OGH 7Ob57/01k

OGH7Ob57/01k30.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marcel G*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. Patrick H*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer und andere, Rechtsanwälte in Feldkirch, und 2. Evaristo C*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 150.000 sA und Feststellung (Streitinteresse S 50.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. November 2000, GZ 2 R 229/00f-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7. Juli 2000, GZ 8 Cg 81/99k-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision des Klägers gegenüber der erstbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 9.900 (hierin enthalten S 1.650 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Der Revision des Klägers gegenüber der zweitbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 9.900 (hierin enthalten S 1.650 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12. und 13. 7. 1997 fand in Feldkirch das Weinfest statt; deshalb waren in der Altstadt mehrere Stände (ua auch vor dem Lokal "Mama Mia") aufgestellt. Der Kläger und der Erstbeklagte, die sich zuvor bereits im "Klub 86" der Ochsenpassage getroffen hatten und von dort - jeweils mit Bekannten - in Richtung des Standes beim "Mama Mia" gingen, hatten bereits auf dem Weg dorthin eine verbale Auseinandersetzung. Der Erstbeklagte begab sich daher zu dem beim Weinstand des "Mama Mia" befindlichen Zweitbeklagten, der dort mit zumindest drei weiteren Freunden stand. Nachdem sich auch der Kläger (mit seinen Bekannten) diesem Stand genähert hatte, kam es zwischen ihm und dem Erstbeklagten neuerlich zu einer wörtlichen Auseinandersetzung bzw verbalen Provokation, worauf sich der Zweitbeklagte in diesen Disput einmischte und den Erstbeklagten aufforderte, Ruhe zu geben, widrigenfalls er "eine aufs Maul bekommen" werde. Dadurch eskalierte die Situation noch mehr, wobei sich der Kläger und der Zweitbeklagte knapp gegenüberstanden, in unmittelbarer Nähe auch der Erstbeklagte, sowie in unmittelbarer Nähe des Zweitbeklagten auch dessen Freunde, ohne dass deren genaue Position mehr festgestellt werden konnte. Jedenfalls erhielt als erster der Zweitbeklagte vom Kläger einen Schlag gegen den Kopf, worauf er diesem ebenfalls einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte. Unmittelbar danach kam es zu einem enormen Tumult, wobei mehrere Personen aufeinander einschlugen und auch Gläser flogen. Im Zuge dieses Tumultes wurde der Kläger von einem messerklingenartigen Gegenstand mit scharfer Schneide im Bereich der linken unteren Wangen- und Unterkieferregion sowie der linken vorderen seitlichen Hals- und Brustgegend verletzt. Diese letztgenannten Verletzungen des Klägers mit einem messerklingenartigen Gegenstand haben weder der Erst- noch der Zweitbeklagte herbeigeführt.

Wegen dieses Vorfalles wurden beide Beklagten rechtskräftig des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB schuldig erkannt, und zwar der Erstbeklagte mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 10. 11. 1997, 18 U 863/97g-10, der Zweitbeklagte hingegen mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 10. 2. 1998, 18 U 863/97g-18, bestätigt mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. 9. 1998, Bl 115/98-35. Nach den insoweit gleichlautenden Sprüchen in den Strafurteilen bzw der Strafverfügung haben die beiden nunmehrigen Beklagten jeweils "am 13. 7. 1997 in Feldkirch an einer Schlägerei tätlich teilgenommen, wobei durch die Schlägerei eine schwere Körperverletzung des [Klägers], nämlich zwei tiefe lange Schnittverletzungen im Bereich der linken unteren Wangen- und Kieferregion und der linken vorderen seitlichen Hals- und Brustgegend (an sich schwere Verletzungen), verursacht wurde."

Mit der am 20. 4. 1999 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beiden beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 150.000 (hievon S 120.000 Schmerzengeld und S 30.000 Verunstaltungsentschädigung) samt 4 % Zinsen seit 19. 3. 1998; außerdem wurde ein (mit S 50.000 bewertetes) Feststellungsbegehren betreffend die - allerdings nicht solidarische - Haftung der Beklagten dem Kläger gegenüber "für sämtliche Folgen, Schäden und Nachteile aus dem Vorfall vom 13. 7. 1997, 0.35 Uhr, anlässlich des Weinfestes in Feldkirch" gestellt. Nach dem Vorbringen des Klägers hätten ihn die Beklagten mit einem extrem scharfen Messer attackiert und auf eine Art und Weise verletzt, mit der in der Regel Lebensgefahr verbunden ist. Außerdem habe der Erstbeklagte dem Kläger auch noch einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzt.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, insbesondere auch die Bindung des Zivilgerichtes an die vorangegangenen strafgerichtlichen Schuldsprüche.

Das Erstgericht, das in der Streitverhandlung vom 9. 11. 1999 das Verfahren auf den Grund des Anspruches eingeschränkt hatte, wies mit "Zwischenurteil" (richtig: Endurteil) beide Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die Strafverfügung gegen den Erstbeklagten im Zivilverfahren keine Bindung entfalten habe können; hinsichtlich der strafgerichtlichen Verurteilung des Zweitbeklagten stehe bloß fest, dass er an einer Schlägerei teilgenommen habe, wodurch der Kläger schwer verletzt wurde. Daraus lasse sich aber nicht auch der rechtliche Schluss ziehen, dass alle rechtskräftig verurteilten Personen dem Kläger auch tatsächlich vorsätzliche Verletzungen zugefügt und hiefür gemäß § 1302 ABGB solidarisch zu haften hätten. Wäre dem Zweitbeklagten ein solcher Vorsatz unterstellt worden, wäre er nicht wegen § 91 StGB, sondern wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Der Tatbestand des Raufhandels sei selbst dann erfüllt, wenn der Verurteilte erwiesenermaßen nicht als Urheber der schweren Verletzung in Betracht komme; der Vorsatz des Täters müsse sich nur auf die Teilnahme an der Schlägerei bzw dem Angriff mehrerer erstrecken, die schwere Verletzungsfolge selbst sei bloß objektive Bedingung der Strafbarkeit. Jedem solcherart verurteilten potentiellen Schädiger stehe daher die Möglichkeit offen, nachzuweisen, dass sein Verhalten den Schadenseintritt nicht mitverursacht habe. Dieser Beweis sei dem Zweitbeklagten gelungen. Der Kläger habe darüber hinaus auch nicht unter Beweis stellen können, dass seine Verletzung vom Erstbeklagten verursacht worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteigt und die Revision (vorbehaltlich des § 508 Abs 1 ZPO) nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und auch dessen rechtliche Beurteilung. Aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils ergebe sich zwar, dass der Zweitbeklagte und/oder allenfalls noch weitere unbekannt gebliebene Personen den eingetretenen Schaden (nämlich die Körperverletzung des Klägers) verursacht hätten, es stehe aber nicht fest, wer von ihnen den Schaden tatsächlich herbeigeführt habe. Es liege somit die in Lehre und Rechtsprechung anerkannte Rechtsfigur der alternativen Kausalität vor, bei der alle, die potentiell den Schaden herbeigeführt hätten, grundsätzlich das Risiko der Unaufklärbarkeit zu tragen hätten. Jedem potentiellen Schädiger stehe gegen den ihn treffenden Kausalitätsverdacht die Möglichkeit offen, nachzuweisen, dass sein Verhalten den Schadenseintritt nicht mitverursacht habe. Dieser Beweis sei beiden Beklagten gelungen, weil nach den übernommenen Feststellungen weder der Erst- noch der Zweitbeklagte mit einem messerklingenartigen Gegenstand die Verletzungen des Klägers herbeigeführt haben.

Die ordentliche Revision wurde zunächst für nicht zulässig erklärt, weil sich das Berufungsgericht zum einen mit irreversiblen Beweisfragen auseinanderzusetzen gehabt habe, und sich zum anderen bei den zu lösenden Rechtsfragen an einer einheitlichen oberstgerichtlichen Judikatur habe orientieren können.

Über Antrag der klagenden Partei nach § 508 Abs 1 ZPO (samt Ausführung der ordentlichen Revision) wurde dieser Ausspruch des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, dass die Revision doch für zulässig erklärt wurde, weil jene oberstgerichtliche Entscheidung, auf die sich das Berufungsgericht gestützt habe (SZ 61/234), 12 Jahre zurückliege und - soweit überschaubar - sich der Oberste Gerichtshof mit einer gleichgelagerten Problematik nicht mehr auseinanderzusetzen gehabt habe, sodass eine gesicherte Rechtsprechung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Die ordentliche Revision des Klägers, die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt ist und sich inhaltlich ausschließlich mit der Frage der Bindungswirkung der strafgerichtlichen Verurteilungen (schwerpunktmäßig beim Zweitbeklagten) befasst, mündet im Antrag, in Abänderung der bekämpften Entscheidung zu erkennen, dass der Anspruch des Klägers gegenüber den beklagten Parteien dem Grunde nach zu Recht bestehe; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

Beide beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortungen gestellt, jeweils mit dem primären Antrag, die gegnerische Revision mangels Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, im Falle der Zulassung der Revision dieser keine Folge zu geben und das angefochtene Berufungsurteil zu bestätigen.

Die Revision des Klägers ist hinsichtlich des Erstbeklagten nicht zulässig, hinsichtlich des Zweitbeklagten hingegen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Zur Haftung des Erstbeklagten:

Rechtliche Beurteilung

Dieser wird in der Revision lediglich unter Hinweis auf dessen rechtskräftige Verurteilung mittels Strafverfügung des Bezirksgerichtes Feldkirch und die damit feststehende tätliche Teilnahme an der Schlägerei weiterhin in Anspruch genommen. Wie jedoch bereits die Vorinstanzen - zutreffend - erkannt haben, entfaltet eine bloß durch eine rechtskräftige Strafverfügung (nach § 460 StPO aF; durch Art I Z 15 StPO-Novelle 1999 BGBl I 1999/55 wurden die §§ 460 bis 462 StPO mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2000 ersatzlos aufgehoben) erfolgte strafgerichtliche Verurteilung im Schadenersatzprozess nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes keine Bindungswirkung (im Sinne des Rechtssatzes des verstärkten Senates 1 Ob 612/95 = SZ 68/195) für das Zivilgericht (SZ 70/49; RIS-Justiz RS0107749; zuletzt 7 Ob 253/00g; zustimmend Albrecht in ÖJZ 1997, 210; Böhm in AnwBl 1996, 735 [FN 7]; Graff in AnwBl 1996, 80; Paul Oberhammer in JAP 1995/96, 129 und ecolex 1997, 578). Daran ist weiterhin festzuhalten. In der Revision werden hiegegen auch keinerlei Argumente vorgetragen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, die vom Berufungsgericht übernommen wurden, versetzte der Erstbeklagte - anders als der Zweitbeklagte - dem Kläger auch weder vor Beginn der (eigentlichen) Schlägerei einen Schlag noch führte er diesem mit dem messerklingenartigen Gegenstand die Verletzungen im Gesichts-, Hals- und Brustbereich zu. Damit ist aber dem Kläger gegenüber dem Erstbeklagten bereits der Beweis eines für den Verletzungserfolg ursächlichen, also kausalen Verhaltens misslungen. Auch hiezu ist im Übrigen die Revision des Klägers völlig inhaltsleer.

Mangels Vorliegens (und Relevierung) einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist daher dessen Revision gegenüber dem Erstbeklagten als unzulässig zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden. Einer weitergehenden Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da der Erstbeklagte auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen hat, stehen ihm auch die tarifmäßigen Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu (RS0035979, 0035962). Obwohl der Erstbeklagte einen Kostenersatzbetrag von nur S

9.400 verzeichnet hat, konnte ihm ohne Verstoß gegen die Vorschrift des § 405 ZPO dennoch ein solcher von S 9.900 zugesprochen werden, weil die erwähnte Minderverzeichnung ihre Ursache nur in einem Rechenfehler bei der Summierung des Antragstellers hat, die einzelnen Ansätze der Kosten jedoch richtig sind und nur eine falsche Endsumme errechnet wurde (10 Ob 509/96; 7 Ob 152/00d; 2 Ob 296/00v).

Zur Haftung des Zweitbeklagten:

Hier ist die Revision des Klägers zulässig, weil zum einen die vom Berufungsgericht zur Stützung herangezogene Entscheidung SZ 61/234 noch aus der Zeit der Geltung des inzwischen aufgehobenen § 268 ZPO (und damit auch aus der Zeit vor dem Erkenntnis des verstärkten Senates SZ 68/195) stammt und die maßgebliche strafrechtliche Norm des § 91 StGB (Raufhandel) zwischenzeitlich auch durch das StrafrechtsänderungsG 1996 BGBl 762 (Art I Z 20) geändert wurde, ohne dass sich der Oberste Gerichtshof seither mit einem SZ 61/234 vergleichbaren Sachverhalt zu befassen hatte.

Anders als bei seinem Streitgenossen auf Beklagtenseite erfolgte die strafgerichtliche Verurteilung des Zweitbeklagten nicht mit Strafverfügung, sondern rechtskräftigem Urteil nach Hauptverhandlung in einem zweiinstanzlichen Verfahren.

Nach der infolge Aufhebung des § 268 ZPO mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg 12504 (BGBl 1990/706) weggefallenen Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige verurteilende Entscheidungen der Strafgerichte - eine Bestimmung, für welche der Gesetzgeber seither keine Nachfolgeregelung getroffen hat - , hat der Oberste Gerichtshof in seinem gemäß § 8 OGHG verstärkten Senat vom 17. 10. 1995 zu 1 Ob 612/95 folgenden Rechtssatz formuliert: "Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, dass der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muss, und wirkt dieses für den Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist." Diese Entscheidung wurde zwischenzeitlich mehrfach veröffentlicht (SZ 68/195 = JBl 1996, 117 = EvBl 1996/34 = ZVR 1996/2) und seither in einer Vielzahl weiterer Entscheidungen fortgeschrieben (RS0074219).

Dieser Rechtssatz bedeutet - ebenso wie früher nach § 268 ZPO - , dass der Zivilrichter keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen darf; es besteht also - solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist - jedenfalls insoweit Bindung des Zivilgerichts, als davon auszugehen ist, dass der Verurteilte die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich begangen hat und dass die tatsächlichen Handlungen des Beklagten für den Schadenserfolg auch kausal waren (EvBl 2000/190; 7 Ob 253/00g). Da die Bindungswirkung des Strafurteils aus seiner materiellen Rechtskraft abgeleitet wird, ist es auch ohne Bedeutung, ob die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung schon bei Klagseinbringung oder erst bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorlag (7 Ob 253/00g). Die Nichtberücksichtigung der Bindungswirkung einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung - ausge- nommen den bereits im Zusammenhang mit dem Erstbeklagten behandelten Fall einer Strafverfügung (SZ 70/49) - begründet Nichtigkeit der Entscheidung der Vorinstanzen, die von den Rechtsmittelgerichten auch von Amts wegen wahrzunehmen ist (RS0074230).

Das Strafurteil bindet das Zivilgericht in dem in der Entscheidung des verstärkten Senats festgelegten Umfang auch unabhängig davon, ob es materiell richtig oder unrichtig ist (4 Ob 311/97g; 7 Ob 253/00g), nicht jedoch an jede einzelne Tatsachenfeststellung des Strafurteils (4 Ob 9/97w; 9 ObA 254/988p; 7 Ob 253/00g). Maßgebend für die Beurteilung der Bindungswirkung eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Erkenntnisses ist in erster Linie der Spruch desselben, wogegen den Entscheidungsgründen in der Regel nur eine Hilfsfunktion für die Auslegung seiner Tragweite zukommt (EvBl 1997/202). Es ist dem Zivilgericht auch nicht verwehrt, einen (gegenüber dem Strafurteil) zusätzlichen Umstand als Verschulden zu werten (2 Ob 216/97x; 7 Ob 253/00g).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nun die strafgerichtliche Verurteilung des Zweitbeklagten zunächst am Tenor des Straferkenntnisses zu messen. Danach wurde der Genannte nicht wegen eines der Vergehen der Körperverletzung nach den §§ 83 ff StGB, sondern - bloß - der tätlichen Teilnahme an einer Schlägerei und damit des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB schuldig erkannt und verurteilt. Nach dieser Bestimmung begründet schon die Teilnahme an der Schlägerei die Strafbarkeit, wenn diese ua eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) eines anderen verursacht. Die einleitend erwähnte Änderung durch das StrafrechtsänderungsG 1996 betraf hiebei die relevierte Strafbestimmung des § 91 StGB in einem sich auf die Entscheidung SZ 61/234 nicht auswirkenden Teilbereich:

Nach § 91 Abs 1 StGB aF war nämlich derjenige mit Strafe bedroht, der an einer Schlägerei oder an einem Angriff mehrerer Täter teilnahm, soweit dadurch zumindest eine schwere Körperverletzung eines anderen verursacht wurde (vgl Textgegenüberstellung in RV 33 BlgNR 20. GP, 91). § 91 StGB war (immer schon) nicht lex specialis zu den §§ 83 ff StGB, sondern ein "subsidiärer Auffangtatbestand" zu den Körperverletzungsdelikten; die Bestimmung kam (und kommt) nur zur Anwendung, wenn der Täter nicht nach §§ 83, 84 ff oder §§ 75 bzw 76 StGB haftete (Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 Rz 2 zu § 91), oder - mit anderen Worten - zwar dadurch (nämlich die Teilnahme an der Schlägerei bzw dem Angriff) zumindest eine schwere Körperverletzung eines anderen verursacht wurde, die aber "als solche (nach der Beweislage) nicht dem mit Strafe Bedrohten zugerechnet werden kann" (RV aaO 45). Durch die erwähnte Novelle 1996 sollte nach dem Vorschlag der Regierungsvorlage (aaO 4 f iVm 45) dieser Tatbestand zunächst insoweit erweitert werden, als bereits die Verursachung einer leichten Körperverletzung im Sinne des § 83 Abs 1 StGB zur Strafbarkeit desjenigen führen sollte, der an einer Schlägerei tätlich oder einem Angriff mehrerer teilgenommen hat. Dieser Vorschlag wurde jedoch vom Justizausschuss in der Folge nicht übernommen, "weil dadurch der Tatbestand des § 91 Abs 1 StGB - ohne ersichtliche kriminalpolitische Notwendigkeit - über seinen Charakter als subsidiärer Auffangtatbestand zu den Körperverletzungsdelikten der §§ 83 ff StGB hinaus ausgeweitet würde." Aus diesem Grunde wurde daher bloß eine Aufgliederung der Tatbestandsvarianten des geltenden § 91 Abs 1 StGB vorgenommen und in Abs 1 die Schlägerei, im Abs 2 hingegen der tätliche Angriff mehrerer im Sinne einer "Qualifikation" neu geregelt (JA 409 BlgNR 20. GP, 7; Kienapfel, Grundriss des Strafrechts I4 Rz 2 zu § 91). Daraus folgt, dass sich auch durch die Neuregelung des hier allein maßgeblichen § 91 Abs 1 StGB keine Änderung an der tatbildlichen Ausformung gegenüber der alten Rechtslage ergab.

In der bereits mehrfach zitierten - und auch von den Vorinstanzen beachteten - Entscheidung 1 Ob 662/88 (SZ 61/234) wurde ausgesprochen, dass einem vom Strafgericht wegen Raufhandels (§ 91 StGB) rechtskräftig Verurteilten im Schadenersatzprozess die Beweisführung offensteht, dass sein Verhalten den Schadenseintritt nicht verursacht hat, sodass auch aus diesem Grunde nicht aus der Tatsache der Verurteilung allein per se Solidarhaftung nach § 1302 ABGB eintritt. Wäre einem solchen rechtskräftig Verurteilten auch ein Verletzungsvorsatz zu unterstellen gewesen, hätte er ja nicht den Tatbestand des § 91 StGB, sondern vielmehr jenen der schweren Körperverletzung nach den §§ 84 ff StGB erfüllt (so auch die herrschende Meinung im strafrechtlichen Fachschrifttum:

Foregger/Fabrizy, StGB7 Rz 1 ff zu § 91; Mayerhofer, Das österr Strafrecht 1. Teil [StGB]5 Rz 3 und 10a); vielmehr ist nach § 91 StGB ja überhaupt nur Täter, wer erwiesenermaßen gerade nicht als Urheber (einer Verletzungsschädigung) in Betracht kommt (Mayerhofer, aaO samt Anm mwN aus der Rechtsprechung; RS0092836; Kienapfel, aaO Rz 16). Darauf, ob gerade der jeweils zu beurteilende Tatbeitrag eines bestimmten Teilnehmers für die schwere Verletzung kausal war oder immerhin theoretisch hätte sein können, kommt es für die strafgerichtliche Verurteilung sohin nicht an; für die Strafbarkeit ist es auch ohne Belang, ob die Verletzung vor, während oder nach der Teilnahme des Täters eintrat, sofern dies nur im Verlauf desselben Raufhandels geschah (SZ 61/234).

Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen lag vorsätzliche gemeinschaftliche Schadenszufügung (der beiden Beklagten) - welche allein gemäß § 1301 ABGB für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrerer verantwortlich machen würde - nicht vor. Aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils (gegen den Zweitbeklagten) ergibt sich nur, dass er oder auch beide Verurteilten den eingetretenen Körperschaden des Klägers verursacht haben, es steht aber eben nicht fest, wer von ihnen diesen Schaden tatsächlich herbeigeführt hat. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend - unter Hinweis auf SZ 61/234 - ausgeführt hat, liegt damit die in Lehre und Rechtsprechung anerkannte Rechtsfigur der alternativen Kausalität vor (hiezu jüngst etwa Welser in Koziol/Welser II11 304 f; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 3/26 ff), bei welcher zwar alle, die potentiell den Schaden herbeigeführt haben, grundsätzlich das Unaufklärbarkeitsrisiko zu tragen haben, jedoch jedem gegen den ihn solcherart treffenden Kausalitätsverdacht die Möglichkeit offensteht nachzuweisen, dass sein Verhalten den Schadenseintritt nicht mitverursacht hat. Kann also einer der in Betracht kommenden Täter nachweisen, dass er den Schaden nicht verursacht hat, so haftet er auch nicht, weil er eben nicht auch Schädiger ist (Koziol, aaO Rz 3/31 aE unter ausdrücklicher Bezugnahme auf SZ 61/234 in FN 109). Dieser Beweis ist dem Zweitbeklagten durch die Positivfeststellung der Tatsacheninstanzen, wonach er die mit einem messerklingenartigen Gegenstand herbeigeführten Verletzungen beim Kläger nicht herbeigeführt hat, jedoch gelungen.

Weitergehende Verletzungshandlungen werden dem Zweitbeklagten vom Kläger nicht vorgeworfen. In der Klage wurde ausdrücklich nur die Attacke mit einem extrem scharfen Messer als Tathandlung genannt, im späteren vorbereitenden Schriftsatz vom 21. 6. 1999 (ON 7) ein Faustschlag gegen das Gesicht durch den Erstbeklagten. Dass der Kläger - entsprechend den getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes - durch den Faustschlag des Zweitbeklagten (überhaupt) verletzt worden wäre, wurde im gesamten Verfahren erster Instanz nie vorgebracht und ist auch sonst nach der Aktenlage nicht hervorgekommen.

Daraus folgt - zusammenfassend - , dass auch die Abweisung des Klagebegehrens gegenüber dem Zweitbeklagten auf einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes beruht. Der dagegen ankämpfenden Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Kostenverzeichnis der Revisionsbeantwortung des Zweitbeklagten war dabei insoweit eine Kürzung vorzunehmen, als der verzeichnete Streitgenossenzuschlag von 10 % nicht gebührt. Der Vertreter des Zweitbeklagten hat weder mehrere Personen vertreten noch standen ihm mehrere Personen gegenüber (§ 15 RATG).

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