VwGH 95/20/0303

VwGH95/20/030323.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerden 1. der HD und 2. des MD, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995, jeweils Zl. 4.316.958/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

1. Die Beschwerde der HD wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der Bescheid betreffend MD wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres inneren Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

Die Beschwerdeführer, Ehegatten, sind türkische Staatsangehörige und reisten am 17. Mai 1991 in das Bundesgebiet ein. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 1991 beantragten sie, ihnen Asyl zu gewähren. Sie begründeten dies zusammengefaßt damit, daß dem Zweitbeschwerdeführer von den türkischen Behörden vorgeworfen worden sei, für die Kurdenorganisation PKK tätig zu sein. Er sei im August 1990 festgenommen und 15 Tage gefoltert worden. Nach weiteren sieben Monaten in Haft sei er am 14. März 1991 entlassen worden. Aber auch danach seien beide Beschwerdeführer von der türkischen Polizei observiert worden. Es sei ihnen nicht mehr möglich gewesen, ein geregeltes Leben zu führen. Daß die Gefahr einer weiteren Verfolgung nach wie vor gegeben sei, verdeutliche der Umstand, daß die Eltern des Zweitbeschwerdeführers vor ca. zwei bis drei Wochen vor Einbringung des Asylantrages nach seinem Aufenthalt von der Polizei gefragt worden seien.

Beide Beschwerdeführer wurden am 11. Juli 1991 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark zu ihren Fluchtgründen befragt.

Die Erstbeschwerdeführerin gab an, sie selbst sei keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Sie habe weder mit den Behörden noch mit der Polizei Schwierigkeiten gehabt, und sie sei vor ihrer Ausreise auch nicht gesucht worden. Sie habe die Türkei verlassen, weil sie bei ihrem Mann habe bleiben wollen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab an, er habe Mitglieder der PKK mit Lebensmitteln versorgt und sei deshalb verhaftet worden. Nach seiner Haftentlassung habe er weiterhin vor der Polizei Angst gehabt. Er habe in der Zeitung gelesen, daß andere Mithäftlinge nach ihrer Entlassung aus der Haft auf offener Straße erschossen worden seien. Während seines Gefängnisaufenthaltes sei er geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert worden. Er sei im Winter mit kaltem Wasser abgespritzt, an den Armen aufgehängt und mit Holzstöcken auf die Fußsohlen geschlagen worden. Er habe Anfang April 1991 eine schriftliche Vorladung zur Polizei erhalten. Da er während seines Aufenthaltes im Gefängnis soviel durchgemacht habe, habe er Angst gehabt und sich entschlossen, aus der Türkei zu flüchten.

Mit den (formularmäßigen) Bescheiden vom 30. Oktober 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß die Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllten.

Gegen diese Bescheide erhoben beide Beschwerdeführer Berufung.

Über Auftrag der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer am 8. März und am 5. April 1995 ergänzend durch das Bundesasylamt befragt. Die Beschwerdeführerin wurde in dem den Beschwerdeführer betreffenden Asylverfahren am 5. April 1995 als Zeugin einvernommen.

Mit den in der Folge erlassenen und nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 11. April 1995 wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß Österreich den Beschwerdeführern kein Asyl gewähre.

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin führte die belangte Behörde begründend aus, daß sie nach ihren eigenen Angaben keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Aus den geltend gemachten Beeinträchtigungen den Zweitbeschwerdeführer betreffend könne eine gegen die Erstbeschwerdeführerin selbst gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet werden.

Die Abweisung des Asylantrages des Zweitbeschwerdeführers begründete die belangte Behörde zusammengefaßt damit, daß der Beschwerdeführer von den türkischen Behörden "schlußendlich nach drei Verhandlungen frei gelassen" worden sei. Soweit der Zweitbeschwerdeführer nach seiner Freilassung weitere gegen ihn gerichtete Handlungen der türkischen Behörden befürchtet habe, sei ihm entgegenzuhalten, "daß daraus, insbesondere da Sie nicht glaubwürdig darzutun vermochten, daß die türkischen Behörden nach Ihrer Freilassung überhaupt beabsichtigten, Maßnahmen gegen Sie zu setzen, bzw. solche gesetzt hätten, nicht abgeleitet werden kann, daß Sie sich aus objektiv wohlbegründeter Furcht vor aktueller bzw. künftiger Verfolgung außerhalb Ihres Heimatlandes befinden". Im weiteren führt die belangte Behörde im einzelnen von ihr geortete Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers an: So habe er bei seiner Ersteinvernahme am 11. Juli 1991 angegeben, daß er Anfang April des Jahres 1991 eine schriftliche Vorladung zur Polizei bekommen habe. Am 8. März 1995 habe er ausgesagt, er habe sich nach seiner Haftentlassung zunächst zu Hause auf- und dann verborgen gehalten. Dabei habe er von seinem Vater telefonisch erfahren, daß er von der Polizei gesucht würde. Am 28. März 1991 habe er dann seine Frau zu sich nachkommen lassen. Bei der weiteren Einvernahme am 5. April 1995 habe der Beschwerdeführer angegeben, sich nach seiner Haftentlassung am 14. März 1991 ca. eine Woche zu Hause aufgehalten zu haben. Danach habe er sich an verschiedenen Orten, zumeist in "G."

versteckt gehalten. Etwa am zehnten Tag nach seiner Freilassung habe er telefonisch von seinem Vater erfahren, daß die Polizei nach ihm suche.

Nach Vorhalt des Widerspruchs, wonach er bei seiner Ersteinvernahme von einer schriftlichen Vorladung zur Polizei gesprochen habe, habe der Beschwerdeführer am 8. März 1995 ausgesagt, daß er von seinem Vater telefonisch erfahren habe, daß die Polizei nach ihm suche. Die diesbezügliche Aussage im Protokoll der Ersteinvernahme sei nicht richtig und diese ihm auch nicht vorgelesen worden.

In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer erklärt, seine Ausreise zu Hause vorbereitet zu haben; es sei zu diesem Zeitpunkt in der Zeitung eine Fotografie erschienen, die ihn gemeinsam mit anderen der Unterstützung der PKK Verdächtigen zeige; darüber sei auch im Fernsehen berichtet worden. Er habe sich an verschiedenen Orten versteckt gehalten. Er habe mit seiner Frau telefonisch Kontakt gehalten und sie auf diesem Wege zu bestimmten Treffpunkten bestellt.

Demgegenüber habe die Erstbeschwerdeführerin ausgesagt, sie habe nach Verlassen des Heimatdorfes durch den Zweitbeschwerdeführer und vor der gemeinsamen Abfahrt aus "G."

mit diesem keinen Kontakt gehabt, weil es im Dorf kein Telefon gebe. Nach Vorhalt der anders lautenden Aussage des Zweitbeschwerdeführers habe die Erstbeschwerdeführerin ihre Angaben dahin "verbessert" als sie nunmehr erklärt habe, es habe sich ein Telefon zwar nicht bei ihr zu Hause, jedoch in einem Geschäft des Dorfes befunden. Auch sei sie öfters in einem anderen Dorf bei ihrer Mutter aufhältig gewesen. Auf den Vorhalt, daß der Zweitbeschwerdeführer erklärt habe, sie sei wiederholt in "G." gewesen, habe die Erstbeschwerdeführerin angegeben, daß sie sehr aufgeregt sei und sie nicht mehr wüßte, was sie sage.

Der Zweitbeschwerdeführer habe nach Vorhalt der Aussagen der Erstbeschwerdeführerin schließlich angegeben, daß es im Dorf nur ein Telefon in einem Geschäft gebe. Auch sei die Erstbeschwerdeführerin vermutlich nur zweimal, zumindest einmal bei ihm in "G." gewesen. Der Zweitbeschwerdeführer habe seine Gattin auch nicht direkt, sondern deren Vater angerufen, der dann seine Frau informiert habe.

Aufgrund dieser (als wesentlich gewerteten) Widersprüche in den dargestellten Aussagen gelangte die belangte Behörde zu der Schlußfolgerung, daß die Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe nach seiner Haftentlassung eine asylrelevante Verfolgung befürchten müssen, nicht glaubwürdig seien. Dies insbesondere deshalb:

"als für die erkennende Behörde auch kein schlüssiges Motiv für den angeblichen Verfolgerstaat - laut Ihren eigenen Angaben haben Sie sich ja in keiner Weise politisch betätigt und lediglich gezwungenermaßen PKK-Angehörige mit Lebensmitteln unterstützt - feststellbar ist, weshalb er gerade Sie nach ihrer Freilassung nachhaltig zu belangen trachten sollte. Müßte es diesem doch, entspräche sein Verhalten tatsächlich Ihren Behauptungen, bereits im Zuge Ihrer Inhaftierung und der drei von Ihnen angeführten rezenten Gerichtsverhandlungen gerade ein Leichtes gewesen sein, Ihrer Person habhaft zu bleiben und befürchtete Aktivitäten Ihrer Person präventiv hintanzuhalten. Gerade der Umstand Ihrer Freilassung zeigt jedoch, daß der türkische Staat offenbar kein weiteres Interesse an einer Verfolgung Ihrer Person hatte bzw. hat, insbesondere da er doch durch Ihre Enthaftung manifestierte, daß er die von Ihnen behauptete Unschuld für erwiesen hält."

Es gehe auch die Behauptung ins Leere, daß der Beschwerdeführer durch die Medien als Terrorist deklariert worden sei und ihm deshalb eine Verfolgung aus politischen Gründen drohe. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Schicksale einiger Mithäftlinge könnten keine individuell gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung belegen.

Aber selbst wenn man annähme, die türkischen Behörden hätten auch nach der Enthaftung des Beschwerdeführers an diesem ein Interesse gehabt, so vermöge die geschilderte Vorladung zur Polizei dennoch keine asylrelevante Verfolgung zu begründen. Aus dem Gesamtbild des Vorbringens des Beschwerdeführers hätten sich für die belangte Behörde keine Anhaltspunkte ergeben, die die Annahme nahelegten, daß sich die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände auf das gesamte Gebiet seines Heimatstaates bezögen. Es spreche nichts dagegen, daß der Beschwerdeführer nicht schon "Schutz vor etwaigen Fährnissen in einem anderen, befriedeten, Teil der Türkei" hätte finden können bzw. nicht schon während seines Aufenthaltes in Istanbul gefunden habe.

Dem habe der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 5. April 1994 nichts Konkretes entgegenzusetzen vermocht. Das Asylrecht solle vor möglicher drohender Unbill schützen und nicht eine Entschädigung für erlittenes Ungemach darstellen. Die vom Beschwerdeführer zur Untermauerung seines Vorbringens vorgelegten Schriftstücke (die im Akt einliegende Anklageschrift wegen des Vorwurfes der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der PKK; das vorgelegte ärztliche Attest, wonach beim Zweitbeschwerdeführer ein Zustandsbild nach einer höchstwahrscheinlich traumatisch gesetzten Trommelfellperforation links befundet wurde) seien von der Behörde geprüft worden, jedoch habe sich daraus keine ihn betreffende asylrechtlich beachtliche aktuelle Verfolgungsgefahr ergeben.

Überdies habe das "durchgeführte Ermittlungsverfahren" ergeben, daß der Beschwerdeführer bereits vor seiner Einreise nach Österreich im ehemaligen Jugoslawien vor Verfolgung sicher gewesen sei. Das ehemalige Jugoslawien sei zum Zeitpunkt der Durchreise des Beschwerdeführers Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention gewesen, und es spreche nichts dafür, daß dieser Staat seine mit dieser Mitgliedschaft verbundenen Pflichten (insbesondere das im Art. 33 statuierte Refoulementverbot) vernachlässigt hätte. Dies sei dem Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt am 8. März 1995 vorgehalten worden. Damals habe sich der Beschwerdeführer nur dahingehend geäußert, er habe keine Ahnung gehabt, "was Jugoslawien und Asyl betreffe". Der Beschwerdeführer habe somit nicht darzutun vermocht, daß er objektiv keinen Rückschiebeschutz in diesem Staat genossen habe. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in einem Mitgliedstaat der Genfer Konvention aufgehalten habe, und der Beschwerdeführer nicht darzutun vermocht habe, daß (das ehemalige) Jugoslawien seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zuwidergehandelt hätte, könne "nicht zu einer anders lautenden Feststellung führen, als daß Sie bereits dort Schutz vor Verfolgung gefunden haben".

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen jeweils die Rechtswidrigkeit deren Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerden erwogen:

1. Zur Beschwerde der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde hätte sie dahingehend befragen müssen, ob sie nicht deshalb einer Verfolgung durch die türkischen Behörden ausgesetzt war, weil ihr Ehemann als PKK-Sympathisant für sechs Monate inhaftiert gewesen sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt von Amts wegen vollständig und umfassend zu ermitteln, grundsätzlich nur auf solche asylrechtlich relevante Umstände bezieht, die vom Asylwerber auch vorgetragen werden. Die Aussage des Asylwerbers ist das zentrale Bescheinigungsmittel und Ausgangspunkt für die die Behörde treffende Ermittlungspflicht. Finden sich in den Aussagen eines Asylwerbers keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Asylgrundes, so bedarf es in der Regel keiner weitergehenden amtswegigen Ermittlungen. Es besteht keine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. November 1995, Zl. 95/20/0329, mwN).

Die Beschwerdeführerin hat anläßlich ihrer Einvernahme am 11. Juli 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark erklärt, sie selbst habe in der Türkei keinerlei Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt und sei nur deshalb nach Österreich gekommen, weil sie bei ihrem Ehemann bleiben wolle. Auch bei ihrer ergänzenden Einvernahme durch das Bundesasylamt in dem ihren Ehegatten betreffenden Verfahren erklärte sie ausdrücklich, sie sei wegen ihres Ehemannes in der Türkei keinen Repressalien ausgesetzt gewesen (AS 2 der Niederschrift vom 5. April 1995). Diese Aussage steht in Einklang mit den Angaben des Zweitbeschwerdeführers, wonach ihm seine Ehegattin nichts von derartigen Repressalien erzählt habe (siehe dazu AS 2 des den Zweitbeschwerdeführer betreffenden Protokolles vom 5. April 1995, wo dieser weiters antwortete:

"... man will nur die Männer, die Frauen werden in Ruhe gelassen"). Auch in der vorliegenden Beschwerde wird nicht behauptet, daß die Beschwerdeführerin im Falle der als zu Unrecht unterlassen gerügten Fragestellung anläßlich ihrer Einvernahme am 11. Juli 1991 etwas anderes ausgesagt hätte, als sie dann im Zuge ihrer Einvernahme als Zeugin im Verfahren ihres Ehemannes angegeben hat. Demgemäß mangelt dem behaupteten Verfahrensmangel in Form einer unvollständigen Befragung der Erstbeschwerdeführerin durch die erstinstanzliche Behörde die Relevanz. Angesichts der unbedenklichen Annahme der belangten Behörde, die Erstbeschwerdeführerin habe in der Türkei weder aufgrund eigenen Verhaltens noch aufgrund ihrer Ehe mit dem Zweitbeschwerdeführer Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden gehabt - der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch für die Zukunft keine derartigen Befürchtungen geäußert -, ist nicht ersichtlich, weshalb die beanstandete Unterlassung der Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zu den Verletzungen ihres Ehemannes für die Entscheidung über ihren Asylantrag wesentlich sein könnte. Die Beschwerde bemängelt zwar die nicht erfolgte Beischaffung von "Amnestie International Länderberichten" sowie von Berichten des "Ludwig Boltzmann Institutes, jeweils für die Jahrgänge 1991 bis 1994", jedoch wird nicht dargetan, warum sich aus den dadurch zu belegenden Ausführungen zur allgemeinen Lage der Kurden in der Türkei eine gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtete, individuelle Verfolgungsgefahr von erheblicher Intensität ergeben soll.

Die weiters aufgestellte Behauptung, es habe der Beschwerdeführerin die Verfolgung schon alleine aufgrund einer "Sippenhaftung" gedroht, weil die Behörden den Aufenthaltsort ihres Ehemannes nicht ermitteln konnten, ist eine gemäß § 41 VwGG unzulässige Neuerung, auf die nicht weiter einzugehen ist.

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

2. Zur Beschwerde des Beschwerdeführers:

Die belangte Behörde stellte nicht in Abrede, daß der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zur PKK im August 1990 festgenommen und bis zum 14. März 1991 in Haft gehalten wurde. Auch die vom Beschwerdeführer geschilderten Folterungen

("man schloß Strom an meinem rechten großen Zeh an; danach wurde ich an meinen Füssen kopfüber aufgehängt, man schloß Strom an meinem Geschlechtsteil an, wobei ich die Besinnung verlor; bei einer weiteren Folterung spritzte man mir kaltes Wasser in mein linkes Ohr und man hat mit Gummiknüppeln auf meine Fußsohlen geschlagen")

werden nicht als unglaubwürdig qualifiziert; ebensowenig die Aussage des Beschwerdeführers, er sei nach seiner Enthaftung im März 1991 in den Medien (unter Beigabe einer Fotografie) als "Terrorist" der PKK gebrandmarkt worden und er habe in der Zeitung davon lesen müssen, daß mit ihm gemeinsam Angeklagte nach ihrer Freilassung auf der Straße erschossen worden seien.

Die belangte Behörde war jedoch der Auffassung, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte nach seiner Haftentlassung weitere Verfolgung befürchten müssen, angesichts "der großen Anzahl von Widersprüchen und Unglaubwürdigkeiten" nicht glaubwürdig sei.

Soweit die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen wollte, die Angaben des Beschwerdeführers, daß er nach seiner Entlassung wieder von der Polizei gesucht worden sei, seien unglaubwürdig, ist dem folgendes entgegenzuhalten: Ungeachtet vorhandener Widersprüche in einzelnen Details (betreffend die Dauer des Aufenthaltes des Zweitbeschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung, der Anzahl der Kontakte zwischen den beiden Beschwerdeführern vor dem Verlassen der Türkei), die auf die teilweise erst mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgte Einvernahme und die dadurch bedingte Unschärfe des Erinnerungsvermögens zurückgeführt werden können, haben beide Beschwerdeführer im wesentlichen übereinstimmend angegeben, daß sich der Zweitbeschwerdeführer nach seiner Haftentlassung nur ca. eine Woche bis zu zehn Tagen in seinem Heimatdorf aufgehalten und danach aus Furcht vor neuerlicher Festnahme durch ihn suchende Polizeiorgane bis zu seiner Ausreise versteckt gehalten habe. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Umstand der Freilassung des Beschwerdeführers zeige, daß der türkische Staat "offenbar kein weiteres Interesse an seiner Verfolgung" gehabt habe und die Enthaftung "manifestiert, daß (die türkische Behörde) die behauptete Unschuld für erwiesen hält", ist nicht schlüssig. Ein in einem Gerichtsverfahren erfolgter Freispruch von der Anklage besagt für sich allein noch nicht, daß die diesen Anklagevorwurf erhebenden Behörden danach davon überzeugt wären, daß der Anklagevorwurf zu Unrecht erhoben worden sei, zumal im vorliegenden Fall dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, daß der Beschwerdeführer wegen für erwiesen gehaltener Unschuld freigelassen worden wäre. Der Beschwerdeführer hat dazu vielmehr angegeben, ihm sei von den staatlichen Organen vorgehalten worden, sie seien weiterhin der Auffassung, daß er die PKK unterstütze und er "werde keine Ruhe" haben. Die belangte Behörde hat in Wahrheit nicht nachvollziehbar begründet, warum der Beschwerdeführer - angesichts der erlittenen schweren Folterungen, der langen Dauer seiner Haft aufgrund der ihm unterstellten politischen Gesinnung, der ihn nach seiner Enthaftung als Terroristen deklarierenden Medienberichte und der behaupteten Schicksale einiger Mitangeklagter nach deren Freilassung - wohlbegründete Furcht vor (künftiger) asylrelevanter Verfolgung nicht glaubhaft gemacht hat. Die von der belangten Behörde herangezogenen widersprüchlichen Aussagen in (letztlich nicht maßgeblichen) Detailaspekten sind nicht geeignet, den Kern der gemeinsamen Aussage der Beschwerdeführer zu erschüttern, wonach der Zweitbeschwerdeführer nach seiner Haftentlassung neuerlich von Spezialeinheiten der Polizei gesucht worden sei.

Der Standpunkt der belangten Behörde, selbst wenn der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung wieder von der Polizei gesucht worden sein sollte, könne dies seine Flüchtlingseigenschaft nicht begründen, weil eine Vorladung allein noch nicht auf eine beabsichtigte Verfolgung durch die Behörden schließen lasse, ist im vorliegenden Fall verfehlt. Die belangte Behörde übersieht, daß nicht eine Ladung zur Einvernahme für sich allein zu beurteilen ist, sondern vielmehr im Rahmen der hier gebotenen Gesamtschau auf die zuvor stattgefundenen Vorfälle Bedacht zu nehmen ist. Diese Fehleinschätzung trifft auch auf die im angefochtenen Bescheid weiters enthaltene Aussage zu, daß die Inhaftierung des Beschwerdeführers "als singuläres Ereignis zu betrachten" sei, welches "mit der Enthaftung als abgetan gesehen werden muß". Damit hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Die Behauptung, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden seien "von der erkennenden Behörde geprüft" worden, hätten aber "keine Anhaltspunkte einer Sie betreffenden asylbeachtlichen aktuellen Verfolgungsgefahr" ergeben, ist eine Scheinbegründung und inhaltsleer. Soweit sich die belangte Behörde auf die Annahme einer inländischen Fluchtalternative in der Türkei, insbesondere in Istanbul, bezieht, wird übersehen, daß sich der Zweitbeschwerdeführer nach seinen (mit denen der Erstbeschwerdeführerin übereinstimmenden) Angaben bis zu seiner Flucht aus der Türkei versteckt gehalten hat. Dazu zeigt die Beschwerde zutreffend auf, daß sich die Anklageschrift und die Medienberichterstattung, wonach er als Terrorist "gebrandmarkt" worden sei, in ihren Auswirkungen nicht nur unmittelbar auf sein Heimatdorf beschränkt haben konnten.

Die belangte Behörde ist weiters der Auffassung, der Asylgewährung stehe der Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 entgegen, weil der Beschwerdeführer im ehemaligen Jugoslawien, welcher als Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention das dort normierte Refoulementverbot zu beachten habe, Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe. Die belangte Behörde hat zwar dem Beschwerdeführer diese Annahme anläßlich seiner ergänzenden Einvernahme im Berufungsverfahren vorgehalten, dazu jedoch keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt. Demgemäß konnte sie dem Beschwerdeführer diesbezüglich keinerlei Beweisergebnisse vorhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen, die Mitwirkungspflicht einer Partei gehe nicht soweit, das sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß § 11 und § 16 Asylgesetz 1991 iVm den §§ 39, 40 und 60 AVG) verpflichtet ist. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben vielmehr von sich aus (und nicht nur aufgrund eines Verlangens des Asylwerbers oder aufgrund der zumindest formalen Bestreitung eines pauschalen Vorhaltes wie dem im vorliegenden Fall aktenkundigen) zum Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Ermittlungen anzustellen, die im besonderen auch die Frage des Rückschiebungsschutzes zu umfassen haben. Die Frage, welche Vorgangsweise in bestimmten Drittstaaten in bezug auf den Schutz von Flüchtlingen vor einer Abschiebung in ihren Heimatstaat beobachtet wird, zählt nicht zu denen, bei deren Klärung der Mitwirkungspficht des Asylwerbers Bedeutung zukäme (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0179). Im angefochtenen Bescheid begründete die belangte Behörde ihre Annahme nur mit der nicht schlüssigen Folgerung, aus dem Beitritt des ehemaligen Jugoslawiens zur Genfer Flüchtlingskonvention sei auf die effektive Geltung des Refoulementverbotes zu schließen, sowie mit einer unzulässigen Verschiebung der Beweislast zum Nachteil des Beschwerdeführers, wonach dieser darzutun hätte, daß er im ehemaligen Jugoslawien keinen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Rückschiebungsschutz in den Verfolgerstaat hätte erlangen können. Die Beschwerde, die ausdrücklich die Annahme der effektiven Geltung des Refoulementverbotes in Jugoslawien für den Zeitpunkt der Durchreise des Beschwerdeführers bestreitet, zeigt auch die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Ermittlungsfehlers auf. Sie bringt nämlich vor, bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte sich ergeben, daß der Beschwerdeführer keinen der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz vor Rückschiebung in den Verfolgerstaat hätte finden können. Damit verstößt die nunmehr in der Beschwerde ausdrücklich erhobene Bestreitung der Annahme der erlangten Verfolgungssicherheit in Jugoslawien durch die belangte Behörde und die Behauptung, der Beschwerdeführer habe im ehemaligen Jugoslawien während seiner Durchreise keinen ausreichenden Schutz vor ungeprüfter Rückschiebung in den Verfolgerstaat finden können, nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG (vgl. dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Der vorliegende Bescheid war - da die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente lediglich die Vorlage von zwei Beschwerdeausfertigungen und einer Bescheidausfertigung, weshalb an Stempelgebührenersatz insgesamt S 330,-- zuzusprechen waren.

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