OGH 9Ob53/20i

OGH9Ob53/20i25.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 6.990 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Juli 2020, GZ 36 R 45/20i‑25, mit dem der Berufung der klagenden Part gegen das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 5. Dezember 2019, GZ 37 C 491/18p‑21, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00053.20I.1125.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin schloss im Jänner 2013 einen Leasingvertrag über einen von der Beklagten produzierten Pkw mit der P***** AG ab. Der Berechnung wurde dabei ein Kaufpreis von 23.300 EUR zugrunde gelegt. Der Inhalt des Leasingvertrags kann nicht festgestellt werden. Nach Ende der fünfjährigen Laufzeit kaufte die Klägerin das Fahrzeug um den vereinbarten Restwert, wobei nicht festgestellt werden kann, dass es eine Verpflichtung dazu gab. Zu diesem Zeitpunkt war ihr die Problematik der Abgasmanipulation durch die Beklagte mittels Abschaltautomatik bekannt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 6.990 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden, der ihr aus dem Kauf des Fahrzeugs entstehe. Die Beklagte habe vorsätzlich und rechtswidrig Fahrzeuge in Verkehr gebracht, die im Auslieferungszeitpunkt weder typengenehmigungsfähig noch zulassungsfähig gewesen seien. Die Klägerin hätte bei Kenntnis der Manipulation für das Fahrzeug 30 % weniger bezahlt. Dies entspreche dem objektiven Minderwert. Auch bei Vorliegen eines Leasingvertrags errechne sich der objektive Schaden mit 30 % des Kaufpreises. Aufgrund der Verpflichtung, die Leasingraten vollständig zu bezahlen, sei das wirtschaftliche Risiko auf die Klägerin verlagert worden, weshalb ein klassischer Fall der Drittschadensliquidation vorliege.

Die Beklagte bestritt. Ein allfälliger Schaden könne nur bei der Leasinggeberin eingetreten sein. Die Klägerin habe das Fahrzeug erst nach Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe und nach der technischen Maßnahme, durch die die Abschalteinrichtung entfernt worden sei, erworben. Aufgrund des Leasingvertrags sei sie zu keinem Kauf verpflichtet gewesen. Die Klage sei daher unschlüssig.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie gingen dabei im Wesentlichen übereinstimmend davon aus, dass die Klage unschlüssig sei. Mangels konkretem Vorbringens sei unklar, inwieweit die Klägerin überhöhte Leasingraten bezahlt habe. Auch für die Beurteilung, ob sich ein allfälliger Substanzschaden im Vermögen des Leasinggebers verwirklicht habe oder im Weg der Drittschadensliquidation auf den Leasingnehmer überwälzt worden sei, sei eine Kenntnis des Inhalts des Leasingvertrags erforderlich.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da nicht geklärt sei, ob der Schaden des Leasingnehmers in Fällen von Abgasmanipulationen subjektiv-konkret oder objektiv-abstrakt zu berechnen sei und ob eine Aktivlegitimation des Leasingnehmers für etwaige Schadenersatzansprüche bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungs-, in eventu Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sein (RS0037780).

2. Finanzierungsleasingverträge werden teils als „Sachüberlassungsverträge eigener Art“, teils als „atypische Mietverträge“, aber auch als Verträge mit kauf- und kreditvertraglichen Elementen qualifiziert. Maßgeblich ist immer die individuelle Vertragsgestaltung (RS0020007). Je nach dieser Ausgestaltung ist die Frage zu beantworten, ob die Elemente des Kaufs oder der Miete überwiegen oder ob – wegen der herrschenden Vertragsfreiheit denkbar – ein Vertrag „sui generis“ vorliegt (3 Ob 12/09z mwN).

3. Die Klägerin hat nach den Feststellungen zunächst einen Leasingvertrag abgeschlossen, dessen Inhalt nicht festgestellt werden konnte. Die sich daraus für die Klägerin ergebenden Verpflichtungen können daher nicht beurteilt werden. Ein Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten, wird auch nicht geltend gemacht. Inwieweit es aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen ist, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird, hängt ebenfalls von der konkreten Vertragsgestaltung ab und lässt sich daher für den vorliegenden Fall nicht beurteilen.

4. Nach Ablauf des Leasingvertrags hat die Klägerin das Fahrzeug gekauft. Ein Vorbringen dazu, warum sie sich, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits über die Abgasmanipulationen informiert war, für einen Ankauf zu dem nach ihren Behauptungen überhöhten Preis entschieden hat, etwa wegen einer Verpflichtung in Zusammenhang mit dem Leasingvertrag, wurde nicht erstattet. Damit kann aber auch offen bleiben, ob ein Minderwert objektiv-abstrakt oder subjektiv-konkret zu berechnen wäre, war zu diesem Zeitpunkt der Klägerin der Zustand und tatsächliche Wert des Fahrzeugs ja bekannt.

Wenn die Revision demgegenüber den Zeitpunkt des Ankaufs schon mit dem Beginn des fünf Jahre zuvor abgeschlossenen Leasingvertrags gleichsetzt, übergeht sie, dass aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion die Klägerin zu diesem Zeitpunkt gerade nicht gekauft hat und Eigentümerin geworden ist.

5. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die von einer Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ausgegangen sind, hält sich daher im gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum.

Auf die in der Revision aufgeworfenen Fragen zur Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung und einer Schutzgesetzverletzung durch die Beklagte muss nicht weiter eingegangen werden. Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, insbesondere auch zu den in 10 Ob 44/19x aufgeworfenen Fragen, kann wegen fehlender Präjudizialität unterbleiben.

6. Da sich die vom Berufungsgericht angesprochenen Rechtsfragen im vorliegenden Fall nicht stellen und es der Klägerin nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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