OGH 2Ob46/10v

OGH2Ob46/10v11.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H*****, vertreten durch Mag. Dr. Heinz Häupl, Rechtsanwalt in Nussdorf am Attersee, gegen die beklagten Parteien 1. P***** K*****, 4800 Attnang-Puchheim, vertreten durch GKP Gabl Kogler Papesch Leitner Rechtsanwälte OG in Linz, 2. E***** G*****, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, und 3. A***** F*****, vertreten durch Dr. Horst Mayr, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wegen 10.895,15 EUR sA, über die Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. November 2009, GZ 3 R 98/09s-44, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 30. März 2009, GZ 28 Cg 2/06x-28, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 883,15 EUR (darin 147,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die drei Beklagten wurden im Zusammenhang mit einem Pyramidenspiel ua wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs jeweils zu Haftstrafen verurteilt. Im Spruch des Strafurteils wurde ausgesprochen, dass die Angeklagten 2.287 Teilnehmer des Pyramidenspiels durch - näher beschriebene - Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet hätten, die diese am Vermögen schädigten. Aus der Urteilsbegründung geht hervor, dass der Kläger einer der 2.287 Geschädigten ist.

Der Kläger begehrt den Ersatz seines durch die Spielteilnahme erlittenen Schadens.

Die Beklagten bestritten insbesondere die Kausalität ihrer Handlungen für den Schaden des Klägers und wendeten dessen Mitverschulden ein.

Das Erstgericht gab der Klage rund zur Hälfte statt. Infolge der Bindungswirkung des verurteilenden Strafurteils sei davon auszugehen, dass die Beklagten durch die ihrer Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen den Schaden des Klägers verursachten. Dem Kläger sei allerdings ein gleichteiliges Mitverschulden anzulasten, weil er im Wissen darüber, dass sein Geld für ein Glücksspiel verwendet werde und Geldrückflüsse von Lottogewinnen und von der Anwerbung neuer Spieler abhängig seien, am Spiel teilgenommen habe.

Das Berufungsgericht gab der Klage nahezu zur Gänze statt und ließ die Revision nachträglich zu. Es bejahte die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Verurteilung. § 146 StGB sei ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB, in dessen Schutzbereich gerade das Vermögen des durch den Betrug Geschädigten einbezogen sei. Die Beklagten hätten daher für die von ihnen zu Lasten des Klägers vorgenommenen Betrugshandlungen, wofür sie rechtskräftig vom Strafgericht verurteilt worden seien, auch im Rahmen des Schadenersatzes einzustehen. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch falle unter die 30-jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. Aufgrund des vorsätzlichen Handelns der Beklagten überwiege die Zurechnung des Schadens zu ihrem Verantwortungsbereich so stark, dass die Fahrlässigkeit des Geschädigten nicht ins Gewicht falle. Die Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten könne daher nicht anspruchskürzend veranschlagt werden, weshalb keine Schadensteilung vorzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Beklagten erhobenen Revisionen sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Beklagten stehen auf dem Standpunkt, dass das Strafurteil keine Bindungswirkung hinsichtlich des vorliegenden Rechtsstreits entfalte, weil es keine konkreten Feststellungen enthalte, wonach die Beklagten den Kläger betrogen hätten. Allein aus der Nennung der Anzahl der Geschädigten sei keine Bindung für den Zivilrichter dahingehend abzuleiten, dass tatsächlich jede einzelne, nicht näher individualisierte Person betrogen worden sei. Dem ist zu erwidern:

1. Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, dass der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muss, und wirkt dieses für den Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist (verstärkter Senat 1 Ob 612/95; RIS-Justiz RS0074219). Maßgebend für die Beurteilung der Bindungswirkung eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Erkenntnisses ist in erster Linie der Spruch desselben, wogegen den Entscheidungsgründen in der Regel nur eine Hilfsfunktion für die Auslegung seiner Tragweite zukommt (7 Ob 253/00g mwN).

2. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger einer der im Spruch des Strafurteils genannten 2.287 Geschädigten des Pyramidenspiels sei, was sich aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils ergebe, und daraus die Bindung des Zivilgerichts an diese strafgerichtliche Verurteilung abgeleitet. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung zur Bindungswirkung strafgerichtlicher Urteile und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Das Unterbleiben der individuellen Nennung jedes einzelnen Geschädigten im Spruch des Strafurteils war offensichtlich bloß darauf zurückzuführen, dass die namentliche Nennung von tausenden Personen den Urteilsspruch schwer lesbar gemacht hätte. Die Schädigung des Klägers ergibt sich aber aus den Entscheidungsgründen des Strafurteils, ebenso aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts. Dass der Kläger im Strafverfahren keine für die Sachverhaltsfeststellung im Strafverfahren maßgeblichen Angaben machen konnte, ist hier unerheblich, zumal diese strafgerichtliche Beweiswürdigung nicht dazu führte, dass die den Kläger schädigenden Tathandlungen der Beklagten aus dem Strafverfahren ausgeschieden wurden oder diesbezüglich Freisprüche erfolgte wären.

3. Aus der Entscheidung 1 Ob 662/88 (= SZ 61/234) lässt sich für den Standpunkt der Beklagten nichts gewinnen, weil es im vorliegenden Fall nicht um Tatsachen geht, die über den Straftatbestand des Betrugs hinausreichen. Ebensowenig einschlägig ist die Entscheidung 5 Ob 105/97w, weil der dort erhobene Mitverschuldenseinwand nicht bloß auf Fahrlässigkeit des Geschädigten beruhte.

4. Da es somit der Klärung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, sind die Revisionen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel hingewiesen. Der Einheitssatz gebührt nur in einfacher Höhe.

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