European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00060.23Y.0919.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die Bezeichnung der zweitklagenden Partei wird von c* GmbH, *, berichtigt auf E* GmbH, *.
II.1 Die Revision der erstbeklagten Partei wird zurückgewiesen.
II.2 Den Revisionen der dritt- und viertbeklagten Partei wird Folge gegeben und das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts gegenüber der dritt- und viertbeklagten Partei wiederhergestellt.
II.3 Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
BegründungundEntscheidungsgründe:
Zu I.
[1] Aus dem offenen Firmenbuch ergibt sich eine Änderung der Firma und Adresse der Zweitklägerin; deren Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.
Zu II.
[2] Gegenstand des Verfahrens ist ein von der Viertbeklagten hergestellter Audi Q3 2.0 TDI quattro, der mit einem Diesel-Motor Typ EA189 Euro 5 der Drittbeklagten ausgestattet ist und von der erstbeklagten Händlerin im Jahr 2012 fabriksneu an den Erstkläger verkauft wurde. Dieser schloss sodann einen Restwertleasingvertrag mit der (Rechtsvorgängerin der) zweitbeklagten Leasinggeberin, die daraufhin in den Kaufvertrag eintrat. Nachdem der Erstkläger sein Einzelunternehmen in die zweitklagende GmbH eingebracht hatte, deren Geschäftsführer er seitdem ist, trat diese dem Leasingvertrag bei, übernahm die Zahlung der Leasingraten und erwarb im Jahr 2016 das Fahrzeug zum vereinbarten Restwert.
[3] Mit Klage vom 9. 10. 2020 machte der Erstkläger gegenüber der erstbeklagten Händlerin ihm von der zweitbeklagten Leasinggeberin abgetretene Ansprüche aus dem Kaufvertrag geltend. Gegenüber der zweit-, dritt- und viertbeklagten Partei erhoben beide Kläger ausdrücklich „aus dem Leasing resultierende“ Ansprüche.
[4] Auch in dem vom Erstkläger ausgesuchten Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG verbaut gewesen, konkret eine Manipulationssoftware („Umschaltlogik“), die sichergestellt habe, dass die Emissionsgrenzwerte im Typengenehmigungsverfahren unterschritten hätten werden können, während der NOx-Ausstoß im realen Fahrbetrieb diese bei Weitem überschreite. Das am 7. 6. 2018 aufgespielte Software‑Update habe daran nichts geändert, weil nach wie vor eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn einer temperaturabhängigen Abgasrückführung vorhanden sei, die nur bei Umgebungstemperaturen von „+20°C bis +30°C bzw +15°C bis +33°C“ voll wirksam sei (Thermofenster). Eine Notwendigkeit für einen Motorschutz gemäß der VO 715/2007/EG sei nicht ersichtlich; die Beweislast liege insofern bei den Beklagten.
[5] Zum einen erklärte der Erstkläger daher den zwischen ihm und der erstbeklagten Händlerin geschlossenen und sodann von der zweitbeklagten Leasinggeberin im Wege der Vertragsübernahme übernommenen Kaufvertrag vom 20. 12. 2012 gemäß §§ 922, 932 Abs 4 ABGB zu wandeln (sowie nach § 871 ABGB anzufechten). Daraus resultierend begehrte der Erstkläger den zwischen der zweitbeklagten Leasinggeberin und der erstbeklagten Händlerin bestehenden Kaufvertrag aufzuheben und die erstbeklagte Händlerin im Sinne einer bereichungsrechtlichen Rückabwicklung zu verpflichten, ihm den vereinbarten Kaufpreis von 33.765 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit 20. 12. 2012 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen. Hilfsweise dazu verlangte er eine Zahlung des Kaufpreises an die zweitbeklagte Leasinggeberin.
[6] Zum anderen fochten der Erstkläger den Leasingvertrag vom 21. 12. 2012 und die Zweitklägerin den Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 jeweils gegenüber der zweitbeklagten Leasinggeberin an. Demzufolge begehrte der Erstkläger den Leasingvertrag aufzuheben und die Zweitklägerin, den in Ausübung der Kaufoption geschlossenen Kaufvertrag aufzuheben. Die zweitbeklagte Leasinggeberin habe daher ebenfalls bereicherungsrechtlich alle Zahlungen samt 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Zahlungstag zurückzuzahlen, und zwar entsprechend der Einzahlungen an den Erstkläger und an die Zweitklägerin.
[7] Die Organe und Repräsentanten der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin, einer Konzerngesellschaft, hätten die Abschalteinrichtungen den Behörden und der Öffentlichkeit arglistig und in Bereicherungsabsicht verschwiegen, um die Typengenehmigung zu erschleichen. Die Dritt- und Viertbeklagte würden daher wegen absichtlich sittenwidriger Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB und wegen schweren Betrugs (§§ 146, 147 Abs 2 StGB iVm § 1311 ABGB) haften sowie wegen einer Irreführung nach § 2 UWG (iVm § 1311 ABGB). Auch die VO 715/2007/EG sei als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zu qualifizieren, und die von den beiden Herstellerinnen geschlossenen Lieferverträge würden Schutzwirkungen zu Gunsten der Kläger entfalten. Schließlich sei die von der Dritt- und der Viertbeklagten im Zusammenhang mit dem Software‑Update ausgestellte Bescheinigung als Garantieerklärung zu verstehen.
[8] Der Schaden der Kläger bestehe darin, dass sie das Fahrzeug in Unkenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtungen geleast bzw in Folge erworben und damit wirtschaftlich nachteilige Verträge abgeschlossen hätten, und liege in der Zahlung der Leasingentgelte bzw des Restwerts. Ohne die rechtswidrigen Handlungen der Dritt- und Viertbeklagten, nämlich das Inverkehrbringen des manipulierten Motors bzw Fahrzeugs und das Verheimlichen der Manipulation, hätte der Erstkläger den Leasingvertrag vom 21. 12. 2012 und die Zweitklägerin den Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 nicht geschlossen. Beide Kläger hätten daher jeweils einen „naturalrestitutionsähnlichen“ Schadenersatzanspruch gegen die Dritt- und Viertbeklagte auf Ersatz sämtlicher Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag und dem Kaufvertrag vom 31. 12. 2016. Die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin würden sohin solidarisch mit der zweitbeklagten Leasinggeberin für die Rückzahlung haften.
[9] Die Klagsansprüche seien nicht verjährt, weil für jede Schädigung eine neue Frist zu laufen beginne, hier ab dem Software‑Update vom 7. 6. 2018. Die Kläger hätten erst im Zusammenhang mit der Klagseinbringung von der „Umschaltlogik“, dem Thermofenster und der daraus resultierenden mangelnden Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung erfahren. Dabei handle es sich im Übrigen um einen Rechtsmangel. Soweit die Beklagten Betrug zu verantworten hätten, gelte die 30‑jährige Frist.
[10] Den betrogenen Klägern ein Benützungsentgelt abzuverlangen wäre unbillig. Wenn, dann sei dieses linear bis zur Erhebung des Wandlungsbegehrens mit Klagseinbringung zu berechnen. Bis dahin seien die Kläger 160.000 km gefahren, die Gesamtlaufleistung betrage 250.000 km.
[11] Alle vier Beklagten beantragten die Klage abzuweisen. Da das Verfahren gegen die zweitbeklagte Leasinggeberin bereits rechtskräftig beendet ist, wird im Folgenden jedoch nur auf das Vorbringen der übrigen (gemeinsam vertretenen) Beklagten eingegangen, soweit es für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist.
[12] Die Erst-, Dritt- und Viertbeklagte hätten die Kläger weder getäuscht noch Aufklärungspflichten oder Schutzgesetze verletzt. Es fehle zudem an einem Mangel, Irrtum oder Schaden und einer Kausalität, und es sei auch keine Nutzungsbeeinträchtigung und kein Wertverlust eingetreten. Jedenfalls seien die Kläger durch das Software‑Update klaglos gestellt. Das Fahrzeug sei stets betriebssicher, verkehrstauglich und fahrbereit gewesen, könne uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden und verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen.
[13] Eine temperaturabhängige Abgasrückführung, das sogenannte Thermofenster, sei stets Stand der Technik gewesen, standardmäßig in Dieselfahrzeugen enthalten und vom KBA gebilligt worden, sodass eine sittenwidrige Schädigung ausscheide. Eine temperaturabhängige Abgasrückführung, die hier in einem Bereich von +15°C und +33°C uneingeschränkt funktioniere und darüber und darunter sukzessive „abrampe“, sei – aus näher dargelegten Gründen – unverzichtbar, um den Motor vor plötzlichen und unvorhersehbaren Schäden zu schützen und einen sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, sodass der Ausnahmetatbestand nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a der VO 715/2007/EG greife.
[14] Ein Anspruch der Zweitklägerin aus dem Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 scheide schon deswegen aus, weil sie damals bereits Kenntnis vom Abgasskandal sowie von der Betroffenheit des geleasten Fahrzeugs gehabt habe, sei sie doch mit Schreiben vom 8. 10. 2015 und 2. 12. 2016 davon verständigt worden. Es gebe aber schon grundsätzlich keinen Anlass für die Annahme, dass die Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätten, wenn sie von der Funktionsweise der Software gewusst hätten, hätten sie dieses doch ohne Einschränkung nutzen können.
[15] Das Klagebegehren sei weiters unschlüssig, weil die Kläger als bloße Leasingnehmer den Kaufpreis gar nicht bezahlt hätten und diesen daher im Sinne der Entscheidung 9 Ob 53/20i auch nicht von der erstbeklagten Händlerin zurückverlangen könnten.
[16] Ansprüche, die die Kläger aus der Fahrzeugherstellereigenschaft ableiten würden, könnten zudem nur gegen die Viertbeklagte erhoben werden. Umgekehrt könnte ein allfälliges Wissen und sittenwidriges Verhalten von Organen der drittbeklagten Motorenherstellerin nicht der Viertbeklagten angelastet werden; eine wechselseitige Zurechnung sei unzulässig. Schließlich komme gegenüber der nicht am Vertragsschluss beteiligten Dritt- und Viertbeklagten auch keine Rückabwicklung in Betracht.
[17] Jedenfalls müssten sich die Kläger ein Benützungsentgelt anrechnen lassen, für dessen Ermittlung auf die Differenz zwischen dem konkret angemessenen Kaufpreis im Zeitpunkt des Kaufvertrags und dem Händlereinkaufspreis als Weiterverkaufspreis bei Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Zuletzt wurde dieses mit 26.177 EUR beziffert und als Gegenforderung eingewandt. Zinsen stünden erst ab Klagszustellung zu.
[18] Sämtliche Ansprüche seien allerdings verjährt. Wenn, dann liege ein Sach- und kein Rechtsmangel vor. Die Gewährleistungsfrist gegenüber der erstbeklagten Händlerin habe aber mit der Übergabe zu laufen begonnen und die Frist für die Irrtumsanfechtung mit Vertragsabschluss, beide sohin im Dezember 2012. Die Frist nach § 1489 Satz 1 ABGB gegenüber den dritt- und viertbeklagten Herstellerinnen sei durch das Schreiben vom 8. 10. 2015 in Gang gesetzt worden, mit dem die Kläger von der Betroffenheit des geleasten Fahrzeugs vom Abgasskandal informiert worden seien. Die 30‑jährige Frist nach § 1489 Satz 2 ABGB komme mangels tatbestandsmäßigen und zurechenbaren Handelns nicht zur Anwendung.
[19] Das Erstgericht gab allen drei Vertragsaufhebungsbegehren statt und hob den zwischen der erstbeklagten Händlerin und dem Erstkläger geschlossenen und von der zweitbeklagten Leasinggeberin übernommenen Kaufvertrag vom 20. 12. 2012 auf, den zwischen dem Erstkläger und der zweitbeklagten Leasinggeberin geschlossenen Leasingvertrag vom 21. 12. 2012 und den zwischen der Zweitklägerin und der zweitbeklagten Leasinggeberin geschlossenen Kaufvertrag vom 31. 12. 2016.
[20] Weiters verpflichtete es die zweitbeklagte Leasinggeberin, den Klägern die aus dem Leasing- und dem Kaufvertrag vom 31. 12. 2016 resultierenden Aufwendungen, vermindert um Gegenforderungen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs an die erstbeklagte Händlerin zu ersetzen.
[21] Die Klagebegehren, die erstbeklagte Händlerin schuldig zu erkennen, dem Erstkläger, in eventu der zweitbeklagten Leasinggeberin, 33.765 EUR zzgl Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten, wies das Erstgericht ab. Ebenso wies das Erstgericht die Zahlungsbegehren gegenüber der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin ab.
[22] Das Erstgericht stellte fest, dass in allen Motoren der Serie EA189 – weltweit rund 11 Millionen Stück – eine Motorsteuerungssoftware mit „Umschaltlogik“ enthalten war, die auf das Emissionskontrollsystem einwirkte: Das Programm erkannte aufgrund verschiedener Parameter, wenn sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und schaltete in einen Testmodus. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Abgasaufbereitung optimiert wurde und möglichst wenig Stickoxide (NOx) entstanden. Im echten Fahrbetrieb wechselte die Software hingegen in ein „Straßenkalibrierungsprogramm“, das die [gemeint:] Abgasrückführung ausschaltete, wodurch zwar weniger Treibstoff verbraucht und eine höhere Leistung erzielt wurde, jedoch deutlich mehr NOx freigesetzt wurde.
[23] Der damalige Vorstandsvorsitzende der drittbeklagten Motorenherstellerin, *, wusste über den Einbau der Motorsteuerungssoftware mit „Umschaltlogik“ und ihre Funktion Bescheid. Er verschwieg der Öffentlichkeit und den Behörden, insbesondere dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das Vorhandensein der Software, um die (EG-)Typengenehmigung zu erhalten, weil ihm bewusst war, dass es sich um eine Abschalteinrichtung iSd VO 715/2007/EG handelt, die nur in eingeschränkten – und im Konkreten nicht zur Anwendung gelangenden – Ausnahmen zulässig ist, und die NOx‑Grenzwerte nur auf dem Prüfstand, nicht jedoch im realen Fahrbetrieb eingehalten werden.
[24] Das KBA qualifizierte diese „Umschaltlogik“ nach Bekanntwerden als unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG und ordnete gegenüber der drittbeklagten Motorenherstellerin mit Bescheid vom 15. 10. 2015 den Rückruf sowie die Entfernung der Software aus allen betroffenen Fahrzeugen an.
[25] Weiters war nach den hier getroffenen Feststellungen in EA189‑Motoren von Anfang an ein Thermofenster verbaut, das auf das Emissionskontrollsystem einwirkt und bewirkt, dass eine volle Abgasrückführung nur zwischen +15°C und +33°C stattfindet. Bei Umgebungstemperaturen darunter und darüber wird die Abgasrückführung zurückgefahren „bzw“ ganz abgeschaltet.
[26] Zum Vertragsabschluss stellte das Erstgericht fest, dass der Erstkläger im Jahr 2012 als Einzelunternehmer tätig war und sich bei der [gemeint:] erstbeklagten Händlerin das Fahrzeug aussuchte, selbst den Kaufpreis verhandelte und zunächst einen Kaufvertrag abschloss. Der (letztlich gezahlte) Kaufpreis von 33.396,84 EUR war marktüblich. Der Erstkläger wusste über den Einbau der Motorsteuerungssoftware mit „Umschaltlogik“ und das Thermofenster nicht Bescheid. „Wenn er damals gewusst hätte, dass im Fahrzeug eine Software eingebaut ist, die als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist und eine Rückrufaktion bedingt, damit das Fahrzeug die Zulassung nicht verliert, hätte er ein anderes Fahrzeug ausgesucht und gekauft bzw geleast.“ Weiters stellte der Erstkläger bei der (Rechtsvorgängerin der) Zweitbeklagten einen Leasingantrag, aufgrund dessen sie in den Kaufvertrag eintrat und die Rechte und Pflichten übernahm. Die erstbeklagte Händlerin übergab das Fahrzeug am 27. 12. 2012 direkt an den Erstkläger, wodurch die Leasinggeberin Eigentümerin wurde.
[27] Es handelte sich um einen Restwertleasingvertrag mit 48 monatlichen, wertgesicherten Raten und einer Kaution von 10.000 EUR, die vom Erstkläger überwiesen wurde und auf den vereinbarten Restwert von 12.000 EUR anzurechnen war. Pkt 5.3 der AGB des Leasingvertrags lautete: „Die LG tritt dem LN ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Lieferanten ab und verpflichtet ihn, diese Ansprüche unbeschadet allenfalls weitergehender Gewährleistungsansprüche des LN gegenüber der LG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Die Abtretung umfasst auch einen allfälligen Wandlungsanspruch. Wird er vom LN erhoben, ist der LN verpflichtet, die Rückabwicklung zu begehren, das LO sofort dem Lieferanten zurückzustellen und die Rückzahlung des Kaufpreises direkt an die LG zu fordern. […]“
[28] Bis zum Beitritt der Zweitklägerin zum Leasingvertrag per 1. 5. 2013 und der Ummeldung des Fahrzeugs hatte der Erstkläger insgesamt 12.490,56 EUR an die zweitbeklagte Leasinggeberin geleistet (Leasingentgelt, Kaution, Bearbeitungsgebühr, Vertragsgebühr).
[29] Die Generalimporteurin für Fahrzeuge des V*konzerns in Österreich informierte mit Schreiben vom 7./8. 10. 2015 die von der EA189‑Thematik betroffenen Kunden darüber, dass an ihrem Fahrzeug „Nacharbeiten“ erforderlich sein werden, das Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit sei und an einer technischen Lösung gearbeitet werde. Sobald diese zur Verfügung stehe, werde der Kunde nochmals schriftlich informiert. Auch die Kläger erhielten dieses Schreiben spätestens Mitte/Ende Oktober 2015, wodurch der Erstkläger und Geschäftsführer der Zweitklägerin Kenntnis davon erlangte, dass auch das geleaste Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist.
[30] Am 13. 12 .2016 verständigte die zweitbeklagte Leasinggeberin die Zweitklägerin über den Ablauf des Leasingvertrags per 31. 12. 2016 und die Möglichkeit, das Leasingfahrzeug zu kaufen, und zwar um 1.999,26 EUR unter Anrechnung der Kaution von 10.000,74 EUR. Der Geschäftsführer der Zweitklägerin überwies diesen Betrag als Kaufpreis; seit 1. 5. 2013 hatte die Zweitklägerin 21.421,06 EUR an Leasingentgelten bezahlt.
[31] Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt wurde die Zweitklägerin schriftlich aufgefordert, die durch Bescheid des KBA vom 15. 10. 2015 als Nebenbestimmungen zur EG‑Typgenehmigung des Fahrzeugs auferlegten Maßnahmen umsetzen zu lassen. Das Software‑Update wurde am 7. 6. 2018 vorgenommen, und über die Durchführung wurde eine Bescheinigung ausgestellt.
[32] Mit dem Software‑Update wurde die „Umschaltlogik“ entfernt, das Thermofenster, von dessen Existenz die Kläger erst im Zuge des Verfahrens erfuhren, ist weiterhin eingebaut. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Fahrzeug nicht den Wert – und damit späteren Wiederverkaufswert – eines mangel- bzw manipulationsfreien Neufahrzeugs hat. Auch Beeinträchtigungen im Straßenbetrieb konnten nicht festgestellt werden.
[33] Die durchschnittliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs liegt bei 250.000 km, bis zur Klagseinbringung fuhren die Kläger 161.000 km, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 24. 9. 2021 180.000 km.
[34] In rechtlicher Hinsicht qualifizierte das Erstgericht sowohl die ursprüngliche „Umschaltlogik“, als auch die konkrete temperaturabhängige Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtungen iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG . Angesichts der strengen Anforderungen der Verordnung und des Gerichtshofs der Europäischen Union könne dieses Thermofenster auch nicht mit der Motorschutzausnahme nach Art 5 Abs 2 lit a der VO 715/2007/EG gerechtfertigt werden, zumal Verschmutzung und Verschleiß nicht mit einer „Beschädigung“ oder einem „Unfall“ gleichgesetzt werden könnten.
[35] Da gewöhnlich vorausgesetzt werde, dass ein Fahrzeug nicht mit verbotenen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei, liege – weiterhin – ein Mangel vor. Dieser sei, nicht zuletzt weil die Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung gefährdet sei, nicht bloß geringfügig und als Rechtsmangel zu qualifizieren. Da die Verbesserung durch das Software‑Update gescheitert sei, könne die Wandlung des Kaufvertrags verlangt werden, und zwar aufgrund der Abtretung im Leasingvertrag durch die Kläger. Mit dem Verbesserungsversuch habe die Gewährleistungsfrist (auch bei einer Beurteilung als Sachmangel) neu zu laufen begonnen, und dabei sei die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften sogar ausdrücklich zugesichert worden, sodass die Frist mangels Erkennbarkeit der weiterhin bestehenden Mangelhaftigkeit bei Klagseinbringung noch nicht abgelaufen gewesen sei.
[36] Wegen der Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen der erstbeklagten Händlerin und der zweitbeklagten Leasinggeberin entfalle die Geschäftsgrundlage für den Leasingvertrag und den Kaufvertrag vom 31. 12. 2016, sodass diese ebenfalls aufzuheben seien. Diese Verträge seien rückabzuwickeln, wobei zwischen den Zahlungen des Erstklägers und der Zweitklägerin zu differenzieren und zu berücksichtigen sei, dass Empfängerin die zweitbeklagte Leasinggeberin und nicht die erstbeklagte Händlerin gewesen sei. Daher sei das Leistungsbegehren gegenüber der erstbeklagten Händlerin abzuweisen, während die zweitbeklagte Leasinggeberin die an sie bezahlten Beträge zuzüglich Vergütungszinsen Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs an die erstbeklagte Händlerin zurückzuerstatten habe. Die Kläger hätten im Gegenzug für die Verwendung des Fahrzeugs ein Benützungsentgelt zu leisten, das das Erstgericht nach § 273 ZPO und der „Differenzmethode“ mit 25.471,84 EUR ermittelte.
[37] Da der Erstkläger nach den Feststellungen bei Kenntnis der Abschalteinrichtung ein anderes Fahrzeug geleast hätte, eine Unangemessenheit des Leasingentgelts nicht behauptet worden sei und eine Minderwertigkeit oder Nutzungsbeeinträchtigung infolge der Abschalteinrichtungen nicht habe festgestellt werden können, stünde den Klägern hingegen kein Schadenersatzanspruch gegen die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin zu. Die anlässlich des Software‑Updates ausgestellte Bescheinigung könne zwar als Garantieerklärung der Viertbeklagten verstanden werden, den Klägern sei aber angesichts des bereits zuvor beendeten Leasings kein Schaden mehr entstanden.
[38] Das – ausschließlich von den Klägern angerufene – Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge und änderte das Ersturteil.
[39] Hinsichtlich der Haftung der erstbeklagten Händlerin und der zweitbeklagten Leasinggeberin schloss sich das Berufungsgericht im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an, wobei es das Thermofenster als Rechtsmangel qualifizierte, sodass es für die Verjährung nicht auf die Übergabe, sondern die Erkennbarkeit des Mangels abstellte.
[40] Darüber hinaus bejahte es einen aus der erfolgreichen Wandlung des Kaufvertrags abgeleiteten Rückabwicklungsanspruch gegen die erstbeklagte Händlerin, allerdings im Sinne des Leasingvertrags und des Eventualbegehrens auf Leistung an die zweitbeklagte Leasinggeberin. Dieser umfasse auch nur den tatsächlich an die erstbeklagte Händlerin bezahlten Kaufpreis von 33.396,94 EUR und nicht den ursprünglich im Kaufvertrag mit dem Erstkläger genannten von 33.765 EUR.
[41] Des Weiteren ermittelte das Berufungsgericht den Gebrauchsnutzen entsprechend der jüngeren höchstgerichtlichen Rechtsprechung „linear“ und kam auf ein Benützungsentgelt von lediglich 21.508 EUR. Die erstbeklagte Händlerin schulde zudem Vergütungszinsen seit der Kaufpreiszahlung und die zweitbeklagte Leasinggeberin gestaffelt seit den jeweiligen Zahlungstagen, beide nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung jedoch nur mehr von dem um das Benützungsentgelt geminderten Betrag.
[42] Im Ergebnis verpflichtete es daher die erstbeklagte Händlerin zur Zahlung von 11.888,84 EUR sA an die zweitbeklagte Leasinggeberin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und die zweitbeklagte Leasinggeberin zur Zahlung von 5.321,23 EUR sA an den Erstkläger und von 9.081,65 EUR sA an die Zweitklägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
[43] Im Zusammenhang mit der Haftung der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin bekämpften die Kläger jene Feststellung als aktenwidrig sowie mittels Beweisrüge, wonach der Erstkläger bei Kenntnis der Abschalteinrichtung ein anderes Fahrzeug gekauft bzw geleast hätte, und begehrten die Ersatzfeststellung, dass der Erstkläger das Fahrzeug nicht gekauft bzw geleast hätte und auch nicht festgestellt werden könne, dass er ein anderes Fahrzeug ausgesucht und gekauft bzw geleast hätte. Das Berufungsgericht erachtete den zweiten Teil der Feststellung zum „Alternativverhalten“ für irrelevant und übernahm diesen nicht.
[44] Die von den Klägern gegenüber den Herstellerinnen geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der Leasingentgelte seien auf schadenersatzrechtlicher Grundlage und gemäß Art 4 Abs 1 der Rom II‑VO nach materiellem österreichischem Recht zu prüfen. Nach der Entscheidung 8 Ob 22/22a mache ein Leasingnehmer, der – wie hier – ein Neufahrzeug im eigenen Namen erworben und erst nachfolgend einen Leasingvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises abgeschlossen habe, einen eigenen Schaden geltend. Gemäß der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 könnten die Kläger auch gegen die Herstellerinnen einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadenersatzanspruch geltend machen, wobei das Benützungsentgelt insofern als Vorteil anspruchsmindernd anzurechnen sei und nicht im Wege der Gegenforderung. Weiters stünden nur Verzugszinsen ab Fälligstellung zu, hier ab Klagszustellung.
[45] Das Berufungsgericht verpflichtete daher die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin – solidarisch mit der zweitbeklagten Leasinggeberin – dem Erstkläger 5.321,23 EUR sA und der Zweitklägerin 9.081,65 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen.
[46] Die Kostenentscheidung behielt das Berufungsgericht gemäß § 52 Abs 2 ZPO vor und die Revision erklärte es für zulässig, weil es noch keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Ansprüchen von vom „Abgasskandal“ betroffenen Leasingnehmern gebe.
[47] Gegen diese Entscheidung erheben die (gemeinsam vertretenen) erstbeklagte Händlerin, die drittbeklagte Motorenherstellerin und die viertbeklagte Fahrzeugherstellerin Revision mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und die Klage ihnen gegenüber zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[48] Die Kläger beantragten die Revisionen als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.
[49] Die zweitbeklagte Leasinggeberin beteiligt sich nicht am Revisionsverfahren.
A. Zur Revision der erstbeklagten Händlerin:
Rechtliche Beurteilung
[50] Die Revision der Erstbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig:
[51] A.1 Soweit die erstbeklagte Händlerin in der Revision eine gänzliche Klagsabweisung (sie betreffend) beantragt, die Berechtigung der Begehren dem Grunde nach bestreitet und insbesondere auf die Zulässigkeit der temperaturabhängigen Abgasrückführung sowie ihren Verjährungseinwand verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Ausspruch des Erstgerichts über die Aufhebung des Kaufvertrags unbekämpft blieb und damit bereits in (Teil‑)Rechtskraft erwuchs.
[52] Mit formeller Rechtskraft eines stattgebenden Rechtsgestaltungsbegehrens tritt aber auch dessen rechtsgestaltende Wirkung ein (vgl RS0085759; s weiters zu Rechtsgestaltungsbegehren und deren Rechtskraft Geroldinger in Fasching/Konecny 3 § 226 ZPO Rz 55, 60, 66, 69 ff, 77; Klicka in Fasching/Konecny 3 § 411 ZPO Rz 4, 9).
[53] A.2 In dritter Instanz ist daher nur mehr das Leistungsbegehren gegen die erstbeklagte Händlerin in dem vom Berufungsgericht stattgegebenen Umfang zu beurteilen.
[54] Dieses resultiert aber nicht aus einem Preisminderungs- oder Schadenersatzanspruch, sondern ist Folge der bereichungsrechtlichen Rückabwicklung des Kaufvertrags nach dessen Wandlung.
[55] Von den Gewährleistungsrechten selbst – wie der Wandlung – sind die durch deren erfolgreiche Geltendmachung erst ausgelösten bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsansprüche zu unterscheiden. Nach Fristablauf kann der Gewährleistungsberechtigte nicht mehr aktiv Gewährleistungsansprüche geltend machen. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreisteiles nach Vertragsaufhebung ist jedoch als Bereicherungsanspruch ein Unterfall der condictio causa finita des § 1435 ABGB und unterliegt nach der Grundregel der 30‑jährigen Verjährung des § 1478 ABGB (RS0029403; vgl auch RS0033819).
[56] Die Revision der Erstbeklagten stützt sich ausschließlich darauf, dass die Gewährleistungsfrist bereits mit Übergabe begonnen habe, zumal kein Rechtsmangel vorliege, und setzt sich weder mit der Frage der Verjährung von Kondiktionsansprüchen auseinander, noch mit dem Zinsenbegehren, sodass auf beides nicht näher einzugehen ist.
[57] A.3 Die weiters ins Treffen geführte erhebliche Rechtsfrage zur Höhe des von einem Leasingnehmer zu leistenden Benützungsentgelts stellt sich bei der erstbeklagten Händlerin nicht. Ihr gegenüber werden nämlich keine originären Schadenersatzansprüche der Kläger aus dem Leasing, sondern abgetretene Gewährleistungsansprüche der Leasinggeberin aus dem von dieser übernommenen Kaufvertrag geltend gemacht. Dass und warum das von der Leasinggeberin zu leistende Benützungsentgelt anders zu ermitteln wäre, wird in der Revision ebenso wenig thematisiert wie die Berechnung und der konkrete Leistungsausspruch des Berufungsgerichts.
[58] Auch dass die Kläger aufgrund der hier vereinbarten Abtretung berechtigt sind, Kondiktionsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, aber verpflichtet sind, Zahlung an die zweitbeklagte Leasinggeberin zu verlangen, wird in dritter Instanz nicht mehr in Frage gestellt (s zu Abtretungsvereinbarungen in Leasingverträgen im Übrigen 9 Ob 70/22t [Rz 38 ff]; 3 Ob 146/22z [Rz 38 ff]).
[59] Die Revision der erstbeklagten Händlerin ist daher mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
B. Zur Revision der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin:
[60] Die Revision ist wegen einer Fehlinterpretation der höchstgerichtlichen Rechtsprechung durch das Berufungsgericht zulässig und dementsprechend auch berechtigt.
[61] B.1 Zum einen ist der drittbeklagten Motorenherstellerin beizupflichten, dass ihre Haftung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf eine Verletzung der VO 715/2007/EG als Schutzgesetz gestützt werden kann.
[62] Nach der Rechtsprechung des EuGH kann nämlich nur derjenigen Person oder Stelle eine Verletzung des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zur Last gelegt werden, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (RS0134616).
[63] B.2 Zum anderen machen die Kläger gegenüber den Herstellerinnen ausdrücklich keine Ansprüche aus dem (ursprünglichen) Kaufvertrag, sondern wegen des Abschlusses des Leasingvertrags und des darauf aufbauenden Ankaufs des Fahrzeugs zum Restwert geltend.
[64] Dies unterscheidet den Fall jedoch von jener Konstellation, die ua der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung 8 Ob 22/22a zugrunde lag (vgl auch 9 Ob 58/23d). Daher ist auch nicht relevant, ob der Kaufvertrag hier lediglich als Spezifikation des Leasinggegenstands diente.
[65] In der Entscheidung 3 Ob 189/22y erachtete der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht der Vorinstanzen für vertretbar, die eine auf Ersatz der Leasingraten gerichtete Klage als unschlüssig abgewiesen hatten. Ein Schadenseintritt sei nicht ausreichend dargelegt worden, zumal der Leasingvertrag bereits ordnungsgemäß erfüllt und das Fahrzeug an den Leasinggeber zurückgestellt worden war.
[66] Soweit Klagen vom Obersten Gerichtshof sonst als unschlüssig qualifiziert wurden, hatten die jeweiligen Kläger gerade keinen Schaden aus dem Leasingvertrag behauptet (vgl 9 Ob 53/20i: etwa aus überhöhten Raten, im Zusammenhang mit dem späteren Ankauf oder wegen einer sonstigen Schadensverlagerung; vgl auch 3 Ob 226/23s; 4 Ob 142/22v; 5 Ob 118/23y; 7 Ob 88/23a; 7 Ob 128/23h; 7 Ob 74/23t; 10 Ob 53/23a).
[67] B.3.1 Ein Kläger ist auch dann für den Eintritt eines Schadens behauptungs- und beweispflichtig, wenn er sich – wie gegenüber der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin – auf eine Schutzgesetzverletzung stützt (vgl RS0112234; RS0022862).
[68] Hier behaupteten die Kläger, dass sie bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung(en) und der daraus resultierenden mangelnden Rechtsbeständigkeit den Leasingvertrag nicht geschlossen und den Ankauf zum Restwert unterlassen hätten, woraus sie einen Anspruch auf Ersatz aller mit diesen Verträgen verbundenen Aufwendungen im Wege einer „naturalrestutitionsähnlichen“ Rückabwicklung ableiten.
[69] B.3.2 Zwar umfasst der weite Schadensbegriff des ABGB nach ständiger Rechtsprechung jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (vgl RS0022537). Dennoch kann der Abschluss eines Leasingvertrags mangels unmittelbarer Auswirkung auf die Vermögenszusammensetzung nicht ohne Weiteres mit einem Vertrag über ein ungewolltes Anlageprodukt und die dazu ergangene Rechtsprechung verglichen werden (s dazu RS0120784). Ein Leasingvertrag vermittelt nämlich nur ein Nutzungsrecht (zumal hier auch keine Ankaufsverpflichtung bestand), und die Kläger behaupteten nie, dass und wie dieses Nutzungsrecht beeinträchtigt gewesen wäre. Weder die Nutzung des Leasingobjekts, noch die vertragliche Position gegenüber der Leasinggeberin war nach den Feststellungen bis zum Ankaufszeitpunkt eingeschränkt. Auch legten die Kläger keinen Vermögensschaden dar, etwa durch überhöhte Leasingraten oder einen überhöhten (Rest‑)Kaufpreis.
[70] Soweit sich die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Entscheidung 10 Ob 2/23a (vom 25. 4. 2023) berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der dort als ersatzfähig anerkannte Schaden, nämlich eine im Sinne der Entscheidung C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, (objektiv) eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit, im vorliegenden Fall bei der Leasinggeberin als Käuferin eintrat, und dieser Anspruch jedoch nicht an die Kläger abgetreten wurde. Die Verschaffung der ordnungsgemäßen Nutzungsmöglichkeit ist zudem eine Kardinalpflicht des Leasinggebers, sodass grundsätzlich der Leasinggeber gegenüber dem Leasingnehmer dafür einzustehen hat, dass sich die Sache zu Beginn des Leasingverhältnisses in brauchbarem Zustand befindet (vgl RS0020735 [insb T1]). Auch der unionsrechtliche Anspruch ist primär darauf gerichtet, dem Käufer ein Fahrzeug ohne unzulässige Abschalteinrichtung zu verschaffen (vgl C‑100/21 Rn 89). Aus dem Vorbringen und den Feststellungen ergibt sich nicht, inwieweit den Klägern daraus ein eigener Schaden entstanden sein soll.
[71] Im vorliegenden Fall ist sohin mangels Vorbringens und Feststellungen ein Schadenseintritt durch den Abschluss des konkreten Leasingvertrags zu verneinen, auch wenn dieser ein „abgasmanipuliertes“ Fahrzeug zum Gegenstand hatte.
[72] B.3.3 Was den Ankauf zum Restwert durch die Zweitklägerin betrifft, ist den Klägern entgegenzuhalten, dass sie insoweit weder eine Verpflichtung traf, noch sie einen überhöhten Kaufpreis geltend machen. Auch wurde hier nicht wegen der Abgasmanipulation auf den Ankauf eines Leasingfahrzeugs zu einem im Verhältnis zu einem sonstigen Gebrauchtfahrzeug günstigeren Restwert verzichtet. Vielmehr erlangten die Kläger nach den Feststellungen spätestens Mitte/Ende Oktober 2015 durch ein Schreiben der Generalimporteurin Kenntnis davon, dass auch das geleaste Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist und „Nacharbeiten“ erforderlich sein werden, die jedoch erst im Jahr 2018 durchgeführt wurden. Bei ihrem Ankauf Ende des Jahres 2016 war ihnen sohin die durch die „Umschaltlogik“ herbeigeführte Unsicherheit zumindest dem Grunde nach bekannt. Worin der von den Herstellerinnen zu ersetzende Schaden liegen soll, wurde daher auch insoweit nicht ausreichend behauptet und nachgewiesen.
[73] So hielt der Oberste Gerichtshof etwa bereits zu 6 Ob 114/23t fest, dass angesichts einer tatsächlich festgestellten Kenntnis einer in ihren Auswirkungen noch unklaren „Betroffenheit vom Abgasskandal“ (und dem mangels weiterer Erkundigungen erfolgten In-Kauf-Nehmen der mit der Betroffenheit des Fahrzeugs vom „Abgasskandal“ verbundenen Folgen) eine Täuschung bzw eine Irreführung (und damit eine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch) überhaupt ausscheide.
[74] B.4 Schon mangels Nachweises eines Schadens kommt eine schadenersatzrechtliche Haftung der Herstellerinnen nicht in Betracht.
[75] Auch eine Haftung der drittbeklagten Motorenherstellerin wegen List nach § 874 ABGB (vgl 2 Ob 5/23h) ist hier zu verneinen, weil eine solche nur in Bezug auf die „Umschaltlogik“ festgestellt wurde, die Kläger das Fahrzeug jedoch in Kenntnis der Betroffenheit vom Abgasskandal kauften, und der vorangegangene Leasingvertrag aus oben dargelegten Gründen hier nicht als ersatzfähiger Schaden verstanden werden kann.
[76] Schließlich kann auch die Behauptung, die im Zusammenhang mit dem Software‑Update ausgestellte Bescheinigung sei als Garantieerklärung zu verstehen, nicht das konkrete, auf Rückabwicklung der Verträge mit der Leasinggeberin gerichtete Klagebegehren gegen die Herstellerinnen rechtfertigen.
[77] B.5 Im Ergebnis ist sohin der Revision Folge zu geben und das klagsabweisende Ersturteil gegenüber der drittbeklagten Motorenherstellerin und der viertbeklagten Fahrzeugherstellerin wiederherzustellen. Damit entfällt auch ihre Solidarhaftung mit der Zweitbeklagten gemäß Spruchpunkt III.3. des Berufungsgerichts.
[78] C. Hat ein Gericht die Kostenentscheidung vorbehalten, so ist im weiteren Rechtsgang keine Kostenentscheidung zu treffen. Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache (§ 52 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)