OGH 3Ob226/23s

OGH3Ob226/23s28.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 20.011,20 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. August 2023, GZ 5 R 174/19a‑38, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 3. April 2019, GZ 4 Cg 71/18z‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00226.23S.0228.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt wie folgt zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, 1. die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 20.011,20 EUR samt 4 % Zinsen ab Klagszustellung Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz Seat Alhambra NEU Style TDI CR, Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN): *, zu zahlen, in eventu: 2. Die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 6.000 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagszustellung zu zahlen, in eventu: 3. Es werde mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei für jeden Schaden hafte, der der klagenden Partei aus dem Kauf des in Punkt 1. bezeichneten Fahrzeugs und dem darin verbauten Dieselmotor Typ EA189 entstehe, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Berufungsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.“

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger schloss am 12. März 2012 mit einer Fahrzeughändlerin (Vertragshändlerin der Beklagten) eine Vereinbarung über den Kauf des im Spruch dieses Urteils näher umschriebenen Neufahrzeugs mit einem 2,0 l Dieselmotor Typ EA189 um 37.900 EUR. Der Listenpreis betrug 45.050 EUR, auf den dem Kläger ein entsprechender Rabatt gewährt wurde. Die Finanzierung erfolgte durch eine Leasingvereinbarung. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 15. März 2012 übergeben. Der Kläger kaufte das Fahrzeug im April 2017 nach Ablauf des Leasingvertrags von der Leasinggeberin.

[2] Im Jahr 2012 ging der Kläger davon aus, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Er hätte sich nicht dafür entschieden, wenn er damals gewusst hätte, dass eine Software verbaut ist, die unterschiedliche Modi für die Messung zulassungsrelevanter Emissionswerte („Umschaltlogik“) vorsieht.

[3] Am 28. Februar 2017 wurde beim Fahrzeug des Klägers eine technische Nachrüstung durch ein Software‑Update vorgenommen. Damit wurden die beiden unterschiedlichen Modi bezüglich der Abgasrückführung entfernt. Es wurde ein einheitlicher Betriebsmodus in Form eines adaptierten Modus 1 geschaffen. Gleichzeitig erfolgte eine Optimierung des Verbrennungsprozesses durch Anpassung der Einspritzcharakteristik. Dabei wird die Abgasrückführung im Sinn eines Bauteilsschutzes nur in einem Außentemperaturbereich zwischen 15 und 33 Grad Celsius („Thermofenster“) in vollem Umfang betrieben.

[4] Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Anrechnung eines Benützungsentgelts den Ersatz von 20.011,20 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, hilfsweise Zahlung von 6.000 EUR sA; wiederum hilfsweise stellt er ein Feststellungsbegehren.

[5] Die Beklagte wendete insbesondere mangelnde Aktivlegitimation des Klägers ein, weil im Jahr 2012 nicht er, sondern die Leasinggeberin Eigentümerin des Fahrzeugs geworden sei. Wenn überhaupt, könnte sich der Kläger nur auf den Kaufvertrag aus dem Jahr 2017 stützen, während er jedenfalls keinen Anspruch aus dem ursprünglichen Kaufvertrag habe.

[6] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 9.900 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, und wies das Zahlungsmehrbegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung des Klägers dahin ab, dass es ihm einen Betrag von 18.246,58 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zusprach, während es das Mehrbegehren abwies. Der Kläger sei aktiv legitimiert, weil er unstrittig zumindest seit April 2017 Eigentümer des Fahrzeugs sei. Die individuelle Vertragsgestaltung, also Zeitpunkt des Abschlusses und Inhalt des Finanzierungsleasingsvertrags, sei zwar nicht feststellbar gewesen, es stehe aber fest, dass der Kläger bereits am 12. März 2012 mit der Vertragshändlerin der Beklagten eine Vereinbarung über den Kauf des Fahrzeugs geschlossen habe, sodass der ersatzfähige Nachteil in seinem Vermögen bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten sei. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrags komme es daher nicht an.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil eine eindeutige Rechtsprechung dazu fehle, unter welchen Umständen die Aktivlegitimation eines Leasingnehmers, der das Leasingfahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrags käuflich erworben habe, zur Geltendmachung des Anspruchs auf Naturalrestitution in Form der Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs bestehe.

[9] Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens an. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass das Vorbringen des Klägers zu seiner Aktivlegitimation unschlüssig sei.

[10] Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[12] 1. Der Oberste Gerichtshof hatte sich im Zusammenhang mit auf eine unzulässige Abschalteinrichtung gestützten Schadenersatzklagen gegen Hersteller von Dieselfahrzeugen bereits mehrfach mit vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen zu befassen.

[13] 2. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem vom Kläger geschlossenen Leasingvertrag ersichtlich um ein Finanzierungsleasing handelte. Dieses ist eine Form des Investitionsleasing, bei dem an die Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt. Der Leasinggeber erwirbt eine den Wünschen des Leasingnehmers, der das Leasinggut seinerseits bei einem Dritten (Lieferanten, Hersteller, Händler) ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehört beim Finanzierungsleasing jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasingobjekts zur unabdingbaren Verpflichtung des Leasinggebers im Austausch zu den Leasingraten. Wenngleich sich der Leasinggeber ähnlich dem drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers annähert, schließt der Leasingnehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten ab. Ihm stehen daher gegenüber dem Lieferanten weder Eigentumsverschaffungsansprüche noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche noch ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zu. Aber auch eine Kredit- oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber erfolgt nicht. Vielmehr besteht die vertragliche Hauptverpflichtung des Leasinggebers darin, dem Leasingnehmer ein zum vereinbarten Gebrauch taugliches Leasinggut zur Verfügung zu stellen. Auch die Auswahl des Lieferanten durch den Leasingnehmer ändert nichts an der Pflicht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer die Gebrauchsmöglichkeit zu verschaffen (7 Ob 88/23a mwN).

[14] 3. Zu 7 Ob 88/23a wurde ausgesprochen, dass, sofern der Kläger von Anfang an beabsichtigte, den Erwerb des Fahrzeugs über Leasing zu finanzieren, der von ihm mit dem Händler geschlossene Kaufvertrag ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs diente, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und dem Kläger zum Gebrauch überlassen sollte. Inwieweit vor diesem Hintergrund bereits beim (ursprünglichen) Ankauf des Fahrzeugs bei der dort klagenden (ehemaligen) Leasingnehmerin der geltend gemachte Schaden aufgrund der Zahlung eines überhöhten Kaufpreises eingetreten sein solle, lasse sich deren Vorbringen nicht entnehmen. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten mache sie nicht geltend. Ob es allenfalls aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen wäre, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt worden wäre, hänge von der konkreten Vertragsgestaltung ab, zu der die dortige Klägerin jedoch keine Behauptungen aufgestellt habe. Damit sei das Klagevorbringen aber unschlüssig geblieben (in diesem Sinn auch 7 Ob 128/23h, 7 Ob 74/23t, 5 Ob 118/23y).

[15] 4. Demgegenüber wurde in einer Konstellation, in der der Kaufvertrag nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines Finanzierungsleasingvertrags diente, sondern – was sich insbesondere aus einer vom Kläger an den Händler geleisteten Anzahlung ergab – zunächst ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Händler und dem späteren Leasingnehmer zustande kam und erst in der Folge zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises ein Leasingvertrag (einschließlich Übertragung des Eigentums am Fahrzeug vom Leasingnehmer an den Leasinggeber) zustande kam, die Aktivlegitimation des Klägers bejaht (8 Ob 22/22a; 8 Ob 109/23x).

[16] 5. Im vorliegenden Fall hat der Kläger, der sich ursprünglich darauf berief, das Eigentum am Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 12. März 2012 erworben zu haben, das Vorbringen der Beklagten, wonach der Kaufvertrag zwischen der Vertragshändlerin und der Leasinggeberin zustande gekommen sei, nicht substanziiert bestritten, sondern darauf bloß erwidert, er sei „wirtschaftlicher Eigentümer“ und habe das Fahrzeug im Jahr 2017 von der Leasinggeberin gekauft. Damit besteht hier aber – anders als in den zu 8 Ob 22/22a und 8 Ob 109/23x entschiedenen Fällen – gerade kein Anhaltspunkt für die Annahme, die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Fahrzeughändlerin habe nicht bloß der Spezifizierung des Fahrzeugs im Hinblick auf das Finanzierungsleasing gedient.

[17] 6. Ausgehend davon ist das Klagevorbringen zur Aktivlegitimation des Klägers allerdings unschlüssig geblieben, weil das Berufungsgericht die von der Beklagten als aktenwidrig gerügte, durch keinerlei beweismäßige Grundlage getroffene erstgerichtliche Feststellung, wonach die Leasinggeberin dem Kläger als Leasingnehmer sämtliche Ansprüche betreffend das Fahrzeug abgetreten habe, zutreffend nicht übernommen hat.

[18] 7. Die Beklagte hat bereits im erstgerichtlichen Verfahren auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen. Es bedarf keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen – insbesondere in Richtung der hier vorliegenden Unschlüssigkeit – erhoben hat (vgl RS0037300 [T2]), sodass es auch nicht der Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zur Erörterung bedarf.

[19] 8. Die angefochtenen Entscheidungen sind daher im Sinn einer vollständigen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, ohne dass auf die weiteren Einwände der Beklagten einzugehen wäre.

[20] 9. Das Erstgericht hat die Entscheidung über die Verfahrenskosten gemäß § 52 Abs 1 ZPO vorbehalten. Damit hat das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Sache über die Verpflichtung des Kostenersatzes für das gesamte Verfahren zu entscheiden (§ 52 Abs 3 ZPO). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist daher ebenfalls dem Erstgericht vorzubehalten.

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