European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00046.15F.0901.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Zufolge Auslaufens der Funktionsperiode des Vorstands der Erstantragsgegnerin bestellte das Erstgericht mit Beschluss vom 8. 9. 2014 die Dritt‑ bis Fünftantragsgegner (wiederum) zu Vorstandsmitgliedern, nach dem zuvor zwischen dem Antragsteller und dem Zweitantragsgegner als Stiftern und Mitgliedern des Beirats der Privatstiftung keine Einigung zu den Personen des Stiftungsvorstands erzielt werden hatte können.
Zuvor war ein Antrag des Antragstellers auf Abberufung des Stiftungsvorstands gemäß § 27 Abs 2 PSG erfolglos geblieben; ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Antragstellers wurde zurückgewiesen (6 Ob 121/14h).
Der Antragsteller bekämpft die Entscheidung des Erstgerichts mit Rekurs und beantragt die Abänderung dahin, dass anstelle der drei vom Erstgericht bestellten Personen drei von vier vom Rekurswerber namentlich genannten Personen zu Stiftungsvorstandsmitgliedern bestellt werden.
Die Privatstiftung und der Zweitantragsgegner erstatteten Rekursbeantwortungen, in denen sie beantragen, dem Rechtsmittel des Antragstellers nicht Folge zu geben. Die drei Vorstandsmitglieder haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Das Rekursgericht wies vor Fällung einer Entscheidung in der Hauptsache die Rekursbeantwortung der Privatstiftung zurück. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs komme im Verfahren nach § 27 Abs 2 PSG der Privatstiftung keine Parteistellung zu. Diese Rechtsprechung sei zwanglos auch auf ein Bestellungsverfahren nach § 27 Abs 1 PSG zu übertragen, zumal im vorliegenden Verfahren auch den Vorstandsmitgliedern selbst Parteistellung zukomme.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil sich das Rekursgericht auf eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen konnte.
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtslage ‑ nicht zuletzt im Hinblick auf die im Schrifttum wiederholt an der Rechtsprechung geäußerte Kritik ‑ klarzustellen ist. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Zurückweisung einer Rekursbeantwortung durch das Rekursgericht keine bloß verfahrensleitende Entscheidung iSd § 45 AußStrG darstellt, sodass dieser Beschluss selbständig anfechtbar ist (vgl auch zur in gewissem Sinn vergleichbaren Zurückweisung einer Nebenintervention im Außerstreitverfahren 16 Ok 9/09). Die Zweckmäßigkeit der punktuellen Zurückweisung einer einzelnen Rekursbeantwortung in einem Verfahren mit mehreren Parteien durch das Rekursgericht ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen.
2. Nach neuerer Rechtsprechung ist die Privatstiftung in einem Abberufungsverfahren nach § 27 Abs 2 PSG nicht Partei (6 Ob 40/12v PSR 2013/4 [ Zollner ]; 6 Ob 156/12b; 6 Ob 75/14v). Demgegenüber hat der erkennende Senat in früheren Entscheidungen (vgl insbesondere 6 Ob 82/11v; vgl auch zur Bestellung des Aufsichtsrats 6 Ob 217/05p) ‑ wenn auch ohne nähere Begründung ‑ die Parteistellung der Privatstiftung bejaht.
3. Die neuere Rechtsprechung wurde im Schrifttum wiederholt kritisiert ( C s oklich , Antragslegitimation, Parteistellung und Rechtsmittellegitimation im Privatstiftungsrecht ‑ eine Zwischenbilanz der Österreichischen OGH‑Judikatur, FS Delle Karth [2013], 93 [104 f]; Melicharek , Die Parteistellung der Stiftung im gerichtlichen Abberufungsverfahren, ecolex 2012, 1079; derselbe , Die Privatstiftung und die übergangenen amtsbekannten Parteien im gerichtlichen Abberufungsverfahren, PSR 2015, 10). Nach Arnold (PSG 3 § 27 Rz 32a) sei es aufgrund der Erweiterungen der Rekurslegitimation durch den Obersten Gerichtshof nicht erforderlich, der Privatstiftung selbst Rekurslegitimation zuzuerkennen, wenngleich Arnold selbst die Rekurslegitimation der Privatstiftung bejaht.
4. Diese Kritik bildet Anlass, die bisherige Rechtsprechung neuerlich zu prüfen und zu präzisieren:
4.1. Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. Nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Arnold , PSG³ 743) wird das Gericht bei der Bestellung des Stiftungsvorstands nach § 27 PSG von Amts wegen, aber auch auf Antrag tätig. Es werde also, ohne die Frage der Antragsberechtigung etwa des Begünstigten prüfen zu müssen, auf seine Anzeige hin das Stiftungsorgan zu ergänzen haben. Antragsberechtigt seien jene „Beteiligte“ an der Privatrechtsstiftung, die ein rechtliches Interesse an deren ordnungsgemäßem Funktionieren, also am Vorhandensein vollständiger Stiftungsorgane haben. In erster Linie seien dies die Stiftungsorgane und deren Mitglieder, aber auch Begünstigte.
4.2. Der erkennende Senat hat diese Aussage in den Gesetzesmaterialien auch auf das Abberufungsverfahren nach § 27 Abs 2 PSG angewendet und demgemäß in einem solchen Verfahren auch anderen Mitgliedern des Stiftungsvorstands Rekurslegitimation zugebilligt (6 Ob 145/09f). Zur Vermeidung eines Kontrolldefizits billigt der Oberste Gerichtshof auch im Firmenbuchverfahren auf Löschung infolge einer Abberufung eines Mitglieds des Stiftungsvorstands allen Mitgliedern des Stiftungsvorstands Rekurslegitimation zu (6 Ob 195/10k; 6 Ob 101/11p; vgl auch zu einem neu bestellten Mitglied 6 Ob 42/13i).
4.3. Weil auch einzelne Organmitglieder antragslegitimiert sind und diesen daher Parteistellung zukommt, kommt auch einem die Abberufung beantragenden Beiratsmitglied Antrags‑ und Rekurslegitimation unabhängig davon zu, ob innerhalb des Beirats ein Einstimmigkeitsprinzip besteht (6 Ob 98/11x; vgl auch 6 Ob 118/11p).
4.4. Sofern nach den angeführten Grundsätzen einzelne Organmitglieder einschreiten, nehmen sie damit zwar nicht eigene Interessen, sondern Belange der Privatstiftung wahr, worin Parallelen zur Prozessstandschaft bestehen. Allerdings schließt das Gesetz das Einschreiten mehrerer Organmitglieder nicht aus, sodass die Handlungen oder Unterlassungen eines einzelnen Organmitglieds in einem derartigen Verfahren nicht zwangsläufig auch Konsequenzen für die Privatstiftung haben. Weil die Organmitglieder im eigenen Namen einschreiten, trifft sie im Fall ihres Unterliegens die verfahrensrechtliche Kostenersatzpflicht nach § 78 AußStrG. Dies stellt auch ein Korrektiv für unbegründete Anträge dar. Damit wird vermieden, dass die Privatstiftung in einem Verfahren, das zur Bestellung oder Abberufung des Stiftungsvorstands oder eines anderen Organs führt, automatisch mit Verfahrenskosten belastet wird, auch wenn sie sich an dem Verfahren gar nicht weiter beteiligt. Auf die materiell‑rechtliche Frage, ob das einschreitende Organ diese Kosten von der Privatstiftung ersetzt erhalten kann, ist im vorliegenden Fall nicht einzugehen.
4.5. Die Kritik von Melicharek (PSR 2015, 10 [13]), in der Folge müssten, „Großverfahren“ geführt werden, weil einer Vielzahl von Personen Parteistellung zukomme, richtet sich in Wahrheit nicht gegen die die Parteistellung der Privatstiftung verneinende Rechtsprechung, sondern gegen die Bejahung der Antragslegitimation einzelner Organmitglieder. Diese Auffassung des Obersten Gerichtshofs kann sich aber ‑ wie dargelegt ‑ auf die unmissverständliche Aussage in den Gesetzesmaterialien stützen. Im Übrigen trifft die Kritik auch aus einer weiteren Überlegung nicht zu: Wie bereits Arnold ausgeführt hat, erfordert die Rechtsprechung zur Bejahung der Antragslegitimation einzelner Organmitglieder nicht, auch all jenen (anderen) Organmitgliedern Rekurslegitimation zuzubilligen, die sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt haben ( Arnold PSG 3 § 27 Rz 32c). Die Einbeziehung einzelner anderer Organmitglieder in ein Bestellungs- und Abberufungsverfahren in Hinblick auf deren potentielle Antrags‑ und Rekurslegitimation hat nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur dann, wenn diese von ihrem Antrags‑ oder Rekursrecht Gebrauch gemacht haben. Für die von Melicharek (aaO) erwogene Übertragung des § 21 FBG auf sonstige Außerstreitverfahren, besteht daher nicht nur keine gesetzliche Grundlage, sondern auch kein praktisches Bedürfnis.
5.1. Damit ist allerdings die Frage nach der eigenen Parteifähigkeit der Privatstiftung im Bestellungs‑ und Abberufungsverfahren nach § 27 PSG noch nicht beantwortet. Diese Frage ist von der Frage, wer die Privatstiftung vertritt, zu trennen.
5.2. Die Frage nach der Parteistellung der Privatstiftung in derartigen Verfahren ist nicht danach zu beantworten, ob die Privatstiftung im Kopf des Antrags oder der Entscheidung angeführt ist. Der Hinweis einzelner Literaturstimmen (vgl Csoklich aaO) auf die formelle Parteistellung geht im vorliegenden Zusammenhang ins Leere. Nach der Rechtsprechung ist im Außerstreitverfahren die Parteistellung des formellen Antragstellers von der Begründung des Antrags abhängig (RIS‑Justiz RS0123813). Ist einem Antrag ein Vorbringen, dass der Einschreiter auch ein eigenes subjektives Recht geltend machen wollte, nicht ausreichend deutlich zu entnehmen, so ist in einem reinen Rechtsfürsorgeverfahren trotz formeller Antragstellung die Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis des Einschreiters zu verneinen (RIS‑Justiz RS0123813). Dies gilt in gleicher Weise für den hier vorliegenden, gewissermaßen umgekehrten Fall, dass ein Antrag (auch) gegen eine Person (hier: die Privatstiftung) gestellt wird, ohne dass in dem Antrag ausgeführt würde, dass ein subjektives Recht gegen die Privatstiftung geltend gemacht werden soll. Bei der gerichtlichen Bestellung oder Abberufung handelt es sich um ein gerichtliches Rechtsfürsorgeverfahren, nicht um eine Entscheidung über eigene materielle Ansprüche der (oder gegen die) Privatstiftung; es geht vielmehr um einen Akt vorsorgender richterlicher Rechtsgestaltung.
5.3. Wird aber kein eigener Anspruch der Privatstiftung oder gegen die Privatstiftung geltend gemacht, so kann der bloß formelle Gesichtspunkt, ob die Privatstiftung als weitere Partei angeführt ist, keinen Einfluss auf deren Parteistellung haben; die bloße (Mit‑)Anführung der Privatstiftung als Antragsgegnerin könnte auch eine bloße ‑ unschädliche ‑ Fehlbezeichnung darstellen, die dann nicht geeignet wäre, dieser selbständigen inhaltlichen Einfluss auf das Verfahren zu verschaffen. Die Frage nach der Parteistellung der Privatstiftung im Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern muss vielmehr anhand inhaltlicher Überlegungen beantwortet werden.
5.4. Auch aus der Rechtsprechung zum Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers lässt sich für die hier zu beurteilende Frage nichts ableiten. Abgesehen davon, dass im Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers die Frage der Auswahl des Notgeschäftsführers gerade nicht bekämpft werden kann (RIS‑Justiz RS0118770), unterscheidet sich die Interessenlage in § 15a GmbHG in mehreren Punkten von derjenigen nach § 27 PSG. Bei der GmbH stellt die Bestellung eines Notgeschäftsführers einen absoluten Ausnahmefall dar. Bei der Privatstiftung sind die Abberufungs‑ und Bestellungskompetenzen des Gerichts demgegenüber Ausdruck der dem Gericht hier zur Vermeidung eines sich aus dem Fehlen von Eigentümern der Privatstiftung ergebenden Kontrolldefizits eingeräumten Kontrollbefugnisse. Außerdem betraf die von der Revisionsrekurswerberin ins Treffen geführte Entscheidung 6 Ob 53/06x, in der die Rekurslegitimation der Gesellschaft in einem Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers bejaht wurde, insofern einen Sonderfall, als die Gesellschaft ordnungsgemäß vertreten war und die Bestellung des Notgeschäftsführers zu Unrecht erfolgt war. Die weiters von der Revisionsrekurswerberin zitierte Entscheidung 6 Ob 79/11b betrifft demgegenüber einen Rekurs eines Gläubigers, sodass daraus für den vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nichts abgeleitet werden kann.
6.1. Nach übereinstimmender Rechtsprechung von VfGH und EGMR sind auch juristische Personen des Privatrechts Träger des Grundrechts nach Art 6 EMRK (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechts-konvention5 [2012] § 13 Rz 13; zu Art 8 EMRK § 22 Rz 4; insoweit kritisch Mayer/Muzak B‑VG5 [2015], 751 mwN). Das bedeutet, dass über deren zivilrechtliche Ansprüche in einem den Vorgaben des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren durch ein Gericht zu entscheiden hat und diese als unmittelbar Betroffene in ihrer Sache als Partei zu beteiligen sind (VfGH VfSlg 11.934; zur Unzulässigkeit der generellen einseitigen Belastung mit Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung VfSlg 11.196, 12.683 uva). Für Statusentscheidungen, die die Geschäftsfähigkeit einer Person betreffen, wird dies klar bejaht (7 Ob 278/08w uva).
6.2. In diesem Sinne ist auch § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG auszulegen, der jeder Person, deren „rechtlich geschützte Stellung“ durch die Entscheidung unmittelbar beeinflusst wird oder würde, Parteistellung einräumt.
6.3. Diese Frage der „Beeinträchtigung“ der rechtlich geschützten Stellung kann nur nach dem Gegenstand des Verfahrens beurteilt werden. Im Firmenbuchverfahren ist die Privatstiftung nach einhelliger Auffassung selbst Partei (6 Ob 49/07k; 6 Ob 42/13i ua). Eine Feststellungsklage gegen eine unberechtigte Abberufung von Vorstandsmitgliedern etwa durch einen Beirat oder Stifter ist gegen die Stiftung als beklagte Partei zu richten, weil diese ein eigenes Interesse der Stiftung betrifft und die umfassende Wirkung der Entscheidung gewährleistet werden soll (6 Ob 41/14v). Auch im Verfahren zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Stiftung gegen Organmitglieder ist unstrittig die Stiftung Verfahrenspartei und nur die Frage, wer diese vertritt, offen ( Arnold , PSG 3 § 29 Rz 13 mwN; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer Gesellschaftsrecht [2008] Rz 7/61).
7.1. Gegenstand des Verfahrens nach § 27 Abs 2 PSG ist grundsätzlich die Abberufung eines einzelnen Vorstandsmitglieds wegen Pflichtverletzung, Unfähigkeit oder Insolvenz. Auch wenn der Vorstand durch entsprechende Beschlüsse zu entscheiden hat, bezieht sich diese Prüfung ‑ ebenso wie etwa auch die Haftung nach § 29 PSG ‑ je nach Abstimmungsverhalten, Aufgaben im Rahmen der Geschäftsordnung etc ‑ immer auf das einzelne Vorstandsmitglied.
7.2. Die Privatstiftungist nach Entstehung ein vom Stifter getrenntes, verselbständigtes Rechtssubjekt. Der Stifter hat nur die im Stiftungsakt oder dem Gesetz vorgesehen Rechte (6 Ob 136/09g; RIS‑Justiz RS0115131). Dementsprechend ist auch zwischen der „rechtlich geschützten Stellung“ der Stiftung als juristischer Person und der „rechtlich geschützten Stellung“ des Vorstandsmitglieds zu unterscheiden. Demgemäß hat der erkennende Senat entschieden, dass die Legitimation zur Bekämpfung der Ablehnung der Eintragung einer Änderung der Stiftungsurkunde nicht den Vorstandsmitgliedern, sondern nur der Privatstiftung selbst zukommt (6 Ob 73/14z).
7.3. Das Vorstandsmitglied, das etwa wegen Insolvenz oder einer Interessenkollision (vgl Arnold,PSG3 § 27 Rz 24) abberufen werden soll, ist naturgemäß in seiner „rechtlich geschützten Stellung“ betroffen. Die strittige Frage liegt also nur darin, inwieweit auch die Stiftung in einer „rechtlich geschützten Stellung“ betroffen ist. Diese Frage ist von der Frage, wer dieses Rechtssubjekt im Verfahren vertritt zu trennen.
8.1. Für die Parteistellung der Stiftung im Abberufungsverfahren spricht schon die Zielrichtung des § 27 Abs 2 PSG über die Abberufung von Mitgliedern eines Stiftungsorgans. Dieses Verfahren soll die Verfolgung des Stiftungszwecks gewährleisten (RIS‑Justiz RS0112248). Schon diese ‑ ausschließliche ‑ Ausrichtung auf die privatrechtlich geschaffene Interessenstruktur der Stiftung spricht dafür, dass dieses Verfahren auch deren „rechtlich geschützte Stellung“ betrifft.
8.2. Nach § 17 PSG „verwaltet und vertritt“ ‑ ausschließlich ‑ der Vorstand die Stiftung. Andere Organe oder einzelne Vorstandsmitglieder können die Vertretung nicht übernehmen (zur Unzulässigkeit einer zu weitgehenden Beschränkung der Geschäftsführung und zur bloßen Wirkung im Innenverhältnis RIS‑Justiz RS0123560; im Zusammenhang etwa RS0115030). Hat die Stiftung nicht die erforderlichen Vorstandsmitglieder, so verliert sie damit faktisch ihre Handlungsfähigkeit und kann etwa erforderliche rechtsgeschäftliche Erklärungen nicht setzen. Erfolgt nun die Abberufung unberechtigt und unterbleibt die Bestellung eines neuen Stiftungsvorstands, so kann durch die dadurch eintretende (faktische) Handlungsunfähigkeit der Stiftung ein Schaden entstehen. Hier ist etwa an das Unterbleiben von Optionserklärungen im Rahmen des Aktienbesitzes der Stiftung etc zu denken. Auch umgekehrt ist der Eintritt eines Schadens denkbar, wenn etwa unberechtigt die Abberufung ‑ etwa eines immer säumigen Stiftungsprüfers oder eines einzelnen pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieds ‑ unterblieben ist bzw verweigert wurde.
8.3. Die Privatstiftung wird durch einen einseitigen privatrechtlichen Rechtsakt (RIS‑Justiz RS0123557) geschaffen. Sie ist bis zum Tod durch den Stifter in gewisser Weise und unter bestimmten Voraussetzungen von diesem gestaltbar (6 Ob 102/12m, zur Vertretung durch Sachwalter RIS‑Justiz RS0118046). Der Stifter kann dabei in gewissem Umfang auch die Organstruktur bestimmen (§§ 9, 14 (2) PSG; zu den Grenzen bei zwingend zugewiesenen Aufgabenbereichen gesetzliche vorgesehener Organe und zu deren Unabhängigkeit 6 Ob 239/08b; zur Mindestfunktionsdauer RIS‑Justiz RS0126677). Auch bei der Besetzung des Vorstands ist der Stifter innerhalb dieser Grenzen frei (§ 15 PSG); die diesbezügliche Kompetenz des Firmenbuchgerichts ist demgegenüber nur subsidiär (6 Ob 130/13f). Der Stifter kann daher ‑ sofern er nicht selbst Begünstigter ist ‑ etwa auch sich selbst einsetzen und/oder eine Selbstergänzung vorsehen (6 Ob 164/12d).
8.4. Unter Beachtung dieser Freiräume des Stifters bei der Gestaltung der Organstruktur und der Besetzung einerseits und den typischerweise bestehenden Freiräumen des Vorstands etwa bei zum Gemeinwohl geschaffenen Stiftungen muss die Besetzung mit konkreten Vorstandsmitgliedern auch der „rechtlich geschützten Stellung“ der Stiftung als juristische Person zugerechnet werden. Denkt man etwa an den Fall einer vorgesehenen Selbstergänzung des Vorstands bei einer gemeinnützigen Stiftung so wäre diese Stiftung bei einer Abberufung aller Vorstandsmitglieder nach dem Tod des Stifters auf eine Bestellung von Vorstandsmitgliedern durch das Gericht angewiesen und würde damit gewissermaßen ihre „Persönlichkeit“ ändern.
9.1. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass der Privatstiftung grundsätzlich auch im Verfahren zur gerichtlichen Bestellung oder Abberufung Parteistellung zukommt. Damit ist jedoch noch nichts über die Frage ausgesagt, wer die Privatstiftung in diesem Verfahren vertritt.
9.2. Diese Frage kann nur im Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern problematisch sein. Soweit es um die Bestellung und Abberufung anderer Organe geht, kann von vornherein keinem Zweifel unterliegen, dass die Interessen der Stiftung auch im Gerichtsverfahren vom Stiftungsvorstand wahrgenommen werden.
9.3. Schwieriger ist die Beurteilung für Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands. Bei der Vertretung der Stiftung beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern kommt in § 17 Abs 5 PSG der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass eine Vertretung der Privatstiftung durch ein Vorstandsmitglied im Fall einer Interessenkollision nicht möglich ist. Nach völlig einhelliger Auffassung hat ein Vertreter bzw Beauftragter ausschließlich im Auftraggeberinteresse zu handeln; er hat die Interessen des Auftraggebers vor seine eigenen zu stellen ( Rubin in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON § 1009 Rz 26; Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1009 Rz 6 ff; Strasser in Rummel, ABGB³ § 1009 Rz 21 ff). Aus diesem Grund sind im Allgemeinen auch Doppelvertretung und Insichgeschäft unzulässig (vgl Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1009 Rz 14 ff; Rubin in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON § 1017 Rz 12; Strasser in Rummel , ABGB³ § 1009 Rz 21 ff). Schon soweit die Gefahr einer Interessenkollision droht, handelt der Machthaber insoweit ohne Vertretungsmacht (vgl zu Doppelvertretung und Insichgeschäft 5 Ob 179/09v; RIS‑Justiz RS0019639, RS0055534). Auch außerhalb von Doppelvertretung und Insichgeschäft kann bei Widerstreit mit einem unmittelbaren Eigeninteresse des gesetzlichen Vertreters das Vorliegen eines Kollisionsfalls zu prüfen sein (vgl 2 Ob 10/08x; vgl auch zum Gesellschaftsrecht Bkd 107/87).
9.4. Für das Abberufungsverfahren nimmt die herrschende Meinung in Liechtenstein eine Interessenkollision an. Von Vorstandsmitgliedern, die sich gegen die dem Abberufungsverfahren zugrundeliegenden Vorwürfe zur Wehr setzen, könne nicht erwartet werden, dass sie gleichzeitig im selben Verfahren unabhängig die Interessen der Privatstiftung wahrnehmen ( Gasser , Liechtensteinisches Stiftungsrecht Art 552 § 29 Rz 25 mwN).
9.5 Die Rechtsprechung in Liechtenstein hat versucht, diesem Interessengegensatz im Verfahren zur Abberufung des Verwaltungsrats dadurch Rechnung zu tragen, dass stets ein (Kollisions‑)Kurator bestellt werden müsste, dessen Aufgabe es sei, die behaupteten Vorwürfe objektiv, eigenständig und losgelöst vom Rechtsstandpunkt der befangenen Stiftungsräte zu prüfen (vgl die Nachweise bei Gasser aaO). Zuletzt hat der Liechtensteinische Staatsgerichtshof jedoch ausgesprochen, dass dies nicht automatisch erforderlich sei, sondern in Hinblick auf die damit verbundene Verfahrensverzögerung ein massives Hindernis bei der Durchsetzung des materiellen Rechts darstelle (StGH 2. 7. 2013, StGH 2011/193; dazu Gasser aaO Rz 32). Dabei geht der Staatsgerichtshof im Ergebnis davon aus, dass das Gericht die Interessen der Stiftung in einem amtswegig zu führenden Verfahren ausreichend wahren kann.
9.6. In der aufgezeigten möglichen Interessenkollision liegt ein wesentlicher Unterschied zum Verfahren über eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung eines Stiftungsvorstands, die gegen die Privatstiftung zu richten ist (6 Ob 41/14v). Anders als im Bestellungs‑ und Abberufungsverfahren besteht in dieser Konstellation nämlich kein geradezu typisches Vertretungsdefizit auf Seiten der Privatstiftung, kann diese doch im Regelfall durch die ordnungsgemäß bestellten neuen Organe vertreten werden; diesfalls ist zumindest in aller Regel von einem Gleichlauf zwischen den Interessen der Privatstiftung und denjenigen ihrer Organe auszugehen.
10.1. Damit stellt sich die Frage, in welcher Weise den Bedenken in Richtung einer möglichen Interessenkollision im Verfahren zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands in Österreich Rechnung zu tragen ist. Dabei lässt sich die Rechtsprechung aus Liechtenstein wegen des anders ausgestalteten Stiftungsrechts und vor allem wegen der dort anders ausgestalteten Überwachung der Stiftung, im Zuge derer im Vergleich zum österreichischen Recht weitergehende Befugnisse des Gerichts bestehen, nicht ohne weiteres auf Österreich übertragen.
10.2. Nach Auffassung des erkennenden Senats entspricht es den im vorigen aufgezeigten Grundsätzen des Privatstiftungsrechts und der darin dem Stiftungsvorstand zukommenden Rolle eher, dem Stiftungsvorstand nicht in jedem Verfahren zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands automatisch aus Gründen der Interessenkollision die Befugnis zur Vertretung der Privatstiftung abzusprechen. Vielmehr ist zunächst davon auszugehen, dass dieser weiter iSd § 17 PSG die Privatstiftung zu vertreten hat, wobei er sich dabei jedoch ausschließlich von den Interessen der Privatstiftung leiten zu lassen hat.
10.3. Dafür spricht auch, dass das Verfahren außer Streitsachen durch den Grundsatz der Amtswegigkeit gekennzeichnet ist. Dazu kommt, dass nach dem Gesagten nicht nur die abberufenen Vorstandsmitglieder im eigenen Namen, sondern zusätzlich auch allen Organmitgliedern die Möglichkeit zukommt, sich am Verfahren zu beteiligen. Schon in Hinblick auf diese Ausgestaltung des Verfahrens wird in aller Regel keine Gefahr einer weiteren Schädigung der Privatstiftung dadurch, dass der Vorstand auch in diesen Verfahren die Privatstiftung weiter vertritt, bestehen.
10.4. In diesem Zusammenhang ist auch auf die § 271 Abs 2 ABGB zugrundeliegende Wertung zu verweisen. Demnach bedarf es der Bestellung eines Kurators nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen des minderjährigen Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden könnten. Der Gedanke, dass Mängel der eigenen Vertretung teilweise durch amtswegige Prüfungsbefugnisse des Gerichts ausgeglichen werden können, liegt auch der Rechtsprechung zur Bestimmung der Kosten des Kurators zugrunde. Nach mittlerweile herrschender Rechtsprechung ist dort die Bestellung eines Kollisionskurators dann nicht erforderlich, wenn die Interessen des Pflegebefohlenen vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden können (1 Ob 189/06k SZ 2006/153; RIS‑Justiz RS0048964; Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 276 Rz 19).
10.5. Nur dann, wenn dies im Einzelfall ausnahmsweise erforderlich erscheint, könnte das Gericht einen Kollisionskurator zur Vertretung der Privatstiftung im Verfahren zur Bestellung oder Abberufung von Stiftungsvorständen bestellen. Mit dieser Bestellung erlischt die Befugnis des Vorstands zur Vertretung der Privatstiftung im Verfahren. Das Abstellen auf eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung, die erst konstitutiv die Vorstandsmitglieder von der weiteren Vertretung im Verfahren ausschließt, dient auch der Rechtssicherheit.
10.6. Von der Bestellung eines Kollisionskurators unberührt bleibt die Verpflichtung allfälliger späterer Vorstände, jene Vorstandsmitglieder, die durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Privatstiftung aus der Vertretung im Verfahren von etwa wegen Pflichtverletzung abberufenen Vorstandsmitgliedern Kosten erwachsen sind, auf Ersatz dieser Kosten in Anspruch zu nehmen.
10.7. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass sich die Frage der Notwendigkeit eines Kollisionskurators überhaupt nur dann stellen kann, wenn die Privatstiftung nicht über eine ausreichende Anzahl anderer, also nicht von einem Vertretungsausschluss betroffener Vorstandsmitglieder verfügt. Außerdem könnte die nach der Stiftungsurkunde zur Bestellung des Vorstands zuständige Stelle gegebenenfalls ‑ sofern die satzungsmäßige Höchstzahl der Vorstandsmitglieder noch nicht ausgeschöpft ist ‑ weitere Vorstandsmitglieder bestellen, um die unmittelbare Wahrnehmung der Interessen der Privatstiftung im Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern durch die Privatstiftung selbst zu gewährleisten. Im Ergebnis liegt damit die Verantwortung für die Gewährleistung der Vertretung der Privatstiftung auch insoweit ‑ dem Konzept des PSG entsprechend ‑ weitgehend bei der Ausgestaltung der Stiftungsurkunde durch den Stifter.
10.8. Ob gegebenenfalls ausnahmsweise auch andere Organe in Vertretung der Privatstiftung einschreiten können (vgl zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Vorstand Arnold, PSG3 § 29 Rz 13 mwN; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] Rz 7/61; zur Erweiterung der Aufgaben des Aufsichtsrats allgemein zurückhaltend Arnold aaO § 25 Rz 38 ff mwN), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
10.9. Damit sind die sich im Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung bestehenden Vertretungsprobleme nicht auf Ebene der Parteistellung der Privatstiftung, sondern auf Ebene der Vertretungsbefugnis zu lösen. Dies hat auch den Vorteil, dass dadurch die Parteistellung der Privatstiftung für die Abberufung bzw Bestellung aller Organe, nicht nur des Vorstands, einheitlich beurteilt werden kann und nur auf Ebene der Vertretungsbefugnis zu differenzieren ist.
10.10. Dies bedeutet, dass die Privatstiftung sich in einem Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern ‑ vertreten durch den Vorstand ‑ beteiligen kann, sofern die Vorstandsmitglieder nicht nach dem Gesagten durch die Bestellung eines Kollisionskurators ausnahmsweise von der Vertretungsbefugnis im Verfahren ausgeschlossen sind.
11. Im vorliegenden Fall wurde der Vorstand durch das Erstgericht bereits bestellt und diesem Beschluss mit 25. 9. 2014 nach § 44 AußStrG vorläufige Verbindlichkeit zuerkannt. Die Rekursbeantwortung stammt vom 13. 10. 2014 und wurde von der Privatstiftung durch ihren Vertreter ohne nähere Ausführungen zur Vollmacht erstattet. Es ist daher davon auszugehen, dass die Rekursbeantwortung der Privatstiftung vom neuen Vorstand beauftragt wurde. Irgendein Ansatz für eine Interessenkollision, die im vorliegenden Fall eine ausreichende Wahrnehmung der Interessen der Privatstiftung durch den Stiftungsvorstand ausschließen würde, ist nicht ersichtlich und wurde dem Beschluss des Rekursgerichts auch nicht zugrundegelegt. Damit liegt eine nach wie vor aufrechte Entscheidung des Erstgerichts vor, in dem dieses die Eignung der bestellten Vorstände festgestellt hat und auch ausdrücklich festgelegt hat, dass diese ohne weiteren Aufschub die Privatstiftung verwalten und vertreten sollen.
Daher war der Zurückweisungsbeschluss spruchgemäß ersatzlos zu beheben.
12. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 AußStrG. Das amtswegige Aufgreifen der Frage der Parteifähigkeit der einschreitenden Privatstiftung durch das Rekursgericht löst keinen einer separaten kostenersatzrechtlichen Beurteilung zugänglichen Zwischenstreit aus. Über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird vielmehr das Rekursgericht im Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache zu erkennen haben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)