OGH 7Ob128/23h

OGH7Ob128/23h24.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, vertreten durch die Heinisch Weber Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 76.342,55 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Juni 2023, GZ 4 R 62/23h-47, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00128.23H.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger interessierte sich für einen PKW des Typs A* und wandte sich an die P* GmbH & Co KG * (in der Folge Händlerin). Deren Mitarbeiter fanden das Klagsfahrzeug über Internetsuche bei einem Händler in Niederösterreich. Der Kläger unterfertigte vor dem Eintreffen des Fahrzeugs im Mai 2015 den Kaufvertrag mit der Händlerin. Der Gesamtkaufpreis betrug 91.100 EUR, wobei ein P* Bank Bonus von 833,33 EUR netto in Abzug gebracht worden war. Im Kaufvertrag findet sich die Sondervereinbarung „P* Bank Leasing und Versicherung“, die Zahlungsbedingungen waren nicht ausgefüllt. Unmittelbar danach unterfertigte der Kläger einen Leasingvertrag mit auszugsweise folgendem Inhalt:

„Gesamtleasingbetrag: EUR 89.565,61

Restwert brutto: EUR 23.114,57

Vorz. rückzahlbares Depot: EUR 37.000,00

[...]

Vertragsbeginn 01.07.2015

Kalkulierte Basisdauer 60 Monate

[...]

Monatliche Zahlung EUR 943,92“

[2] Der Kläger wurde in der Zulassung als Leasingnehmer eingetragen. Nach Auslaufen des Leasingvertrags kaufte der Kläger das Fahrzeug im Sommer 2020 um den vereinbarten Restwert, einerseits aufgrund sonstiger Beweisschwierigkeiten, weil ihm zum Zeitpunkt des Kaufs nicht nur die Probleme mit dem im Klagsfahrzeug verbauten Motor bekannt waren, sondern er bereits von seinem Rechtsanwalt beraten worden war, andererseits deshalb, weil er bereits einen Großteil des Kaufpreises bezahlt gehabt hatte.

[3] Der Kläger begehrt nach Einschränkung primär Zahlung von 60.405,30 EUR sA Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs, in eventu eine Wertminderung von 30 % vom ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 27.330 EUR sA samt Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden.

[4] Die Beklagte beantragt Klageabweisung und wendetunter anderem ein, das Klagebegehren sei unschlüssig, weil aus dem klägerischen Vorbringen nicht abzuleiten sei, warum dem Kläger als Leasingnehmer der behauptete Schaden entstanden sein soll.

[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Kläger könne als Leasingnehmer weder den Rückstellungs- noch den Wertminderungsanspruch geltend machen. Das im Eventualbegehren enthaltene Feststellungsbegehren scheitere daran, dass der Kläger im Jahr 2020 von den Mängeln und den behaupteten rechtswidrigen Manipulationen der Beklagten am Fahrzeug Kenntnis gehabt, sie aber durch den Erwerb des Fahrzeugs in Kauf genommen habe, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers.

[7] 1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sein (RS0037780).

[8] 2. Durch den Leasingvertrag wird ein Dauerschuldverhältnis eigener Art begründet (RS0098754). Das Finanzierungsleasing ist eine Form der Investitionsfinanzierung, bei dem an die Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt (RS0120830 [T1]; RS0019456 [T3]). Der Leasinggeber erwirbt eine den Wünschen des Leasingnehmers, der das Leasinggut seinerseits bei einem Dritten (Lieferanten, Hersteller, Händler) ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen (6 Ob 241/07w; 2 Ob 1/09z; 3 Ob 12/09z, je mwN; vgl auch RS0019456). Im Übrigen übernimmt der Leasinggeber nur die Finanzierungsaufgabe und trägt das Kreditrisiko, also das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Leasingnehmers. Er ist durch sein Eigentum an der Sache gesichert (RS0019456; vgl auch RS0019456 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehört beim Finanzierungsleasing jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasingobjekts zur unabdingbaren (Haupt-)Verpflichtung des Leasinggebers, den auch die Sachgefahr vor Lieferung trifft (RS0020735 [auch T1]). Der Leasinggeber hat dafür einzustehen, dass sich die Sache zu Beginn des Leasingverhältnisses in brauchbarem Zustand befindet (3 Ob 12/09z).

[9] Wenngleich sich der Leasinggeber ähnlich dem drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers annähert, schließt der Leasingnehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten ab. Ihm stehen daher gegenüber dem Lieferanten weder Eigentumsverschaffungsansprüche, noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche noch ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zu. Aber auch eine Kredit- oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber erfolgt nicht. Vielmehr besteht die vertragliche Hauptverpflichtung des Leasinggebers darin, dem Leasingnehmer ein zum vereinbarten Gebrauch taugliches Leasinggut zur Verfügung zu stellen (2 Ob 1/09z mwN). Auch die Auswahl des Lieferanten durch den Leasingnehmer ändert nichts an der Pflicht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer die Gebrauchsmöglichkeit zu verschaffen (RS0020735 [T2]).

[10] Der Leasinggeber hat somit dafür einzustehen, dass sich die Sache bei Beginn in brauchbarem Zustand befindet. Für die Zeit nach ordnungsgemäßer Übergabe des Leasingguts stellt jedoch nach ständiger Rechtsprechung die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer ähnlich wie auf einen Käufer ein Wesensmerkmal des Leasingvertrags dar. Diese Risikotragung ist – sofern der Leasingnehmer wenigstens jene Rechte hat, die einem Käufer zukommen (RS0016641) – nicht an sich sittenwidrig (RS0016625). Den Leasingnehmer trifft also nach der typischen Vertragsgestaltung die volle Sachgefahr. Er hat die Leasingraten zu entrichten, auch wenn das erworbene Gut beschädigt oder zerstört wird (RS0018487; RS0019481).

[11] 3. In der Entscheidung 9 Ob 53/20i führte der Oberste Gerichtshof zu einem mit dem Eventualbegehren vergleichbaren Klagebegehren Folgendes aus: Ein Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten, wird nicht geltend gemacht. Inwieweit es aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen ist, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab und lässt sich ohne Kenntnis des Inhalts des Leasingvertrags nicht beurteilen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die von einer Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ausgegangen sind, hält sich daher im gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum.

[12] 4.1. Der Kläger hat den von ihm geltend gemachten Schaden nicht aus dem Leasingvertrag abgeleitet, etwa wegen überhöhter Leasingraten oder eines überhöhten Restwerts, sondern stützt sein Haupt- und Eventualbegehren auf den von ihm im Februar 2015 unterfertigten Kaufvertrag. Die Argumentation des Klägers in der Revision, er sei bereits aufgrund dieses Kaufvertrags und der darauf folgenden Übernahme des Fahrzeugs selbst Eigentümer geworden, widerspricht seinem Vorbringen in erster Instanz, wonach er im Jahr 2020 Eigentümer geworden sei. Der Kläger hat zwar den Kaufvertrag im Mai 2015 unterfertigt, dieser diente aber – bei einem wie hier von Anfang an beabsichtigten Finanzierungsleasing – ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erwarb und dem Kläger zum Gebrauch überlassen hat. Der Kläger hat daher aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion das Fahrzeug im Jahr 2015 gerade nicht gekauft und ist nicht Eigentümer geworden.

[13] 4.2 Der Kläger wurde vielmehr erst im Jahr 2020, als er das Fahrzeug um den Restwert erwarb, dessen Eigentümer. Dass er sich, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen bereits über die Abgasmanipulationen informiert war, wegen einer rechtlichen Verpflichtung im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag für einen Ankauf entschieden hat, behauptet der Kläger nicht. Vielmehr bringt er selbst vor, dass der Erwerb des Fahrzeugs nach Ende der Laufzeit lediglich aus faktisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt sei.

[14] 4.3. Dass es aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen ist, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wurde, behauptete der Kläger in erster Instanz nicht. Die in der Revision zitierte Entscheidung 2 Ob 172/22s ist mit dem vorliegenden Fall schon grundsätzlich nicht vergleichbar, weil dort das Leasingfahrzeug während aufrechten Leasingvertrags einen Totalschaden erlitt, durch den dem Leasingnehmer der ihm zustehende Gebrauch des Leasinggegenstands entzogen wurde.

[15] 4.4. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels lässt sich auch nicht auf die Entscheidung 8 Ob 22/22a stützen. Dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort erwarb die Klägerin ein Fahrzeug, wobei sie eine Anzahlung leistete, ihren Gebrauchtwagen eintauschte und danach den restlichen Kaufpreis über Leasing finanzierte.

[16] 4.5. Der Kläger kann schließlich nicht darlegen, welche für ihn günstige rechtliche Konsequenzen der behauptete Umstand haben soll, dass die Leasinggeberin als Kommanditistin an der Händlerin beteiligt ist.

[17] 4.6. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Kläger einen eigenen Schaden nicht schlüssig geltend gemacht habe, ist somit zusammengefasst nicht korrekturbedürftig.

[18] 5. Auf die Argumente des Berufungsgerichts, warum auch das im Eventualbegehren enthaltene Feststellungsbegehren nicht zurecht besteht, geht der Kläger mit keinem Wort ein.

[19] 6. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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