OGH 10ObS149/09y

OGH10ObS149/09y1.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann S*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, wegen Rückforderung von Krankengeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Juli 2009, GZ 11 Rs 109/09t-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. März 2009, GZ 10 Cgs 380/08t-6, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger erlitt am 20. 5. 2006 bei einem Verkehrsunfall in T***** in Oberösterreich Verletzungen. Vom 20. 5. 2006 bis 25. 6. 2006 sowie vom 26. 7. 2006 bis 18. 10. 2006 bezog er aus den (unfallbedingten) Versicherungsfällen der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Krankengeld in Höhe von insgesamt 4.130,76 EUR.

Die am 20. 5. 2006 um 20:40 Uhr sichergestellte Armvenen-Blutprobe des Klägers wies einen Trinkalkoholgehalt von 1,34 Promille auf. Rückgerechnet auf den Unfallszeitpunkt ergibt sich eine theoretische Blutalkoholkonzentration von etwa 1,5 Promille.

Der Kläger kann sich an den Unfallhergang sowie an den Zeitraum davor nicht mehr erinnern; er weiß nicht, wer das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gelenkt hat. Er ist erst im Krankenhaus wieder zu sich gekommen.

Mit Schreiben vom 6. 6. 2006 übermittelte die beklagte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse dem Kläger einen „Fragebogen zur Unfallerhebung“. Das dazu übermittelte Begleitschreiben hat folgenden wesentlichen Inhalt:

„... im Zusammenhang mit der Leistung Stationärer Aufenthalt vom 20. 5. 2006 [Hervorhebungen im Original] benötigen wir von Ihnen noch weitere Informationen. Gemäß §§ 332 ff ASVG können wir die für Sie erbrachten Leistungen von demjenigen zurückfordern, der Ihre Verletzung schuldhaft verursacht hat oder aus anderen Gründen zur Haftung herangezogen werden kann.

Bitte füllen Sie den beiliegenden Fragebogen wahrheitsgemäß und vollständig aus ...“.

Abschließend unmittelbar vor dem für die Unterschrift des Versicherten oder Verletzten vorgesehenen Platz findet sich die Belehrung: „Mit meiner Unterschrift bestätige ich die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben. Ich nehme zur Kenntnis, dass bewusst unwahre Angaben bzw. bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen leistungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (zB Rückforderung des Krankengeldes).“

Der Kläger hat den Fragebogen unterschrieben und datiert mit 13. 7. 2006 an die beklagte Partei zurückgeschickt (Anmerkung: Nach dem Eingangsstempelaufdruck auf Blg ./2 ist der Erhebungsbogen bereits am 12. 7. 2006 in einem Kundenservice-Center der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse eingelangt).

Der Kläger hat im Fragebogen im Wesentlichen folgende Angaben gemacht:

Unter Punkt 5. führte er an, dass er vor dem Unfall Alkohol (1,34 Promille) konsumiert hat. Unter Punkt 7. hat er als Zeugen des Unfalls Burkhard W***** und dessen Mutter (Edith W*****) genannt. Unter Punkt 9. hat er angegeben, dass beim Unfall Patrick B***** verletzt worden ist.

Die Frage des Punktes 10. lautet: „Wie kam die Verletzung zustande? (Bitte schildern Sie den genauen Unfallhergang).“

Der Kläger gab an: „Durch ein riskantes Überholmanöver von Herrn Patrick B*****, kam das Fahrzeug von der Fahrbahn ab, und überschlug sich mehrmals.“

Im nächsten mit „Wichtig bei Verkehrsunfällen“ überschriebenen Punkt des Formblatts gab der Kläger als Fahrzeuglenker Patrick B***** und sich selbst als „Mitfahrer“ an.

Dem Kläger war beim Ausfüllen des Fragebogens bewusst, dass Krankengeld grundsätzlich zurückgefordert werden kann. Der Kläger hat auch gewusst, dass das Krankengeld zurückzuzahlen ist, wenn sich jemand selbst im alkoholisierten Zustand verletzt, zB als Lenker eines Kraftfahrzeugs.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. 4. 2008, AZ 22 Hv 32/07g, wurde der Kläger schuldig erkannt, dass er am 20. 5. 2006 in T***** unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt als Lenker des Pkw Renault 19 ... dadurch, dass er infolge überhöhter Geschwindigkeit nach einem Überholmanöver gegen eine Böschung prallte, wodurch sich das Fahrzeug überschlug und anschließend eine Flussböschung hinunterstürzte, Patrick B***** am Körper verletzte, nachdem sich der Kläger vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.

Mit Bescheid vom 24. 11. 2008 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass der Bezug von Krankengeld aus den Versicherungsfällen der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit vom 20. 5. 2006 bis 25. 6. 2006 und vom 26. 7. 2006 bis 18. 10. 2006 zu Unrecht erfolgt sei. Die Zuerkennung dieser Leistung wurde widerrufen und der Kläger aufgefordert, das Krankengeld von 4.130,76 EUR innerhalb von vier Wochen zurückzuzahlen. Gestützt wurde der Rückforderungsanspruch darauf, dass eine Verletzung von Meldevorschriften vorliege bzw sei es erkennbar und einsehbar gewesen, dass bei einem Vorfall dieser Art Krankengeld nicht gebühre.

Der Kläger begehrt die Unterlassung der Rückforderung. Aufgrund einer retrograden Amnesie könne er sich an das Unfallgeschehen und die Ereignisse davor nicht mehr erinnern. Im Hinblick auf die Aussagen völlig unbeteiligter Unfallzeugen sei er in der Folge zu der Überzeugung gelangt, dass das Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt von Patrick B***** gelenkt worden sei. Aufgrund dieser berechtigten Annahme würden bewusst falsche Angaben oder ein bewusstes Verschweigen wesentlicher Angaben seitens des Klägers gegenüber der beklagten Partei ausscheiden. Aus seiner subjektiven Sicht seien alle Angaben richtig gewesen.

Die beklagte Partei wandte ein, dass der Kläger auf dem Unfallerhebungsbogen unrichtige Angaben gemacht bzw Sachverhaltselemente bewusst verschwiegen habe. Es sei für jedermann, so auch für den Kläger, einsehbar, dass bei einem auf Alkoholisierung zurückzuführenden Unfall Krankengeld nicht gebühre.

Das Erstgericht wies das auf Unterlassung der Rückforderung gerichtete Klagebegehren ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des bezogenen Krankengeldes. Obwohl dem Kläger bekannt gewesen sei, dass es wesentlich sei, wer das Unfallfahrzeug gelenkt habe, und er dies selbst nicht gewusst habe, habe er im Erhebungsbogen nicht auf die Unklarheit hinsichtlich der Person des Lenkers hingewiesen, sondern Patrick B***** als Lenker und sich selbst als Mitfahrer dargestellt. Mit anderen Worten habe er die maßgebende Tatsache, dass er zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Erhebungsbogens nicht gewusst habe, wer das Unfallfahrzeug gelenkt habe, nicht erwähnt. Somit seien die Voraussetzungen für die Rückforderung des dem Kläger gewährten Krankengeldes erfüllt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, im Erhebungsbogen die Frage nach der Beteiligung als Lenker oder Mitfahrer offen zu lassen. Dadurch, dass er dies unterlassen habe, sei der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 2. Fall ASVG erfüllt.

Da die Frage nach dem Vorliegen des geprüften Rückforderungstatbestands nur nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten sei, sei die Revision nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von einer von den Feststellungen nicht gedeckten Kausalität zwischen den mit 13. 7. 2006 datierten Angaben im Fragebogen einerseits und der Gewährung von Krankengeld im (davor liegenden) Zeitraum vom 20. 5. 2006 bis 25. 6. 2006 ausgegangen ist. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

In seiner außerordentlichen Revision stellt der Kläger in den Vordergrund, dass das Berufungsgericht - mehrfach von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichend - ohne Beweiswiederholung unrichtige Tatsachenschlüsse gezogen habe, insbesondere auf ein bewusstes Verschweigen des Umstands, dass er sich an den Unfall nicht mehr erinnere; vielmehr habe der Kläger aus seiner Sicht mit guten Gründen davon ausgehen können, dass er das Fahrzeug nicht selbst gelenkt habe. Schon diese unvertretbare Vorgangsweise begründe eine erhebliche Rechtsfrage. Weiters könne der Inhalt eines offensichtlich auf ein anderes Ziel (nämlich die Beurteilung von Regressansprüchen) gerichteten Unfallerhebungsbogens nicht maßgebend für die Gewährung von Krankengeld sein. Insgesamt liege weder der Rückforderungsfall des § 107 Abs 1 2. Fall ASVG (bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen) noch der des § 107 Abs 1 4. Fall ASVG (Erkennbarkeit des Nichtgebührens der Leistung) vor, weshalb das Berufungsgericht zu Unrecht zur Auffassung gelangt sei, dass die bezogene Leistung zurückzuzahlen sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Nach § 107 Abs 1 Satz 1 ASVG hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern, wenn der Zahlungs- bzw Leistungsempfänger den Bezug durch

- (1. Fall) bewusst unwahre Angaben,

- (2. Fall) bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen oder

- (3. Fall) Verletzung der Meldevorschriften (§ 40 ASVG) herbeigeführt hat oder

- (4. Fall) wenn der Zahlungs- bzw Leistungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

1.1. Die ersten drei Rückforderungstatbestände sind dadurch gekennzeichnet, dass der Zahlungs- bzw Leistungsempfänger den Bezug durch ein bestimmtes Verhalten herbeigeführt hat. Wie aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht, muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Zahlungs- bzw Leistungsempfängers und dem Bezug der Geldleistung bestehen.

1.2. Die ersten beiden in § 107 Abs 1 Satz 1 ASVG genannten zwei Tatbestände der bewusst unwahren Angaben (1. Fall) und des bewussten Verschweigens maßgebender Tatsachen (2. Fall) setzen zumindest bedingten Vorsatz (dolus eventualis) voraus (10 ObS 369/01i = SSV-NF 16/13 = RIS-Justiz RS0109340 [T2]). Auch der Verwaltungsgerichtshof leitet - zur Parallelbestimmung in § 25 Abs 1 AlVG - aus den Begriffen „unwahr“ (und nicht bloß „unrichtig“) bzw „Verschweigen“ das Erfordernis einer subjektiven Komponente ab, mit der Konsequenz, dass von demjenigen das Arbeitslosengeld nicht zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat (VwGH 92/08/0182 uva, zuletzt 2007/08/0228).

Zur Anwendung der beiden weiteren Rückforderungstatbestände (3. und 4. Fall) genügt nach der Judikatur jedenfalls Fahrlässigkeit (10 ObS 161/02b = SSV-NF 16/63 = RIS-Justiz RS0083641 [T14]).

1.3. Der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 Satz 1 4. Fall ASVG setzt kein dem Empfänger konkret vorwerfbares Verhalten voraus; zu prüfen ist allein, ob der Leistungsempfänger den nicht bzw nicht in dieser Höhe gebührenden Leistungsbezug „erkennen musste“, dh ob dem Empfänger - unter Voraussetzung gewöhnlicher (durchschnittlicher) geistiger Fähigkeiten - bei einer ihm nach den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Aufmerksamkeit auffallen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte (Atria in Sonntag, ASVG1 [2010] § 107 Rz 29). Bei Gewährung einer laufenden Leistung genügt es, wenn der Empfänger ernstlich die Möglichkeit in Betracht ziehen hätte müssen, dass ihm die Leistung zu Unrecht gewährt wird (RIS-Justiz RS0084334).

2. Schon mehrfach hat der Oberste Gerichtshof zu § 107 Abs 1 ASVG ausgesprochen, dass in Rechtsstreitigkeiten über die Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung zwar formell der Rückzahlungspflichtige als Kläger aufzutreten hat, die materielle Klägerrolle jedoch dem beklagten Versicherungsträger zukommt, der im gerichtlichen Verfahren zumindest einen Rückforderungstatbestand im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG zu behaupten und zu beweisen hat (10 ObS 68/99v = SSV-NF 13/46 = RIS-Justiz RS0086067 [T4] mwN; zuletzt 10 ObS 120/08g).

2.1. Im vorliegenden Fall wurden von der beklagten Partei im gerichtlichen Verfahren als Rückforderungsgrund im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG in erster Linie bewusst unrichtige Angaben im Unfallerhebungsbogen (§ 107 Abs 1 Satz 1 1. Fall ASVG) und das bewusste Verschweigen von Sachverhaltselementen (§ 107 Abs 1 Satz 1 2. Fall ASVG) geltend gemacht. Darüber hinaus sei es jedermann einsehbar, dass bei einem durch Alkoholisierung herbeigeführten Unfall Krankengeld nicht gebühre (§ 107 Abs 1 Satz 1 4. Fall ASVG).

2.2. Die beklagte Partei geht also davon aus, dass ein Grund für die Versagung des Krankengeldes bestanden hätte, wäre vom Kläger von vornherein die Möglichkeit eingeräumt worden, dass er das Unfallsfahrzeug gelenkt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Kläger im Hinblick auf seine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung von jedem Vorbringen ausgeschlossen, wonach er nicht der Fahrer gewesen wäre (RIS-Justiz RS0074219); der Umstand, dass er der Fahrer war, ist auch dem sozialgerichtlichen Verfahren zugrunde zu legen.

3. Vom Kläger wird auch nicht in Zweifel gezogen, dass ihm als Lenker die Krankengeldleistung nach § 142 Abs 1 Z 2 ASVG nicht gebührt hätte. Zu prüfen ist, ob im konkreten Fall im Hinblick auf die Angaben des Klägers im Erhebungsbogen ein Rückforderungsanspruch der beklagten Partei besteht oder nicht.

3.1. Nach den Feststellungen hat der Kläger den Unfallerhebungsbogen vom 6. 6. 2006 - datiert mit 13. 7. 2006 - an die beklagte Partei rückübermittelt. Weiters wurde vom Erstgericht explizit festgestellt (ohne dass diese Feststellungen im Rechtsmittelverfahren bestritten worden wären): „Der Kläger selbst kann sich an den Unfallhergang sowie den Zeitraum davor nicht mehr erinnern; er weiß auch nicht, wer das Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt gelenkt hat. Er ist erst wieder im Krankenhaus zu sich gekommen.“ Diese Feststellung ist im Zusammenhang mit weiteren Feststellungen ganz offensichtlich so zu verstehen, dass sich das Nicht-Wissen auch auf den Zeitpunkt des Ausfüllens des Fragebogens zur Unfallerhebung bezieht.

Nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichts hat der Kläger vor dem Ausfüllen des Unfallerhebungsbogens einige Telefonate mit der Polizei geführt, bei denen über den Unfallshergang und die abgegebenen Zeugenaussagen gesprochen wurde, darunter die Aussage von Patrick B*****, dass der Kläger gefahren sei. „Die Version des Patrick B***** hat der Kläger allerdings nicht geglaubt.“ Nach den Aussagen der Zeugen W***** wäre Patrick B***** gefahren.

3.2. Auf dieser Tatsachengrundlage ist allerdings in Bezug auf den Leistungszeitraum vom 20. 5. 2006 bis 25. 6. 2006 nicht zu erkennen, worauf der Rückforderungsanspruch erfolgreich gestützt werden kann. Es gibt keine Hinweise, dass die Krankengeldleistungen für diesen Zeitraum erst nach Abgabe der Erklärungen im Unfallerhebungsbogen vom 13. 7. 2006 erbracht worden wären. Demnach kommt nur der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 Satz 1 4. Fall ASVG (Erkennbarkeit des Nichtgebührens der Leistung) in Betracht. Wenn aber der Kläger erst im Krankenhaus zu sich gekommen ist und (aufgrund retrograder Amnesie) keine Erinnerung an den Unfall hatte, konnte sich sein Wissen bzw Nichtwissen erst aufgrund späterer Informationen dritter Personen bilden; die Informationen, die er von der Polizei über die abgegebenen Zeugenaussagen erhalten hatte, waren in Bezug auf die Fahrereigenschaft widersprüchlich. Vom Landesgericht Linz wurde der Kläger erst am 14. 4. 2008 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen. Bei seinem damaligen Wissensstand musste der Kläger bei Empfang der Leistung nicht ernstlich die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ihm die Leistung zu Unrecht gewährt wird.

3.3. Ein Teilurteil, mit dem dem entsprechenden Teilbegehren sofort stattgegeben werden könnte, ist aber nicht möglich, weil den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, welcher Teil des vom Kläger zurückgeforderten Krankengeldes sich auf den Leistungszeitraum vom 20. 5. 2006 bis 25. 6. 2006 bezieht, weshalb eine Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen unumgänglich ist.

4. In Bezug auf den weiteren Leistungszeitraum vom 26. 7. 2006 bis 18. 10. 2006 ist davon auszugehen, dass die vom Kläger im Unfallerhebungsbogen gegebenen Informationen für die Leistungsgewährung an ihn kausal waren (§ 107 Abs 1 Satz 1 1. - 3. Fall ASVG), gab es doch für die beklagte Partei keine Hinweise, dass der Kläger selbst der Fahrzeuglenker gewesen sein hätte können. Welchem (primären) Zweck der Erhebungsbogen diente (hier offenbar der Auskunftserteilung nach § 43 Abs 1 ASVG), ist für die Rückforderungsmöglichkeit unerheblich. Schließlich nimmt das Formular oberhalb der Unterschrift des Klägers ausdrücklich darauf Bezug, dass bewusst unwahre Angaben bzw bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen leistungsrechtliche Konsequenzen (wie die Rückforderung des Krankengeldes) nach sich ziehen.

4.1. Das Berufungsgericht nahm den Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 Satz 1 2. Fall ASVG (bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen) als gegeben an, weil der Kläger seine fehlende Erinnerung an den Unfallshergang (bei gleichzeitiger Schilderung des Geschehens entsprechend jener der „günstigeren“ Unfallszeugen) bewusst verschwiegen habe.

4.2. Der Kläger wiederum weist in seiner außerordentlichen Revision darauf hin, dass es an jeglichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite („bewusst“) fehle. Er selbst habe beim Ausfüllen des Unfallerhebungsbogens keinen Anlass gehabt anzugeben, wie er zum angeführten Kenntnisstand gekommen sei, von dessen Richtigkeit er aufgrund der bei ihm gegebenen Informationslage mit guten Gründen ausgehen habe können. Insgesamt handle es sich bei dem Umstand, dass er keine eigenen Erinnerungen an den Vorfall gehabt habe und habe, nicht um maßgebende Tatsachen für die Gewährung von Krankengeld.

4.3. Dieser Ansicht kann angesichts der Feststellungen nicht gefolgt werden. Dem Kläger waren vor dem Ausfüllen des Fragebogens widersprüchliche Angaben zur Frage, wer mit dem Auto gefahren sei, zur Kenntnis gelangt. Da er sich selbst nicht mehr erinnern konnte, war es ihm auch nicht möglich, diese anhand seiner eigenen Wahrnehmung zu bewerten. Auch wenn man dem Kläger zugesteht, dass er beim Ausfüllen von seinem subjektiven Kenntnisstand ausgehen konnte (ansonsten verlöre das Merkmal der bewussten Verschweigung seine Bedeutung), hat er doch nur einseitig eine ihm gelegen kommende Version angeführt, obwohl nach seinem damaligen Kenntnisstand Patrick B***** die Lenkereigenschaft bestritten hatte, sodass die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihm im Fragebogen angegebenen Version in Zweifel stand. Durch bewusstes Verschweigen dieser - im Zusammenhang mit der fehlenden eigenen Erinnerung stehenden - Unsicherheit hat der Kläger gegenüber der beklagten Partei den Eindruck erweckt, es sei (entsprechend seiner persönlichen Wahrnehmung) sicher, dass Patrick B***** das Fahrzeug gelenkt habe. Zur Kausalität zwischen den Angaben und der Leistungsgewährung wurde bereits Stellung genommen.

4.4. Da somit hinsichtlich des Leistungszeitraums vom 26. 7. 2006 bis 18. 10. 2006 der Rückforderungstatbestand nach § 107 Abs 1 Satz 1 2. Fall ASVG erfüllt ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiters geltend gemachten Rückforderungstatbestände.

5. Zur Klärung, welcher Teil des vom Kläger zurückgeforderten Krankengeldes sich auf den Leistungszeitraum vom 20. 5. 2006 bis 25. 6. 2006 bezieht, bedarf es offenbar noch einer Verhandlung in erster Instanz. Um die Sache spruchreif zu machen, ist die Sozialrechtssache unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen an das Erstgericht zurückzuverweisen.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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