in der Folge Pakistan) gemachten Angaben hätte Glauben schenken dürfen. Die Beschwerdebehauptung, die "allfälligen kleineren Widersprüchlichkeiten" seien durch "sprachliche Schwierigkeiten" bedingt, ist schon mangels jeglicher Konkretisierung nicht geeignet, die tatsächlich groben Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers zu erklären bzw. die von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachte Ansicht, wonach bei einer derartigen Sachlage der früheren, weil erfahrungsgemäß eher der Wahrheit nahekommenden Aussage des Fremden mehr Glaubwürdigkeit zukomme, zu entkräften. Gleiches gilt für den in keiner Weise substantiierten Hinweis, es sei hinlänglich bekannt, daß damals in Afghanistan eine Desertion mit lebenslanger Haft oder der Todesstrafe geahndet worden sei.

2.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerde vor, daß der Beschwerdeführer sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan "weiterhin auf der Fahndungsliste steht", was ihm von seiner in Pakistan lebenden Mutter wie auch von Bekannten in den beiden genannten Ländern bestätigt worden sei. Es drohe ihm daher sehr wohl "die akute Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, langjährigen Strafe bzw. Todesstrafe".

2.2. Auch mit dieser ganz allgemein gehaltenen Behauptung vermag der Beschwerdeführer eine aktuelle Gefahr und/oder Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht darzutun. Vielmehr wäre das Zutreffen dieser Behauptung vom Beschwerdeführer entsprechend zu bescheinigen gewesen, wobei festzuhalten ist, daß ein allfälliges Aufscheinen des Namens des Beschwerdeführers in einer Fahndungsliste - ohne diesbezügliche konkrete Darlegungen - noch nicht mit der Gefahr "unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe" (§ 37 Abs. 1 FrG) gleichzusetzen wäre.

3. Da nach dem Gesagten der im Instanzenzug getroffenen Feststellung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung des Beschwerdeführers in Afghanistan i.S. des § 37 Abs. 1 und 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde mangels Vorliegens der behaupteten Rechtsverletzung - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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